Erschienen in Ausgabe: No 46 (12/2009) | Letzte Änderung: 16.11.09 |
Corinna Hesse, Antje Hinz, Israel hören. Das heilige Land, Sprecher: Rolf Becker, Silberfuchs-Verlag (Mai 2008), 1 CD, ca. 80 Minuten, ISBN-10: 3940665002, ISBN-13: 978-3940665003, Preis: 24,00 EURO
von Heike Geilen
Am nördlichen Ende des gewaltigen, 6000 Kilometer langen
Grabenbruchs, der die afrikanische Erdplatte von der arabischen trennt, liegt
ein Land, das eine bewegte Geschichte hinter sich hat und dessen politische und
religiöse Vergangenheit auch in jüngster Zeit immer wieder die Zündschnur für
vielfältige blutige Auseinandersetzungen liefert.
Schon immer war Israel ein Land der Gegensätze. Allein geografisch
kann es mit einer Fülle Divergenzen aufwarten. In En Gedi am Toten Meer mit
seinen heilenden Salzen und der gesunden Luft liegt zum Beispiel der tiefste
Punkt der Erde - mehr als 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Die fruchtbaren
Flusstäler des Jordans wechseln sich mit kahlen Gebirgszügen und faszinierenden
Wüstenlandschaften ab. Diese geografischen Kontroversen erzeugen zum Teil
schroffe Wetter- und Jahreszeitenwechsel. „In
der sommerlichen Trockenzeit bleibt der Regen aus, das Land verdorrt. Herbst
und Winter bringen heftige Stürme und Gewitter.“, weiß der Sprecher des
Hörbuches „Israel hören“ - der Schauspieler Rolf Becker - zu berichten.
Wissensreiches und
interessantes Zeitzeugnis eines widerspruchsvollen Landes
Zum Chaos
der Natur gesellt sich das nicht immer friedliche Miteinander seiner Menschen, hervorgerufen
durch ein Potpourri verschiedener Glaubensrichtungen, von denen zwei ihren
Ursprung in diesem Land haben: das Juden- und das Christentum. Moses führte die
Israeliten Ägyptens aus 500 Jahre Sklaverei in das Land Kanaan - wie es damals im
Vorderen Orient hieß. Jesus wurde hier geboren, wirke als Wanderprediger und
verkündet das Reich Gottes, in welchem das Böse enden und das Gute vollkommen
wird, bis er - der Aufsässige - gekreuzigt wird. Später baut man in Jerusalem die
Grabeskirche über seinem offenen Grab.
In
unglaublich fesselnden 80 Minuten spannt die Produktion des
Silberfuchs-Verlages der beiden Kulturjournalistinnen Corinna Hesse und Antje
Hinz einen großen zeitlichen Bogen von der Antike und der ersten frühen
Hochkultur (in Megiddo, einer mehr als 5000 Jahre alten Stadt im Norden Israels,
fand sich ein Fragment des sumerischen Gilgamesch-Epos, der ältesten erhaltenen
Literatur der Menschheit) bis in die heutige Gegenwart. Unterlegt mit
musikalischen Beiträgen, die den gesprochen Text harmonisch und authentisch
untermalen, ist dieses Hörbuch erneut ein überaus wissensreiches und
interessantes Zeitzeugnis eines widerspruchsvollen Landes. Äußerst sensibel
wird dabei die dramatische Geschichte von Vertreibung, Verfolgung,
Wiederbesiedlung und die große Friedenssehnsucht Israels erzählt. Corinna
Hesse, die Autorin konzentriert sich dabei vor allem auf die frühe Geschichte
des Landes und spürt dem nach, was die Juden, das Volk Israel, überhaupt erst
zu dem gemacht hat, was es ist, und welche Spuren es in anderen Kulturen
hinterlassen hat. Der Holocaust wird zwar nicht ganz verschwiegen, spielt aber
ebenso wie die Moderne nur eine geringe Rolle. Verbindende Elemente sind immer
wieder die drei großen Weltreligionen, die die Autorin abseits der
religiös-politischen Reibungsflächen überaus behutsam einflicht und dadurch
eine sensitive Brücke zwischen Orient und Okzident schlägt.
Mittelpunkt der Welt
„Israel
hören“ reiht sich erneut wohltuend ein in die Serie anspruchsvoller, aber immer
leicht verständlicher Hörbücher über Länder und ihre Kulturen, die aus dem Haus
in Kayhude, vor den Toren Hamburgs gelegen, kommt. Alle zeichnet ein fundiert
recherchierter Inhalt in einer spannenden, lebendigen, abwechslungsreichen und
ausdrucksstarken Aufbereitung aus. Aber nicht nur der Inhalt der von Roswitha
Rösch künstlerisch gestalteten CD - eine wohltuende Mischung aus Musik (40
Musikbeispiele des jüdischen Kulturraumes) und Wort, vorgetragen von einem
großartig intonierenden Rolf Becker, mit seiner sonoren und wohl modulierten
Stimme - offenbart Opulenz und Vielfalt, auch das 19seitige Begleitheft
überrascht mit einem zusammenfassenden Geschichts-“Stakkato“ und vielfältigen
Abbildungen von archäologischen Funden, Tempelreliefs, Ikonenmalereien oder
Fotos der Festungsanlage von Masada und des Felsendoms in Jerusalem. Eine
kleine, feine optische Ergänzung zum akustischen Genuss.
Bleibt
nur zu hoffen, dass dieses Land endlich zur Ruhe kommt, denn Ausdauer und
Geduld hat es längst bewiesen. „Es kam
aus dem Mittelpunkt der Welt, wanderte rund um den Globus und kehrte dann
zurück. Wenn es auf die Weisheit seiner Väter vertraut, können die Söhne
vielleicht in Frieden leben. Die Geschichte ist wie ein Buch, das keinen Anfang
hat und kein Ende.“, leitet Rolf Becker das letzte Kapitel im Hörbuch ein,
um anschließend den israelischen Schriftsteller Amos Oz zu zitieren: „Als kleiner Junge wollte ich, wenn ich
einmal groß wäre, ein Buch werden. Nicht Schriftsteller, sondern ein Buch:
Menschen kann man wie Ameisen töten. Auch Schriftsteller umzubringen ist nicht
schwer. Aber Bücher - selbst wenn man versuchte, sie systematisch zu
vernichten, bestand immer die Chance, dass irgendein Exemplar überlebte und
sich weiterhin eines Regallebens in der Ecke einer abgelegenen Bibliothek
erfreute. Menschen kommen und gehen, werden geboren und sterben, doch Bücher
sind unsterblich.“
Ein
kleines bisschen unsterblich ist auch dieses Hörbuch.
Fazit:
„Israel
hören“ weckt wohltuend jenseits von jeglichen Vorwürfen und Wertungen
Verständnis, Neugier und Interesse für die jüdische Kultur, die die
abendländische nicht wenig beeinflusst hat. Das Hörbuch ist eine überaus
spannende und lehrreiche Reise durch ein fremdes, aber zeitweilig auch
vertrautes Land. Den Hörer erwarten anspruchsvolle Informationen in 21 kurzen
etwa vier-minütigen Kapiteln.
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