Erschienen in Ausgabe: No. 34 (4/2008) | Letzte Änderung: 31.12.08 |
von Alejandro Rojas Jiménez
Es
hat neulich eine Sitzung in Heidelberg stattgefunden, wo besprochen
wurde, worin das wissenschaftliche Phänomen spezifisch besteht.
Sollte die Intuition des Wiener Kreises richtig sein, dann würde die
Suche nach dem Spezifischen des wissenschaftlichen Phänomens einfach
darin bestehen, diejenigen Phänomene auszunehmen, die da erscheinen,
wenn der Wissenschaftler auf seine eigentümliche und edle Weise die
Begebenheiten angeht. So einfach lässt sich aber die Sache nicht
lösen.
Es
könnte den Eindruck erwecken, dass das Interesse nach Abgrenzung der
wissenschaftlichen Phänomene eigentlich nur danach trachtete, dieses
neue Wissen, das sich nicht so sehr durch seinen Gegenstand wie
vielmehr durch seine Praxis auszeichnet, von der antiken
traditionellen Philosophie auszusondern. In der Tat sieht man hier
des Öfteren eine gewisse Fortsetzung der empiristischen Kritik auf
die Metaphysik. Diese Behauptung kann man aber nicht unreflektiert in
Kauf nehmen, denn sie verschweigt nämlich, dass der von der
aufkommenden Wissenschaft anzukämpfende Gegner eigentlich in ihren
eigenen Reihen steht. Der eigentliche Gegner war in der Tat die
eigene Praxis der Wissenschaftler, die nicht alle auf dieselbe Art
und Weise vorgegangen sind. Der große Gegner dieser besonderen
Vorgehensweise, die für die Wahrheit der wissenschaftlichen
Phänomene gebürgt hat, und zwar als Ersatz für Gottes Rolle in
Descartes’ rationalistischem Ansatz, war, dass es eigentlich nicht
eine Vorgehensweise gab. Man sieht klar, warum in ihren Anfängen die
Wissenschaftstheorie normativ war. Die Sache ist also wie folgt: das
Bedürfnis nach Abgrenzung stammt von der Tatsache, dass nicht eine
Vorgehensweise für alle Wissenschaftler gilt, sondern dass viele von
ihnen unphilosophische Theorien gewagt haben, die ihrerseits
Hypothesen und Unnachweisbares eingeführt haben. Solche Theorien,
die sich im XVII. und XVIII. Jahrhundert vermehrt hatten, wie z. B.
die Phlogistontheorie
oder die Wellentheorie des Lichtesi,
stellen den Anfang des Interesses nach Abgrenzung dar. Kein
Metaphysiker denkt, dass solche Theorien metaphysisch sind, und weil
sie auf Hypothesen zurückgreifen, werden sie auch nicht durch die
neue Wissenschaft als wissenschaftlich betrachtet. Das würde sich
also am Gebrauch von Hypothesen entscheiden. Unter dem Motto: „anders
als bei den restlichen Wissensarten werden bei uns keine Hypothesen
eingesetzt“, wurde ein scheinbar fruchtbarer Weg gebahnt, um die
Absicht auf Abgrenzung zu gewährleisten. Man soll aber nicht
übersehen, dass es sich dabei um eine Absicht, um einen Vorsatz
handelte. Damit meine ich, es wäre viel einfacher gewesen, eine
tatsächliche Trennung vorzufinden als sie lediglich zu beschreiben.
Vielmehr bewegen wir uns in einem intuitiven Bereich. Nicht nur, dass
eine durch eine Art vor-analytische Intuition aufgeklärte
vorwiegende Mehrheit davon überzeugt war, dass die Phlogistontheorie
nicht als wissenschaftlich angenommen werden sollte - so dass
die heutigen Wissenschaftler kaum wissen, dass eine solche Theorie
überhaupt je formuliert wurde, als würde die Sache sie nicht
angehen-, sondern Laudan selbst ging so weit zu betrachten,ii
dass
solche „vor-analytische Intuitionen“ der Schlussstein seien, um
die verschiedenen Wissensarten zu beurteilen. Nur wo solche
vor-analytische Intuitionen unklar wären, sollten wir also auf
ein ausgearbeitetes System von Normen zurückgreifen.iii
Selbstverständlich musste dann Laudan selbst zugeben, dass es solche
Intuitionen als einstimmige und währende Urteile gar nicht gibt.iv
Wohlverstanden, es gibt solche Intuitionen schon, aber nicht als
einstimmige und währende Urteile. Wo es versucht wurde, die
aufgrund solcher vor-analytischen Intuitionen angesetzte
Trennung theoretisch zu etablieren, entschied sich die Trennung am
Gebrauch von Hypothesen.
Da
alles, was mit Hypothesen zu tun hatte, als ein wenig zuverlässiges
„Arbeitsinstrument“ betrachtet wurde, rügte Bacon Aristoteles
(in dessen Philosophie andererseits sich nichts findet, was nicht
durch den Syllogismus nachgewiesen worden ist), dass er weniger Wert
an der Empirie (Phänomen) als an dem Grund des Phänomens legte. Für
den Engländer hat die Beweisführung eine eher experimentelle als
theoretische Bedeutung. Mit Plato gesagt, geht es dabei darum, die
Beweisführung aus dem topos
noetos
(Welt der Bedeutungenv)
hin in die Welt des Glaubens, der Meinung und der sinnlichen Bilder
(doxa)
hinzuführen. Aus Platos Gesichtspunkt war dies unangebracht,
denn das Universelle nicht in der sinnlichen Welt weilt, und Recht
dürfte er auch haben, denn wenig später kam Galileo, um Bacons
Vorschlag zu entwerten. Galileo, so wie früher Plato, wird erneut
sagen, die Phänomene müßten aus den zugrundeliegenden Gründen
erklärt werden, allein sind bei ihm (näher zum mystischen
Pytagorismus) solche Gründe nicht die Ideen an sich, sondern
vielmehr mathematische Postulate. Auf jeden Fall wird er Platons
Gesinnung teilen, das Universelle finde sich nicht im Sinnlichen.
Anders
gesagt, es musste letztendlich zugegeben werden, dass Phänomene in
der Tat gar nichts beweisen und nur zufällige Wahrheiten anbieten,
womit die Relevanz des Phänomengrundes fürs Phänomen selber
wiederhergestellt wurde. Bacons Anforderungen konnten nicht mehr
entgegengekommen werden. Somit haben sich zwei Möglichkeiten
eröffnet: entweder wird es festgestellt, dass nichts nachgewiesen
werden kann, so dass nur eine empirische Feststellung bleibt (Ende
der Erkenntnis nach Platos Mahnung), oder es wird endlich eine
Methode festgesetzt, die für den Fortgang vom Sinnlichen zum
Universellen bürgt und darüber hinaus jedes Wissen abgrenzt, das
sich an diese Vorgehensweise anpasst. Das wissenschaftliche Phänomen
würde sich insofern dadurch auszeichnen, dass es aufgrund des neu
erfundenen Verfahrens erscheint. Bacon, Descartes, Locke, Hume
und Kant haben zwar die Bedeutung der Methode herausgehoben, doch nur
seit dem logischen Positivismus vereinigen sich das
Bedeutungs- und das Verifizierbarkeitskriterium.
Newton
schlägt den ersten Weg ein, den später Hume entwickeln und in der
moralischen Welt umsetzen wird. Newtons Ansatz ersetzt das Ideal des
Beweisens durch die empirische Bestätigung,vi
doch er selber vermochte nicht, diesen Ansatz durchzuführen, so dass
sein “schlechtes Verfahren” durch renommierte Philosophen
vorgeworfen wurde: Philosophen setzen sich für die Methode ein,
aufgrund deren sie später aus den wissenschaftlichen Fakultäten
verbannt und in die liebe und weisevii
Gegend der Geisteswissenschaften einengen werden. Noch heute
wird es weitgehend übersehen, dass die verdächtige und dunkle
Schwerkraft an diejenigen nicht zu beobachtende Wesen erinnert, von
denen wir lediglich die Auswirkungen sehen. Tatsache ist, dass die
Hypothese nach und nach angenommen wurde, bis sie auf eine korrekte
Weise eingeführt wurde. So ist Whewells Meinung, dass sich die in
den Phänomenen versteckten Wahrheiten nicht ohne die Erfindung von
Hypothesen abgewinnen lassen. Somit kommt man auf Plato zurück: die
Wahrheiten stecken nicht im Phänomen. Das ist der zweite Weg.
Die
Hypothese soll wieder eingelassen werden. Whelwell lässt sie als
„Arbeitsinstrument“ gelten, um die Tatsachen zu ordnen und sie
einsehbar zu machen, indem man das Beobachtete mit der theoretischen
Erklärung vergleicht und die Hypothesen miteinander
auseinandersetzt. Da aber das Interesse nach Abgrenzung immer
noch als zu stark gilt - was im Grunde genommen solch einem
Interesse nach Unabhängigkeit ähnelt, wie das des Jugendlichen,
der das Elternhaus verlassen will, was eher den
Wissenschaftstheoretikern als der neuen Wissenschaft
stammt, so dass das steigende Interesse am diesen Fragen Hand in Hand
mit der Verselbstständigung der Wissenschaftstheorie als
Einzeldisziplin geht-, so kommt man letztendlich auf die Gesinnung,
es bestehe ein wesentlicher Unterschied, ob man mit Hypothesen
umgeht oder ob man sie mit den Tatsachen auseinandersetzt.viii
Durch diesen Kontakt mit den Tatsachen sollten die Hypothesen
nachgewiesen werden, so dass sich die Ideen den Tatsachen unterwerfen
sollten, was die Philosophie, Feindin der scheinbaren und
oberflächlichen Empirie, nicht so gerne annehmen würde. War somit
der Weg zur Lösung des Problems gefunden worden? Der Weg schien
eingeebnet worden zu sein, man brauchte nur noch zwischen
verifizierbaren und nicht-verifizierbaren Hypothesen zu
unterscheiden.ix
Aber das theoretische Problem, wie eine Hypothese zu verifizieren
ist, hat mehr Schwierigkeiten als erwartet bereitet. Auf der einen
Seite sind die Verifizierungstheorien auf folgendes Problem gestoßen:
sollten nur diejenigen Hypothesen wahr sein, die inzwischen
verifiziert worden sind, während die restlichen Hypothesen sinnlos
sind – denn das Verifizierbarkeits- und das Sinneskriterium ohne
weiteres gleichgesetzt wurden-, dann ist solch eine Hypothese wie:
„auf der Gegenseite des Mondes sind Berge“, nicht wahr sondern
sinnlos, solange man keine Mittel zur Hand hat, sie zu verifizieren
(solche Hypothese war sinnlos und unsinnig im VII. Jahrhundert). Die
Lösung war auch nicht zu sagen, wissenschaftlich sei jede Hypothese,
die verifizierbar ist (und nicht nur die verifizierten), als würde
es damit ausreichen, die Beobachtungen zu bestimmen, die über
deren Wahrheit entscheiden könnten, obwohl wir die Mittel dazu nicht
hätten. Diese Antwort ist nicht ausreichend, denn dazu kommt das
Problem der Tragweite des Satzes, weil die universalen Sätze (und
somit die Wissenschaftsgesetze oder solche Sätze wie: „jeder
Mensch ist sterblich“) unmöglich zu verifizieren sind, so dass sie
weder verifiziert noch verifizierbar sind. Dies hat dazu geführt,
die Tragweite zu verringern: ein Satz hat Sinn, wenn es möglich ist,
dass die Erfahrung sie wahrscheinlich macht.x
Somit hat die Wahrscheinlichkeit endlich die Verifizierbarkeit
ersetzt, um das Abgrenzungsproblem zu lösen. Wir sind da, wo wir am
Anfang waren: es sollen ausschließlich diejenigen Theorien
angenommen werden, die bereit sind, sich den Tatsachen unterzuordnen,
auch wenn wir noch nicht im Klaren sind, wie solche Unterwerfung
stattfinden soll. Vielleicht kann man dazu nur argumentieren, dass
eine Hypothese dann wissenschaftlich ist, wenn sie die Tatsachen
nicht verifizieren, sondern erst ungültig machen können. Somit geht
aber der Elan danach zugrunde, mehr Wahrscheinlichkeit in den
wissenschaftlichen als in den unwissenschaftlichen Hypothesen zu
finden, denn sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ungültig (und
nicht wahrer) gemacht werden können.xi
Doch damit hätten wir
einen weiteren noch wichtigeren Punkt. Sollten die Tatsachen eine
Hypothese ungültig machen können, und zwar nicht eine beliebige
Tatsache, sondern das Erfahrungsfaktum, dann hat sich das Ganze
überraschend umgedreht: die Vorgehensweise schöpft ihre
Rechtsmäßigkeit daraus, was im Experiment erscheint, nämlich das
Phänomen, während die Vorgehensweise, nämlich das feststellende
Experiment, eingesetzt worden ist, eben um die Rechtsmäßigkeit des
wissenschaftlichen Phänomens zu gewährleisten.
Um
aus diesem Teufelskreis rauszukommen, braucht man nur zu denken, dass
die Praxis aufgrund deren das wissenschaftliche Phänomen erscheint,
nicht nur die Unterwerfung unter die berechnende Methode ist (das
Seiende ist nur, was der ratio unterworfen wird), sondern dass die
wissenschaftliche Praxis darüber hinaus auf das Leben geht. Von
diesem Leben sagt Feyerabend, je massiver das Wissenschaftsgebäude
wird, desto dringender ist der Drang, aus ihm hinaus in die Freiheit
zu flüchten.xii
Feyerabends Anliegen war für die Wissenschaftstheoretiker
irrationalistisch, und sein „anything goes“ wurde als die
aufrührerische Tat eines abwegigen Relativisten gehalten, für den
die Auswirkungen nichts zählen. Wäre es aber so gewesen, dann hätte
Feyerabend seinen Ansatz nicht berichtigt, und zwar unter Berufung
auf eben solche Auswirkungen, wie er es allerdings tat. Feyerabend
ging es um die Verteidigung des Lebens, das bei den Diskussionen der
Wissenschaftstheoretiker außer Acht gelassen wurde. Am
Beispiel Galileo lautet Feyerabends Behauptung, dass aufgrund
gut etablierter Theorien die Wissenschaftler nicht standhaltende
Hypothesen ansetzen würden. Diese Vorgehensweise zu beseitigen
bedeutet, die Lebenspraxis des Wissenschaftlers zu beseitigen, der
als freies Wesen frei vorgehen kann. Dies ist zwar ein sehr
bedürftiges Verständnis jener Lebenspraxis, aber die großartige
Leistung Feyerabends und dessen unversöhnlicher Streit mit den
Erben des logischen Positivismus gründet darin, dass Feyerabend das
vom logischen Positivismus eingeschränkte Praxiskriterium bis
in die Lebenspraxis des Wissenschaftlers erweitert hat, so dass der
Glaube, die Wünschen und die Interessen des Wissenschaftlers mit
einbeziehen werden und die Grenze zwischen Rechtfertigungs- und
Entdeckungszusammenhang somit verwischt wird. Solches
lebendige Anliegen zu übersehen bedeutet, sich einer
intellektuellen und institutionellen Sklaverei zu unterwerfen, und
zwar zugunsten einer Methode, die in der Lage sein will, die
Ideologie zur wahren und nützlichen Theorie zu machen, was freilich
für Feyerabend eine Schimäre ist.
Feyerabends Ansatz ist
aber so lebendig, dass er nicht nur ins Leben vertieft, um die
Lebenspraxis zu verstehen, sondern vielmehr beruft er sich
leidenschaftlich darauf und hält somit einen epistemologischen
Anarchismus, der, indem er die Existenz jeder eingeschränkten
Methode kritisiert, letztendlich jedes Universellen
verneint, womit Feyerabend zwar über den umgekehrten Weg
aber ans selbe Ziel ankommt.
Die
Bedeutung der angewandten Methode lässt sich freilich nicht
streiten, davor kommt aber was Heidegger „das
mögliche Anwesen der Anwesenheit“xiii
nennt, nämlich das Phänomen, das sich dem Verständnis öffnet,
indem es in ein Netz von Bedeutungen eingebettet ist, aus dem es
seinen Sinn schöpft – die Offenheit, die zwischen Sein (nicht
Phänomen) und Denken waltet und beide in deren Zusammengehörigkeit
vereint. Anders ausgedrückt, es kommt eine ursprünglichere
Vermittlung wie die der Methode vor, in der die Szientisten das
Spezifische des wissenschaftlichen Phänomens gesucht hatten, nämlich
das Welten der Welt. In der Regel lachen Szientisten über diesen
Ausdruck Heideggers als sinnlos. „Die Welt weltet“: da dieser
Satz über die Möglichkeit der Anwesenheit redet, bleibt diese im
Dunkel und somit eine weitere abstrakte Idee der traditionellen
Philosophen. Mit der Geduld für die theoretische Betrachtung, die
der philosophischen Tätigkeit eignet, hätten sie aber bemerkt, dass
es dabei um etwas Grundlegendes für deren eigenes
Abgrenzungsinteresse geht, und zwar, dass sich vor der
Anwendung der wissenschaftlichen Methode das Phänomen
aufgrund dessen Zugehörigkeit zur umgebenden Welt uns mit einem
Sinne geöffnet hat.
Die
Kognitivisten wissen zu gut, dass das, was erscheint, Ergebnis eines
Vorgangs ist, wo die Information manipuliert wird. Darüber
hinaus ist es aber auch Ergebnis einer kausalen Wechselwirkung von
Wirklichkeit und dialektischer Vermittlung der Überlieferung, wie
Gadamer jene – mit Heidegger gesprochen - umgebende Welt nennt. In
Wahrheit
und Methode
erörtert Gadamer Platos Dialektik und zeigt jene Logik von Frage und
Antwort, die das Wissen zu einer Dialektik macht, nämlich die
Kunstfertigkeit, an einem Gespräch teilzunehmen, wo die Sprechenden
sich vertiefen und sich Universalkonzepte bilden.
Plato
hat übersehen, dass es dabei eine ursprünglichere Vermittlung gab,
nämlich die der Lebenswelt. Somit hat er auch übersehen, dass der
unmittelbare Gegenstand in einen Horizont eingebettet ist,
das ihm vorhergeht. Es war Husserls großer Beitrag, der die heutige
philosophische Debatte eingeprägt hat, darauf hinzuweisen, dass
solange die Wissenschaftstheorie weiter glaubt, dass das, was
gemessen wird, die Außenwelt ist, dann stellt der Auftritt der
Lebenswelt eine höchstinteressante Frage: was ist, wenn das, was
gemessen wird, nicht die Außenwelt sondern vielmehr die erlebte Welt
ist? Der Thermometer misst als objektive Temperatur die erlebte
Hitze und Kälte. Die Vergessenheit dessen ist die Vergessenheit der
Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnis (die Krise der
europäischen Wissenschaften). Wenn es aber so ist, dann muss man
zugeben, dass das, was der Wissenschaftler misst, bereits im Vorfeld
vermittelt worden ist. Beharren wir darauf, diese ursprünglichere
Vermittlung zu übersehen, dann laufen wir in Gefahr, das Leben zu
übersehen, und somit uns in einen Lebensstil einzuengen: die bloßen
Tatsachenwissenschaften schaffen bloßen Tatsachenmenschen: dies
war Feyerabends große Sorge. Phänomenologie gilt als Reaktion
gegen den im XIX. Jahrhundert vorherrschenden Szientismus und
Positivismus, eine Reaktion, die danach trachtete, dem Leben seine
Bedeutung zurückzugeben, indem es zum philosophischen Thema
schlechthin macht. So wird Heidegger behaupten, Philosophie ist
ursprünglicher, weil sie das Ursprungliche denkt.
Nicht
die wissenschaftliche Methode macht ein Phänomen wissenschaftlich
und ein Wissen zur Wissenschaft, sondern erst die Anwesenheit des
Phänomens innerhalb einer Lebenspraxis, die den wissenschaftlichen
Sinn des Phänomens vorwegnimmt. Diese Gesinnung wird keinen Platz in
den heutigen Diskussionen der Wissenschaftstheorie finden, solange
man nicht bereit ist, den Satz „die Welt weltet“ zu verstehen.
Anders gesagt, die „external History” nicht ist so sekundär, wie
Lakatos meint.xiv
Indem Laudan die Existenz von Forschungstraditionen betrachtet,
die Lakatos’ Forschungsprogramme ersetzen, hat er
möglicherweise die Linie gezeichnet, die das Problem aufhebt, und
hat somit die Tür fürs Wiedertreffen von Philosophie
(Phänomenologie) und Wissenschaftstheorie geöffnet. Gegen
Lakatos hat Laudan Recht, insofern die Forschungstraditionen die
Aufgabe erfüllen, darauf hinzuweisen, welche Voraussetzungen
diskussionsfrei sind, welche Momente einer Theorie geändert werden
müssen, welche Regeln festzusetzen sind und welche Begriffsprobleme
eine Theorie bereitet. D. h. sie bestimmt eine allgemeine Ontologie
und eine generelle Methode, die Probleme innerhalb eines bestimmten
Bereiches zu lösen.xv
Laudans Hinweis zu folgen, das könnte die Wissenschaftstheorie zur
phänomenologischen Entdeckung jener ursprünglichen Vermittlung
führen, die uns offenbart, dass jede Methode erst darauf Anwendung
findet, was bereits vermittelt wurde.
Es werden die Grundlagen für die Verteidigung der oben genannten
vor-analytischen Intuitionen festgesetzt, die ihre Rolle beim
Abgrenzungsinteresse des Szientismus spielen. Solange
nicht darauf geachtet wird, wird das Problem des Spezifischen vom
wissenschaftlichen Wissen und Phänomen, sowie das des Spezifischen
von jeder Art Wissen und Phänomene, ungelöst bleiben.
Kontakt und weitere
Informationen zum Autor erhalten sie unter
Universidad de Málaga, Homepage: www.uma.es.
i
Cfr., Laudan, 1981.
ii
Laudan, 1977, p 160.
iii
Laudan, 1977, p 162-3.
iv
Cfr., Laudan, 1986.
v
Cfr., Emilio Lledó, 1984.
vi
Newton, libro III, cuestión 31.
vii
Wo die Weisheit nicht mit Methoden, sondern vielmehr mit
Erkenntnisgegenständen zu tun hat.
viii
Cfr., Whewel, 1847, p 55.
ix
Cfr., Mill, 1973, pp 437, 438, 494 y 496.
x
Cfr., Ayer, 1936.
xi
Cfr., Popper, 1934.
xii
Cfr., Feyerabend, 1975.
xiii
Heidegger, Zur
Sache des Denkens,
1969 , spanische Übersetzung 1975.
xiv
Cfr., Lakatos, 1974.
xv
"Una tradición de investigación especifica una ontología
general y un método general de resolver los problemas dentro de un
dominio determinado"; Laudan, 1977, pp. 84.
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