Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 22.06.09 |
von Pressestelle Klassik Stiftung Weimar
Seit 2008 gehört die Klassik Stiftung Weimar zu den von der
Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder im Rahmen des
KUR-Programms geförderten Einrichtungen. Die finanzielle Unterstützung der
Kulturstiftung des Bundes ermöglichte ein Projekt zur Konservierung und
Restaurierung von fünf historischen Tasteninstrumenten aus dem Bestand der
Klassik Stiftung.
In der vergangenen Woche kehrte das erste Instrument nach
einem Dreivierteljahr aus der Restaurierungswerkstatt Wolfgang Wenke in
Eisenach an seinen alten Aufstellungsort, das Gesellschaftszimmer der Maria
Pawlowna (»Zedernzimmer«) im Stadtschloss, zurück. Es handelt sich um den 1811
von Sébastien Erard (Erard Frères) in Paris gefertigten Hammerflügel. Jüngste
Archivstudien haben die Vermutung bestätigt, dass dieses besonders elegante Instrument
aus dem Besitz der Zarentochter und späteren Großherzogin Maria Pawlowna
stammt. Es ist mit nur geringfügigen Veränderungen komplett erhalten geblieben.
Erard ist als einer der größten Erfinder in die Geschichte des Klavierbaus
eingegangen, da er mit zahlreichen Innovationen die Qualität der
Klavier-Mechanik nachhaltig verbesserte.
An den vier Hammerflügeln und einem Tafelklavier lässt sich
die Entwicklung der Klavierkunst vom späten 18. bis zur Mitte des 19.
Jahrhunderts paradigmatisch ablesen. Dass diese fünf Instrumente an
historisch-authentischen Orten der Kulturstadt Weimar überliefert sind, macht
ihren außergewöhnlichen Reiz aus.
Für die Realisierung des Projekts hat die Klassik Stiftung
Weimar drei Kooperationspartner gewinnen können: die Hochschule für Musik Franz
Liszt in Weimar, das Greifenberger Institut für Musikinstrumentenkunde und das
Händel-Haus in Halle. Gemeinsames Ziel ist es, die Einbindung des Weimarer
Musiklebens in europäische Entwicklungszusammenhänge künftig stärker zu
betonen.
Der Bau von Tasteninstrumenten durchlief im 19. Jahrhundert
ein Stadium rasant aufeinanderfolgender Neuerungen. Nach dem Erfolg der
frühen süddeutschen, Wiener und Londoner Instrumente vor und um 1800 führte
der Siegeszug des Hammerflügels in das große öffentliche Konzert. Zum Nachteil
der Instrumente experimentierten einige Hersteller zur Erzielung eines
stärkeren Tones, wie ihn die wachsenden Auditorien erforderten, z.B. mit
dickeren Saiten oder zogen drei statt der bisher üblichen zwei Saiten pro Ton
auf. Der daraus resultierenden verstärkten Zugkraft erwies sich die Statik
eines weitgehend aus Holz gefertigten Instrumentenkorpus vielfach als nicht
gewachsen. Durch die Veränderungen an den Klavierinstrumenten und die sich
wandelnden Musikstile ist nur noch ein Bruchteil von der riesigen Anzahl
einst vorhandener Klaviere vom späten 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
erhalten, was die Weimarer Sammlung besonders wertvoll macht.
Die Mechanik des Erard-Flügels von 1811 basiert auf einer
Innovation, die die Firma allerdings nur wenige Jahre umsetzte – der
Zugzungenmechanik. Bei dieser heute nur noch sehr selten anzutreffenden
Mechanik wird die Zunge des Hammerstiels mit einem Bügel nach unten gezogen
und somit der Hammer gegen die Saite geprellt. Die Schwachstelle des Weimarer
Instruments ist der Resonanzboden. Er wird durch den starken Saitenzug
verwölbt. Dagegen sind die - für ein solches Instrument frühe - starke
Eisenarmierung des Stimmstockes, die Corpuskonstruktion und die Hammermechanik
solide Grundlagen einer mehrere Generationen überdauernden Klavierbaukunst.
Durch den später gewählten Standort im Tiefurter Schloss,
der dem Instrument zu viele Klimaschwankungen mit einem kurzzeitigen
Luftfeuchtestau bescherte, erlitt der Flügel in den vergangenen drei
Jahrzehnten eine Schädigung, die sich in starkem Schimmelbefall und
Metallkorrosionen zeigte. Diese Schäden mussten jetzt beseitigt, die Bauteile konserviert
und kleine Veränderungen an der Besaitung korrigiert werden. Beim darauf
folgenden Stimmen des Instrumentes wurden aus der Erhöhung des Saitenzuges
resultierende Veränderungen an Corpus und Resonanzboden genau vermessen. Die
Stimmtonhöhe wurde so gewählt, dass keine weiteren Schäden auftreten werden.
Nach der Restaurierung zeigt sich der Flügel in einem Zustand, welcher der
Benutzungszeit des Instruments entspricht und eine Referenz-Tonaufnahme
ermöglicht.
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