Erschienen in Ausgabe: No 52 (6/2010) | Letzte Änderung: 30.05.10 |
von Sylvia Hüggelmeier
Mit dem „Walkürenritt“ als Zugabe
feierten Publikum und David Timm mit dem Mendelssohn-Orchester um Mitternacht im
Westwerk in Richard Wagners 197. Geburtstag hinein. Es sind bereits die 5.
Festtage, die die Richard Wagner Gesellschaft 2013 in Leipzig mit großem
Idealismus und unkonventionellen Veranstaltungen verwirklichte, am 22. Mai mit
der konzertanten Aufführung des 1. Aktes der „ Walküre“ als Höhepunkt.
Dort, wo im letzten Jahrhundert Waffen
und Munition für die beiden Weltkriege geschmiedet wurden, in der großen Halle
der modernsten Gießerei der ehemaligen DDR, erklang jetzt eine der schönsten
und sinnlichsten Musiken, die Richard Wagner je geschrieben hat. Das
Liebesdrama der Geschwister Siegmund und Sieglinde in der rohen Halle des
„Westwerks“ – es konnte auch ohne Bühnenpräsentation nachvollzogen werden, zum
einen weil bei Wagner Form und Inhalt in der Komposition zusammenfließen, zum
anderen das von David Timm 1999 gegründete und von ihm geleitete Orchester zusammen
mit hervorragenden Solisten die „musikalische Prosa“ des berühmten Sohnes der
Stadt emotional erfahrbar machten. Sowohl in der Behandlung der Tempi und ihrer
Modifikation als auch der kammermusikalischen Hervorhebung der solistisch ausgeführten,
durchsichtigen Sätze wandelte Universitätsmusikdirektor Timm ganz auf Wagners
Spuren und führte seine Musiker aus berühmten Orchestern wie dem des
Gewandhauses und des MDR zu einer Homogenität des Klanges , die sich ein
Wagner-Kenner nur wünschen kann. Einer jugendlichen Sieglinde mit strahlendem
Sopran ( Marie-Luise Dreßen vom Theater Gera/Altenburg ) stand der erfahrene Osloer
Sänger Ivar Gilhuus zur Seite, dessen kraftvoller, metallischer Tenor nicht nur
im „Wälse“-Ruf unter die Haut ging, und Hidekazu Tsumayas Hunding-Bass fuhr wie
ein Tsunami durch die Halle.
Mit Feuereifer und virtuos wurde
auch im Festivalklassiker, der „Wagner-Lounge“ musiziert, Crossover in die
elektronische Musik und die Schönheit des Klanges von Wagner-Motiven vor allem
auf dem Saxophon demonstriert, Dem musikalischen „Stern am Leipziger
Musikhimmel“ und auch 1.Vorsitzenden eines auf das Jubiläumsjahr ausgerichteten
Vereins David Timm gelingt es zum wiederholten Mal, nicht nur gute Musiker für
wenig Honorar sondern auch Prominenz einzubeziehen. Auf dem roten Sofa saßen
und plauderten mit Axel Thielmann vom MDR Dr. Eva Märtson ( 1.Vorsitzende des
Internationalen Richard-Wagner-Verbandes), Peter Konwitschny
(Opern-Chefregisseur in Leipzig) und Professor Dr. Joachim Thiery ( Dekan der
Medizinischen Fakultät und Freund des verstorbenen Wolfgang Wagner). Ein Fazit:
„Wir brauchen keine satten Bürger, sondern brennende Herzen“ (Professorin für
Gesang in Hannover Eva Märtson) und „Hauptsache Liebe, das ist Wagners
Botschaft“ (Peter Konwitschny).
Um Liebe aber geht es gar nicht,
wenn Thomas Krakow vom traditionellen Wagner-Verband in Leipzig in diesem Jahr
ein Wagner-Fest mit eigenen Veranstaltungen konkurrieren lässt. „Wem gehört
Wagner?“ titelte bereits die Bild-Zeitung im Mai 2009 und Krakow gab
zähneknirschend zu: „Die Idee hatten die anderen. Da können wir nichts mehr
machen.“ Jetzt hat er doch etwas gemacht , unter der Schirmherrschaft des
Oberbürgermeisters Burkhard Jung und der 90-jährigen auch persönlich anwesenden
Wagner-Enkelin Verena Lafferentz-Wagner zwei Ausstellungen und eine
Festveranstaltung, außerdem publikumswirksam eine Kaffeetafel vor der
Thomaskirche nach dem Motettengottesdienst, der auch zum Programm der von
klassisch bis subversiv schillernden Festtage der Wagner Gesellschaft
2013gehörte.
„Wilde Wagner-Verehrung“ sagt man
ihr nach, wenn über „Schwarze Romantik“ des „Bürgerschrecks Wagner“ referiert,
vom LeipJazzig-Orkester „Opern ohne Worte“ musiziert und improvisiert wird,,
auch die Teilnehmer des internationalen „Wave-Gotik“-Treffens einbezogen sind.
(Die „Walküre“ wurde am Folgetag in Zusammenarbeit mit dem WGT wiederholt). Zur
Eröffnung des Festivals gab es beinahe traditionell die Wagner-Brühe und
Blasmusik auf dem Fockeberg, dem „Grünen Hügel“ Leipzigs, wo im letzen Jahr der
Grundstein für ein „festes Spielhaus“ gelegt wurde. An ein echtes Opernhaus auf
der alten Mülldeponie glaubt allerdings niemand , schon gar nicht eine
Alternative zu Bayreuth, eher an einen „Gag mit ernsthaftem Potential“ wie
David Timm es sieht, der für das Jahr 2013 über eine Ring-Aufführung in der
neuen Aula/Universitätskirche nachdenkt.
„Wagner-eine Baustelle in
Leipzig“- das Motto der diesjährigen Eröffnung, und der „Grüne Hügel“ als
Symbol sagen auch: es gibt noch viel zu tun für die Stadt und die Vereine, am
besten in Absprache und gemeinsam, denn Wagners Musik gehört allen.
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