Erschienen in Ausgabe: No 41 (7/2009) | Letzte Änderung: 22.06.09 |
von Guido Horst
Vielleicht nun doch noch die Enzyklika zu sozialen Fragen in
Zeiten der Globalisierung – aber dann kehrt auch
im Vatikan die Sommerruhe ein. Und hinter uns liegt ein erstes Halbjahr
2009, das nicht gerade als nachrichtenarm bezeichnet werden kann. Vom „Fall
Williamson“ bis zur Nahost-Reise des Papstes stand dabei immer wieder das
Verhältnis Roms zu den Juden im Vordergrund. Als Pilger des Friedens hat
Benedikt XVI. im Mai das Heilige Land
besucht. Aber auch dieses Ereignis war nicht ganz ohne.
Noch in seinem Brief an die Bischöfe der katholischen Kirche vom 10. März hatte der Papst von den
„jüdischen Freunden“ gesprochen, die geholfen hätten, Missverständnisse nach
dem „Fall Williamson“ auszuräumen. Wo waren diese jüdischen Freunde jetzt, als die linke und liberale Presse Israels, aber
auch manche offiziellen Vertreter des Judentums, nach dem Jad
Vashem-Besuch über den Papst herfielen (von deutschen
Kollegen einmal ganz zu schweigen)? In einer bewegenden Ansprache hatte
Benedikt XVI. das tiefe Mitgefühl der
Kirche für alle Opfer des Holocausts zum
Ausdruck gebracht. Vor allem aber sprach er in Jad Vashem über Gott:
„Der Gott von Abraham, Isaak und Jakob ist der Gott des Friedens. Die Heiligen
Schriften lehren uns, dass es unsere Aufgabe ist, die Welt daran zu erinnern,
dass dieser Gott lebt, auch wenn wir es manchmal
schwierig finden, seine geheimnisvollen und unerforschlichen Wege zu
begreifen. Er hat sich selbst offenbart und wirkt auch weiterhin in der
Menschheitsgeschichte.“
Der gewöhnliche Jude zwischen Jerusalem und Tel Aviv, zwischen Galiläa und Rotem Meer weiß sehr
wenig von Christentum, Papst und
römischer Kirche. Doch der Papst setzt auf das eine Buch, das Juden und
Christen verbindet. In Jad Vashem zitierte er aus dem Buch des Propheten Jesaja und der Genesis, aus den Psalmen
und den Klageliedern. Kurz zuvor bei Präsident Peres den Propheten
Jeremia, das Buch Exodus und ebenfalls die Psalmen. Da hatte er schon am
Flughafen eindringlich die Tragödie der Schoah mit den sechs Millionen toten
Juden beklagt und den Antisemitismus in vielen Teilen der Welt als „völlig
inakzeptabel“ verurteilt.
Aber vielen genügte das nicht. Im Nachhinein muss
man den Eindruck haben, dass diese grundsätzlicheBotschaft des Papstes
in Israel gar nicht gehört werden wollte, sondern man vor allem die eigene
Messlatte an jedes Wort und jede Geste Benedikts legte. Und diese Messlatte ist für die Juden der Holocaust. Während der
Papst trotz der Schoah doch immer wieder vom „summum bonum“, dem „höchsten
Gut“, nämlich Gott ausgeht und zu Ihm zurückkehrt, scheint für die Juden von heute das „summum malum“, das „größte Böse“ im
Mittelpunkt des Denkens stehen: der Holocaust als das wohl teuflischste
Verbrechen der Menschheitsgeschichte.
Dass in der
israelischen Presse nach dem Jad VashemBesuch zu lesen war, der Papst hätte sich entschuldigen sollen, als Deutscher, als Papst für die Kirche,
dafür, dass er (unfreiwillig) in der Hitler-Jugend und in der Wehrmacht war, er hätte „murdered“ statt „killed“ sagen
sollen, die Karfreitagsfürbitte des
alten Ritus zurücknehmen, den „Fall Williamson“ wieder aufrollen und
sich insgesamt betroffener in der Holocaust-Gedenkstätte zeigen müssen – sind
das nicht Anzeichen dafür, dass man dann,
wenn man immer nur vom „summum malum“ ausgeht und nicht vertrauensvoll
auf das „summum bonum“ schaut, auf eine
merkwürdige Weise taub wird für das aufrichtig Gute, das einem jemand entgegen bringt? Selbst an einem Schreckensort wie
Jad Vashem verkündete Benedikt XVI. die frohe Botschaft vom lebendigen Gott. Doch viele Juden wollten nur
das große „Sorry“ hören – ein „Sorry“ von den anderen, das oft von der eigenen Verantwortung ablenkt, im
Umgang mit den geschundenen Palästinensern die verzeihende Vernunft zum
Ausgangspunkt einer wirklichen Friedenspolitik zu machen.
Der Papst hat im Heiligen Land keinen Augenblick ausgelassen, um seine Vision des Friedens deutlich zu machen. Ein Friede, der letztlich auf dem
Glauben an den einen Gott Abrahams gründet, den Christen, Muslime und
Juden anbeten. Das war sein roter Faden. An
dem hat er sich, konsequent und ohne sich verbiegen zu lassen, durch das Heilige Land, das „Labor des
Weltfriedens“ gezogen. Nicht das „summum malum“, der Holocaust, ist für Benedikt XVI. das letzte Maß,
sondern das „summum bonum“, Gott. Ein
Maß, das Christen und ihre älteren
Brüder im Glauben, das die Kirche und die Juden für immer verbinden
sollte.
Guido Horst ist Chefredakteur des Vatikan-Magazins (www.vatikan-magazin.de)
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.