Erschienen in Ausgabe: No 53 (7/2010) | Letzte Änderung: 29.06.10 |
von Michael Lausberg
1)Einleitung
Im arabischen Raum existierten
parallel zur christlichen Scholastik verschiedene Philosophen, die auf die
griechische Philosophie zurückgriffen. Die arabische Philosophie besaß aufgrund
der Tatsache, dass über die vollständigen Schriften des Aristoteles verfügt
werden konnte, eine höhere Entwicklungsstufe gegenüber der westlichen
europäischen Philosophie. Erst durch die Übersetzung der arabisch verfassten
Schriften und vor allem durch den Besitz der vollständigen Texte des
Aristoteles gab es eine Erneuerung, die zu einer Neubewertung der Philosophie
in der Hochscholastik führte.
In diesem Beitrag wird zunächst
auf die kurz auf die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen der arabischen
Philosophie eingegangen. Danach werden die fünf wichtigsten arabischen Denker
(Al-Kindi, Al-Farabi, Ibn Sina (Avicenna), Averroes und Al-Gazali) dieser
Epoche vorgestellt. Auf die Beziehungen der arabischen Philosophie mit der
jüdischen wird aus Platzgründen nicht näher eingegangen.
2. Geistesgeschichtliche
Voraussetzungen
Nachdem der Prophet Mohammed
(571-632) mit seiner Lehre die arabischen Wüstenstämme in religiöser und
staatlicher Hinsicht vereinigt hatte, entstand nach jahrhundertelanger
Expansionspolitik ein islamisches Reich, das von Turkestan bis Spanien reichte.
Der religiöse Mittelpunkt der islamischen Kultur verblieb in Mekka, der
Heimatstadt Mohammeds mit ihrem Heiligtum, der Kaaba. An den Rändern der
islamischen Welt bildeten sich zwei Zentren geistiger Kultur: ein östliches um
den Hof der Kunst und Wissenschaft fördernden Kalifen von Bagdad sowie ein
westliches in Spanien, das im 8. Jahrhundert erobert wurde und bis 1492 Bestand
hatte.[1] Im
mohammedanischen Spanien bildeten sich in Cordova ein hoch entwickeltes Kunsthandwerk
und eine rege Geisteskultur. Diese kulturellen Zentren waren geprägt von der
Vermischung der Kultur der arabischen Eroberer und der von ihnen unterworfenen
autochthonen Staaten. Für das Geistesleben war neben der islamischen Religion
die alte griechische Wissenschaft und Philosophie ein wichtiger Bestandteil.
Die Kenntnis dieser altgriechischen Kultur verbreitete sich ab dem 8.
Jahrhundert an durch Übersetzungen und Kommentare von islamischen Gelehrten
rasch in der gesamten arabischen Welt. Das Bedürfnis, die islamische Theologie
wissenschaftlich zu begründen und auszubauen, führte schnell zu einer
Herausbildung einer arabisch-griechischen Philosophie.
3)
Protagonisten der arabischen Philosophie
In Parallelität zur Entfaltung
der Scholastik wurden zunächst von der arabischen Philosophie vorwiegend
platonische und neuplatonische Gedanken übernommen. In einer zweiten Phase
entwickelte sich die aristotelische Philosophie immer mehr zu einem
entscheidenden Faktor.
3.1) Al-Kindi
Ishāq
al-Kindī (um 800-873) gilt als der erste islamische Aristoteliker.[2] Neben
seinen philosophischen Arbeiten betätigte er sich auch Arzt, Mathematiker, Physiker,
Astrologe und Geograph. In Bagdad ließ er zahlreiche Schriften u.a. von Aristoteles,
Platon, Alexander von Aphrodisias und Johannes Philoponos ins Arabische
übersetzen. Al-Kindī selbst
baute darauf seine eigenen Werke auf.
In seinem Hauptwerk „Über die Erste Philosophie“
sind diese Einflüsse besonders deutlich. Zunächst ging er auf den Rahmen seiner
Untersuchung ein und erklärte, dass die Aufgabe des Philosophen die Wahrheitssuche
ist, also die Suche nach den Ursachen für Materie (al-'unsur), Form (al-sura), Gattung
(al-dzins) und Art (al-nau'a). Er erklärte die Existenz Gottes mit dem
Argument, dass die Vielheit der sinnlich wahrnehmbaren Dinge auf der Existenz
des ursprünglichen Einen beruhe. In Anlehnung an das Dogma der Schöpfung aus
dem Nichts behauptete er ferner, dass „der unbekannte Gott die Welt nicht von
Ewigkeit her, sondern in der Zeit aus dem Nichts bewirkte“.[3] Die
Welt erklärte er als ein Werk Gottes, dessen Wirken von oben nach unten
vermittelt wird: alles Höhere wirkt auf das Niedere ein. So entstand eine
durchgehende Ursächlichkeit in der Welt, deren Erkenntnis es ermöglichte,
zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Die Welt bestand laut al-Kindi aus dem
göttlichen Geist, der materiellen Körperwelt und der Seele, die sich dazwischen
befindet. Die menschliche Seele ist ein Ausfluss dieser Weltseele, daher in
ihren Wirkungen an den Körper gebunden, ihrem geistigen Wesen nach aber
unabhängig.
Ein weiteres wesentliches Werk war die Schrift
„Über den Intellekt“ das sich wiederum an Aristoteles' „Über die Seele“ anlehnt
(Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Intellekt). Das Denken sei in
drei Stufen aufgebaut:[4]
Der
potentielle Intellekt (das Vermögen des Menschen zu denken); Der
erworbene Intellekt (das Vermögen des Menschen, etwas tun zu können–beispielsweise
Schreiben− es aber gerade nicht auszuüben; auch aktualisierter Intellekt
genannt); Der
sichtbare Intellekt (das Vermögen des Menschen, das erworbene Wissen
anzuwenden; auch demonstrativer Intellekt genannt).
Diese Abhandlung wurde über Jahrhunderte von arabischen und
lateinischen Intellektuellen breit rezipiert. Seine Schrift über die Definition
des Begriffs „Philosophie“ charakterisiert die eigene Philosophie al-Kindis
sehr gut. Dabei geht er von folgenden sechs Gesichtspunkten aus:[5]
Etymologie:
Philosophie die „Liebe zur Weisheit“; Inhalt:
Philosophie ist das Bemühen, sich den göttlichen Taten anzugleichen und
zwar nach Maßgabe des menschlichen Vermögens; Ziel:
Philosophie ist die Sorge um den Tod, nämlich zum einen die Sorge um den Austritt
der Seele aus dem Körper und zum anderen die Sorge um das Abtöten der
Begierde; Ursprung:
Philosophie ist die Kunst der Künste und die Weisheit der Weisheiten Selbsterkenntnis
der Menschen: Die Dinge sind entweder körperlich oder unkörperlich. Der
Mensch besteht aber aus Körper, Seele und Attributen und die Seele nachher
besteht aus Substanz. Um seine Substanz zu kennen, muss der Mensch sich
selbst erkennen. Erkennt der Mensch alle seine drei Bestandteile, erkennt
der die ganze Welt; Lektüre:
Philosophie ist die Kenntnis der ewigen Universalien, ihres Wesens und
ihrer Ursachen, soweit dies dem Menschen möglich ist.
3.2) Al-Farabi
Al-Farabi
(ca.870-950) wird in der Geistesgeschichte des Islam als „Zweiter Lehrer“ nach Aristoteles
gesehen.[6] Durch
die Übersetzung philosophischer Texte griechischer Autoren sorgte er dafür,
dass die griechische Philosophie innerhalb der islamischen Lehre verankert
wurde. Al-Farabi hatte eine mystische, dem Neuplatonismus verwandte
Grundhaltung. Er verband mit ihr jedoch schon eine an Aristoteles anknüpfende
sachlich-logische Einteilung der Wirklichkeit und der diese erforschenden
Wissenschaften. Aufbauend auf der aristotelischen Logik entwickelte er eigene
Ansätze, die über Jahrhunderte immer wieder herangezogen und intensiv
diskutiert wurden. Besondere Wirkung entfaltete sein wissenschaftstheoretisches
Grundlagenwerk„Buch über die
Einteilung der Wissenschaften“. Er hielt philosophische Wahrheiten hielt er für
universell gültig und betrachtete die Philosophen als Propheten, die zu ihren
Erkenntnissen vermittels göttlicher Inspirationgelangt seien.
Die so genannten „Traktate der
Lauteren Brüder“, etwa 50 Abhandlungen über Religion, Philosophie und
Naturwissenschaft entstanden von den Angehörigen des Geheimbundes der „Lauteren
Brüder“ im 10. Jahrhundert im arabischen Osten. Sie zeigten ebenfalls die
Vereinigung von mohammedanischer Religion und hellenistischer Philosophie.
Von großer Bedeutung für die
arabische Philosophie waren die beiden Aristoteliker Ibn Sina (Avicenna) und
Averroes.
3.3) Ibn Sina (Avicenna)
Ibn Sina, lateinisiert Avicenna, (980-1037) beschäftigte sich
ausgiebig mit philosophischen Fragen, sowohl mit Metaphysik als auch mit Logik
und Ethik.[7] Die Astrologie
lehnte er ab, weil ihre Brauchbarkeit nicht empirisch nachweisbar sei und sie
mit der islamischen Theologie unvereinbar sei. Ibn Sina vertiefte sich in metaphysische
Probleme, besonders in die Werke des Aristoteles, wobei ihm die Schriften von al-Farabi
besonders halfen. In seinem Frühwerk „Philosophie für den Prosodisten“
setzte er sich mit der Metaphysik des Aristoteles auseinander. Die Anlehnung an
Aristoteles lag schon deshalb nahe, da Avicenna selbst Arzt und Naturforscher
war. Seine Kommentare zu Werken des Aristoteles enthielten konstruktive Kritik
an dessen Auffassungen und schufen die Voraussetzungen für eine neue
Aristoteles-Diskussion. Ibn Sina entwickelte eine umfassende metaphysische
Weltbeschreibung, indem er neuplatonisches Gedankengut mit aristotelischen
Lehren verband. Das Verhältnis von Stoff und Form verstand er so, dass im Stoff (materia) die Möglichkeiten der
Formen (essentiae) bereits
enthalten sind. Gott sei notwendig an sich, alles andere Sein notwendig durch
anderes. Er bemerkte:[8] „Gott ist das einzige Sein, bei dem Essenz
(Wesen) und Existenz (Dasein) nicht zu trennen sind und das daher notwendig an
sich ist.“ Alles andere Sein sei bedingt notwendig und lasse sich in
Ewiges und Vergängliches unterteilen. Gott schuf laut Ibn Sina durch seine
geistige Tätigkeit die Weltschöpfung.[9] Der Intellekt
des Menschen habe die Aufgabe, den Menschen zu erleuchten. Gott war wie bei
Aristoteles der selbst unbewegte Beweger; die aus ihm strömenden Formen
verwirklichen sich in der Materie.
Ibn Sina entwickelte sogar ein eigenes logisches
System, das auch als „Avicennische Logik“ bezeichnet wird.[10] Er
untersuchte die Theorien von Definition und Klassifikation, sowie die
Quantifikation von Prädikaten und kategorische logische Aussagen. Ibn Sina war
ein tief religiöser Mensch, der für sich die Scharia als Vorbild sah. Seine
philosophischen Tätigkeiten brachten ihn aber manchmal in Konflikt mit der
islamischen Orthodoxie: Ausgehend von der Seelenlehre des Aristoteles
differenzierte er die drei Seelenvermögen weiter aus und ordnete sie der Weltseele
unter. Damit widersprach er zentralen Glaubensinhalten. Wie die christlichen Scholastiker
nach ihm versuchte Ibn Sina die griechische Philosophie mit seiner Religion,
die Vernunft mit dem Glauben zu verbinden. So benutzte er philosophische Lehren
um die islamischen Glaubenssätze wissenschaftlich zu unterlegen.
Seine wohl bekanntesten Werke waren das „Buch der Heilung“ eine
wissenschaftliche Enzyklopädie. Das Buch behandelt Arithmetik, Astronomie,
Geometrie, Logik, Musik, Naturwissenschaften, Philosophie und Psychologie. Das
zweite war das „Buch des Wissens für
Ala al-Dawla“, in dem er seinem Gönner eine Zusammenfassung seiner
Philosophie auf der Grundlage des "Buchs der Heilung" bietet.
Außerdem verfasste er „Ratschläge und
Erinnerungen“, ein Werk, das sein Denken über eine Vielzahl von
logischen und metaphysischen Themen vorstellt.
In der lateinischen Scholastik wurde Ibn Sina zu
dem -nach Averroes- wichtigsten Vertreter der persischen Philosophie und
Vermittler der aristotelischen Philosophie und Naturkunde. [11]
Seine Werke wurden von Theologen wie Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus
rezipiert. Einige seiner philosophischen Ausarbeitungen wurden von späteren Mystikern
des Sufismus als Ausgangspunkt betrachtet.
3.4) Averroes
Averroes (1126-1198) war im arabischen
Westen die beherrschende Figur. Er studierte
Recht, Medizin und Philosophie in Cordoba.[12] Für
ihn war Aristoteles der größte Philosoph; seine Werke waren zum großen Teil
ausführliche Erläuterungen zu den Schriften des griechischen Denkers. Seine
Philosophie begann mit der Frage, ob man überhaupt philosophieren dürfe, ob es
vom religiösen Gesetz her erlaubt, verboten, empfohlen oder notwendig sei.[13]
Durch die Zitate verschiedener Koranverse, die Aufforderungen zum Nachdenken
über den Glauben erhielten, bejahte Averroes schließlich die Frage. Es käme
seiner Ansicht nach darauf an, die bestmögliche Beweislage für das islamische
theologische Denken zu finden.
Die Entstehung der Natur hatte
Aristoteles so dargestellt, dass an die Materie, die als solche nicht
Wirklichkeit, sondern nur Möglichkeit hat, die Formen herangebracht werden,
damit Wirklichkeit entstehe. Dies legte Averroes so aus, dass die Formen nicht
von außen an die Materie herantreten, sondern dass in der ewigen Materie dem
Vermögen nach schon alle Formen enthalten und sich im Verlauf des
Entwicklungsprozesses aus ihr herauskristallisieren. Dieser Standpunkt war weit
entfernt vom Glauben an die göttliche Schöpfung aus dem Nichts, wie ihn die
islamische Religion sah. Dies war nicht der einzige Punkt, in dem Averroes mit
der islamischen Religion in Widerspruch geriet; denn er leugnete auch die
Unsterblichkeit der Einzelseele und kannte nur einen überpersönlichen Geist.
Das Verhältnis von Religion und Philosophie verstand Averroes in den Zusammenhang,
dass die höhere und reine Wahrheit, die der Philosoph in seiner Philosophie
erkannte, in der Religion in einer bildhaften Einkleidung erschien, die dem
schwachen Verständnis der Masse der Gläubigen angepasst war.
Als Reaktion auf die mystischen Gedanken
al-Ghazalis teilte er den Koran und dessen Interpretation in seinem Werk „Die
entscheidende Abhandlung“ in drei Teilbereiche ein:[14]
Klare
und evidente Verse, die direkt und für jedermann verständlich sind (etwa
„Es gibt keinen Gott außer Gott“) In ihrer
Aussage klare Verse, die aber darüber hinaus auch von Personen mit starkem
Intellekt interpretiert und reflektiert werden können (etwa „Der
Barmherzige hat sich auf dem Thron zurechtgesetzt“, für „Einfache“ so zu
verstehen, dass Gott wie ein König auf dem Thron sitze, während „Personen
mit starkem Intellekt“ hier schon einen Machtanspruch Gottes erkennen) Verse,
bei denen nicht klar ist, ob sie wörtlich oder im übertragenen Sinne zu
verstehen sind und bei denen auch die Meinung der Theologen abweichen kann
(etwa Verse über die Auferstehung)
Die Philosophie des Averroes wurde
von der mohammedanischen Orthodoxie verdammt und seine Schriften verbrannt. Er
wurde nach Nordafrika verbannt, wo er am 10. Dezember 1198 in der Residenz
Marokko starb. Von der islamischen Orthodoxie werden seine Werke bis heute
strikt abgelehnt. Die weitere Entwicklung der Thesen des Averroes wurde damit
allerdings nicht verhindert.
3.5) Al-Ghazali
Der Bezug auf die verstandesmäßige Grundhaltung
des Aristoteles erzeugte eine Gegenbewegung, die sich auf mythische Aspekte
bezog und vor allem durch Hamit Al Gazali (1059-1111) verkörpert wurde. Hamid al-Ghazali war für die Einführung der
aristotelischen Logik und Syllogistik in die islamische Rechtswissenschaft und Theologie
verantwortlich.[15] Al-Ghazali wurde 1091 vom
Wesir Nizam-al-Mulk zum Professor an der religiösen Schule Nizamiyyah-Madrasa
in Bagdad ernannt. Nachdem Nizamal-Mulk ermordet wurde, geriet al-Ghazali nach
eigenen Angaben in eine geistige Krise und wandte sich daraufhin dem Sufismus,
der islamischen Mystik, zu. Er gab seine Professur in Bagdad auf und führte ein
unstetes Wanderleben, das in bis nach Palästina und Syrien führte. Als er in
seine Heimatstadt Tüs zurückkehrte, führte er dort bis zu seinem Tode ein
zurückgezogenes Leben als sufischer Gelehrter.
In seiner Philosophie vertrat er
gleichwohl einen religiös motivierten Skeptizismus, der die Wahrheiten des
Glaubens und der Offenbarung mit den Mitteln des philosophischen Zweifels gegen
den Wahrheitsanspruch der Philosophie verteidigt. Dies zeigte sich vor allem in
seinem Werk „Destructio philosophorum“.
Er warf Avicenna und Alfarabi vor, durch ihre
unkritische Übernahme der aristotelischen Philosophie den islamischen Glauben
bloßzustellen und zu verraten. Al-Ghazali richtete sich vor allem gegen die
These der Emanation und verteidigte die göttliche Erschaffung der Welt durch
den Hinweis, dass Avicenna und Alfarabi nicht das Recht besäßen, ihr Prinzip
der Kausalität auf den jenseitigen anzuwenden.
Durch die Systematisierung des
sufischen Gedankenguts trug al-Ghazali maßgeblich zur allgemeinen Anerkennung
des Sufismus im Islam bei. Er lehrte den Weg zu einem Gottesbewusstsein, das
aus dem Herzen kommen müsse, um "sich von den unislamischen Einflüssen des
Verstandes zu lösen“.[16] In
al-Ghazalis Weltbild findet sich eine Synthese vom göttlichen Determinismus mit
dem menschlichen unabhängigen Willen. In seiner Einteilung stand der sich
selbsterhaltende Gott auf der obersten Stufe. Auf der untersten Stufe befand
sich die materielle Welt, die von Gott vorherbestimmt ist. Zwischen diesen
Ebenen lag die Welt der Menschen, deren Seele und Bewusstsein durch die
unabhängige Willensentscheidung charakterisiert war. Laut al-Ghazali gab Gott
dem Menschen Geist und Neigungen, aber für die ausführende Tat waren allein die
Menschen verantwortlich.
4) Fazit
Im arabischen Raum war das
philosophische Bemühen in einer religiös durchprägten Kultur auf Synthese mit
dem religiösen Glauben zu beobachten. Im Laufe der Zeit gab es eine
Durchsetzung des Aristotelismus in der arabischen Philosophie mit seiner
weitgehenden Intellektualisierung der Religion. Diese Grundhaltung wurde durch
den Bezug von al-Ghazali auf den Sufismus, der islamischen Mystik,
unterbrochen.
Vom 12. Jahrhundert an wurde nach
und nach auch durch arabische Vermittlung das gesamte Werk des Aristoteles in
Europa bekannt, besonders auch die bis dahin unbekannten metaphysischen und
physikalischen Schriften. Es wurden arabische Ausgaben ins Lateinische
übersetzt (Übersetzerschule von Toledo); seit dem 13. Jahrhundert auch direkt
aus dem Altgriechischen. Die Werke des Aristoteles galten als Faustpfand aller
weltlichen Weisheit, die bis ins 16. Jahrhundert andauern sollte.
5) Literatur
- Gutas, D.: Avicenna and the Aristotelian Tradition, Leiden/Boston 1988
- Horten, M. (Hrsg.): Die Hauptlehren des Averroes nach seiner Schrift:
Die Widerlegung des Gazali, Bonn 1913
- Ivry, A.L.: Al-Kindi's Metaphysics, New York 1974
- Leaman, O.: Averroes and his Philosophy,Oxford 1988
- Lerch, W.G.: Denker des Propheten. Die Philosophie des
Islam, Düsseldorf 2000
- Nesser, A.: Islamische
Geistesgeschichte, Hamburg 1987
- Much, P.: Die islamische Welt, München 2002
- Muthreich, M.: Theoretische Grundlagen im Gottesbegriff bei Avicenna, Gießen
1999
- Rudolph, U.: Islamische Philosophie. Von den Anfängen bis zur
Gegenwart, München 2008
- Sinai, N.: Menschliche oder göttliche Weisheit? - zum Gegensatz von
philosophischem und religiösem Lebensideal bei al-Ghazali und Yehuda ha-Levi,
Würzburg 2003
- Störig, H.J.: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Frankfurt/Main
1992
- Strohmaier,
G.: Avicenna, München 1999
- Zakzouk, M.: Ghazali und
Descartes: Ein philosophischer Vergleich, Nordhausen 2005
[1] Lerch, W.G.: Denker des Propheten. Die Philosophie des
Islam, Düsseldorf 2000, S. 108
[2] Störig, H.J.: Kleine
Weltgeschichte der Philosophie, Frankfurt/Main 1992, S. 244
[3] Ivry, A.L.: Al-Kindi's Metaphysics, New York 1974, S. 103
[4] Nesser, A.: Islamische
Geistesgeschichte, Hamburg 1987, S. 87
[5] Ebd., S. 189
[6] Rudolph, U.: Islamische Philosophie. Von den Anfängen
bis zur Gegenwart, München 2008, S. 29ff
[7] Gutas, D.: Avicenna and the Aristotelian Tradition, Leiden/Boston 1988, S:
12ff
[8] Ebd., S: 16
[9] Muthreich,
M.: Theoretische Grundlagen im
Gottesbegriff bei Avicenna, Gießen 1999, S: 13
[10] Gutas, Avicenna and the Aristotelian Tradition,
a.a.O., S: 34f
[11] Strohmaier, G.: Avicenna, München 1999, S. 104
[12] Much, P.: Die islamische
Welt, München 2002, S. 87
[13] Leaman, O.: Averroes and his Philosophy, Oxford 1988, S. 63
[14] Horten, M. (Hrsg.): Die Hauptlehren des Averroes nach seiner
Schrift: Die Widerlegung des Gazali, Bonn 1913, S. 13
[15] Sinai, N.: Menschliche oder göttliche Weisheit? - zum
Gegensatz von philosophischem und religiösem Lebensideal bei al-Ghazali und
Yehuda ha-Levi, Würzburg 2003, S. 12f
[16] Zakzouk, M.: Ghazali und Descartes: Ein
philosophischer Vergleich, Nordhausen 2005, S. 63
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