Erschienen in Ausgabe: No. 34 (4/2008) | Letzte Änderung: 17.01.09 |
von Ewald Zachmann
Politische
Turbulenzen haben Horst Seehofer (59) in sein Amt gespült, wie
zuweilen das Meer eine Flaschenpost ans Land, deren Botschaft man
nicht kennt. Sein Werdegang zeigt: er ist ein Mann der Partei, der
also seine Karriere nicht außerhalb, sondern in und über seine
Partei, die CSU machte. Mit 20 Jahren wurde er Mitglied der JU, mit
21 der CSU, seit 1980 Bundestagsabgeordneter der CSU, ab 1994
stellvertretender Parteivorsitzender, seit Oktober 2008 deren
Vorsitzender, nachdem er 2007 mit dieser Ambition noch an dem Tandem
Huber/Beckstein scheiterte. Seehofer hat sich als Sozialpolitiker
nach oben gearbeitet, wurde Vorsitzender der Christlich Sozialen
Arbeitnehmer (CSA), verkörperte für viele die „Fraktion der
Herz-Jesu-Sozialisten“ in der CSU.
Er hat
Regierungsarbeit gelernt als parlamentarischer Staatssekretär von
1989 bis 1992, Bundesgesundheitsminister von 1992 bis 1998 mit harten
Reformen der Strukturen im Gesundheitswesen, gab 6 Monate ein
Gastspiel als Landesvorsitzender des VdK Bayerns, was diesem
Sozialverband über 20 000 neue Mitglieder bescherte, bevor er 2005
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher wurde.
Seehofer
war das politische Pendant zu Edmund Stoiber, der sich aufmachte,
Bayern wirtschaftlich an die Spitze in Deutschland zu puschen, nach
innen schmerzliche Reformen forcierte, den „Gürtel enger
schnallen“ ließ, knapp die Kanzlerschaft verfehlte und schließlich
seine Entourage gegen sich aufbrachte, weil er lieber in München
bleiben wollte als unter Merkel Minister zu werden, nachdem mit dem
Abgang von Müntefering der Plan, alle Parteivorsitzenden in das
Kabinett einzubinden, gescheitert war. Seehofer gehörte nicht zur
Entourage Stoibers, hielt aber zu diesem, weil er wohl erkannte, dass
das Tandem Huber/Beckstein kein gleichwertiger Ersatz war. Die
Entwicklung gab ihm recht. Dennoch wäre er nicht Vorsitzender der
CSU und Ministerpräsident geworden, wenn die Landtagswahl nicht so
verlustreich ausgegangen wäre. Da die CSU die Bodenhaftung verloren,
manche Menetekel nicht wahrnahm, sondern sich auf die „gottgleiche“
Formel Bayern ist gleich CSU verließ, fiel die Niederlage deutlicher
aus als selbst Seehofer geahnt hatte, den seine Partei noch 1 Jahr
vorher als Vorsitzender verschmähte.
Dabei
gibt es ein historisches Beispiel, nämlich Bernhard Vogel. Er war
von 1976 bis 1988 ein beliebter Ministerpräsident in
Rheinland-Pfalz, zuvor Kultusminister. Die CDU wollte ihn loshaben,
er sei zu alt, zu lange Regierungschef, blockiere die Jungen. Vogel
trat zurück. Die Wahl ging für die CDU verloren, seither regiert in
Rheinland-Pfalz die SPD. Vogel war dann 11 Jahre erfolgreicher
Ministerpräsident von Thüringen, welche Ironie für die CDU in
Rheinland-Pfalz. Mit Stoiber hätte die CSU zwar kein 63% mehr
geholt, aber die Mehrheit wohl nicht verloren. Denn er demonstrierte
Kraft, Entschiedenheit und personalisierte den Wirtschaftsaufschwung
Bayerns. Mit dem „sozialen Gewissen“ Seehofer an seiner Seite
hätte die CSU wenigstens die Mehrheit der Mandate erringen können,
während das Tandem Huber/Beckstein von Monat zu Monat, in den
letzten Wochen vor der Wahl sogar galoppierend politisch an Ansehen
verlor. Diese hausgemachte Schwäche schwemmte die FDP und die Freien
Wähler in den Landtag. SPD und Grüne verharren dagegen in ihrem
30%-Topf.
In ihrer
Not rief die CSU Seehofer, einen Politiker, der Regierungserfahrung
besitzt, auf die Menschen sozial beruhigend wirkt, zu keiner
Seilschaft in der Landtags - CSU gehört, die sich bei der
Nominierung eines neuen Ministerpräsidenten gegenseitig blockierten.
Seine „späte Vaterschaft“ wurde ihm verziehen. Dieser muss nun
beweisen, dass er nicht nur die Richtlinien eines Regierungschefs
umsetzen kann, was er als Bundesgesundheitsminister unter Helmut Kohl
bewiesen hat, sondern selbst die Vorgaben in einer
Koalitionsregierung formulieren und von „seiner Regierung“
durchsetzen lassen kann. Die politischen Turbulenzen, die seine
Partei erschüttert haben, treffen mit den Folgen der internationalen
Finanzkrise und landesinternen Fehlentwicklungen zusammen. Seehofer
muss nun zeigen, ob er die Qualität und die Schlagkraft eines
Querschnittspolitikers besitzt, der ein Ministerpräsident in einer
solchen Zeit sein muss. Bisher war er nur für ein Ressort zuständig,
jetzt muss er alle Bereiche beachten und aufeinander abstimmen, was
in einer Koalitionsregierung und mit einer vielköpfigen und
–stimmigen Opposition in und außerhalb des Landtages nach fast
50-jähriger Alleinherrschaft der CSU in Bayern eine historische
Herausforderung ist. Wenn er scheitert, wird die CSU weiter an
Bedeutung im Freistaat und in Deutschland verlieren. Der erste Test
wird 2009 die Europawahl sein. Dort muss die CSU in Bayern allein
soviel Stimmen holen, dass sie bundesweit die 5 % - Hürde schafft.
Ansonsten fliegt sie aus dem Europaparlament. Seehofer ist also der
Wendepunkt der CSU, nach unten und nach oben.
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