Erschienen in Ausgabe: No 52 (6/2010) | Letzte Änderung: 30.05.10 |
von Guido Horst
„Am Abend, als er
verraten wurde, nahm er das Brot...“ Die Einsetzung der Eucharistie – und
gleich daneben der Verrat. Diesem zentralen Verwandlungsvorgang der Erde bleibt
also der schlimmste Abfall von Gott überhaupt für immer eingeritzt wie eine
Narbe – als ewige Erinnerung an die Ursünde des Menschen: Gott, seinem Vater
und dem Vater alles Guten, in aller Freiheit den Rücken zu kehren.
Mit dieser Narbe muss die Kirche leben. Genau genommen ist
sie eine vollkommene Gesellschaft. Ob man das heute noch von den Staaten und
Nationen sagen kann, sei einmal dahingestellt. In der politischen Philosophie
und der Theologie sind „vollkommene Gesellschaften“ dadurch definiert, dass sie
autarke oder unabhängige Gemeinschaft darstellen, die alle zur Verwirklichung
ihres umfassenden Ziels notwendigen Mittel und Bedingungen selbst besitzen und
keiner übergeordneten Gemeinschaft unterworfen sind. Für die katholische Kirche
gilt das. Für die Staaten – man denke an Griechenland – wohl nur noch in
Ausnahmefällen. Die Kirche, so schrieb Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika
„Immortale Dei“, „ist eine vollkommene Gesellschaft eigener Art und eigenen
Rechtes, da sie alles, was für ihren Bestand und ihre Wirksamkeit notwendig
ist, gemäß dem Willen und kraft der Gnade ihres Stifters in sich und durch sich
selbst besitzt. Wie das Ziel, dem die Kirche zustrebt, weitaus das erhabenste
ist, so ist auch ihre Gewalt allen anderen weit überlegen, und sie darf daher
weder als geringer betrachtet werden als die bürgerliche Gewalt,noch dieser in irgendeiner Weise
untergeordnet werden“. Das Ziel der Kirche, das Erlösungswerk Jesu Christi hier
auf Erden fortzusetzen und die Getauften – die Heiligen wie die Sünder - in den
Himmel, zu Gott zu führen, ist ein über alles erhabenes Ziel. Und die Kirche
verfügt über alle Gnaden und alle Vollmacht, dieses Ziel auch alleine zu
erreichen.
Was in den vergangenen Wochen geschehen ist, stellt wieder
einmal den Versuch dar, die Verhältnisse umzukehren. Medien und Politiker
spielen sich zu Richtern über das Katholische auf. Die Missbrauchsskandale
kamen gerade recht, um die Kirche und ihre Vertreter wie Paria zu behandeln.
Mit einer unglaublichen Wut zerren Journalisten selbst am Ärmel des Papstes und
versuchen, ihn in den Schlamm der Vergehen von Geistlichen an Kindern
hineinzuziehen. Das Spiel geht seit der Aufklärung so. Die Pfaffen sind die
Doofen, die Kirchgänger sind katholisches Herdenvieh und was die Mönche unter
ihrer Kutte treiben, das weiß niemand so genau. Und wie verächtlich „die Welt“
vom Papst sprechen kann, musste man in den zurückliegenden Wochen wieder
erleben.
Das Spiel ist nicht neu. Neu ist nur, dass mancher auch
innerhalb der Kirche allmählich ähnlich denkt. Offen für die Welt wollte man
sein, hieß es nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Endlich anerkannt, mit
Wissenschaft und Kultur im Dialog auf gleicher Augenhöhe. Es war ein
Trugschluss. „Die Welt“ kann die Kirche nicht verstehen – und mancher in der
Kirche versteht sich selbst nicht mehr.
Denn die Kirche ist eine Kirche von Sündern, die aber über
alle Heilmittel verfügt, um ihre inneren Leiden zu überwinden und auch den
Sünder zu Gott zu führen. „Die Welt“ übrigens kann das nicht von sich sagen.
Sie schafft es nicht, aus den Staaten Paradiese auf Erden zu machen. Denn nur
um die Erde muss sie sich kümmern – und kommt hier unten nie ans Ziel. Vatikan
und katholische Bischofskonferenzen haben in den vergangenen Wochen
schreckliche Verbrechen durch Geistliche entdecken müssen. Doch den Kreuzweg zum
Heil kann jeder Sünder gehen, wenn er den alten Adam in sich kreuzigt. Es wurde
gesündigte, dass sich die Balken biegen. Doch das Allerheiligste ist mitten
unter uns. Jesus Christus, der die Sünde und den Tod ein für alle Mal
überwunden hat. Darum hat Benedikt XVI. die Kirche in Irland gebeten, den Weg
zur Läuterung und zu einem neuen Aufblühen mit einer vermehrten eucharistischen
Anbetung zu beginnen.
Vollkommen sein, heißt für die Kirche nicht, ohne Sünde zu
sein. Die Kirche ist keine Besserungsanstalt, keine Sittenpolizei und kein
Moralinstitut. Sie ist eine Gemeinschaft von Sündern, die Jesus Christus jedoch
nie mehr im Stich lassen wird. Auf Ihn muss sie schauen, der in der Eucharistie
mitten unter ihr gegenwärtig ist. Und wer das Allerheiligste aus den Augen
verloren hat und Teil „der Welt“ geworden ist, findet nur bei Ihm die Kraft für
einen Neuanfang. Seit fünf Jahren ist das der Kern der Verkündigung Papst
Benedikts. Er muss jetzt die Kirche durch eine Krise führen. Und er weiß, dass
nur der Fleisch gewordene Sohn Gottes der Weg, die Wahrheit und die Liebe ist.
Bleibt die Kirche Ihm treu, bleibt sie auch eine vollkommene Gesellschaft.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.