Erschienen in Ausgabe: No 55 (9/2010) | Letzte Änderung: 29.08.10 |
von Heike Geilen
Die
Römische Republik war beeindruckend. Sie hat im politischen Denken der
nachfolgenden Jahrhunderte sehr viel direkter und stärker nachgewirkt als
Athens Polisdemokratie. Das lag auch an der Faszination, die der Aufstieg Roms,
die Eroberung Italiens bis ca. 270 v. Chr. und die anschließende Errichtung des
Weltreiches bis ca. 130 v. Chr. hervorriefen.
Umso
mehr beschäftige ihr Zerfall und ließ bereits den Menschen in der Antike keine
Ruhe. War es der Machthunger der politischen Führerriege Roms, der wilde
Wettbewerb zwischen prominenten Männern, der die Strukturen, die bisher für das
Funktionieren des öffentlichen Lebens in Rom gesorgt hatten, destruierte? Oder
trägt der römische Senat Schuld an der Zerstörung der Republik, weil dessen
Senatoren keine gemeinsame Sprachen fanden? „Die
Folgen ließen nicht auf sich warten: Blutige und lange andauernde Bürgerkriege
brachen aus, und die Republik ging zugrunde.“, schreibt Zvi Yavetz.
Sei
es nun die Krise in der Sklavenhaltergesellschaft, die Entstehung des
Berufsheeres, der natürliche Prozess des Alterns und Verkümmerns, die
Untauglichkeit der Polis (des Stadtstaates) Rom, ein großes Imperium
anzuführen, das Fehlen eines „starken Mannes“ oder aber der „Niedergang der
Sitten“, unterschiedlichste Forschungsansätze gibt es en mass. Der heute
85-jährige Autor, der während des Krieges nach Palästina floh und zu den
Begründern der Universität Tel Aviv gehört, ist einer der bedeutendsten
Althistoriker. Ihm geht es darum - wie den meisten modernen Geschichtsforschern
- keine moralischen Bewertungen vorzunehmen, sondern zu verstehen, „was die Menschen im Altertum taten, wie sie
agierten und mit welchem Erfolg sie mit den Problemen fertig wurden (oder
nicht).“
Unter
der Devise der Wiederherstellung der Republik (restitutio rei publicae) betrieb
Augustus in Wirklichkeit deren dauerhafte Umwandlung in eine Monarchie in Form
des Prinzipats. Er setzte dem Jahrhundert der Römischen Bürgerkriege ein Ende
und begründete die julisch-claudische Kaiserdynastie. Seine Herrschaft mündete
in eine lang anhaltende Zeit inneren Friedens, die als Pax Augusta verklärt
wurde. Die rätselhafte, vielschichtige und umstrittene Gestalt des ersten
Princeps und eigentlichen Begründers des Römischen Reiches fordert noch immer
zu nuancierten Deutungen heraus.
Der
Autor, dessen Buch offenbar Mitte der achtziger Jahre publiziert und jetzt
übersetzt wurde - vermutlich aus dem Hebräischen, leider wurde dies seitens des
Verlages nicht kenntlich gemacht - hat sein Buch in drei Teile gegliedert. Der
erste - Ein Herrscher der eines natürlichen Todes starb (tatsächlich wurden die
anderen Potentaten aus der Dynastie ermordet oder gaben sich selbst den Tod) -
befasst sich mit der Ereignisgeschichte. Der zweite Teil - Die augusteische
Gesellschaft - widmet sich sehr ausführlich der Analyse. Der dritte Teil - Der
Herrscher und sein Erscheinungsbild - zeigt das Bild, das Augustus selbst von
sich geben wollte.
Leider
gelingt es Zvi Yavetz nicht in vollem Maße, den Anspruch einer schlüssigen und
strukturierten Biografie gerecht zu werden. Der so genannte rote Faden wird
zuweilen vermisst. Zeitliche Sprünge und Detailerörterungen überfordern den
weniger kundigen Leser. Ein wenig mehr familiäre Hintergrundvermittlung des
Großneffen und Haupterben Gaius Iulius Caesars sowie die Betrachtung der
Rahmenbedingungen seines Aufstiegs hätte dem Werk sicherlich gut zu Gesicht
gestanden. So lässt es den Status einer Biografie etwas vermissen, sondern
agiert eher als Studie zur Biografie. Gleichwohl bietet es kritische
Betrachtungsweisen und regt zu weiteren Diskussionen an. Umfassende
Vorkenntnisse des Leser sind angebracht. Ein geschichtlicher Laie dürfte recht
schnell mit dem Inhalt überfordert sein.
Zvi
Yavetz
Kaiser Augustus. Eine Biografie
Rowohlt
Verlag, Berlin (Januar 2010)
398
Seiten, Gebunden
ISBN-10:
3498073656
ISBN-13:
978-3498073657
Preis:
24,95 EURO
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