Erschienen in Ausgabe: No. 32 (2/2008) | Letzte Änderung: 21.03.10 |
von Stefan Groß
Daß
Gärten, insbesondere englische Landschaftsgärten, nicht aus der
Mode gekommen sind, wie Goethe einst noch kritisch in einem Gespräch
mit Carl August Varnhagen von Ense bemerkte, zeigt nun eine
Ausstellung in Wien, die sich unter dem Titel: Oasen der Stille,
Die großen Landschaftsgärten in Mitteleuropa mit dieser
Thematik auseinandersetzt, die vom 6. Juni bis 18. November 2008 im
Liechtenstein Museum in der Wiener Rossau zu sehen ist.
Nicht nur in Österreich wurde Gartengeschichte geschrieben, sondern
gerade auch im Thüringer Raum sind Gartenanlagen zu finden, die als
kleine Juwele der Gartenkunst betrachtet werden können, wie eine
neue Publikation, die 2007 im Böhlau-Verlag erschien, nunmehr
unterstreicht.
Zentrales Thema der Dissertationsschrift von Susanne Müller-Wolff
ist der Landschaftsgarten in Weimar – der Park an der Ilm, den sie
aus dem Blickwinkel der Kunsthistorikerin analysiert. Um es bereits
hier zu sagen: Es ist ein gut recherchiertes und sehr gut
ausgestattetes Buch, das aufwendig und mit einer Vielzahl von Bildern
gestaltet wurde, was auch dem Umstand zu verdanken ist, daß es
großzügig von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen und Thüringen
finanziert worden ist.
Müller-Wolff zeichnet nicht nur die Geschichte des herzoglichen
Parks an der Ilm nach, gibt Einblicke in seine Entstehungsgeschichte,
sondern nimmt auch Stellung zum ästhetischen Diskurs.
Kunstgeschichtliche Detailanalysen und Einblicke in die
Ästhetikdiskussion des ausgehenden 18. Jahrhunderts verschmelzen im
Buch miteinander, das, was nicht zu übersehen ist, seine Vorbilder
in den hervorragenden Büchern von Adrian von Buttlar Der
englische Landsitz 1715-1760, Symbol eines liberalen
Weltentwurfs, (Mäander-Verlag, Mittenwald 1982) und Michael
Gamper Die Natur ist republikanisch, Zu den ästhetischen,
anthropologischen und politischen Konzepten der deutschen
Gartenliteratur im 18. Jahrhundert (Königshausen & Neumann,
Würzburg 1998) hat.
Der Garten an der Ilm wäre ohne Goethes wirkmächtigen Einfluß
undenkbar gewesen, ein Umstand, dem auch Müller-Wolff immer wieder
Rechnung trägt, wenn sie sowohl Goethes jugendliche Spielerei für
die Gartenkunst als auch seine veränderte Welt- und Kunstsicht nach
der Italienreise beleuchtet, wobei sie Goethes Gehaltsästhetik der
sensualistischen Wirkungsästhetik Hirschfelds gegenüberstellt.
Selbst wenn über den Dichter und den Weimarer Gelehrten eine
Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten vorliegen, ist die
spannungsreiche Auseinandersetzung Goethes mit der Gartenkunst mit
Ausnahme der Schriften von Werner Busch, Ernst Osterkamp, Michael
Niedermeier, Erwin Redslob und Ulrich Müller weitestgehend
unterbelichtet. Goethes Verhältnis zur Gartenkunst wird nach wie
vor, und daran war er selbst nicht unbeteiligt, als Episode in seinem
Leben begriffen.
Um so mehr erfreut es, daß Müller-Wolff in ihrem Buch Ein
Landschaftsgarten, Die Geschichte des herzoglichen Parks
in Weimar Goethes Weimarer Zeit und die Genese des Parks, der
wie sie ausdrücklich betont, eine Schöpfung von Carl August ist,
nachzeichnet. Dabei wird ebenso das freundschaftliche Verhältnis des
Frankfurter Bürgersohn und promovierten Juristen zum jüngeren
Herzog bedacht, das als Beginn einer ästhetischen Erziehung gedeutet
wird, als auch sein eigenes Natur- und Kunstverständnis
ausgeleuchtet. So sehr Müller-Wolff dabei Goethes Schriften Einfache
Nachahmung der Natur, Manier, Stil, seinen Triumph
der Empfindsamkeit, das gemeinsam mit Schiller und Meyer verfaßte
Werk Über den Dilettantismus, die Briefe analysiert,
bleibt die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Schriften zu
historisch, wird letztendlich nur das wiederholt, was aus der
Goetheforschung hinlänglich bekannt ist. Auch Müller-Wolffs
weiträumige Auseinandersetzung mit der Gartenästhetik in der
Nachfolge von Christian Cay Lorenz Hirschfeld findet sich in aller
tiefgreifenden Ausführlichkeit bereits bei Michael Gamper, der auch
dann immer wieder die Schriften des der Kantischen Philosophie
verpflichteten Gartentheoretikers Johann Christian August Grohmann in
den Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Studie rückte.
Als profunde Kennerin und fundierte Kunstwissenschaftlerin entpuppt
sich Müller-Wolff, die davon ausgeht, daß sich Goethes verändernde
ästhetische Natursicht anhand seiner Stellung zur Gartenkunst
nachweisen läßt, dort, wo sie die Veränderung der barocken Anlagen
in einen nach englischem Vorbild geschaffenen Landschaftspark
nachzeichnet, wo sie die einzelnen Staffagen beschreibt, den
Tiefurter Park, den Musenhof der Herzogin Anna Amalia, in den Blick
rückt, die Einflüsse der bedeutenden Landschaftsszenarien von Gotha
und Wörlitz auf die Gestaltungsmaßnahmen in Weimar untersucht. Auch
daß sich die Gestaltungsmaßnahmen im Ilm-Park eigentlich einer
Katastrophe verdanken, der verheerende Schloßbrand im Jahr 1774
nötigte nicht nur den jungen Herzog, Ausweichquartiere zu suchen, in
die er sich, wie in das Borkenhäuschen und später in das Römische
Haus, zurückziehen konnte, wird als auslösendes Ereignis der Arbeit
vorangestellt. Damit einher geht, wie Müller-Wolff betont, ein
Strukturwandel der höfischen Geselligkeit, die wie bereits Goethe
bemerkte, die Lust am Landleben genoß.
Kurzum: Für alle Freunde der Weimarer Klassik und für die
enthusiastischen Gartenbesucher, die einen gründlich
tiefergreifenden Einblick in die Geschichte des Ilm-Parks gewinnen
wollen, sei dieses Buch empfohlen.
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