Erschienen in Ausgabe: No 43 (9/2009) | Letzte Änderung: 29.10.09 |
Arnold Benz, Das geschenkte Universum, Astrophysik und Schöpfung, Patmos Verlag, Düsseldorf (Juli 2009, 174 Seiten, Gebunden, ISBN-10: 3491725445, ISBN-13: 978-3491725447, Preis: 18,00 EURO
von Heike Geilen
"Das Universum
ist keine Uhr, die ruhig vor sich hin tickt, sondern ein Abenteuer.",
stellt Arnold Benz, Professor für Astrophysik an der Eidgenössischen
Technischen Hochschule Zürich, fest. Der Autor lässt diesen Satz nicht
unkommentiert im Raum stehen, sondern stellt dem Leser diesen einzigartigen
"Abenteuerspielplatz" in seinem neuen Buch "Das geschenkte
Universum" vor.
Benz präsentiert jedoch nicht nur die wahrhaft
faszinierenden neuen Erkenntnisse seines Wissenschaftszweiges, sondern er befragt
sie gleichzeitig aus der Perspektive des menschlichen Denkens. In drei Teile
hat er sein Buch gegliedert: "Werden und Staunen", "Vergehen und
Erschrecken", "Schöpfung und Deutung". Regen zum einen die
unvorstellbare Weite, die Vielfalt und raffinierte Komplexität, aber auch der
Reichtum an Beziehungen und die allgegenwärtige kosmische Vernetzung zum
Staunen an, so hat die Dynamik des Universums auch ihre Schattenseiten, die
sich im Zerfall aller Dinge - einschließlich unserer menschlichen Existenz -
offenbaren. Und dies ruft wiederum nach Orientierung.
Zunächst nimmt Arnold Benz den Leser auf einen Streifzug in
unsere kosmische Umgebung mit, in den "lokalen Flaum", eine
siebentausend Grad heiße, interstellare Gaswolke, deren Hitze wir aufgrund der
äußerst geringen Dichte von nur wenigen Atomen pro Kubikzentimeter, nicht
spüren. Unser Sonnensystem befindet sich derzeit an dessen Rand und wird ca.
200 000 Jahre benötigen, um es zu durchqueren. Dieser lokale Flaum wiederum
schwebt wie eine Daune in einem noch viel heißeren Gas, der "Lokalen
Blase" (ein Relikt durch Supernovae vor einigen zehn Millionen Jahren),
mit einer Temperatur von einer halben Million Grad und den unvorstellbaren
radialen Ausmaßen von 150 Lichtjahren. In dieser Blase hat bereits die "kosmische
Menopause" eingesetzt. Neue Sterne werden hier nicht mehr geboren. Dafür
sind die "wilden Jungen" verantwortlich, die sogenannten
Molekülwolken (Dunkelwolken). Die uns nächsten liegen im Sternbild des
Schlangenträgers, 370 Lichtjahre von uns entfernt.
Fasziniert folgt der Leser den Ausführungen des Professors,
wenn er Stern- und Planetenentstehungen erklärt, erläutert, warum Planeten
kreisen, wie unser Mutterstern - die Sonne - aufgebaut ist und
"arbeitet" sowie skizzenhaft auf das Phänomen Urknall oder Schwarze
Löcher eingeht. Doch dieses interstellare Chaos aus Werden und Vergehen, diese brodelnde,
galaktische Suppe aus Atomen, Gasen und Magnetfeldern birgt auch ganz andere Erkenntnisse.
Spätestens wenn man in einem ruhigen Moment in einer sternenklaren Nacht zum
Himmel emporschaut, können unvergessliche Augenblicke erwachsen, in denen die
Zeit stillzustehen scheint, ein Atemzug, in dem sich Verstand und Gefühl
begegnet. Gerade in solchen Momenten wird klar, dass die Erlebniswelt des
Menschen größer ist als der Bereich der Naturwissenschaften. "Das Wahrnehmen der 'Stille' ist keine
naturwissenschaftliche Beobachtung. Die Stille der Sterne kann daher nicht
astronomisch erklärt werden, und muss es auch nicht.", stellt Arnold Benz
fest. "Diese 'Außengrenze' ist im
Dialog mit den Geisteswissenschaften entscheidend." Und damit leitet
er gekonnt zu seinen weiteren Kapiteln über.
Naturwissenschaftliches,
philosophisches und theologisches Universum
Mit teilweise sehr philosophischen Zeilen und tiefsinnigen
Gedankengängen vermittelt Benz zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften.
Theologische Gesichtspunkte werden eingeflochten. Denn das Empfinden dieses
Werden und Vergehen lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu. "Wir sind auf dem Weg, der in vielem
ungewiss ist und an dessen Rand die Legion der Nichtmehrseienden liegt, die
infolge der Veränderungen auf der Erde umkamen und damit die Last der
Entwicklung mittrugen, dank der es heute Tiere und Menschen gibt.",
ist so ein wunderschöner Satz aus der Feder des Astrophysikers, der dem Leser
(s)eine andere Seite zeigt. "Leben
ist Risiko, aber jedes Risiko ist eine Chance. (...) Die Entwicklung des
Universums, die Entstehung des Lebens und die Existenz jedes Menschen in dieser
Welt haben auch gemeinsam, dass sie einer offenen Zukunft entgegengehen",
dass nicht alles Naturwissenschaftliche wirklich ist und auch nicht bis ins
letzte Detail ergründet werden kann.
"Um den ganzen
menschlichen Wirklichkeitshorizont zu umfassen, muss unsere Reise ins All
schließlich auch zu uns selbst führen, zu unseren ureigenen Erfahrungen der
Wirklichkeit. Auch sie sind ein Teil des Universums.", stellt der
Autor treffend fest. Er spricht religiöse und teilnehmende Wahrnehmungen und
die Tiefe der Wirklichkeit an. "Das
intuitive Sichfinden in der Welt liegt außerhalb des Rahmens der objektiven
Wissenschaft, ist jedoch eine Erfahrung, die zur Orientierung hilft und somit
von existenzieller Bedeutung sein kann." Aber immer weist Arnold Benz
auf die zwei völlig verschiedenen Ebenen von naturwissenschaftlichen Messungen
zu religiösen Erfahrungen hin. Ein Vermischen soll und darf nicht stattfinden. "Es ist aussichtslos, in
wissenschaftlichen Resultaten einen Beweis für Gott oder auch nur einen
Schöpfungsplan zu suchen.", postuliert Benz. Aber physikalische
Vorgänge nicht einfach als gegebenen Normalzustand, sondern wie ein Geschenk zu
empfinden, macht sie als Schöpfung erkennbar. Und Schöpfung bezieht sich auf
den Sinn des Lebens und dem Sinnzusammenhang des Ganzen. Und gerade diese Frage
können die Naturwissenschaften nicht beantworten, weder positiv noch negativ. "Wie wir unser Leben deuten, so deuten
wir auch das Universum. Das Ende spannt mit dem Anfang einen Bogen, und der
Sinn muss im Ganzen liegen. Die Welt als Schöpfung zu deuten, heißt zu
begreifen und sich daran zu freuen, dass uns die lebensnotwendigen Dinge von
gütiger Hand geschenkt werden."
Fazit:
Theologische Sichtweisen sind in heutigen
naturwissenschaftlichen Publikationen nicht zu finden. Metaphysische Fragen
werden umgangen, sind nicht-konsensfähig. Aber das Transzendente erhält
unzweifelhaft im Erfahrungshorizont der persönlichen Existenz Bedeutung. Solche
Erfahrungen liegen außerhalb des Rahmens der objektiven Wissenschaft, sind aber
lebenswichtig. Denn die Frage nach dem Wesen des Universums berührt ohne
Zweifel die menschliche Existenz.
"Das geschenkte Universum" ist ein großartiger
Monolog des Naturwissenschaftlers Arnold Benz über Astrophysik und Schöpfung,
der beide Bereiche klar trennt, aber trotzdem gegenständlich betrachtet. "Es geht schließlich um nichts weniger
als die Frage, warum wir hier sind und wo unser Platz ist im Ganzen."
(A. Benz)
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