Erschienen in Ausgabe: No 53 (7/2010) | Letzte Änderung: 29.06.10 |
Gott kann ohne Universum existieren, das Universum nicht ohne Gott (Kabbala).
von Nathan Warszawski
Antony Flew begann im Alter von 30 Jahren seine Karriere als
atheistischer Philosoph, die ein halbes Jahrhundert andauern sollte. Im Alter
von 80 Jahren verfasste er das Buch „There Is A God“. Antony Flew starb am 8.
April 2010 im Alter von 87 Jahren.
Flew war der geistige Mentor der „Neuen Atheisten“, wie Richard
Dawkins und Daniel Dennett. Der „Neue Atheismus“, der evolutionäre Humanismus
und der postkommunistische Sozialismus ernähren sich von und leben aus seinen
Erkenntnissen.
Anfänglich war Flew ein Positivist. Er war der Meinung, dass
derjenige, der etwas behauptet, es beweisen muss, und nicht derjenige es zu widerlegen
hat, der es bezweifelt. Nicht die Nicht-Existenz Gottes, sondern die Existenz
Gottes muss bewiesen werden!
Flew war kein Dogmatiker. Er schrieb und sprach in
einfachen, klaren Worten. Er war vonWahrheit besessen, auch wenn sie seinem bisherigen Denken widersprach. „We must follow the argument wherever it leads (Plato: Der Staat)“, war sein
Bekenntnis. Er verließ den Positivismus. „Wenn wir denken, so setzen wir
das Universum, den Zufall, uns, unser Bewusstsein, die Vergangenheit voraus.
All diese Voraussetzungen können nicht bewiesen werden. Diese Annahmen sind
notwendig und somit wahr. Gott und Universum haben dieselbe Qualität. Wer das
Universum fraglos als gegeben annimmt, kann es genauso gut mit Gott tun.“
Er gab sein bisheriges Dogma auf, dass alleine der Deist die
Existenz Gottes belegen muss und der Atheist darauf warten darf, die Theorie
des Deisten zu widerlegen. Nun war der Atheist gezwungen, die Existenz Gottes zu
widerlegen, wenn er behauptete, dass es keinen Gott gäbe. Antony Flew erkannte,
dass weder der Deist, noch der Atheist einen gültigen Beweis Ihrer Anschauung beibringen
können.
Das beweist oder widerlegt weder die Existenz, noch die
Nicht-Existenz Gottes. Flew hätte sich zum Agnostiker entwickeln und dort verbleiben
können. Doch als Philosoph, der mehr als ein halbes Jahrhundert nach Gott
forschte, war er damit nicht zufrieden.
Ein Schlüsselerlebnis hatte Antony Flew zu Anfang des II.
Weltkrieges. Er war Kommunist und Mitglied der Britischen Kommunistischen
Partei. Als Hitlerdeutschland 1939 mit Stalins Sowjetunion einen Pakt abschloss,
erließ die Britische Kommunistische Partei ihren Mitgliedern die
Glaubenswahrheit, dass ein Krieg gegen Deutschland imperialistisch wäre, auch
wenn sich Großbritannien von Deutschland bedroht fühlte. Nach dem Einmarsch
deutscher Truppen in die Sowjetunion war es eine progressive Wahrheit, gegen
Deutschland zu kämpfen. Antony Flew war kein Wendehals und erkannte die Lügen.
Seine postkommunistischen sozialistischen Anhänger verraten ihn bis heute.
Flew erkannte, dass Wahrheit und Wahrheitsfindung von
persönlichen Interessen dominiert werden. Um sich selber davon zu befreien,
beschloss er, die Motive der Atheisten zu erforschen. Seine 50 Jahre währende
Forschung über den Atheismus gab ihm die Möglichkeit, die Beweggründe der
Atheisten zu erkennen.
Im Jahr 2006 erblickte der „Neue Atheismus“ das Licht der
Welt. Er versteht sich als evolutionärer Humanismus. Das bedeutet zweierlei.
Erstens begründet er sich auf die Evolution, wie sie Darwin beschrieben hat.
Zweitens stellt der „Neue Atheismus“ eine Ethik vor, die den menschlichen
Bedürfnissen angepasst ist und von keiner Transzendenz getrübt und abhängig ist.
Hier werden einige Begriffe erklärt, die vielen Akademikern allzu
selbstverständlich erscheinen mögen.
Evolution heißt, dass jede Lebensform sich aus einer
vorherigen Lebensform entwickelt. Ist sie gut ihrer Umgebung angepasst, so
vermehrt sie sich auf Kosten anderer Arten und überlebt.
Ethik befasst sich mit dem richtigen menschlichen Handeln,
um den Menschen vor Schaden zu bewahren und ihm zu nützen: dem einzelnen
Menschen und der menschlichen Gesellschaft.
Transzendenz ist das, was unser irdisches Denken, welches
wir logisches Denken nennen, überfordert.
Da der „Neue Atheismus“ die Transzendenz nicht kennt und
nicht anerkennt, beruht seine menschliche Ethik allein auf menschliches logisches
Denken und nicht auf Gottes Gebote. Diese Philosophie bezeichnet man als
Utilitarismus, die Nützlichkeitslehre des Menschen. Antony Flew sah darin die
Wurzel allen Übels. Darwins Evolutionstheorie wurde von ihm mit Einschränkungen
akzeptiert. Flew sah in der natürlichen Selektion keine Produktion von
Vorteilen, sondern die Eliminierung von Nachteilen. Er stellte sich die
philosophische Frage nach der Notwendigkeit der Evolution und des Lebens, die
er nicht beantworten konnte. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass das
Universum nicht alt und nicht groß genug sei, um zufällig Leben zu erzeugen.
Wissenschaftler glauben fest an die Naturgesetze. Flew
fragte, warum im gesamten Universum dieselben Naturgesetze herrschen, Gesetze,
die einen „Gesetzgeber“ verlangen. Und wer hat die Naturgesetze für das Leben
verfasst?
Dies waren seine Schritte zum Deismus hin. Doch es waren die
Lehren des „Neuen Atheismus“, die ihn veranlassten, nach Gott zu suchen.
Der „Neue Atheismus“ verlangt die Nicht-Existenz Gottes. In
kurzer Zeit wurden Glaubenswahrheiten festgesetzt, deren Nichtbefolgung als Häresie
und Apostasie verstanden und geahndet wurden. Die „Ketzerverfolgung“ ist im
Vergleich zur real existenten Ketzerverfolgung der katholischen Kirche ein
Sonntagsausflug, dennoch reell. Folgende Glaubenswahrheiten brachte der „Neue
Atheismus“ in weniger als einem Jahr heraus:
Das
Universum hat keinen zeitlichen Anfang.Jede
Ursache hat eine Wirkung, jede Wirkung hat eine Ursache.Es
gibt keinen freien Willen.Es
gibt keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier, keinen Unterschied
zwischen belebter und unbelebter Materie.
Im Einzelnen:
Das Universum hat
keinen zeitlichen Anfang.
Hätte das Universum einen zeitlichen Anfang, so könnte man
nach dessen Ursache fragen. Diese wäre notwendigerweise transzendent, da zeitlich
vor und somit nicht von dieser Welt. Da es keine Transzendenz gibt, hat das
Universum keinen zeitlichen Anfang. Problematisch ist die derzeitige wissenschaftlich
allgemeine Anerkennung des „Big Bang“, des Urknalles. Der „Neue Atheist“ weicht
deshalb auf das Multiversum aus, in dem unendlich viele Universen existieren.
Flew sah im Multiversum ein Ausweichmanöver: „Wer das Universumnicht erklären kann, kann auch das
Multiversum nicht erklären.“
Wenn das Universum keinen zeitlichen Anfang hat, dann liegt
es nahe, dass es auch kein zeitliches Ende hat. Das Universum wäre
unvergänglich. Der Erhaltungssatz von Energie und Masse käme zur Geltung. Das
Universum wäre Gott und wir Menschen als Teil des Universums wären göttlich, im
Abbild Gottes erschaffen (Genesis 1,26).
Jede Ursache hat eine
Wirkung, jede Wirkung hat eine Ursache.
Die Wirkung einer Ursache wird selbst zur Ursache und Glied einer
unendlichen Kette. Die atheistische Beziehungsfolge von Ursache und Wirkung
beruht auf die Verneinung der ersten Ursache, die keine Wirkung ist und somit
keine Ursache hat. Ursache und Wirkung sind nachvollziehbar und können
wissenschaftlich erklärt werden. Alles im Universum ist erklärlich. Und kann etwas
dennoch nicht erklärt werden, dann fehlen wichtige Fakten, die noch nicht bekannt
sind. Würden alle Fakten detailliert vorliegen, so könnte alles erklärt werden.
Im Widerspruch zum atheistischen Dogma gibt es wirkungslose
Ursachen und ursachenlose Wirkungen. Die Erkenntnisse der Chaostheorie, die nun
ihren 70. Geburtstag feiert, haben im „Neuen Atheismus“ bisher keinen Eingang gefunden. Die
Chaostheorie selber ist für viele „Neue Atheisten“ eine Blasphemie.
Es gibt keinen freien
Willen.
Warum gibt es keinen freien Willen, wenn man Atheist ist? Weil
jede Handlung eine Ursache hat. Die Wirkung ist somit determiniert, nicht
zwangsläufig vorhersehbar, auf jeden Fall nicht frei.
Selbst unter den „Neuen Atheisten“ wird der fehlende freie
Wille nicht von allen angenommen. Michael Schmidt-Salomon, der Vorstand der neu-atheistischen
giordano bruno stiftung, hat das Buch geschrieben: „Jenseits von Gut und Böse:
Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind.“ Seine kurzgefasste These lautet:
Im Universum gibt es keine Wirkung ohne Ursache. Deshalb gibt es keinen freien
Willen.
Möchte man dem freien Willen anhängen, so verbietet es sich,
Atheist zu sein, behaupten viele der „Neuen Atheisten“.
Bisher herrschte die Meinung, dass nur fundamentalistische
Theisten den freien Willen ablehnen, da alles „Gottes Wille“ sei. Die
dargebrachten Argumente beweisen keinesfalls, dass es den freien Willen gibt
oder nicht gibt, auch wenn Antony Flew sich zum freien Willen bekannte. Die
Probleme, die Flew mit der Negation des freien Willens verband, entsprangen
seinen Erfahrungen während des II. Weltkrieges. Ohne freien Willen lässt sich
jegliche Barbarei beschönigen. Ohne freien Willen gibt es keine Zivilisation.
Ohne freien Willen gibt es keinen Grund zu leben.
Es gibt keinen
Unterschied zwischen Mensch und Tier.
Nach Auffassung der „Neuen Atheisten“ ist der Mensch ein
Zufallsprodukt. Er verfügt über gewisse Fähigkeiten, die ihn von den übrigen
Tieren unterscheiden, jedoch gibt es genügend andere Tierarten, die über
Fähigkeiten verfügen, die keinem anderen Lebewesen zugänglich sind. Somit ist
der Mensch ein Tier. Das Besondere an diesem Tier ist, dass wir (Schreiber,
Leser) Mitglieder dieser Tierart sind. Kein anderes Tier interessiert sich für
diesen Artikel.
Wenn nun aber der Mensch ein Tier ist, dann ist die
menschliche Ethik eine tierische. Wertvorstellungen dürfen nicht auf den
Menschen beschränkt bleiben, alle Tiere müssen einbezogen werden.
Menschliche Vegetarier sind gute Tiere. Doch darf man einen
Hühnerstall mit einem KZ vergleichen? Ist das Töten eines Tieres genauso
moralisch verwerflich wie der Mord an einem Menschen? Gibt es überhaupt den
Mord? Die hebräische Bibel bejaht es, die christliche Bibel nicht. „Du sollst nicht
morden!“ im hebräischen Original entspricht dem christlichen Gebot: „Du sollst
nicht töten!“ (Exodus 20,13).
Wenn wir das Töten eines Tieres mit dem Morden eines
Menschen gleichstellen, dann wird keinem Tier geholfen werden. Lediglich das
Morden von Menschen wird erleichtert. Während Mao Tse-Tung Millionen seiner
Landsleute auf jede erdenkliche Art umbringen ließ, sinnierte er darüber, wie Tiere,
er hatte Kühe im Visier, vom Sozialismus profitieren könnten.
Es gibt keinen
Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie.
Die unbelebte Materie ist das primäre. Somit ist die belebte
Materie aus der unbelebten Materie entstanden. Die Wirkung „belebte Materie“
hat die „unbelebte Materie“ als Ursache. Der Übergang von unbelebter zur
belebten Materie vollzog und vollzieht sich langsam und zufällig über Äonen. Es
gibt unendlich viele Versuche und Irrtümer, unendlich viele Zwischenstufen
zwischen der unbelebten und der belebten Materie, die auch in diesem Augenblick
existieren. Belebte und unbelebte Materie unterscheiden sich, wenn überhaupt,
nur graduell. Nach Ansicht der „Neuen Atheisten“ ist die Unterscheidung
zwischen unbelebter und belebter Materie künstlich, nicht natürlich,
transzendent.
Der Sozialist Flew assoziierte diese Ansicht der „Neuen
Atheisten“ mit dem (frühen) Kapitalismus: Ware und Arbeit, Produkt und Arbeiter
sind gleichwertig.
Waren es die neuen atheistischen Glaubenswahrheiten, die
Antony Flew vom Pfad des Atheismus ablenkten?
Nein.
Es waren die Konsequenzen aus den neuen atheistischen
Glaubenswahrheiten, für die Antony Flew nicht verantwortlich sein wollte.
Während seines Lebens änderte Antony Flew seine philosophischen
Ansichten: vom Atheisten zum logischen Positivisten, vom Positivisten zum rationalen
Theisten. Er folgte der Wahrheit auf Kosten des Dogmas. Da er zuletzt kaum mehr
schrieb, darf über seinen letzten Schritt zum Deisten spekuliert werden. Er war
nicht überzeugt, dass Gott existiert. Ob er an Gott glaubte, ist nicht sicher.
Sicher ist, dass er sich von den Konsequenzen einer gottlosen Gesellschaft
fürchtete.Er war davon überzeugt, dass der
Mensch zu seinem Wohlergehen Gott braucht.
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