Erschienen in Ausgabe: No 52 (6/2010) | Letzte Änderung: 30.05.10 |
"Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestag und dem Bundesrat jährlich zu berichten." (Artikel 114 Grundgesetz)
von Constantin Graf von Hoensbroech
Wenn es um das Offenlegen von Misswirtschaft und
Steuerverschwendung geht, ist der Bundesrechnungshof nicht weit. Zwar hat die
in Bonn ansässige Einrichtung eine im Grundgesetz verfasste Legitimation,
gleichwohl sind ihre Sanktionsmöglichkeiten gering. Doch nicht zuletzt der
immer stärker gewachsene Druck zu nachhaltigem wirtschaftlichem Handeln hat die
Bedeutung und den Einfluss dieser Obersten Bundesbehörde wachsen lassen. Seit
acht Jahren steht Dieter Engels, 60, als Präsident an der Spitze des
Bundesrechnungshofes. Anlässlich eines Besuchs im Kölner Presseclub sprach
Constantin Graf von Hoensbroech mit dem promovierten Juristen.
Herr Professor Engels,
nach dem für die FDP enttäuschenden Landtagswahlergebnis in Nordrhein-Westfalen
verabschieden sich die Liberalen von ihren Steuersenkungsplänen, mit denen die
Bürger ab dem Jahr 2012 entlastet werden sollten. Hätte es aus Sicht des
Bundesrechnungshofes dafür überhaupt Spielraum gegeben?
Lassen Sie mich bitte vorweg Folgendes betonen, damit kein
falscher Eindruck entsteht: Der Bundesrechnungshof ist nicht gegen
Steuersenkungen. Gleichwohl zeigt in der gegenwärtigen Lage allein der Blick
auf die nackten Zahlen, dass es für kreditfinanzierte Steuersenkungen gar
keinen Spielraum gibt.
Wie sehen denn die
nackten Zahlen aus?
Der Bund gibt jährlich 170 Milliarden Euro für
Sozialleistungen sowie 37 Milliarden Euro für Zinsen aus. Damit sind die
Steuereinnahmen bereits ausgeschöpft. Hinzukommen 39 Milliarden Euro für
Personal- und Pensionsausgaben, 28 Milliarden Euro für Investitionen sowie 53
Milliarden Euro für übrige Bereiche. 25 Prozent der Ausgaben müssen somit über
Kredite finanziert werden.
Haben Sie Vorschläge,
wie der Bund seine Einnahmeseite verbessern und auf der Ausgabeseite sparen kann?
Der Bund braucht eine Strategie für den Schuldenabbau und
die Haushaltskonsolidierung. Dazu gibt es aus unserer Sicht verschiedene
Möglichkeiten. So ließen sich beispielsweise etwa zehn Prozent des jährlichen
Beschaffungsvolumens des Bundes für Waren und Dienstleistungen, zurzeit etwa 65
Milliarden Euro, durch Effizienzgewinne einsparen. Steuerausnahmetatbestände
müssen ebenso auf den Prüfstand wie die Subventionen. Da ist vieles nicht mehr zeitgemäß.
Sozialverträgliche Einsparungen im zweistelligen Milliardenbereich sind
möglich.
Ihre Behörde prangert
seit Jahren die mangelhafte Steuergerechtigkeit an…
Das ist in der Tat seit etwa zehn Jahren eines unserer
großen Themen. Nach seriösen Schätzungen könnten etwa bei der Lohn- und
Einkommenssteuer jährlich zwischen 8,4 und 11,5 Milliarden Euro mehr
eingenommen werden, wenn die Steuern so erhoben würden, wie sie erhoben werden
müssten. Allein die konsequente Umsetzung geltender Gesetze könnte also zu
wesentlichen Mehreinnahmen führen.
Welchen Einfluss haben
die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die damit zusammenhängenden politischen
Entscheidungen auf Ihre Arbeit?
Da gibt es Einiges. So haben wir beispielsweise ein eigenes
Team aus über 30 Mitarbeitern gebildet, das sich mit der Prüfung der von der
Bundesregierung verabschiedeten Konjunkturpakete befasst. Außerdem sind wir
beim sogenannten Bankenrettungsschirm beteiligt, weil wir auch die Geldhäuser,
die aus dem Bundeshaushalt Geld erhalten, prüfen. Und drittens prüfen wir seit
drei Jahren nun auch die gesetzlichen Krankenkassen.
Können Sie Erfolge
verbuchen?
Durch unsere Prüfungen legen wir nachrechenbar jährlich
einen Effizienzspielraum zwischen 1,5 bis zwei Milliarden Euro offen. Wahrscheinlich
ist die Summe deutlich höher, weil wir in einem Jahr nunmal nicht den gesamten
Bundeshaushalt prüfen können. Zudem beobachten wir, dass die meisten
Ministerien und Behörden immer offener mit den Vorschlägen des
Bundesrechnungshofes umgehen.
Wer kontrolliert
eigentlich den Bundesrechnungshof?
Der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags. Und
er macht das sehr gewissenhaft und kommt jährlich mit einer größeren Gruppe von
Berlin nach Bonn. Wir sind immerhin eine Bundesbehörde mit über 1200
Mitarbeitern und einem Etat von rund 110 Millionen Euro.
Im Grundgesetz wurde
im vergangenen Jahr die Schuldenbremse verankert, die den Bundesländern
praktisch die Kreditaufnahme verbietet und dem Bund für neue Schulden enge
Grenzen setzt. Was versprechen Sie sich davon?
Die Schuldenbremse ist ein erster Schritt in die richtige
Richtung und vom Ansatz her effektiver als die bislang im Grundgesetz
beschriebenen Regelungen zur Schuldenbegrenzung. Gleichzeitig ermöglicht sie in
Krisenzeiten Spielräume, etwa für ein strukturelles Defizit von neun Milliarden
Euro nach heutigen Werten. Unter dem Diktat der Schuldenbremse werden nun
womöglich alte Forderungen wichtig und Maßnahmen ergriffen, um
Steuergerechtigkeit herzustellen. Dazu zählt vor allem die Entflechtung des
Kompetenzwirrwarrs zwischen Bund und Ländern und mehr Transparenz bei den
Finanzströmen. Die Form des beschönigend umschriebenen kooperativen
Föderalismus, in der nicht mehr nachvollziehbar ist, wer eigentlich fachlich,
finanziell oder parlamentarisch Verantwortung trägt, muss aufhören. Auch hier
sehen wir Entlastungspotentiale im zweistelligen Milliardenbereich.
Um wesentlich größere
Summen geht es bei der Sanierung von Griechenland. War der Bundesrechnungshof
mit Bezug auf den deutschen Beitrag eingebunden?
Nein, hier handelt es sich um eine politische Entscheidung,
die der Bundesrechnungshof nicht zu beurteilen hat. Ich kann nur soviel sagen:
Es ist durchaus positiv, dass die Bundesregierung eine Entscheidung zur
Griechenland-Hilfe über den Bundestag gesucht hat, obwohl das nicht nötig
gewesen wäre. Der im Haushaltsgesetz festgelegte Bürgschaftsrahmen ist um
einiges größer als die nun beschlossenen Garantien. Ich
würde mir allerdings von allen Beteiligten, auch von den Medien, neben
europapolitischen Argumenten eine größere Wertschätzung ökonomischer Argumente
wünschen.
Herr Professor Engels,
vielen Dank für das Gespräch.
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