Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 12.02.10 |
von Bettina Röhl
Anti-It-Girl Helene Hegemann verletzt offenbar notorisch Urheberrechte
Dritter. Ihr Buch, eine etwas verkorkste Ansammlung von Wörtern, ist,
unbeschadet dessen dass gerade so etwas von der Rezension zu Kunst erklärt
wird, offenbar ein Konglomerat von geistigen Diebstählen zu Lasten unbekannter
Urheber. Hat sich die Kunstszene eben noch in Sachen Kunst selber blamiert und
auch in Sachen Psychologie an dem Persönchen des Teenagers verhoben, so wabert
jetzt die Phalanx der (un)kulturellen teils fanatischen Verteidiger des
plagiierenden durchgeknallten und dümmlichen Problemhakens namens Hegemann mit
großbramsigen Redereien über ein angeblich sinnloses Urheberrecht durch die
Feuilletons. Dort wird immer wieder, wenn auch sicher unfreiwillig, eine Lex
Hegemann propagiert, die Klauen dürfe, weil das Urheberrecht in ihrem
speziellen Fall, aber nolens volens auch grundsätzlich, voll daneben sei.
Geistiges Eigentum ist Vermögen und Handelsware. Wer das Urheberrecht, den
parallel laufenden Patentschutz, den Markenschutz und überhaupt den Schutz
geistigen Eigentums abschaffen will, mit undurchdachten Quatschereien über das
Internet, wo sich angeblich Urheberrechte „verwischen“, der hat sie nicht alle
beisammen. Klar ist allerdings: bei Aufhebung oder qualitativer Einschränkung
des Schutzes geistigen Eigentums als Vermögenswert und Handelsware würde die
Wirtschaft schneller zusammen brechen als die Polizei erlaubt. Das Ergebnis
wäre geistiger Stillstand. Insofern ist das, was die Feuilletonisten oder die
Jury des Leipziger Buchpreises sich leisten, nämlich Klauen und Plagiieren zu
verniedlichen und gar zu honorieren, als regelrecht gefährlich zu bezeichnen.
Die Feuilletonisten, die Hegemann und ihren Verlag immer noch verteidigen,
sägen an dem Ast, auf dem sie selber sitzen.
Gerade die Kulturszene lebt vom Kapitalismus
Hier offenbar sich, dass die Kulturszene
von Wirtschaft und von Recht keine Ahnung hat. Gerade die Kulturszene lebt, oft
genug parasitär vom Kapitalismus, vom Wirtschaftsystem, vom Rechtssystem und
das Wirtschafts-und Rechtssystem würde bei Abschaffung zum Beispiel des Urheberrechtes
schneller kollabieren, als die Polizei erlaubt. Geistiges Eigentum ist Vermögen
und Handelsware. Und zum Beispiel alle Verlage, ob Buch oder Zeitung oder TV
leben von nichts anderem als vom Urheberrecht, das sie verkaufen. Nichts wäre
leichter und profitabler, als sich morgens um 5 Uhr das erste Exemplar der
BILD-Zeitung zu greifen und es sofort auf eine Druckmaschine zu legen und an
alle Kioske der Republik zu liefern und zum Beispiel für 20 Cent an den Mann zu
bringen. Wofür braucht man noch eine Redaktion, die von dem Verlag bezahlt
wird, die das täglich erarbeitete Urheberrecht verkauft?
Reprint heißt die Devise, ein bisschen Remix im Internet und
überhaupt das oben erwähnte eingescannte Exemplar der BILD-Zeitung ließe sich
ja auch noch mit einem Mausklick auf einer eigenen Seite ins Netz stellen. Und
für diese Kopie gäbe es dann auch Werbung, die sich schließlich nach der
Klickzahl berechnet. Dass sich ausgerechnet so viele Journalisten finden, die
peinlich genau auf ihre eigene Urheberschaft achten und sich vom Verlag
bezahlen lassen, der, wie gesagt, nichts anderes als Urheberrechte verkauft,
hinstellen und darüber fabulieren, wie man die Verhaltensweise der 17-jährigen
Göre bemänteln kann, macht keinen Sinn. Nur das Mädel soll offenbar sein
„Urheberrecht“ an seinen Plagiaten unbedingt behalten und in bare Münze
umsetzen.
Sollen die Geschädigten etwa dankbar sein?
Den Plagiatsgeschädigten wie Airen (SuKultur Verlag) oder dem Filmemacher
Benjamin Teske, die ganz bescheiden und geängstigt den Finger heben, wird übel
genommen, dass sie nicht leise den Ausverkauf ihrer Rechte oder ihrer
Lebensgeschichte erduldet haben und so die Phantasieblasen vom Wunderkind in
den Köpfen einiger Feuilletonisten regelrecht zum Platzen gebracht haben.
Gelegentlich wird sogar proklamiert, dass die geschädigten Rechtsinhaber
dankbar zu sein hätten, dass ihre unbekannt gebliebenen Werke durch den Klau
auch ein bisschen Öffentlichkeit abbekommen. Und immer wieder tauchen Goethe
und Shakespeare, Brecht usw. in diesem Zusammenhang auf, geradeso als hätte
Klein-Hegemann mit denen irgendetwas zu tun.
Die Verlagswirtschaft kämpft mit Google und anderen ums Überleben und um die
Anpassung des Urheberrechts an neue Entwicklungen und da sollte sich die
Kulturszene wirklich nicht von einem ungezogenen Mädchen zu einem an Irrsinn
grenzenden Realitätsverlust hinreißen lassen. Das Buch von Hegemann ist eine
einzige lautstarke und teils brutale Hasstirade, womit Hegemann auch
kokettiert. So etwas wird leicht irrig für Kunst gehalten. Eine Diskussion über
eine qualitative Verwässerung des Urheberrechtes, wie sie jetzt immer wieder
bemüht versucht wird, ist jedenfalls vollkommen abwegig.
Hegemanns Buch ist eine einzige Hasstirade
Die aktuelle Entscheidung der Verantwortlichen in Leipzig das Hegemann-Buch
in die Kandidatenliste für den Buchpreis der Leipziger Buchmesse in der
Kategorie Belletristik trotz aller sich inflationär mehrenden Plagiatshinweise
ist gefährlich und dumm. Die Jury-Vorsitzende Verena Auffermann tönt: „Diese
junge Frau ist unserer Auffassung nach extrem begabt“. Sie verschweigt, in
welchem Fach die junge Frau extrem begabt wäre. In brutaler Selbstvermarktung
ist Hegemann bislang jedenfalls ungebührlich erfolgreich. Derweil lässt sich
der Ullstein-Verlag offenbar dahin ein, dass die gebrochenen Urheberrechte
nachträglich „geregelt“ würden und verspricht offenbar, dass Prozesse vermieden
würden. Freikaufen nennt man sowas. Ob das für einen Buchpreis der richtige Weg
ist?
Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Röhl (www.welt.de)
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.