Erschienen in Ausgabe: No 53 (7/2010) | Letzte Änderung: 29.06.10 |
von Stefan Groß
Dem philosophischen Diskurs der Moderne, wie er sich
exemplarisch im Gespräch des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation mit
Jürgen Habermas 2004 zeigte, stand der derzeitige Papst Benedikt XVI. immer
aufgeschlossen gegenüber. Nicht nur in seiner Bonner Antrittsvorlesung
räsonierte er über das Verhältnis von Philosophie und Theologie, sondern immer
wieder – dies auch aus dem Blickwinkel seiner Existenzphilosophie und seines
Personalismus – ist es das Verhältnis von Glauben und Wissen, das den deutschen
Papst beschäftigt. So nimmt es auch nicht wunder, daß bei aller Kritik, die
derzeit über sein Pontifikat geäußert wird, seine Theologie nicht im Fokus der
kritischen Analyse steht. Selbst Alan Posener, der Benedikts Weltbild für
antimodern erklärt, der ihm ein Rollback in die finsteren Zeiten der
Voraufklärung vorwirft, stellt zumindest eines nicht in Frage: die Theologie
des einst jüngsten Professors für Fundamentaltheologie.
Die Frage ist nur, woraus speist sich dieses Denken?
Analysiert man in diesem Zusammenhang die Vielzahl der Schriften zur Theologie
Benedikts, so wird zwar immer wieder Augustinus als Quelle benannt, nur eine
wissenschaftliche Auseinandersetzung dieser theologischen Verwandtschaft ließ
bislang auf sich warten. Einzig N. Cipriani und C. P. Mayer haben intensiv in
diese Richtung gedacht.
Welch tragende Rolle der Kirchenvater aber im Denken des
Pontifex spielte und immer noch spielt, zeigt überdeutlich die kaum mehr zu
überblickende Vielzahl von Schriften und Exegesen, die Benedikt Augustinus
widmete. Auch und insbesondere sind die letzten drei Enzykliken ohne den
prägenden Einfluß des Kirchenvaters nicht verstehbar. Wie kaum ein anderer ist
der deutsche Papst von der Spätantike geprägt, und letztendlich auch vom Neuplatonismus
und dessen Einfluß auf das Denken Augustinus’, das sich seinerseits keineswegs
nur als genuin christliches verstehen und interpretieren läßt, wie manch ein
christlich inspirierter Augustinusforscher nahelegt. Neben den christologischen
Aspekten sind es eben auch neuplatonische Akzente und Philosopheme, die von
Benedikt immerfort und wortgewaltig in den Mittelpunkt gerückt werden.
Diesem augustinischen Element in seinem Denken widmet sich
nun eine Dissertation aus dem Echter-Verlag, in deren Zentrum die Ekklesiologie,
die Christologie und die Eschatologie Augustinus’ und Benedikts stehen. In
aller Ausführlichkeit zeichnet Joseph Lam C. Quy den Denkweg Ratzingers und
seiner Lehrer (Gottlieb C. Söhngen) und geistigen Väter (John Henry Newmann, Henri de Lubac) nach,
gibt tiefgreifende Einblicke in die Promotionsarbeit des jungen Ratzinger, die
sich mit der Thematik „Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“
beschäftigte, in seine Habilitation und in seine immer wieder geführte
Beschäftigung mit dem Kirchenvater. Der Autor kann mit einem Buch Theologische Verwandtschaft, Augustinus von Hippo und Joseph Ratzinger /
Benedikt XVI. daher zurecht den Anspruch erheben, einen genuinen
Forschungsbeitrag geleistet zu haben, der bislang von der Sekundärliteratur,
aus welchen Gründen auch immer, ausgeklammert wurde.
Joseph Lam C. Quy, Theologische
Verwandtschaft, Augustinus von Hippo
und Joseph Ratzinger / Benedikt XVI., Würzburg 2009.
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