Erschienen in Ausgabe: No 55 (9/2010) | Letzte Änderung: 03.12.13 |
von Egidius Schwarz
Nicht nur Thilo Sarrazin hat es in seinem jüngsten Buch zur
Sprache gebracht, auch Arnulf Baring, Hans-Olaf Henkel und Oswald Metzger haben
in Talkrunden immer wieder darauf hingewiesen. Der klägliche Befund: Die
deutsche Gesellschaft verblödet zusehends. Und umgekehrt gibt es wiederum jene,
die gerade diese Talkshowgäste dahingehend bezichtigen, nicht unerheblich an
dieser allgemeinen Verblödung mit teilzuhaben.
Doch die Bedrohung des geistigen Zustands ist keineswegs
neu; schon vor Jahren warnten Physiker und Biologen, daß das menschliche Gehirn
sukzessive zerfalle, und daß die Gesellschaft – samt ihren Schutzinstitutionen
– weitgehend versagt habe.
Sicherlich, die mediale Kultur, oder eben Unkultur, das
permanente Absenken des intellektuellen Niveaus durch weitgehend inhaltfreie
Medien hat wesentlich zu einer Verschiebung des Wissenshaushaltes geführt, zu
einer Vermassung des Wissens, das sich nur allzu gern mit Randständigkeiten
statt mit dem Wesentlichen zu beschäftigen sucht. Zuletzt war es das Internet,
das für die komplette und zunehmende Verblödung hinhalten mußte. Auch hier gilt
mit Sicherheit – die Gefahr, in der virtuellen Welt die Unterscheidung von Wesentlichem und Unwesentlichem zu verlieren, ist nicht von der Hand zu weisen.
Allein was Jugendliche, sofern sie freien Eintritt zum World Wide Web haben,
sich an Informationen besorgen, ist zum Teil himmelschreiend – doch das
Internet allein vermag nicht für die zusehende Verblödung allein verantwortlich
gemacht werden.
Vielmehr – und daran kann kein Zweifel bestehen – sind es
immer noch die täglich im Fernsehen zur besten Sendezeit ausgestrahlten
Talkrunden, die einem das Gefühl vermitteln, daß es in ihnen nicht um Inhalte,
sondern um pures Gerede geht, um ein Schönreden und Sich-selbst-Inszenieren.
Verloren im großen Mediengezeter hat dann meist, wer nicht eloquent in den Chor
einzustimmen weiß, dem es also nicht um Unterhaltung um der Unterhaltung willen
geht, sondern eben um das Wesentliche. Dies heißt aber nicht, daß sich eine
Vielzahl von Zuschauern gerade vor diesem Wesentlichen und Inhaltlichen verschließen
wollen sie bekommen nur gar nicht die Gelegenheit darauf achtsam zu lauschen,
weil es sofort wieder vom bloßen Gerede und Sich-wichtig-Machen überrollt wird.
Für die Medienmacher scheint eine Prämisse am wichtigsten, die der Unterhaltung,
die quasi für die Sache selber steht. Ein Großteil des Volkes, und dies macht sich
die Teleproximation
- Vilém Flusser zum Trotz - unpädagogischerweise zur
Maxime, will lediglich unterhalten werden, weswegen man es eben dauerhaft
unterhält. Anstatt auf Konfrontation zu gehen, tatsächliche Probleme
anzusprechen, setzt man nur auf Event, auf das mediale Ereignis, das dann am
schönsten sich herauskristallisiert, wenn die Diskursteilnehmer restlos
verstritten sind, die Kommunikation mit höchsten Belanglosigkeiten genährt, auf
das finale Zerwürfnis hinsteuert – eben auf die in Szene gesetzte Verblödung.
Und so geriert sich das Fernsehen – immer noch die Nummer eins vor dem
Internet, was die Quote betrifft - zum Zeittotschläger. Und an Dramatik und
Inhaltslosigkeit, diesem Hang die Zeit totzuschlagen, sind die jeweiligen
Nachmittagsprogramme der privaten Sendeanstalten immer noch nicht zu
überbieten, hier zählen nach wie vor keine Argumente, sondern regiert das
Motto, wer der Blödeste ist, hat bereits gewonnen. Wie sehr diese seit Jahren
produzierte Verbildung schon Früchte getragen hat, belegen nicht nur Pisa und
andere Studien, an denen sich die alljährlich zunehmende Niveauabsenkung der
Jugendlichen geradezu statistisch nachweisen läßt.
Dieser Zug zum Unintellektuellen, zum bloßen Amüsement,
feiert Hochkultur mit Mario Barth und Sindy aus Marzahn, Unterhaltung auf
niedrigstem Niveau und dennoch volle Häuser. Wer noch wagt, etwas
Anspruchvolles zu bieten, wird entweder ganz ignoriert oder ausgepfiffen,
zumeist hat er gar keine Möglichkeit, sich überhaupt der Menge darzubieten.
Leider bleibt es nicht bei der medialen Inszenierung der
neuen Spaßmacher und Comedians, die in Sachen Unbildung einiges – auch und
zumeist nur um ihrer selbst, um ihrer Karriere willen – tun. Die Tendenz des
Zeitgeistes, das Niveau von Stufe zu Stufe zu senken, hat, wie ein FAZ-Redakteur
bekundete, mittlerweile Tradition, auch die FAZ reihe sich ein, nur sei der
Verfallsprozeß dort – naturgemäß - langsamer. Selbst die sogenannten intellektuellen
Blätter geben also dem Druck peu à peu nach – Bildzeitung allenthalben. Und das
Traurige ist, die Intellektuellen halten sich zunehmend aus allem raus, sind so
sehr vom allgemein herrschenden Trend überwältigt, daß sie sich entweder nicht
trauen, dagegen zu rebellieren, weil es in ihren Augen keinen Sinn mehr hat, oder
sie haben sich in ihren Nischen derart behaglich und bequem eingerichtet, daß
ihnen die Welt da draußen ohnehin nicht in die Quere kommt – interesseloses Wohlgefallen
also an der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
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