Erschienen in Ausgabe: No 49 (3/2010) | Letzte Änderung: 26.02.10 |
von Constantin Graf von Hoensbroech
„Wer die Wahrheit sucht, sucht
Gott – ob er es weiß oder nicht“, lautet eines der bekannten Zitate der
heiligen Edith Stein, die nicht zuletzt durch ihr eigenes Leben und ihr
umfangreiches schriftstellerisches Werk stets selbst auf der Suche nach der
Wahrheit gewesen ist. „Sie ist uns geschenkt worden für unseren Weg durch das
dritte Jahrtausend und unserer Suche nach Wahrheit“, stellt ebenso schlicht wie
treffend Schwester Ancilla Wißling fest. Ein wunderbarer Ort für diese Suche
ist jetzt im Kloster Karmel Maria vom Frieden in Köln entstanden, dem Schwester
Ancilla als Priorin vorsteht: das erweiterte Edith-Stein-Archiv. Nach rund 16
Monaten Bauzeit wurden die Räumlichkeiten eingeweiht. Mit ihren warmen
Holzfarben, dem schrägen Dach sowie den Licht durchfluteten Fenstern strahlen
sie den inspirierenden Geist einer behaglichen Studierstube unter der wohltuend
unauffälligen Einbeziehung aller technisch relevanten Möglichkeiten aus.
Damit ist nicht nur die bauliche
Voraussetzung für die sachgerechte Lagerung von rund 25000 Blättern aus dem
handschriftlichen Nachlass der 1942
in Auschwitz ermordeten Karmelitin jüdischen Ursprungs
geschaffen worden. Mehr noch: Nach der technisch aufwendigen Bearbeitung des
zum Teil schwer beschädigten Nachlasses, der auf abenteuerliche Weise in den
1990er Jahren in den Kölner Karmel gelangte, ist es mit Hilfe eines
Großscanners gelungen, alle Seiten zu digitalisieren und nun der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Vor allem nach derHeiligsprechung im Jahr 1998 sowie ihrer Erhebung zu einer Patronin
Europas im Jahr darauf haben das wissenschaftliche Interesse an der 1891 in Breslau geborenen
Nonne entscheidend befördert und den Konvent veranlasst, für die Begegnung mit
dem Leben und dem Studium des geistlichen Werks von Edith Stein geeignete
Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Dies war wohl auch eines der
Motive der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, um das Edith-Stein-Archiv mit einem
namhaften Betrag zu fördern. „Die Stiftung will Kultur fördern, aber sie
verbindet damit zudem einen sozialen Zweck, denn es geht auch um die
Zugänglichkeit von Kultur und dadurch um den Aufbau sozialer Netzwerke“,
betonte Stiftungsvorstand ProfessorBarbara Schock-Werner in ihrer Rede bei der Einweihung des Archivs.
Zahlreiche Vertreter aus Kirche und Gesellschaft bildeten bereits ein solches
Netzwerk, als sie in die Klosterkirche gekommen waren und sich nach dem Festakt
von der Attraktivität und einladenden Atmosphäre der neuen Räume überzeugten.
Im Mittelpunkt steht dabei ein Lesesaal, in dem das Schaffen der Philosophin
und Märtyrerin erfasst und „in einem lebendigen intellektuellen Austausch in
Verbindung mit der Spiritualität des Karmels spürbar werden soll“, so die
Archivleiterin, Schwester Antonia Sondermann. Diese Spiritualität wird nicht
zuletzt durch die Authentizität des Ortes besonders spürbar. Edith Stein lebte
von 1933 bis zu ihrer politisch bedingten Übersiedlung in die Niederlande im
Jahr 1938 in
Köln. In ihrem Testament bat sie Gott unter anderem um die „Heiligung und
Vollendung unseres heiligen Ordens, namentlich des Kölner Karmels“.
Das Testament der Ordensfrau mit
dem Namen Teresia Bendicta a Cruce war auch Ausgangspunkt des Festvortrags von
Andreas Uwe Müller. Der Fundamentaltheologe der Universität Fribourg erinnerte
an die „lebendige Gegenwart und unaufdringliche Heiligkeit“ von Edith Stein. Er
stellte aber auch klar, dass sich lebendige Erinnerung, aus der heraus auch
jeder selbst aufgerufen ist, sein Leben zu gestalten, nicht mit einem Archiv
und dem Aufsammeln von Überresten füllen lässt, „sondern von einem Funken, der
in unsere Herzen fällt“. Mit ihrem Lebenszeugnis und ihren Werken habe Edith
Stein Wegweisendes zur Sprache gebracht. Nun gelte es, diese Überzeugung
weiterzugeben. Durch das Archiv sei es möglich, „dass Edith Stein über ihre
hier aufbewahrten Handschriften und Zeugnisse selbst zu uns spricht“
In diesem Sinne die Person und
das umfangreiche Schaffen von Edith Stein auch für die Kirche und die Verkündigung
fruchtbar zu machen, ist auch eine der Intentionen, die Kölns Generalvikar
Dominik Schwaderlapp mit dem Archiv verbindet. Er wies aber darüber hinaus vor
dem Hintergrund der Ermordung im Konzentrationslager auf einen anderen
bemerkenswerten Aspekt hin: „So wird das Archiv auch eine Gedenkstätte für die
konkrete irdische Existenz von Edith Stein.“
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