Erschienen in Ausgabe: No. 14 (1/1998) | Letzte Änderung: 24.01.09 |
von Matthias Werner
Was wünschen sich Philosophen, solche, die es werden wollen und andere
geisteswissenschaftlich Interessierte? Eine eigene Bibliothek! Sie
sollte die zentralen Werke der gesamten Philosophiegeschichte
enthalten, übersichtlich geordnet sein, spezifische Lexika beinhalten,
bezahlbar sein und bei den unvermeidlichen, aber häufigen Umzügen die
Wirbelsäule schonen.
Geht nicht? Gilt nicht. Die CD-ROM macht's möglich: Auf solch
ein Medium passen immerhin bis zu 650 MB Daten, auf ihren Nachfolger,
die DVD sogar 17 GB. Wenn man sich überlegt, dass eine unkomprimierte
Textdatei von der Größe eines tausendseitigen Buches mit einer
Millionen Zeichen über den Daumen nur ein MB Speicherplatz benötigt,
kommt man bei der herkömmlichen CD-ROM etwa auf zweitausend komplette
Bücher. Entsprechend mehr wären es auf DVD.
Man sieht: Trotz der üblichen Bedenken und Weissagungen in
Zeiten des Laserdruckers (lesen sei schlecht für die Augen und
besonders am Bildschirm) ist eine Menge drin.
Was kommt heraus? Die Directmedia hat sich da eine Menge einfallen
lassen. Die Auswahl der Texte ist gut und brauchbar. Man beschränkt
sich auf Wesentliches, Zentrale Bücher, aber auch Aufsätze, die von
Bedeutung sind, kann man schnell und sicher finden. Wer allerdings auch
"neuere" Texte von Lyotard bis Lorenz, von Heidegger bis Habermas
sucht, wird nicht auf seine Kosten kommen.
Ein großes Plus ist die Möglichkeit, die Texte in gewohnter
Explorer-Übersicht durchzublättern. Volltextsuchen und Boolsche
Operatoren (Stichworte können mit verschiedenen logischen Operationen
verknüpft werden) bei Seitenangabe der entsprechenden Textstellen (wie
beim Microfiche) ermöglichen echtes wissenschaftliches Arbeiten. Wer am
Wochenende (mangels präziser Planung) noch einen Buchauszug oder einen
Aufsatz vermißt, kann einfach den benötigten Text ausdrucken lassen. Zu
kritisieren wären eigentlich nur die Softwareentwickler. Da gibt es
noch Kleinigkeiten, die sich allerdings durch ein Update des Browsers
bereinigen ließen. Zum einen ist die mitgelieferte Software nicht für
den Apple Macintosh tauglich. Man muß erst einen umständlichen
Windows-Emulator installieren.
Unter Windows 95, 98 und NT läuft das Programm problemlos, aber nur,
wenn man die anstrengend hellen Standardfarben des Betriebssystems
verwendet. Die Textfarbe läßt sich nämlich explorerseits nicht anpassen
und wird auch nicht von der aktuellen Konfiguration des Betriebssystems
übernommen. Außerdem läßt sich die Schriftgröße nicht auf
leserfreundliche zwölf bis vierzehn Punkt Größe bringen.
Für mich und für viele, viele PC- oder Apple- User bleibt der große
Traum von enzyklopedischen Bibliotheken in voll kompatiblen HTML-
Standard- Design mit diversen Java-Funktionen und kleinen Tools, die
sich in die üblichen Web-Browser integrieren lassen, vorerst noch
Zukunftsmusik, aber man kann eben nicht alles haben.
Diese CD-ROM's des Directmedia- Verlages sind kein Buchersatz, aber ein
Schritt in die richtige Richtung und empfehlenswert für alle, die an
wissenschaftliches Arbeiten und an Bildschirme gewöhnt sind.
Digitale Bibliothek. Band 2. Philosophie von Platon bis Nietzsche. Ausgewählt von F.-P. Hansen. Directmedia Publishing GmbH, 99 DM. Digitale Bibliothek. Band 3, Geschichte der Philosophie. Ausgewählt von M. Bertram. Directmedia Publishing GmbH, 99 DM.
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