Erschienen in Ausgabe: No. 18 (2/2002) | Letzte Änderung: 27.01.09 |
Gartenpragmatik und Bildungsoptimismus
von Stefan Groß
Der
englische Landschaftsgarten1
und seine Architektur2
sind aus der kulturgeschichtlichen Welt nicht mehr auszuklammern. Die
Idee von einer Welt in der Welt, von einem Mikrokosmos, der die
Universalität und die Totalität des Weltganzen
widerspiegelt, gehört zu den Kulturgütern Europas, die
ihren wesentlichen Anfang einer politischen Misere verdanken. Das
Projekt des englischen Gartens gewinnt in der Abgrenzung gegenüber
politischen3
und sozialen Strömungen, die einem aufgeklärten
Gesellschaftsideal in keiner Weise mehr entsprechen konnten, seine
spezielle Ausprägung. Als Antwort auf diese nicht
zufriedenstellende politische und geistige Situation suchte man nach
einem Darstellungs- und Repräsentationsmedium, das den eigenen
politischen und freiheitlichen Gedanken Ausdruck und Geltungskraft
verleihen konnte. Dies war die Geburtsstunde des englischen
Landschaftsparks,4
wenngleich jene Parks gegenüber Wörlitz nur privaten
Personen und nicht der Öffentlichkeit5
einen Zugang gewährten.6
Die
Gartentradition ist so alt wie die Geschichte der Zivilisation. Sie
nimmt ihren Ausgang vom Garten Eden,7
dem Paradies,8
von dem Walpole lakonisch schrieb:9
„Man belehrt uns, das Vorbild aller [Gärten, Herv. S.G.]
sei der Garten Eden gewesen, aber da jenes Paradies um ein gutes Teil
größer war als irgend eines [...] da alle Bäume darin
wuchsen, die lustig anzusehen oder wovon gut zu essen war, und da man
überdies zwei andere Bäume darin fand, wovon jetzt weder
Stumpf noch Stil übrig ist, so gehört es nicht in die
jetzige Untersuchung.“10
Die Genese11
der Gartenkunst erstreckt sich von den arkadischen Gefilden12
(Beispielsweise die Landschaft auf dem Peloponnes, die als Inbegriff
einer paradiesischen Hirten- und Schäferidylle gilt und darüber
hinaus als Symbol für ein Land der Natur und der Freiheit steht)
bis hin zum Latium. Diese wird weitergeführt von den hängenden
Babylonischen Gärten bis hin zu den Stadtgärten, den
Klostergärten (horti conclusi), den villae rusticae zu den
Terrassengärten, den Barock- und Rokokogärten bis hin zum
englischen Garten und den Volksgärten.13
In der heutigen Zeit wird diese Tradition durch Gartenausstellungen,
durch Freizeitparks u.ä. fortgeführt.14
Überblickt man diese Tradition, dann fällt auf, daß
die Genese des Gartens einer säkularen Entwicklung folgt. Ohne
auf dieses Spezifikum näher eingehen zu können, läßt
sich doch festhalten, daß der inhaltliche Verzicht auf
religiöse und theologische Theoriekonzepte zur Beschleunigung
dieses Säkularisierungsprozesses beigetragen hat. Anstelle
dieser Implikationen sind Erwägungen der Nützlichkeit und
Zweckmäßigkeit getreten, Freiheit und sozialer Ausgleich
stehen im postindustriellen Zeitalter für eine Verwendung des
Gartens als einer Rückzugsmöglichkeit in die Privatsphäre.15
Um die
Spezifika dieses neuen Typus, mithin des englischen Gartens,
herauszuarbeiten, wird folgendermaßen vorgegangen. Der erste
Abschnitt untersucht das Verhältnis von Histographie und
Geosophie. Im zweiten Kapitel wenden wir uns dem Konzept der
regelmäßigen Unregelmäßigkeit zu. Ein
dritter Teil beschäftigt sich mit der Stellung von Allegorie
und Symbolik. Daran anschließend folgt eine Analyse der
Aufklärung in bildungstheoretischer und bildungspraktischer
Absicht. Der letzte und zugleich abschließende Teil wendet sich
dem Traum der Vernunft und der Idealtypik der Sinne zu. Hierbei
handelt es sich im Ganzen um partikulare Zugriffe, die keineswegs den
Anspruch erheben können, die englische Gartenkunst in ihrer
Allgemeinheit abzuhandeln.
Analysiert
man die englischen Gärten in Deutschland, dann kommt man mit
Sicherheit nicht an der Wörlitzer16
Gartenlandschaft vorbei, der aufgrund ihres Ausmaßes die Idee
eines Landschaftsreiches zugestanden werden kann. Das Konglomerat
von Gärten, die in der umliegenden Nähe von Wörlitz
liegen, legt den Gedanken nahe, daß es sich hierbei in
Grundzügen um eine Idealisierung der Natur in großem Stile
handelt. Schenkt man den Selbstzeugnissen des für die
Entwicklung verantwortlichen Fürsten Franz Glauben, dann schwebt
ihm eben diese17
im Gartenreich Dessau-Wörlitz18
vor. Dieses Projekt19
wurde nicht nur angedacht, sondern zum Teil bereits ausgeführt,
wenngleich Franz uns einer vollkommenen Verwirklichung seiner Ideen
schuldig geblieben ist.20
In der
Wissenschaftsforschung wird die Vorreiterstellung dieses Gartens für
Deutschland weitestgehend anerkannt, wenngleich die Interpretationen
variieren. Sehen einige Autoren den Garten im Lichte einer
idealisierten Naturlandschaft, die aufgrund ihrer Überfrachtung
mit Allegorien, Symbolen, Emblemata und heraldischen Sinndeutungen in
einem derartigen Maße ausstaffiert ist, daß der Idee der
Natürlichkeit des Gartens kaum mehr entsprochen wird, so
interpretieren andere den Garten im Lichte eines Reisegartens, in dem
sich die Vielheit und Vielfalt von Reiseeindrücken
niederschlägt. Dies wird überall dort besonders deutlich,
wo man an die Kopien, Miniaturplagiate und Staffagen zur Beurteilung
des Gartens heranzieht, die im Wörlitzer Park21
ihre Umsetzung fanden. Die Kritik an der Überlastung ist es dann
auch, die in der Folgezeit zu einer Vereinfachung oder
Renaturalisierung des Gartens beitragen sollte. Im Anschluß an
die Kritiken von Brown,22
dem Gartentheoretiker und Philosophen Hirschfeld23
und dem Gartenpraktiker Pückler-24
Muskau,25
sollte es zu einer Veränderung innerhalb des Gartenprogramms
kommen.26
Der bewußte Verzicht auf ornamentale Stilmittel entsprach
damals den Forderungen des in Deutschland hochverehrten Rousseau.27
Das „Zurück zur Natur“28,
die Lehre29
vom Bon Sauvage und die „Offenbarung Gottes im Buch der
Natur“30
waren es letztendlich, die dem Garten zu einer Synthese von
Philosophie,31
Natur und Kunst verhalfen. Dies ist nicht nur systematisch und
phänomenologisch nachzuweisen, dies wird überall dort
deutlich, wo man sich den Einfluß dieser Denker vor Augen hält.
Friedrich Franz, Leopold III, seine Gemahlin, die Fürstin Luise
und der Architekt Erdmannsdorff32
kannten Rousseau33
persönlich, da sie jenen am 16.10.1775 in Paris besuchten.34
Die aus England stammenden philosophischen Einflüsse, wie
diejenigen von Shaftesbury,35
Addison36
und Pope, letzterer, der als Dichter, Philosoph, Gartenpragmatiker
und Gartentheoretiker zu den wichtigsten Persönlichkeiten seiner
Zeit gezählt werden darf, blieben in Deutschland nicht ungehört.
Den Affinitäten, Parallelen und Differenzen, die sich aus der
Rezeption jener Philosophien ergeben, kann jedoch in dieser
Untersuchung nicht nachgegangen werden, eine spezielle Untersuchung
hat dies zu leisten. Hier geht es uns um einen systematischen
Einstieg, d.h. um eine Art Grundlagenforschung.
Was ist
nun unter Histographie und Geosophie im Hinblick auf das Wörlitzer
Gartenreich zu verstehen? Unter Histographie soll die historische
Auseinandersetzung und die Rezeption von geistes- und
kulturwissenschaftlichen Grundlagen verstanden werden. Innerhalb der
Geosophie sind zwei unterschiedliche Anwendungsfelder dieser selbst
hervorzuheben, die einmal unter dem Gesichtspunkt der geologischen
und klimatischen Voraussetzungen analysiert, andererseits unter dem
Stichwort der europäischen Kulturlandschaft, d.h. speziell von
der Tradition der Grand Tour her betrachtet werden sollen.37
Histographie.
Gemeinhin – blickt man einmal auf die europäische
Kulturgeschichte im deutschen Raum – steht Wörlitz38
und im gleichen Maße auch Gotha39
im Schatten der großen Residenzstädte und der eigentlichen
Kulturstädte wie beispielsweise Weimar. Diese Reduzierung auf
die maßgeblichen Kulturstandorte wird aber der Eigenständigkeit
und der kulturellen und technischen Entwicklung in Wörlitz und
Gotha nicht gerecht. Analysiert man beispielsweise den Kulturkreis
Weimar, die Weimarer Vorklassik (Wieland) und die Nachklassik (Liszt,
Lenz), dann findet man dort ein kulturelles Zentrum, das, so scheint
es, die übrigen Metropolen der Geistigkeit verdrängt.
Gerade jedoch in Wörlitz und in Gotha pulsierte ein
Aufklärungsdenken ohnegleichen, das mit dem Weimarer Musenhof40
standhalten konnte. Die Umsetzung des Parkes an der Ilm ab 1778,41
den bekanntlich Goethe anlegen ließ, resultiert letztendlich
aus der Kenntnis um die Wörlitzer Anlagen, die Goethe
inspizierte und denen er Anregungen verdankte. Das Philantropium in
Wörlitz, die Kartographie in Gotha, die Aufklärung und die
Liberalität42
der jeweiligen Landesfürsten prägten, um mich eines
Kunstwortes Sloterdijk‘s zu bedienen, kulturelle „Blasen“.
Eine Blase steht in diesem Zusammenhang für eine immunisierte
Binnendialektik, d.h. für ein abgeschlossenes Kontinuum, das
sich selbst produziert. Überträgt man diese Bestimmung auf
die Gartenansätze in Wörlitz und Gotha, deren Ausführung
fast zeitgleich erfolgte, dann wird dies deutlich. Versteht man unter
Blase eine autonome kulturelle Blüte (in der frühen, d.h.
speziell in der vorsokratischen Philosophie wurden diese
Kleinstbausteine als Atome bezeichnet, in der Philosophie des
Hochmittelalters und der frühen Aufklärung dagegen verstand
man darunter die Monaden als prästabilierte Harmonien der
universalen Kosmologie, die sie in der Form der Einmaligkeit und
Besonderheit abbildeten), so zeigt sich eine Parallele im Ansatz.
Blasen sind Blasen von etwas, sie sind Folgen oder Wirkungen.
Überträgt man dies auf die Gartenprojekte in Wörlitz
und Gotha, dann kann man sagen, sie resultieren in ihrer
Eigenständigkeit aufgrund eines globalen Aufklärungsdenkens,
das sich sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden peu a peu
verwirklichte. Die geistige Sphäre war, und dies läßt
sich als eine Gemeinsamkeit herausarbeiten, der verbindende
Ursprungsgedanke, der die Grundlage für spezielle Vorstellungen
in gartentheoretischer und praktischer Absicht lieferte.
Mit Sicherheit war
Wörlitz nicht das kosmologische Zentrum der Welt, man versuchte
sich diesem aber – im Rahmen des Möglichen –
anzunähern.
Die
Auseinandersetzung mit der Geschichte, der Literatur und der Kunst
gehörte daher zum Bildungskanon43
der Aufklärung und damit zur Idee einer Prodädeutik des
Gartens. Basedow, Lavater, Gellert, Gessner, Rohde, Wieland und eine
Vielzahl weiterer sind aus diesem Bildungsprojekt nicht auszugrenzen.
Ohne den Rekurs auf die griechische und römische Literatur- und
Geistesgeschichte, die Architektur, Lyrik und Prosa sowie auf den
Palladianismus, seine Modifikation durch Indigo Jones auf der
britischen Insel, wäre Wörlitz undenkbar. Die Übersetzung
von Vitruv, die Auseinandersetzung mit Horaz, Lukian und Epikur
zählte ebenfalls hierzu.
Geosophie.
Das Arenal des heutigen Parks lag im Schwemmland der Elbe, was
die Gestaltung des Parks weniger förderte als das es ihr nutzte.
Überschwemmungen und die damit verbundene Zerstörung der
Anlagen bedrohten das Gartenreich noch im Jahre 1770/71. Erst mit den
Elbdeichen – ein an den römischen Limes erinnerndes Wach-
und Beobachtungssystem – konnte dem Abhilfe geschaffen werden.
Politisch
betrachtet lag Wörlitz seinem großen Verbündeten, dem
Preußen44
Friedrichs des Zweiten bedenklich nahe, was letztendlich Spannungen
auslöste, die sich nur durch erhebliche finanzielle Aufwendungen
tilgen ließen. Die Autonomiebestrebung des Fürstentums
Anhalt-Dessau lag weder im Interesse Friedrichs, der aus diesem
Landstrich seine Vasallen und Militäradjutanten bezog noch
konnte Friedrich die a-politische Sonderstellung des „Prinzlein“
tolerieren. Umgekehrt zog das kleine Fürstentum aus dieser
Abstinenz gegenüber Preußen Vorteile, denn es wurde zwar
mit Reparationszahlungen belegt, ihm blieben aber die ruinösen
Konsequenzen des Siebenjährigen Krieges erspart, was den
kulturellen Fortschritt im Lande durchaus förderte.
In
geosophischer Hinsicht verfolgte man mit dem Gartenprogramm die
Reproduktion einer großen Reiseerzählung im Rahmen der
eigenen klimatischen und räumlichen Gegebenheiten. Die Grand
Tour wurde nicht nur als Bildungsreise45
oder Kavaliersreise verstanden, sondern mit ihr verband man die
Adaption des Geschauten. Insgesamt vier Mal besuchte der Fürst
England, zudem standen Reisen nach Rom, Neapel und Florenz auf dem
Programm. Die Bildungsreisen dienten dabei unmittelbar zu einer
Sublimierung des ästhetischen Geschmacks, mittelbar versuchte
Franz – indem er die Erlebnisse in Form von Staffagen in das
Gartenprogramm integrierte – zugleich den armen
Bevölkerungsschichten die fremde Kultur zu vermitteln. Nicht nur
in der Architektur, sondern auch in den Gartenanlagen und in den
Staffagen wurden diese Erlebnisreisen umgesetzt. Das Wörlitzer
Schloß, die Villa Hamilton, das Pantheon,46
der Venustempel, welcher dem Sibyllentempel in Tivoli nachgebildet
ist, sowie der nach dem Vorbild des Clitumnus-Tempels bei Spoleto
gestaltete Flora-Tempel (1797/98) geben davon Zeugnis. Gerade die
Gestaltung des „Steins“ läßt sich als
geographisches und topographisches Zitat der süditalienischen
Rezeption interpretieren. Das Gotische Haus seinerseits verdankt
seine Gestaltung der Rezeption von Walpoles Strawberry Hill. Während
die Südwestfassade dem gothic revival nachempfunden ist,
adaptiert die Nordwestfassade den architektonischen Aufriß von
Madonna dell‘ Orto in Venedig. Der 1765 entstandene „Englische
Landsitz“ ist ebenfalls ein Produkt der Englandreise von Franz
und Erdmannsdorff. Als Vorbild diente der nicht mehr erhaltene
„Temple on the Terrace“ in Stourhead, den Henry Hoare durch
Kent angelegt hatte.
Abschließend
bleibt zu konstatieren: Sowohl die Histographie und die Geosophie
lassen sich aus dem Aufklärungsprojekt des Wörlitzer
Gartenreiches nicht ausklammern, da in diesem klassische und moderne
Ideale einerseits zitiert werden, die in die Geosphäre
andererseits integriert wurden.
Die Verwendung
dieses Terminus sowie der Gebrauch desselben dienen vordergründig
sowohl zur Abgrenzung von tradierten Gartenvorstellungen als auch als
adäquates Beschreibungs- und Erklärungsmodell der neuen
Anlagen. In dieser programmatischen Bedeutung verwandte ihn Horace
Walpole,47
einer der prominentesten Gartentheoretiker48
des 18. Jahrhunderts, um die Neuartigkeit und die modifizierte
Weltsicht zu formulieren. „Der Essay on modern gardening“
läßt sich so als ein Programm verstehen, das als Grundlage
des Gartenverständnisses angesehen werden kann. Aufgrund seiner
Prägnanz und brillianten Klarheit läßt es sich in die
Reihe jener Theoriebildungen stellen, wie sie von Batty Langley's
„New Principles of Gardening“ (London 1728) und Thomas
Wateley's „Observations on Modern Gardening“ (London 1770)
vorgelegt wurden. Walpole war wie viele, die sich mit theoretischen
Entwürfen zum Garten auseinandersetzten, selbst ein
leidenschaftlicher Gartenbesitzer und um die Ausführungen der
theoretischen Voraussetzungen bemüht, wenngleich diese nicht
immer mit dem Theoriekonzept eine Einheit bildeten. Auch hier ist
nicht der Ort, um eine Beschreibung zum englischen Garten auf den
britischen Inseln vorzulegen. In der Publikation von Müller mit
dem Titel„Klassischer Geschmack und gotische Tugend, Der
englische Landsitz Rousham“ wird auf diese Themata, die sich im
Anschluß daran ergeben, ausführlich eingegangen.
Regelmäßigkeit
und Unregelmäßigkeit – eine Paradoxie? Auf diese
Frage ist des näheren einzugehen. Die Regelmäßigkeit,
die Einheit axialer und symmetrischer Entsprechung, die Proportion
u.ä. gehören als Formmittel zum typischen Vokabular, mit
denen die Ästhetik des Barock und des Rokoko arbeitet. Sie
dienen als universal gültige ästhetische Kategorien, die
nicht nur die Aufgliederung des Gartens nach der Methode der more
geometrico buchstabieren, sondern sie fungieren darüber
hinaus als die notwendigen Axiome und Paradigmen, die die Vereinigung
der absoluten Macht mit der absoluten Vernunft des jeweiligen
Potentaten widerspiegeln. In genau dieser Hinsicht lassen sie sich
als metaphysische Kategorien auszeichnen, die entweder aus einer
ästhetischen Theologie oder aus der Absolutsetzung der Politik
des absoluten gottgesandten und Gott stellvertetenden Souverän
resultieren. Das Maß der Vernunft ist das Maß des
göttlichen Verstandes, der sich in ihr vergegenwärtigt. Die
Regelmäßigkeit hat demnach ihren Sitz in der Ordo des
Rationalismus, sie speist sich aus idealen Zahlenverhältnissen,
wie sie beispielsweise – vermittelt durch Pseudo Dionysius
Areopagita, Augustinus und Suger (dies ist für den frühgotischen
Baustil belegbar, der im modifizierten Gewande der Neogotik in den
englischen Park wieder an Bedeutung erlangte, Beispiele hierfür
sind das Gotische Haus in Wörlitz und der Neugotische Salon in
Weimar.) – Einfluß und Bedeutung erlangten.
Einer
derartig einseitig rationalen Domäne der Gestaltung widerspricht
die Idee einer proportional sich selbst reproduzierenden Natur im
höchsten Grade. Der Souveränitätsanspruch richtete
sich nicht nur auf die politische und theologische Bestimmung,
sondern diente zugleich als ein Regelkode, der der Natur das Gesetz
ihrer Genese vorschrieb. Das deutende Eingreifen der Vernunft belegt
dies exemplarisch, wenn man sich Gartenanlagen wie Versailles vor
Augen hält. Nicht nur in der regelmäßigen Anordnung
der Wege, Beete und Pflanzen wird dies ersichtlich, sondern auch in
der Ausrichtung der domestizierten Natur auf die Architektur. Das
Schloß ist nicht nur der Ausgang, der Mittelpunkt und der
Endpunkt von Sichtbeziehungen und Sichtachsen, sondern es fungiert
als der dominierende Zentralbau, auf den sich der Garten zumeist
sternförmig vereinigt und auf diese Ansicht hin vereinheitlicht.
Das Schloß läßt sich in dieser Bestimmung als das
Symbol des Gottesstaates, der civitate dei und als das lokale
Machtzentrum beschreiben, das für barocke Gartenanlagen so
typisch ist.
Die Abgrenzung
gegenüber den barocken Anlagen erfolgte nicht so rigoros, wie
man es annehmen konnte, sondern zuerst versuchte man – dies wird
beispielsweise in Schwetzingen deutlich – die strenge
geometrische Form aufzuschlüsseln, indem man den Garten nach den
Seiten hin öffnete. Die Eingliederung von barocken Elementen und
Anlagen war nicht ungewöhnlich, problematisch war nur, wie diese
Elemente in ein Gartenkonzept integriert werden konnten, das sich der
Idealisierung der Natur gegenüber verpflichtet sah. In Gotha
wurde eine derartige Synthese versucht, wenn man die Einbindung der
alten Orangerie in den restlichen Park vor Augen hat. Sie hat jedoch,
wenn man das Gesamtprojekt analysiert, eine eher sekundäre
Funktion und vermittelt den Eindruck, (wenn man die Weitläufigkeit
des Parkes betrachtet) eines übrig gebliebenen Anhängsels.
Der Wörlitzer Park hingegen ist ein Musterbeispiel des
englischen Gartens, denn barocke Elemente kommen in ihm nur
vereinzelt vor.
Die
Dezentralität kann als das neue Stilmittel des Wörlitzer
Gartenreiches im besonderen und des englischen Garten im allgemeinen
verstanden werden. Der Schloßbau (entworfen durch den
Architekten Erdmannsdorff49
gilt heute noch als Musterbeispiel des Klassizismus) tritt zurück
und bildet nicht mehr die kompositorische Mitte des Gartens. Der
Verzicht auf das im Barockgarten unverzichtbare Parterre50
wird durch einen an das Barock erinnernden pleasureground
ersetzt, der meist als quadratischer Rasen oder als rechteckige Form
(zumeist vor dem Schloß oder der Villa) an die Regelmäßigkeit
erinnert, da er sorgfältig mit Statuen und Blumen gestaltet
ist.51
Die für den Barockgarten (abgeschlossenes Refugium) notwendige
Umzäunung wurde durch die natürliche Offenheit des Gartens
in alle Himmelsrichtungen beseitigt. Der Übergang52
von der idealisierten in die freie und natürliche Natur wurde so
kaschiert, da dieser Übergang dazu diente, die Illusion einer
unendlichen Landschaft in der produktiven Einbildungskraft
hervorzuheben.53
Praktisch wurde dieser Übergang durch das HA-HA oder auch
das AHA54
möglich, durch welches eine unendliche Raumdimension den Blick
nicht an den künstlichen Enden auf den Betrachter zurückwarf,
sondern diesen in die Weite der Betrachtung führen konnte. Damit
kam zugleich ein Novum der ästhetischen Wahrnehmung ins Spiel.
Der Betrachter fühlte sich nicht mehr als der Mittelpunkt seiner
ästhetischen Wahrnehmungen, sondern die Natur selbst lancierte
ihn zu einer Vielzahl von Blickperspektiven, die immer neue
Aussichten ermöglichten und eröffneten. Die kognitive
Einhausung wurde zugunsten des freien Spiels der Kräfte und
Erscheinungen aufgebrochen. Die Freiheit der visuellen Wahrnehmung,55
die auf der Täuschung basierte, wurde so zu einer Wahrnehmung,
die die Natur (sowohl die gestaltete als auch die ungestaltete) als
eine kreative Poiesis begriff, die sich nach eigenen Regeln erschuf
und produzierte. Dieses Erlebnis war genau nur dann möglich,
wenn sich das Subjekt mit seinen Sinnen auch wirklich auf die
empirische Vielfalt einzulassen gewillt war. Gelang ihm dies, so
merkte es, daß der Rückgriff oder der Zugriff auf die
eigenen sinnlichen Instrumentarien der Erkenntnis nicht beiseite
gelassen werden konnte. Die Rationalität wurde zugunsten der
Sensibilität entlastet. Dieses neuartige Erkenntnisvermögen
und die Möglichkeit, die ihm dies ermöglichten, analysierte
John Locke ausführlich in seinem „Versuch über den
menschlichen Verstand“. Das AHA hat daneben noch eine praktische
Funktion, die gerade im Hinblick auf die Wörlitzer Anlagen
berücksichtigt werden muß. Gerade im „Neuen Garten“,
dessen Ausführungen dem Gärtner Schoch übertragen
wurden, zeigt sich die Verbindung von AHA mit der Vorstellung
einer ornamental farm. Durch das AHA, das einen
Abschluß zumeist in der Form von einem Wall, von dichten
Pflanzungen und von Wasserwegen56
suggerierte, diente zum Schutz vor dem freien Wildbestand. Der
Wörlitzer Park, dies sei hier nur am Rande bemerkt, sollte nicht
nur zum Ort der Empfindsamkeit stilisiert werden, sondern man verband
mit ihm – speziell im Gewande der ornamental farm57
– die Idee der Pflanzenzucht, der Baumschule und der
Tierhaltung. Im Anschluß an die Schäferidyllen in
Arkadien, wie sie durch die idealisierten Gemälde von Claude
Lorrain58
dargestellt wurden, gewann die Schafzucht an Beliebtheit. Das Weiden
der Schafe in der Ferne verstärkte die optische Illusion, ein
wirkliches Arkadien geschaffen zu haben. Zudem bemühte man sich
in den Nutzhäusern und Gewächshäusern um die Aufzucht
und Nachzucht von fremdländischen und einheimischen Pflanzen,
die man mit beträchtlichen Kosten aufwendig nach Deutschland
transportierte, um das Flair und das Fluidum des Gartens durch
tropische Gewächse und mit jenen, aus der Mittelmeerregion
stammenden Pflanzen, zu erhöhen. Die fremde Flora unterstrich
die Idee einer Wiederbelebung der Vorstellungen von Arkadien und
veranschaulichte zugleich die Sehnsucht nach fremden Kulturen, die
man entweder in Form eines Kleinods kopierte oder in irgendeiner
Staffage symbolisierte. Zeichen hierfür ist der Nachbau des
Vesuvs und die Pagode in Oranienbaum, eine Architekturform, die in
den chinesisch geprägten Landschaftsgärten des ausgehenden
18. Jahrhundert verwendet wurde.59
Die Aufzucht diente nicht nur dazu, einen Bestand zu haben, auf den
im Notfalle zurückgegriffen werden konnte, sondern diese hatte
vor allem die Funktion, die ökonomischen Aufwendungen und
beachtlichen Ausgaben zu tilgen, die das Projekt des
Landschaftsgartens erforderte und an denen manch einer (Fürst
Pückler-Muskau) gescheitert ist.
Ein
weiteres Stilmittel hielt im englischen Garten Einzug (dies läßt
sich auch wunderbar am Wörlitzer Park verdeutlichen) – der
belt walk. Er war die unregelmäßige Antwort auf
das Regelprogramm der barocken Wege. Fand zu Beginn des englischen
Gartenparks noch die gerade Linie als Gestaltungsmittel Verwendung,60
so wird in Wörlitz und in Gotha61
(die Orangerie einmal ausgeblendet) auf die Geradlinigkeit zugunsten
einer unregelmäßigen Wegeplanung verzichtet. Der belt
walk läßt sich als ein um den Park verlaufender Weg
beschreiben, der zudem den Vorteil liefert, den Park von Außen
kontinuierlich betrachten zu können.
Der
belt walk avanciert zu einem häufig gebrauchten
Stilmittel des Landschaftsgartens, auf den im Anschluß an
Wörlitz auch noch Sckell zurückgreifen wird. Das
verschlungene Wegesystem, die wellenförmige und schlangenförmige
Linie,62
in der sowohl Wasserwege, Stege und Brückenkonzeptionen
integriert sind, dient als Medium der unmittelbaren visuellen
Richtungsverschiebung.
So
kommt es, wenn man den belt walk folgt, zu einer permanenten
Öffnung von Ausblicken, die eine neue Sicht auf die Landschaft
und ihrer architektonischen Stilelemente erlaubt. Der Betrachter wird
nicht von einem vorgegebenen Kanon von Blickbeziehungen determiniert,
sondern der Garten offenbart und ereignet sich in seiner
Unterschiedlichkeit. Das Moment der Überraschung erlangte als
formal gestalterisches Mittel hierbei an Bedeutung. Die Freiheit der
Wahrnehmung, die Uneingeschränktheit und die Zügellosigkeit
der Betrachtung verschafften dem Rezipienten das Gefühl, den
Garten neu zu entdecken, wobei die Stilelemente als äußerer
Anstoß fungierten. Der Garten wurde so auf die Individualität
des Betrachters zugeschnitten und konnte jenseits von einem
aufoktroyierten Regelkodex und einer darin eingeschlossenen
Formsprache wahrgenommen werden. Dies schließt nicht aus, daß
Gartenführer, wie beispielsweise von August Rode (1788)
verwendet wurden, um den Unkundigen auf die kompositorischen
Eigenheiten aufmerksam zu machen. Zu den drei Grundprinzipien der
Gartengestaltung, die auf Alexander Pope zurückgehen, gehören:
das Moment der Überraschung, wie erwähnt, „der
Reichtum an Abwechslung und Kontrasten und das Unsichtbarmachen, das
Vertuschen der Grenzen, der Grenzzäune“63.
Das Schönheitsideal der Serpentine, das auf Hogarths
Beschreibung in seiner „Analysis of Beauty“ von 1753
zurückgeht, avancierte zum gestalterischen und visuellen
Stilmittel. Die visuelle Verschiebung, kombiniert mit der sukzessiven
Erlebniserweiterung, stand damit für die Aufhebung der
dominierenden Ausrichtung und Fixierung auf die geometrische Ordo.
Dies schloß zugleich die Verlagerung des teleologischen
Aspektes mit ein, denn nicht die Hauptachse und die Querachse,
sondern die Wege in ihrer variablen Mannigfaltigkeit wurden zum Ziel
selbst. Dennoch handelte es sich auch beim belt walk um eine
zirkuläre Raum- bzw. Wegweisung. So sehr das Wegesystem
variierte, was den Anschein der Irregularität erweckte, so kam
doch der Besucher nach der Beendigung des Rundganges wieder zum
Ausgangspunkt zurück. Die Irregularität wird damit zwar
nicht aufgehoben, sie wird aber ihrer absoluten Scheinhaftigkeit
beraubt, da letztendlich das gestalterische Prinzip der
Regelmäßigkeit in der Unregelmäßigkeit
überwiegt. Die scheinbare Ziellosigkeit der Wegführung
mündet letztendlich in der Gestaltung, die ihr zugrundeliegt.
Der englische Gartentyp hat mit Sicherheit nicht den Formenkanon des
Barockes außer acht gelassen, er reagiert vielmehr in
kritischer Distanz auf jene Blüte des Absolutismus in seiner neu
gefundenen Innerlichkeit.
Ein
weiteres, für den englischen Garten typisches Gestaltungsmittel,
findet sich in der Verwendung von Sichtachsen. Diese vom Barock
übernommene Visualität wird aber modifiziert. Die
Sichtachsen sind nicht mehr an die axial-geometrische Wegführung
gebunden, sondern sie ergeben sich unmittelbar im Abschreiten der
Gartenlandschaft. Dies bedeutet für die Psyche des Betrachters
die Erfahrung einer stetig sich wandelnden Naturbetrachtung. Ein
mustergültiges Exempel nicht nur in stilistischer, sondern auch
in propädeutischer Hinsicht ist die Sichtbeziehung, die sich von
der „Goldenen Urne“ aus ergibt. Von der Urne der früh
verstorbenen Tochter des Fürsten, die am Ufer des als Styx
benannten Flusses aufgestellt wurde, eröffnen sich drei
verschiedene Sichtachsen, wobei die mittlere auf den Kirchturm in
Wörlitz, die linke auf die Synagoge und die dritte auf den
„Warnungsaltar“ mit der sich dahinter befindlichen
„Muschelsucherin“ gerichtet ist. Diese drei
Sichtbeziehungen verkörpern in propädeutischer Hinsicht die
drei unterschiedlichen, doch einander gleichgestellten und
gleichberechtigten Religionsformen. Der Einfluß Shaftesbury's
ist hierbei nicht zu übersehen,64
denn das Toleranzedikt, das sich auch in Lessings Ringparabel findet,
verdankt sich einem gemäßigten und aufgeklärten
Enthusiasmus, wie er uns exemplarisch in dem Brief über den
Enthusiasmus vorliegt. Hier wird nicht nur jede doktrinäre
Glaubensformel, jeder fanatische und unkritische Glauben attackiert,
sondern die gegenseitige Achtung wird angepriesen.
Auch im
englischen Garten zu Wörlitz findet der Rückgriff auf
Allegorien und auf Symbole statt. Die Staffagen fungieren hierbei als
Allegorien, die auf einen denotierten Sachverhalt verweisen. Dies
gilt nicht nur für die Staffagebauten, sondern im gleichen
Umfange für die im Park aufgestellten Büsten und Denkmäler.
Der Park als ganzer wird so zu einem allegorischen Verweisungssystem,
das sich nur dem entschlüsselt, der von den Staffagen ausgehend,
auf deren Sinnzusammenhang und deren Bedeutung zurückgeht. Die
Arbeit mit Allegorien und Symbolen geht auf den Regelkanon des
Barockgartens zurück, da zur Entschlüsselung der
Sinngehalte der rationale Verstand und die produktive
Einbildungskraft hinzuzuziehen sind, die, denkt man im Gegensatz dazu
an Stowe65
und an die Umgestaltung dieses Gartens durch Brown, als mindere
Vermögen den sensitiven Gefühlen subordiniert wurden. Die
Differenz zwischen Rationalität und Sensualität wurde, wie
wir bereits wissen, durch Lancelot Brown vergrößert, der
auf Staffagen verzichtete, um das sensitive Rezeptionserlebnis zu
betonen. Diese einseitige Betrachtung von Sinngehalten wird aber im
englischen Garten durch den Rückgriff auf die emotionale,
sinnlich-gefühlvolle Rezeption erweitert. Mit dem Denkvermögen,
durch das sich die Bedeutung der Allegorie erschließt, muß
die Ebene der Empfindsamkeit korrespondieren. Dies schließt
nicht aus, daß der Verstand das sensitive Vermögen
anleitet, es schließt aber aus, daß man auf die
Sensitivität verzichten könnte. Gerade in Wörlitz
zeigt sich sehr deutlich, daß man das Wechselspiel von Verstand
und Gefühl berücksichtigte und in die gärtnerische
Planung integriert hatte. Stehen die Gärten von Neumarkt und
Schoch für Gartenkonzepte, in denen eine Überfrachtung von
allegorischen, symbolischen und emblematisch konnotierten Staffagen
Eingang fand, dann hebt sich der Neue Garten in seiner Natürlichkeit
von diesem Gestaltungsprojekt ab, da man hier auf die Überfrachtung
verzichtete. Durch diesen Verzicht kommt es zu einem
Paradigmenwechsel, da die Natur hierbei, ohne einen
Bedeutungszusammenhang zugrundelegend, sich selbst offenbarte, was
zugleich dem emotionalen Erlebnis entgegenkommen sollte. Dieser
Paradigmenwechsel kam denn auch der rousseauschen Philosophie näher
als die mythologische und mythische Überfrachtung durch
Staffagen. Zwar bedeutete die Richtungsverschiebung zugunsten der
scheinbar vorgegebenen Naturalisierung nicht, daß sich die
Natur in ihrer Selbstproduktion und Reproduktion selbst überlassen
war, es verdeutlichte jedoch den ästhetischen Schein dieser
naturellen Selbstgenese, denn selbst der naturalisierte Garten bleibt
ein kreatives Geschöpf der instrumentellen Vernunft.
Im Wörlitzer
Gartenreich wird – gerade in den älteren Teilen der
Gartenanlagen (Schloßgarten, Neumarks und Schochs Garten) –
auf die Verwendung von Allegorien zurückgegriffen. Exemplarisch
hierfür ist beispielsweise die „Muschelsucherin“, die
für die allegorische Umschreibung der Gottessuche in der Natur
steht. In Neumarks Garten findet sich die Verbindung von Labyrinth
und Elysium, die für die Sinnsuche im Leben und für das
heitere Leben nach dem Tode sinnbildliche Bedeutung erlangt. Im
Gegensatz zu den Irrgärten des Barocks, die dem Lust- und dem
Zeitvertreib dienten, verbindet man mit dem Labyrinth und dem Elysium
in Wörlitz ein bildungspolitisches und sozialpädagogisches
Programm. Der Wanderer wählt zwischen zwei Wegen, wobei ihn der
eine in die Welt des sinnlichen Genusses führt und zur Umkehr
mahnt, der andere jedoch inmitten des elysischen Feldes anlangen
läßt. Die Verwendung dieser Allegorien kann deutlicher
nicht sein, denn nur ein tugendhaftes, aufrichtiges und aufgeklärtes
Leben kann letztendlich den Eintritt in die elysischen Gefilde
garantieren. Der Weg der Tugend, wie er sinnbildlich durch die
Statuen von Lavater und Gellert bezeichnet wird, steht damit für
den richtigen Weg, der auf Wissenschaftserkenntnis und
Literaturschulung beruht.
Die
romantische Partie – dies kann man mit Sicherheit sagen –,
ist derjenige Teil des Gartens, in dem die Vielzahl von Allegorien
ihren ikonographischen Höhepunkt hat. Die Grotte des Eremiten
symbolisiert ein Leben in Zurückgezogenheit und Einsamkeit, in
dem genau jene Tugenden aufgewertet werden sollen, die für die
Selbstfindung der individuellen Persönlichkeit, mithin, für
das „Zurück zur Natur“ und für das naturale Leben
in derselben, vorrangig sind. Der Venustempel – ein 1794 durch
Erdmannsdorff errichteter Sandsteinmonopteros – steht
seinerseits für einen symbolischen Bedeutungsträger. Er
bildet den Abschluß der mystischen Gartenpartie, die mit
unterirdischen Gängen und oben genannten Grotten des Vulkan, des
Neptun und des Aeolus, die als Sinnbilder für die Elemente
Feuer, Wasser und Luft stehen, ausstaffiert ist. Der Abguß der
Venus Medici bedeutete mit Sicherheit einen Verweis auf die für
den Fürsten nachhaltig favorisierte Idee der „Emanzipation
des Fleisches“.66
Auf die Synthese einer erotisch verschwiegenen und latenten
Liebessehnsucht hat in neuerer Zeit Niedermeier verwiesen, der auch
den Garten aus dieser Perspektive heraus analysiert.67
Jedoch nicht nur die neue Stellung zur Leiblichkeit – man muß
sich allerdings hier fragen, wie die verschiedenen Zitate innerhalb
des Gartens miteinander korrespondieren68
–, sondern auch die Freimaurerei69
wurden in diesem Kontext bedacht. Zwar war der Dessauer Fürst
Franz – im Gegensatz zu vielen Intellektuellen seiner Zeit –
der Freimaurerei70
gegenüber kritisch eingestellt, es kann jedoch nicht
ausgeschlossen werden, daß sich der Fürst in
säkularisierter Form mit der Symbolik der Freimaurer
auseinandersetzte. Zu sehr war die Idee des Freimaurertums mit der
Idee der Aufklärung verbunden als das man sich aus diesem
Kontext herauslassen konnte.
Die
„Mystische Partie“ verdeutlicht exemplarisch die Ambivalenz
von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, von Schatten und Licht,71
von Melancholie und Rationalität, d.h. Symbole und Termini, die
bei den Freimaurern verwendet wurden. Die zueinander konträr
verlaufenden Spannungspole initiieren beim Betrachter die Wahrung
eines Geheimnisses, das nur jener entschlüsselt, der in die
Mysterien eingeweiht ist. Dies entsprach ganz und gar dem Programm
der Freimaurerei, die sich auf Platons Mythologie und auf die
Ungeschriebene Lehre beziehen konnte.
Auch
die Thematik des Todes, die Buttlar72
unter dem Stichwort der Transzendenz beschreibt, hielt im
Wörlitzer Garten Einzug. Hierbei kommt es zu einer Ambivalenz
des Totenkultes. Einerseits wird die ehemalige Grablege an der
Kirche zugunsten eines neopalladio‘schen Gesamtensembles
aufgelöst, wobei der Friedhof in den Außenbezirk der Stadt
verlagert wird, was einer Revolution des Bestattungswesens nahesteht.
Andererseits kommt es zu einem säkularen Bestattungswesen, durch
das der Tod von der Kirche gelöst und in den Garten als
transparenter integriert wird. Diese säkulare Bewegung oder
Transformation vom Gotteshaus und vom Gottesacker hin in die Natur
veranschaulichte explizit die Tendenz der Aufklärung mit dem
rituellen Bestattungswesen und mit der damit verbundenen
Vormachtstellung der römisch katholischen oder lutherisch
protestantischen Kirche zu brechen. Hinzukommt ein naturreligiöses
Verständnis des Todes, das sich sowohl aus der Kosmologie als
auch aus der Naturphilosophie ergibt. Gehört der endliche Leib
als partikularer zu einem übergeordneten kosmologischen oder
kosmogonischen Kontext, dann ist er nicht nur ein Teil des
Universums, für das er einen Ausschnitt bildet, sondern er ist
ein genuines Abbild des transzendenten Urbildes, wobei ihm die
unendliche Dignität im Rahmen der Endlichkeit attestiert werden
kann. In naturphilosophischer Hinsicht ist der endliche Leib nicht
nur als ein Organismus zu verstehen, sondern ebenfalls als eine
organisch lebendige Selbstorganisation, die die absolute Poiesis der
Natur widerspiegelt. Er ist damit nicht nichts, wie man es in der
spekulativen Antike annahm, sondern er ist die Synthese von Anorganik
und von Organik, der nicht als mentaler, wohl aber als
empirisch-geistiger der naturalen Sphäre zugerechnet werden muß.
Von diesen beiden Axiomen oder Prämissen ausgehend, folgt, daß
der Tod nicht in der Fremdheit verabsolutiert wird, sondern das man
seine Transzendenz in das Leben hinein nahm, um der Toten zu
gedenken, und um sich selbst die Endlichkeit vor Augen zu halten.
Dies konnte nur noch
von einer naturreligiösen Extravaganz überhöht werden,
wie sie sich in der Grabstätte von Pückler-Muskau in
Branitz finden läßt. Pückler ließ es
testamentarisch so einrichten, daß seine Asche über die
Landschaft verstreut wurde, was zugleich als Symbol für die
Aufhebung der Leiblichkeit in den Schoß der Natur angesehen
werden darf. Urnen und Grabmäler und Sarkophage, wie
beispielsweise der Sarkophag vor der Wörlitzer Kirche und die
„Dietrichsurne“ unterstreichen die Todesthematik
nachhaltig.
Obwohl der Garten
für die Öffentlichkeit bestimmt war, die ihn jederzeit
aufsuchen konnte, darf doch nicht übersehen werden, daß
ein adäquater Zugriff auf die Allegorie und Symbolik des Gartens
nur demjenigen möglich war, der diese Symbolik verstehen und
verarbeiten konnte. So sehr die Anlagen einem bildungspraktischen
Ansatz geschuldet waren, ihre Entschlüsselung bedurfte einer
Kenntnis, die nicht allen Partizipienten – aufgrund ihres
Bildungsstandes – zugänglich war. Die Idealisierung durch
Allegorien lief daher Gefahr, von der Vielzahl der Rezipienten nicht
wahrgenommen zu werden. Die bildungstheoretische und ikonographische
Überfrachtung wurde damit zum Problem, denn jene, für die
der Garten auch konzipiert wurde, waren zum größten Teil
nicht in der Lage, die aufklärerischen Absichten zu
entschlüsseln. So sehr sich die Auftraggeber, die Architekten
und Ausführenden auch bemühten, eine allgemeine Veränderung
des sozialen Ungleichgewichts sowie eine Veränderung der
Gesellschaft mit Hilfe der Aufklärungsideale anzustreben und
diese umzusetzen, eine Umwälzung im großen Stile ließ
sich jedoch nicht durch die Gartenkunst herbeiführen.
Mit der
Inszenierung des Gartens verfolgte man gerade in Wörlitz73
das Projekt eines aufklärerischen Bildungsoptimismus. Sowohl der
gelehrte Garten als auch der sentimentalische Garten
fungierten als unterschiedliche Ebenen mit einem verschiedenen
Geltungsanspruch. Der gelehrte Garten versinnbildlichte das
rationale, der sentimentalische,das emotionale
Moment.74
Ordnet man beiden philosophische Klassifizierungen zu, dann läßt
sich der erste als moralisierender Garten, der zweite als
ästhetisierender Garten begreifen. Während im ersten die
Betonung auf die Erziehung und sittlichen Vervollkommnung gelegt
wird, liegt das Hauptaugenmerk im zweiten auf der Ästhetisierung
der sinnlichen Wahrnehmung. Was wurde damit verfolgt? Man wollte, so
meine ich, die Einheit in der Unterschiedenheit veranschaulichen.
Spätestens seit Locke und Shaftesbury war klar, daß der
Mensch die Einheit seiner selbst ist. Appliziert man diesen Gedanken
auf das Gartenreich im ganzen, so soll dieses die Einheit in der
Unterschiedenheit darstellen. Die Erziehung des Menschen zur
Sittlichkeit, komprimiert mit dessen moralischer Freiheit, darf
die emotionale Seite des Subjekts nicht vernachlässigen, sondern
muß diese einschließen, wenn das Subjekt nicht als
duplizitäres Wesen gedacht werden soll. Moralität und
Ästhetik, in unserem Fall Sittlichkeit und Gefühl, stehen
damit für die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die in der
Einheit des Subjekts zusammenzuführen sind.
Die
Unterscheidung zwischen Rationalität und Sensitivität hat
gerade in der deutschen Gartenliteratur Furore75
gemacht und eine breite Diskussion ausgelöst, die sich mit
Fragen der Zuordnung und Klassifizierung von Gartenpartien
auseinandersetze, wobei diese Typologie der gestalterischen Mittel
und Wirkvermögen hierarchisierend operierte. Die Vorstellungen,
die man im Garten praktisch umsetzen wollte, wurden in diesem Sinne
gestuft. War es das Interesse, den Garten als sensuales Medium zu
stilisieren, dann wurden die Vermögen der Vernunft und des
Verstandes deklassifiziert und dem Gefühlsvermögen
untergeordnet.
Dessen
ungeachtet versuchte man im Wörlitzer Park, die in der
Gartenliteratur und Ästhetik diskutierten beiden Typen –
den rationalen und den sentimentalischen Garten – zu verbinden.
Hinzu kam ein Verständnis des Menschen, das durch den Einfluß
rousseauscher Gedanken in den literarischen Diskurs Einzug hielt. Der
Mensch vermag nach diesem Verständnis nur dann seine
Rationalität beanspruchen, wenn diese im Einklang zur
Natürlichkeit des menschlichen Selbst steht. Der Garten wird
damit zum Symbol sowohl moralischer als auch ästhetischer
Konnotationen. Die Büsten von Lavater und Gellert, die sich im
„Labyrinth“ des Neumarkschen Gartens befinden,
veranschaulichen den ideellen Gehalt von Wissenschaft, Forschung und
Literatur, der dahinter verborgen liegt. Die Rousseauinsel – im
selben Teil des Gartens, an dessen westlichen Begrenzung zu finden –,
steht nicht nur für die Nachbildung des Grabes von Rousseau im
Garten von Ermenonville bei Paris, sie ist nicht nur ein Memorandum,
sondern durch sie wird der Einfluß rousseauschen Denkens über
dessen Tod hinaus vermittelt. Nicht nur Statuen und Inschriften76
waren geeignet, um die allegorischen Auffassungen widerzuspiegeln,
sondern auch die Monumente dienten der allegorischen Umschreibung.77
Gerade im nördlichen Bereich des Schochschen Gartens – in
der sogenannten Romantischen Partie – wird das Wechselspiel von
Vernunft und Gefühl geradezu pointiert. Hier kommt es aber nicht
nur zum Kontrast zwischen beiden, sondern hier kommen die
philosophischen Kategorien des Erhabenen und des Schönen ins
Spiel. Man betritt diese Partie des Gartens über eine
Hängebrücke, die eine abenteuerliche und erlebnisreiche
Reise in die Mysterien geradezu paradigmatisch vorausnimmt. Schroffe
Felsformationen, bizarre Gesteinsblöcke erinnern in diesem Teil
des Gartens, an die Gefahren der nicht domestizierten Natur, die in
der Distanz erschreckt und zugleich fasziniert. In diesem Gartenteil
wird die Arkadienästhetik bewußt durch ein Projekt
erweitert, das auf das Erlebnis der Innerlichkeit, der Einsamkeit
rekurriert. Dies ist keineswegs neu – Bormarzo in Italien und
Sanspareil bei Bayreuth – bedienen sich bereits derartiger
Stilmittel, um sowohl den Rückzug in die Innerlichkeit als auch
die damit verbundene Intensivierung der Gefühle zu kultivieren.
Der Gebrauch von Eremitagen und Grotten ist keineswegs eine Erfindung
des englischen Gartens, wird jedoch gerne – zumindest in den
frühen Gartenkonzeptionen – verwendet, um die produktive
Einbildungskraft78
zu reaktivieren. Gerade der Einbildungskraft als ein zwischen Ratio
und Empirie vermittelndes Vermögen wird hierbei eine Aufwertung
zugesprochen, die ihr in der klassischen Schulphilosophie nicht
zugeeignet war, die aber im Rahmen einer veränderten
ästhetischen Wahrnehmung, an der Hume, Locke, Shaftesbury, Pope,
Sulzer, Baumgarten, Burke und Addison nicht unbeteiligt waren,
nunmehr als eigenständige Erlebnisform Bedeutung erlangte.
Hirschfeld hat im ersten Band seiner Theorie der Gartenkunst die
allgemeinen Gesetze der Gartenkunst auf den Grundsatz zurückgeführt:
„Bewege durch den Garten stark die Einbildungskraft und die
Empfindung, stärker als eine blos natürlich schöne
Gegend bewegen kann.“79
Der Wörlitzer
Park wurde daher nicht nur zu einem Garten, der einseitig auf die
Ideen der Aufklärung und der damit verbundenen Errungenschaften
(das neue Selbstverständnis der Subjektivität) ausgelegt
war, sondern mit dessen Hilfe es möglich wurde, das Verständnis
der einheitlichen und konkret-allgemeinen Subjektivität zu
veranschaulichen. Es ging um eine Weltansicht, die hier zur
Darstellung gebracht wurde, mit der und in der sich jedes Subjekt
identifizieren konnte, insofern es sich als die Ganzheit aller seiner
Vermögen verstand.
Zu
dieser Erfahrung der Ganzheitlichkeit und der Gleichwertigkeit der
Vermögen kam der Aspekt der Nützlichkeit hinzu. Die schöne
Seele und das Nützlichkeitsstreben fanden hier eine Verbindung.
Diese Verbindung verhalf nicht nur als autopetisches Konstrukt dazu,
daß sich das Subjekt in die Welt des alten Arkadiens versetzen
konnte und sollte, sondern die Vereinigung von Arbeit und Genuß
klangen hier ebenfalls schon an. Im Wörlitzer Gartenreich wurde
die Synthese von Schönheit und Nützlichkeit, von
Erhabenheit einerseits und technischer Vollkommenheit andererseits
miteinander kombiniert. Das aufwendig gestaltete Brückensystem,
die moderne Kanalisation und die technisch versierten Raffinessen im
Schloß, unterstreichen dies nachdrücklich. Gerade wenn man
sich das Brückenprojekt (21 an der Zahl) vor Augen hält,
wird klar, was man damit verfolgt. Neben der Schönheit, dem
Stile Palladios80
nachempfundener Brücken (auch im Luisium), kommt ein
Brückenprogramm81
ins Spiel, was nicht nur die Nützlichkeit (schwimmende und
drehbare Brücken) veranschaulicht, sondern eine Kulturgeschichte
der technischen Innovationen vor Augen hält, an deren Anfang die
spartanischste und funktionalste Baumbrücke (Hornzackenbrücke)
und an dessen Ende die hoch moderne Eiserne Brücke steht
– ein Nachbau der Coalbrookdale, Iron Bridge über den
Severn. Nicht nur die Technik symbolisierte das Projekt der
Aufklärung samt ihren Errungenschaften, auch die Propädeutik
hielt im Garten Einzug. Neben der bereits erwähnten Tendenz
einer Aktivierung der Antike und der arkadischen Landschaften, deren
Umsetzung Ansporn geben sollte, sich mit der klassischen Antike zu
beschäftigen und sich durch diese zu formen, trat das
Erziehungsideal in den Vordergrund. Der Garten diente – gerade
für die unteren Volksschichten – als Verbesserungsanstalt,
die nicht nur belehrte, wie mit dem Formenkanon der Natur umzugehen
sei, sondern die darauf abzielte, wie dieser Kanon auf die
Verbesserung der sozialen und gesellschaftlichen Probleme
erzieherisch wirken konnte. Die Kalokagathia, mit der man
schon bei Platon die Vereinigung von Schönheit und Gutheit, von
Ästhetik und Moralität (höchstes Gut) verband, wurde
im Garten in modifizierter Weise wieder aufgegriffen. Aus der antiken
Philosophie war aber hinreichend bekannt, daß eine Veredlung
des Menschen nur dann gelingen kann, wenn man das Schöne
moralisierte und das Gute ästhetisierte, d.h indem man das
Moralische versinnbildlichte und das ästhetische moralisch
idealisierte.
Das Szenario des
Gartens stand für ein semiotisches System, das Bedeutung
produziert. Der Wörlitzer Park läßt sich –
nimmt man den Utopiegedanke zu Hilfe – als ein Musterbeispiel
der Aufklärung und der Emotionalität interpretieren. Der
Traum der Vernunft und die Idealtypik der Sinne unterstreichen ein
individuelles und soziales Denken, das sich nicht an den Widerständen
der etablierten Gesellschaft erschöpfen will, sondern darüber
hinaus ein Programm zu verwirklichen sucht, das in die Zukunft hinein
reichen soll. Der Utopiegedanke gewinnt dabei an Schärfe, da man
im Gegensatz zu den Nachbarn auf der britischen Insel eine Revolution
der Sinne und der Vernunft bei der Gesamtheit der rezipierenden
Individuen zu beabsichtigen suchte. Der Utopiegedanke, der hierbei
eine gravierende Rolle spielt, resultiert dabei aus zwei
unterschiedlichen Prägungen, die dem Landschaftsgarten in
Wörlitz Pate standen. Einmal ist es, wie betont, die Sehnsucht
nach der arkadischen Landschaft, mit der man eine soziale Aufklärung
verband, andererseits bleibt es das Anliegen der Gartengestalter auf
die Zukunft hin deutend einzugreifen. Der Versuch, durch den
Mikrokosmos der Landschaft auf den Makrokosmos des Universums deutend
einzuwirken, ist zwar keineswegs eine neue geistige Errungenschaft,
sie verdeutlicht aber explizit das Interesse einer wahrnehmbaren
Weltveränderung im Sinne der aufgeklärten
Idealvorstellungen. So werden im Wörlitzer Park in Anlehnung an
Platons Schrift „Der Staat“ und „Die Gesetze“,
Apuleius‘ „Goldener Esel“, Morus‘ „Utopia“,
Colonnas‘ „Hypnerotomachia Poliphili“, Campanellas‘
„Sonnenstaat“, Andreaes‘ „Christisnopolis“,
Cabets‘ „Reise nach Ikarien“, Rabelais‘ „Abtei
Thelema“, Fénelons‘ „Abenteuer des Telemach“
u.ä. sozialtypologische Literaturen in veränderter Sicht
weitergeführt und integriert.
Nicht nur die
Entwicklungsgeschichte der technischen Innovationen, die an einen
ausgefeilten Technikpark erinnern, finden in Wörlitz ihr
Refugium, sondern der Wörlitzer Park erzählt in seinen
unterschiedlichen Partien die Geschichte der Landschaftsgestaltung
selbst. Hierbei fließen neben der angesprochenen
Arkadienidylle, italienische Renaissancevorstellungen ebenso mit ein,
wie Konzeptionen, die aus dem Rokoko und dem Barock übernommen
werden. Selbst die Entwicklung des englischen Gartens von seiner
Frühform bis hin zum klassischen Landschaftsgarten lassen sich
hier transparent veranschaulichen. Der Park, so scheint es
wenigstens, versucht alle nur möglichen geschichtlichen und
sozialen Entwicklungen zu transportieren. Dessen ungeachtet bleibt er
ein englischer Landschaftspark par excellence, wenngleich das
ikonologische und ikonographische Programm, mit dem er arbeitet, an
die großen Gärten der Villa d’Este in Tivoli, Villa
Aldobrandini, Pratolino und an das ikonographisch überlastete
Versaille, Vaux-le-Vicomte, Chantilly und Marly erinnert. Im
Gegensatz zu diesen idealtypischen Gärten, die entweder Herkules
oder Apollo verherrlichen, ist es aber in Wörlitz die selbst
gesetzgebende Vernunft, die – verbunden mit der Emotion –
im Mittelpunkt der Ikonologie und Ikonographie steht. Natürlich
kommt kein Garten – auch Wörlitz nicht –, der sich als
Spiegelbild seiner Zeit versteht, ohne Verweisungen und Zitate aus.
Diese Verweisung auf die Ikonologie ist es letztendlich, die das
Wörlitzer Gartenreich von späteren Gartengestaltungen
maßgeblich unterscheidet. Im klassischen Deutschen
Landschaftsgarten, wie er sich bei Pückler-Muskau, Sckell und
Lenné findet, weicht die Formensprache der Naturalisierung.
Damit ist zugleich die Aufgabe des Bildungsprojektes, das für
die Wörlitzer Anlagen so maßgeblich war, verbunden.
Es läßt
sich zum Abschluß dieser Arbeit daher berechtigterweise die
Frage stellen, inwieweit der Wörlitzer Garten eine
Vorreiterstellung einnimmt? Hierbei ist sowohl eine positive als auch
eine negative Antwort zu erwarten. Positiv. Jeder
Bildungsoptimismus, der versucht, selbst in so einem zweitrangigen
Genre wie der Gartenkunst breitenwirksam und propädeutisch zu
agieren, muß sich auf die Ikonologie zwangsläufig berufen,
um die Realität der angestrebten Idealität angleichen zu
können. Der Verzicht auf die Vernunft und ihrer allegorischen83
und symbolischen Metaphern liefe Gefahr, den ikonologischen „Überbau“
zu vernachlässigen. Dieser ist aber, betrachtet man die
Geschichte der Gartenliteratur, nicht auszublenden, denn die Gärten
unterliegen (im Gegensatz zur Architektur) der ideengeschichtlichen
Veränderung am schnellsten.
Die
Wörlitzer Gartenkonzeption basiert mit Sicherheit auf der
Rationalität der Vernunft, sie kaschiert aber, wie bereits
gesehen, diese einseitige Fixierung. Im Wörlitzer Gartenreich
gelingt dennoch die Synthese zwischen Ratio und Sensitivität, da
man versucht, beide unter dem Diktat der Vernunft in Übereinstimmung
zu bringen. Negativ. Um diese negative Konnotation zu
begreifen, muß man sich zweierlei vor Augen halten. Einmal
kommt der englische Garten zu Wörlitz nicht ohne das tradierte
Vokabular der Gartengeschichte aus, andererseits spiegelt sich genau
diese Variabilität im gesamten Gartenreich wider. Hierbei ist es
nun in der Tat fraglich, ob in Wörlitz ein einheitliches
Konzept verwirklicht wurde, oder ob es sich hier um eine summarische
und additive Anreihung von unterschiedlichen Zitaten handelt. Mag man
diese Variabilität in ihrer Uneinheitlichkeit negativ bewerten,
so kann man doch positiv – im Anschluß an Baumgarten –
daraus schließen, daß die Schönheit nur dann als
vollkommene ausgezeichnet werden kann, wenn sie die Vielheit in der
komplexen Einheit bewahrt und diese widerspiegelt. Trotz der
Unterschiedlichkeit der Partien kann man, gerade wenn man auf die
bildungspraktische und bildungspragmatische Absicht dieses Gartens
blickt, sagen, daß dieser Garten die unterschiedlichen
Vorstellungen des Lebens und der Aufklärung miteinander
verbindet bzw. in eine Verbindung setzt. Der größtmögliche
Facettenreichtum der Darstellungsebenen sprach und spricht für
den Gedankenreichtum seiner Begründer, dies ist im Garten nicht
anders als im wirklichen Leben.
Ahrendt,
D./ Aepfler, G., Goethes Gärten in Weimar, Leipzig 2l997.
Alex, R.,/Kühn,
P., Schlösser und Gärten um Wörlitz, Leipzig 1995.
Bechtoldt,
F.-A.,/Weiss, T., Weltbild Wörlitz, Entwurf einer
Kulturlandschaft, Stuttgart 1996.
Beyer,
J./Seifert, J., Weimarer Klassikerstätten, Geschichte und
Denkmalpflege, Bad Homburg, Leipzig 21997.
Buttlar, v., A., Der
Englische Landsitz 1715-1760, Symbol eines liberalen Weltentwurfs,
Mittenwald 1980.
Buttlar, v., A., Der
Landschaftsgarten, Köln 1982.
Cassirer, E., Die
Philosophie der Aufklärung, Hamburg 1998.
Cassirer, E.,
Rousseau, Kant, Goethe, Hamburg 1991.
Eisold, N., Das
Dessau-Wörlitzer Gartenreich, Der Traum von der Vernunft,
Rostock 2000.
Fries, T., Dialog
der Aufklärung, Shaftesbury, Rousseau, Solger, Tübingen und
Basel 1993.
Gamper, M., „Die
Natur ist republikanisch“, Zu den ästhetischen,
anthropologischen und politischen Konzepten der deutschen
Gartenliteratur im 18. Jahrhundert, Würzburg 1998.
Gerndt, S.,
Idealisierte Natur, Die literarische Kontroverse um den
Landschaftsgarten des 18. und 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1982.
Hager, F.-P.,
Aufklärung, Platonismus und Bildung bei Shaftesbury, Bern,
Stuttgart, Wien 1993.
Hennebo, D./Hoffmann
A., Geschichte der deutschen Gartenkunst, 3. Bde., Königstein
1983.
Hirschfeld, C.C.L.,
Theorie der Gartenkunst, 5 Bde., Leipzig 1779-1785.
Maier-Solgk,
F./Greuter, A., Landschaftsgärten in Deutschland, Stuttgart
1997.
Müller, U.,
Klassischer Geschmack und gotische Tugend, Der englische Landsitz
Rousham, Worms 1998.
Plumptre, G.,
Wassergärten, Stuttgart 1995.
Pückler-Muskau,
L.H.H., Landschaftsgärtnerei, Andeutungen über
Landschaftsgärtnerei, Hg. v. G.J. Vaupel, Frankfurt/Main 1988.
Raabe,
P., Spaziergänge durch Goethes Weimar, Zürich, Hamburg
71999.
Schäfer, E.,
Parkwanderungen in Thüringen, Berlin 1977.
Schmidt-Haberkamp,
B., Die Kunst der Kritik, Zum Zusammenhang von Ethik und Ästhetik
bei Shaftesbury, München 2000.
Starobinski, J.,
Rousseau, Eine Welt in Widerständen, Frankfurt/Main, Wien 1988.
Trotha, v. H., Der
englische Garten, Eine Reise durch seine Geschichte, Berlin 1999.
Uehlein, F.A.,
Kosmos und Subjektivität, Lord Shaftesburys Philosophical
Regimen,
München 1976.
Walpole, H., Über
die englische Gartenkunst, übers. v. A.W. Schlegel, Heidelberg
1994.
Wimmer, A.,
Geschichte der Gartentheorie, Darmstadt 1989.
Sammelbände:
Das Gartenreich an
Elbe und Mulde, Staatliche Schlösser und Gärten
Sachsen-Anhalt,
Wörlitz,
Oranienbaum, Luisium 1994.
Die Residenzstadt
Gotha in der Goethezeit, Hg. v. H. Erkenbrecher und H. Roob, Jena
1999.
Gärten der
Goethezeit, Hg. v. H. Günther, Leipzig 1993.
Inszenierte Natur,
Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, Hg. v. B. Baumüller,
U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997.
1Feist,
P. H., Geschichte der deutschen Kunst 1760-1848, Leipzig 1986, S.
44-54.
2
Buttlar, v. A., Der Englische Landsitz 1715-1760, Symbol eines
liberalen Weltentwurfs, Mittenwald 1980.
3
Saage, R./Seng, E.-M., Naturalisierte Utopien zwischen
literarischer Fiktion und frühneuzeitlicher Gartenkunst, in:
Bürgersinn und Kritik, Festschrift für U. Bermbach zum 60.
Geburtstag, hg. v. M T. Greven, H. Münkler, R. Schmalz-Bruns,
Baden-Baden 1998, S. 207-238, hier, S. 207ff .
4
Schäfer, L., Zur Geschichte des Naturbegriffs, in: Inszenierte
Natur, Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B.
Baumüller, U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997, S. 20f.
5
Gerade in Gotha wird diese für die englische Gartenkunst in
Deutschland so bedeutende Öffnung des Gartens für das
Publikum lange heraus gezögert. Herzog Ernst II von
Gotha-Altenburg behielt sich die private Nutzung vor. Vgl. Schäfer,
E., Parkwanderungen in Thüringen, Historische Stätten,
Kultur und Landschaften, Verlagshaus Thüringen 2000, S. 48. Im
allgemeinen kann man hier schon sagen, daß die Literatur zu
Gotha und speziell zum Garten in keiner Hinsicht ausreichend und
befriedigend ist. Dies ist verwunderlich, handelt es sich doch bei
Gotha um einen der ersten englischen Gärten in Deutschland.
Detaillierte Forschungen stehen hier noch aus, die Ausarbeitung ist
daher unbedingt geboten, wenn diesem Mißstand Abhilfe
geschafft werden soll.
6
Einen schönen Einstieg in die Thematik des englischen
Landschaftsgarten liefert H. v. Trotha, ders., Der englische
Garten, Eine Reise durch seine Geschichte, Berlin7-10000
1999.
7
Auch der Garten von Wörlitz wurde als ein solcher verstanden.
Jericke, A./Hirsch, E., Einleitung zu Carl August Boettiger, Reise
nach Wörlitz 1797, 3. durchges. Auflage aus der Handschrift
ediert und erläutert v. E. Hirsch, Wörlitz 1976, S. 12.
8
Hennebo, D., Gärten des Mittelalters, München,
Zürich 1987, S. 68.
9
Man sieht hier sehr deutlich, wie er sich über den
Schöpfungsmythos des Alten Testamentes und des Sündenfalls
hinwegsetzt.
10
Walpole, H., Über die englische Gartenkunst, übers. v.
A.W, Schlegel, hg. v. F. Maier-Solgk, Heidelberg 1994, S. 5.
11Ausführlicher:
Pochat, G., Gartenkunst und Landschaftsgarten vor Wörlitz, in:
Weltbild Wörlitz, Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog der
Ausstellung im Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v.
Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 17.
Vergleiche auch: Bazin, G., DuMont’s Geschichte der
Gartenkunst, Köln 1990. Siehe: Pizzoni, F., Kunst und
Geschichte des Gartens, Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart
1999.
12
Eine kurze und detaillierte Beschreibung der Geschichte der Gärten
von ihren Anfängen bis ins 18. Jahrhundert liefert Walpole.
Vgl. Walpole, H., Über die englische Gartenkunst, übers.
v. A.W. Schlegel, hg. v. F. Maier-Solgk, Heidelberg 1994, S. 5ff.
13
Zu den Gartentypen: Hirschfeld, C.C.L., Theorie der Gartenkunst, 5
Bde., Leipzig 1785.
14
Eine Auseinandersetzung mit der Gartenkultur des 18. Jahrhunderts
findet sich in einem Sammelband, der auf aktuelle Tendenzen und
geschichtliche Entwicklungen Bezug nimmt. Vgl. Inszenierte Natur,
Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller,
U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997. Speziell zum englischen
Landschaftsgarten: Bauer, H., „Idee und Gestaltung des
Landschaftsgartens in England“. Ein weiterer Aufsatz, der sich
ebenfalls in diesem Band befindet, behandelt Fragen zum Umweltschutz
und zur Ökologischen Ethik.
15
Gerade im Wörlitzer Park boten sich Möglichkeiten „für
den intimen und bequemen Rückzug auf das Thema Liebe und Erotik
[... ] in den meisten Bauwerken des Wörlitzer Parks zwischen
Luisenklippe und Rotem Wachhaus.“ Trauzettel, L.,
Gartenkünstler und Gartenkunst in Wörlitz, in: Weltbild
Wörlitz, Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog der
Ausstellung im Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v.
Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 90.
Vgl. auch: Niedermeier, M., Erotik in der Gartenkunst, Eine
Kulturgeschichte der Liebesgärten, Leipzig 1995, S. 175, 196,
hier, S. 196. „[...] die Erotica des Wörlitzer Gartens
gewannen Eingang in ein kulturgeschichtliches und weltanschauliches
Gartenprogramm zu dem zumindest ganze Passagen des Gartens
verdichtet wurden“. Dazu auch: Niedermeier, M., Aufklärung
im Gartenreich Dessau-Wörlitz, in: Weltbild Wörlitz,
Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog der Ausstellung im
Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v. Bechtoldt,
F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 53.
16
Einen guten Überblick zu Wörlitz verschafft das Werk von
Eisold. Vgl. Eisold, N., Das Dessau-Wörlitzer
Gartenreich, Der Traum der Vernunft, Rostock 2000.
17
Ligne, de, C.J., Coup d‘ oeil sur Beloeil et sur une grande
partie des jardins de l‘ Europe, Tome Second, Dresden 1795, S.
158.
18
Franzos, K.E., Aus Anhalt und Thüringen, Berlin 2000,
S. 51ff.
19
Boettiger, C.A., Reise nach Wörlitz 1797, 3. durchges.
Auflage aus der Handschrift ediert und erläutert v. E. Hirsch,
Wörlitz 1976, S. 19.
20
Das ganze Land sollte zu einem englischen Garten ausgebaut werden.
Jericke, A./Hirsch, E., Einleitung zu Carl August Boettiger, Reise
nach Wörlitz 1797, 3. durchges. Auflage aus der Handschrift
ediert und erläutert v. E. Hirsch, Wörlitz 1976, S. 11.
21
Saage und Senk sehen im Wörlitzer Garten die Verwirklichung
einer gesellschaftlichen Utopie: Saage, R./Seng, E.-M.,
Naturalisierte Utopien zwischen literarischer Fiktion und
frühneuzeitlicher Gartenkunst, in: Bürgersinn und Kritik,
Festschrift für U. Bermbach zum 60. Geburtstag, hg. v. M T.
Greven, H. Münkler, R. Schmalz-Bruns, Baden-Baden 1998, S.
207-238, hier, S. 233. „Wenn wir die These vertreten, daß
die Öffnung zum Naturalisierungskonzept Rousseaus dem Wörlitzer
Garten erst gibt, was der englische Landschaftsgarten nie besessen
hatte, nämlich eine utopische Dimension, dann bedeutet dies
nicht, daß seine Gestalter dem Eskapismus der
Bon-Sauvage-Utopien das Wort geredet hätten. Wohl aber
impliziert sie, daß hinter dem Gesamtkunstwerk Wörlitz
ein utopisches Gesellschaftsmodell steht, welches den
Emanationsgedanken mit Hilfe der Visionen der ‚Edlen Wilden‘
weiter vorantreibt, als es von den englischen Whigs je intendiert
worden war.“
22
Detaillierter: Bauer, H., Idee und Entstehung des Landschaftsgartens
in England, in: Inszenierte Natur, Landschaftskunst im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller, U. Kuder und T. Zoglauer,
Stuttgart 1997, S. 32f.
23
Ausführlicher dazu: Maier-Solgk, F./Greuter, A.,
Landschaftsgärten in Deutschland, Stuttgart 1997, S. 32ff.
24
Das Standardwerk zum Garten ist die Landschaftsgärtnerei.
Pückler-Muskau, L.H.H., Andeutungen über
Landschaftsgärtnerei, Frankfurt/Main 1988.
25
Genauer: Rippl, H., Pückler-Muskaus Umgang mit Bäumen –
der Schlüssel seiner Weltsicht, in: Inszenierte Natur,
Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller,
U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997, S. 72-81. Vgl. auch:
Krestin, S., Erinnerungsbilder – Die Englandreise des Fürsten
Pückler-Muskau, a.a.O., S. 38-55.
26
Die Veränderung läßt sich unter das Stichwort der
Reduktion subsumieren, denn nicht die Überfrachtung stand hier
im Mittelpunkt, sondern die Verbesserung der ursprünglichen
Schönheit der Natur.
27
Dazu: Cassirer, E., Die Philosophie der Aufklärung, Hamburg
1998. Ders., Rousseau, Kant, Goethe, Hamburg 1991.
28
Vgl. Boettiger, C.A., Reise nach Wörlitz 1797, 3. durchges.
Auflage aus der Handschrift ediert und erläutert v. E. Hirsch,
Wörlitz 1976, S. 25.
29
Starobinski, J., Rousseau, Eine Welt in Widerständen,
Frankfurt/Main, Wien 1988.
30
Sühnel, R., Der englische Landschaftsgarten, in: Weltbild
Wörlitz, Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog der
Ausstellung im Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v.
Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 74.
31
Schäfer, L., Zur Geschichte des Naturbegriffs, in: Inszenierte
Natur, Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B.
Baumüller, U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997, S. 7-18.
32
Näher: Wegner, R., Nach Albions Stränden, Die Bedeutung
Englands für die Architektur des Klassizismus und der Romantik
in Preußen, München 1994, S. 62ff.
33
Rüffer, M., Grand Tour – Die Reisen Leopold III, Friedrich
Franz von Anhalt Dessau und Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs,
in: Weltbild Wörlitz, Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog
der Ausstellung im Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v.
Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 127.
34
Saage R./Seng, E.-M., Naturalisierte Utopien zischen literarischer
Fiktion und frühneuzeitlicher Gartenkunst, in: Bürgersinn
und Kritik, Festschrift für U. Bermbach zum 60. Geburtstag,
hg. v. M T. Greven, K. Münkler, R. Schmalz-Bruns, Baden-Baden
1998, S. 207-238, hier, S. 231.
35
Fries, T., Dialog der Aufklärung, Shaftesbury, Rousseau,
Solger, Tübingen und Basel 1993. Vgl. Schmidt-Haberkamp, B.,
Die Kunst der Kritik, Zum Zusammenhang von Ethik und Ästhetik
bei Shaftesbury, München 2000. Siehe auch: Hager, F.-P.,
Aufklärung, Platonismus und Bildung bei Shaftesbury, Bern,
Stuttgart, Wien 1993.
36
Maier-Solgk, F./Greuter, A., Landschaftsgärten in
Deutschland, Stuttgart 1997, S. 12.
37
Vgl. auch: Rüffer, M., Grand Tour,Die Reisen
Leopolds III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und Friedrich
Wilhelm von Erdmannsdorffs, in: Weltbild Wörlitz, Entwurf einer
Kulturlandschaft, Katalog der Ausstellung im Frankfurter Deutschen
Architektur-Museum, hg. v. Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern
bei Stuttgart 1996, S. 117ff.
38
Dazu: Gotheim, M.L., Geschichte der Gartenkunst, 2. Bde., Von der
Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart, Jena 1914, S. 392.
39
Die englischen Anlagen um das Gothaer Schloß Friedenstein,
einem Barockbau aus dem 17. Jahrhundert, der seine Ausführung
dem Herzog Ernst I. verdankte, wurden 1762 begonnen. Während
der Barockgarten zu einem der wichtigsten in Thüringen wird,
der seine erste Gestaltung 1747/48 dem Weimarer Landbaumeister
Gottfried Heinrich Krohne verdankte, wird unter der Leitung des
Engländers Haberfield und unter Mitwirkung des Molsdorfer
Hofgärtners Christian Heinrich Wehmeyer die eigentliche
Parkgestaltung im englischen Stil begonnen. Diese Gestaltung
begünstigend, kam hinzu, daß „der Garten von Kew bei
London zu jener Zeit der Prinzessin Auguste von Wales, [...] der
Tante des regierenden Herzogs Ernst II. gehörte.“ Vgl.
Timm, G., Zur Entstehungsgeschichte der Parkanlagen um Schloß
Friedenstein, in: Der Gothaer Park – Seine Geschichte und
Natur, hg. v. vom Museum der Natur, Gotha 1993, S. 10. Zu den
Bauwerken und den Gedenksteinen: Joost, M., Zeichen des Gedenkens,
in: Der Gothaer Park – Seine Geschichte und Natur, hg. v. vom
Museum der Natur, Gotha 1993, S. 52ff.
40
Oellers, N./Steegers, R., Treffpunkt Weimar, Literatur und Leben zur
Zeit Goethes, Stuttgart 1999, S. 262ff.
41
Steiner, W., Die Parkhöhle von Weimar, Abwasserstollen,
Luftschutzkeller, Untertagemuseum, Stiftung Weimarer Klassik 1996,
S. 5.
42
Saage, R./Seng, E.-M., Naturalisierte Utopien zwischen literarischer
Fiktion und frühneuzeitlicher Gartenkunst, in: Bürgersinn
und Kritik, Festschrift für U. Bermbach zum 60. Geburtstag, hg.
v. M. T. Greven, H. Münkler, R. Schmalz-Bruns, Baden-Baden
1998, S. 207-238, hier, S. 232.
43
Siehe auch: Niedermeier, M., Aufklärung im Gartenreich
Dessau-Wörlitz, in: Weltbild Wörlitz, Entwurf einer
Kulturlandschaft, Katalog der Ausstellung im Frankfurter Deutschen
Architektur-Museum, hg. v. Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern
bei Stuttgart 1996, S. 51.
44
Vgl. Preußen, Kunst und Architektur, hg. v. G. Streidt und P.
Feierabend, Köln 1999, S. 154ff. Vgl. auch: Mittenzwei,
I./Herzfeld, E., Brandenburg-Preußen 1648-1789, Das Zeitalter
des Absolutismus in Text und Bild, Berlin 31990, S.
326ff.
45
Rüffer, M., Grand Tour, Die Reisen Leopolds III. Friedrich
Franz von Anhalt-Dessau und Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs,
in: Weltbild Wörlitz, Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog
der Ausstellung im Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v.
Bechtoldt, F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 117ff.
46
Dazu: Tietze, Ch., Das Pantheon in Wörlitz, in: A.a.O., S.
195ff.
47
Ausführlicher dazu: Maier-Solgk, F./Greuter, A.,
Landschaftsgärten in Deutschland, Stuttgart 1997, S. l0ff.
48
Maier-Solgk, F./Greuter, A., Landschaftsgärten in Deutschland,
Stuttgart 1997, S. 11.
49
Im besonderen: Forssman, E., Erdmannsdorff und die
Architekturtheorie der Aufklärung, in: Weltbild Wörlitz,
Entwurf einer Kulturlandschaft, Katalog der Ausstellung im
Frankfurter Deutschen ArchitekturMuseum, hg. v. Bechtoldt,
F.-A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 99ff.
50
Französische Bezeichnung für einen Blumengarten. Das
Parkett ist ein flaches Beet, das ornamental gestaltet ist und
unmittelbar an den Schloßbau angrenzt. Hier unterscheidet man
zwischen dem „Parterre à angloise“, dem Englischen-
oder Rasenparterre, welches entweder aus einfachen oder ornamental
gestalteten Rasenflächen besteht und dem „Parterre de
broderie“, dem Zierbeet, welches zumeist mit farbigen Mustern
aus Buchs geschmückt ist und an Stickereien erinnert. Vgl. dazu
J. Addison und seine Beschreibung des Gartens von Hampton Court,
Spectator, Nr. 412 (1712). Siehe auch: Pope, A., Essay on
Criticism, in: The poems of Alexander Pope, hg. v. J. Butt, Verse
90ff. „Nature like Liberty is but restrained by the same laws
wich first herself ordained.“
51
Zumeist wird dieser Teil des Gartens vom restlichen Park durch einen
Teich oder See abgegrenzt.
52
Dies wird besonders gut im Schloßpark Tiefurt deutlich. Dort
geht der Park in die Auenlandschaft der Ilmwiesen über. Vgl.
Jäger, J., Schloßpark Tiefurt, Stiftung Weimarer Klassik
1999, S. 1. 1776 erhielt einer der Söhne von Anna Amalia, Prinz
Constantin, Schloß und Park. Im gleichen Zeitraum wurde der
Park – im Sinne des empfindsamen Stiles – mit englischen
Partien ausgestattet. Eine in dieser Hinsicht weiterführende
Ausführung erlangte der Park unter der Aufsicht von Anna Amalia
ab dem Jahre 1781. Die hier beteiligten Künstler waren Adam
Friedrich Oeser und der Bildhauer Martin Gottlieb Klauer. Die
Aquarelle, die Ansichten des Parks widerspiegeln, sind Werke von
Georg Melchior Kraus. Auch der Tiefurter Park wäre undenkbar,
wenn sich nicht die aufgeklärte Monarchin mit den Musen, der
Dichtkunst und mit der Musik auseinandergesetzt hätte. Belege
hierfür sind der Wielandstein, der Mozartaltar und der
Gedenkstein für Johann Gottfried Herder. Ab 1846 wurde der
Park – unter Aufsicht von Eduard Petzold, einem Schüler
von Pückler-Muskau – regeneriert. Vgl. Lange,
K.-P./Dreßler, R-, Thüringische Herrensitze an der Ilm,
Jena 1991, S. 46-48. Ein weiterer Park, der sich der Einflußnahme
von Anna Amalia verdankt, ist der Wielandpark in Oßmannstedt.
Diese ursprünglich barocke Anlage wurde von Christoph Martin
Wieland 1797 erworben und zu einem landschaftlichen Garten
umgestaltet. In der spärlichen Forschung jedoch bleibt es
umstritten, ob dieser Garten eher dem Barock oder dem
Landschaftsgarten nach englischem Vorbild folgt. Vieles spricht
dafür, daß es sich bei diesem Park um eine barocke Anlage
handelt. Die geometrische Aufgliederung, wie sie der Plan von Franz
Ludwig Güssefeld zeigt, bestätigt dies. Terrassen sind
hier ebenfalls vorhanden. Erst wo der Park sich zur Ilm herabneigt,
kommt es zu Unregelmäßigkeiten in der Gestaltung. Unklar
ist dabei, ob diese Unregelmäßigkeiten durch den
natürlichen Flußlauf bedingt sind oder, ob man hier
tatsächlich eine Gestaltung im Sinne der Unregelmäßigkeit
beabsichtigte. Vgl. dazu: Schneider, A., Der Gutspark Oßmannstedt,
in: Weimarer Klassikerstätten, Geschichte und Denkmalpflege,
1995, S. 385ff. Siehe auch: Conrad, M., Der Gutspark in
Oßmannstedt, in: Weimarer Kultur Journal, Zeitschrift für
Weimar, Erfurt, Jena, Apolda, Jg. 9, Nr. 11/2000, S. 14-15. Eine
kurze Einführung zum Schloßpark von Belvedere liefert D.
Ahrendt. Hierbei steht besonders die Veränderung vom vormals
barocken Garten in einen englischen und sentimentalischen
Landschaftsgarten im Mittelpunkt. Diese Ausführungen begannen
ca. 1815, wobei viele Stilelemente (Schlängelpfade) aus der
englischen Gartenkunst entlehnt wurden. Vgl. Ahrendt, D., Schloßpark
Belvedere, Stiftung Weimarer Klassik 1998.
53
Dazu: Zoglauer, T., Das Natürliche und das Künstliche:
Über die Schwierigkeiten einer Grenzziehung,
in: Inszenierte Natur,
Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller,
U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997, S. 145.
54
Unsichtbarer Graben, der den Landschaftspark von der umgebenden
Landschaft abgrenzt; zuerst von Charles Brigdeman im
Landschaftsgarten eingeführt.
55
Siehe dazu: Gamper, M., „Die Natur ist republikanisch“, Zu
den ästhetischen, anthropologischen und politischen Konzepten
der deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert Würzburg 1998,
S. 114ff.
56
Zum Einfluß und zur Bedeutung des Wassers in den
unterschiedlichen Gärten: Plumptre, G., Wassergärten,
Stuttgart 1995.
57
Die Idee wurde zuerst 1715 von dem Gartentheoretiker Stephen Switzer
in „The Nobleman, Gentleman, and Gardeners recreation“
beschrieben.
58
Während beispielsweise William Kent Bildvorstellungen von
Lorrain adaptierte und in die Architektur einband, kam es durch
Lancelot Brown (geb. 1715) zu einem Paradigmenwechsel in der Methode
der Landschaftsgestaltung. Hier ging es nicht mehr um eine
Idealisierung, sondern mehr um die Verbesserung der Natur
(improvement). Vgl. Bauer, H., Idee und Entstehung des
Landschaftsgartens in England, in: Inszenierte Natur,
Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller,
U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997, S. 32f.
59
Auf die Stellung von William Kent und die Adaption des chinoisen
Stils geht U. Müller ein. Vgl. ders., Klassischer
Geschmack und gotische Tugend, Der Landsitz Rousham,Worms
1998, S. 256ff.
60
Beispiele hierfür sind Stowe (Plan von 1739) und Twickenham von
Alexander Pope (Plan von 1745).
61
Zu Gotha: Erkenbrecher, H./Roob, H., Die Residenzstadt Gotha in der
Goethezeit, Jena 1998. Eine der schlechtesten Beschreibungen zu
Gotha liefert der Führer von M. Friedrich mit dem Titel
„Residenzstadt Gotha, Historische Stätten, Kultur und
Landschaften“, Verlagshaus Thüringen 1998. Diese Kritik
läßt sich ebenfalls auf die Skizzensammlung von E.
Schäfer, „Parkwanderungen in Thüringen, Historische
Stätten, Kultur und Landschaften“, Verlagshaus Thüringen
2000 übertragen.
62
Hirschfeld, C.C.L., Theorie der Gartenkunst, 5 Bde., Leipzig 1785,
Bd. III, S. 76.
63
Bauer, H., Idee und Entstehung des Landschaftsgartens in England,
in: Inszenierte Natur, Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert,
hg. v. B. Baumüller, U. Kuder und T. Zoglauer, Stuttgart 1997,
S. 26.
64
Adrian von Buttlar hat immer wieder den Einfluß Shaftesburys
für das Naturverständnis hervorgehoben. Vgl. ders.,
Der englische Landsitz 1715-1760, Symbol eines liberalen
Weltentwurfs, Mittenwald 1980, S. 55, 101, 129ff, 138, 142, 147,
168, 172. Vgl. ders., Buttlar, v. A., Il governo del
paesaggio e del girardino, Gartenlandschaft Wahlverwandtschaften,
Treviso, Milano 1993, S. 55.
65
Buttlar, v. A., Der Landschaftsgarten, Gartenkunst des Klassizismus
und der Romantik, Köln 1989, S. 38.
66
Niedermeier, M., Aufklärung im Gartenreich Dessau-Wörlitz,
in: Weltbild Wörlitz, Entwurf einer Kulturlandschaft Katalog
der Ausstellung im Frankfurter Deutschen Architektur-Museum, hg. v.
Bechtoldt, F. -A./Weiss, T., Ostfildern bei Stuttgart 1996, S. 52.
67
Niedermeier, M., Erotik in der Gartenkunst, Eine Kulturgeschichte
der Liebesgärten, Leipzig 1995, S. 175ff.
68
Einerseits versucht man die Vernunft hervorzuheben, andererseits
gewinnt die Einbildungskraft eine prominente Stellung. Aber auch
die Sinnlichkeit als erotisches Abenteuer soll nicht ausgeklammert
werden. Betrachtet man diese verschiedenen und sich gegenseitig
ausschließenden Programme, dann stellt sich im Hinblick auf
die idealtypische Gesamtheit der Anlagen die Frage, ob hier nicht
unterschiedliche Konzepte Eingang gefunden haben, die sich mit
Sicherheit gegenseitig ausschließen. Zur Rettung des
Gesamtkonzeptes könnte man sicherlich anführen, daß
jeder Gartenteil ein eigenständiges Projekt verfolgt und diesem
Tribut zahlt, indem jeder Gartenteil einen je speziellen Ausschnitt
aus der Weltgeschichte und Kunstgeschichte repräsentiert. Für
eine rationale Beurteilung der Anlage im Ganzen ist dies aber nicht
hilfreich. Die Einheitlichkeit des Gartens ist sowohl in
aufklärerischer als auch in propädeutischer Hinsicht nicht
einheitlich. Um diese Einheitlichkeit erzeugen zu können, müßte
man alle Gartenteile in einen widerspruchsfreien Zusammenhang
überführen, dieser kann aber aufgrund der
unterschiedlichen und zeitlich versetzten Programme nicht
Einheitlichkeit beanspruchen.
69
Lennhoff, E./Posner, 0., Internationales Freimaurer-Lexikon, Wien,
München 1980.
70
Buttlar, v. A., Il governo del paesaggio e del giardino,
Gartenlandschaft Wahlverwandtschaften, Treviso, Milano 1993, S. 54.
„Die ägyptischen Mysterienkulte hatten für das
freimaurerische Ritual besondere Bedeutung. Das Pantheon in Wörlitz
(1795) enthält in einem grottenartigen Unterbau Statuen von
Isis und Osiris, sowie Harpokrates, dem Gott des Schweigens.
Außerdem einen Kanopus, eine ägyptische Totenurne. Im
Pantheon selbst standen die Statuen von Apoll mit den Musen.
Unterbau und Oberbau veranschaulichen den Aufstieg vom mystischen
Untergrund der Natur zum Lichtraum der Kultur. Die Grotte als der
Ort der Imitation ist stets ein Symbol für den geistigen Tod
und geistige Wiedergeburt.“
71
A.a.O., S. 54. „Insbesondere die Wegführung konnte eine
symbolische Bedeutung haben, die an die christlichen Kreuzwege auch
Labyrinthe erinnert. In Wörlitz gab es einen ‚Prüfungsweg'‘,
den August Rode 1788 in seiner Beschreibung des Parks als
‚geheimnisreichen Pfad der Mysterien‘ bezeichnet. Er
führte von der Eremitengrotte, vergleichbar der sogenannten
‚dunklen Kammer‘ der Freimaurer, über viele Stationen
der Prüfung, bevor man wiederum aus einer Grotte zum Tempel der
Schönheit gelangte.“
72
A.a.O., S. 47-61.
73
Von den vielen Schriften von Erhard Hirsch, die zum Wörlitzer
Park vorliegen, sei stellvertretend nur eine genannt: Dessau, Im
Gartenreich des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau, Dessau 1994,
S. 51-55.
74
Maier-Solgk, F./Greuter, A., Landschaftsgärten in Deutschland,
Stuttgart 1997, S. 32ff.
75
Grohmann reduziert die Anwendung von allegorischen Mitteln nur auf
die Gärten in England, verbietet aber die allegorische
Gestaltung dem deutschen Garten. Vgl. Grohmann, J.C.A., Neue Theorie
der schönen Gartenkunst, Bd. 1, Leipzig 1797, S. 46f. Es „muß
jede aesthetische Empfindung immer nur allgemein, in unbestimmten
Formeln ausgedruckt sein, bei welchen der Betrachter immer noch mehr
denken kann, und auch deswegen ist die Inschrift, wo Dichtung
aesthetische Form sein soll, unzweckmäßig, weil sie alles
zu hart, zu bestimmt vorhält.“ Vgl. Becker, W.G., Der
Plauische Grund bei Dresden, mit Hinsicht auf Naturgeschichte und
schöne Gartenkunst, Nümberg 1799, Bd. 1, S. 2. Vgl. auch:
Sulzer, J.G., Allgemeine Theorie der schönen Künste, 4
Bde., Neue vermehrte Auflage, Leipzig 1786/87, Bd. 1., S. 48. Für
Sulzer ist die Allegorie „ein natürliches Zeichen, oder
ein Bild, in so fern es an die Stelle der bezeichneten Sache gesetzt
wird“. Hirschfeld äußert sich im Hinblick auf die
allegorische Methode aufgeschlossener. Vgl. ders., Hirschfeld,
C.C.L., Theorie der Gartenkunst, 5. Bde., Leipzig 1779-1785, Bd.
III, S. 154. „Sie können (die Inschriften, S.G.) auf die
besonderen Schönheiten der Scenen hinwirken, bald eine
nützliche Lehre ins Gedächtnis zurückrufen, oder eine
Empfindung ausdrucken, die dem eigenthümlichen Charakter des
Ortes angemessen und durch ihn selbst veranlaßt ist.“ Des
weiteren siehe: Hunt, J.D., Gardens and the Picturesque, Studies in
the History of Landscape Architecture, Cambridge, London 1992.
Ders., Emblem and Expressionism in the Eighteenth-Century
Landscape Garden, in: Eighteenth-Century Studies 4 (1970/71), S.
294-313. Paulson, R., Emblem and Expression, Meaning in English Art
of the Eighteenth Century, London 1975. Whately, T., Betrachtungen
über das heutige Gartenwesen, durch Beyspiele erläutert
Leipzig 1771.
76
Dazu die Kritik von Boettiger, C.A., Reise nach Wörlitz 1797,
Aus der Handschrift ediert und erläutert von E. Hirsch,
Wörlitz, Oranienbaum, Luisium, Staatliche Schlösser und
Gärten 1988, S. 22. Zur Kritik des Labyrinths im Wörlitzer
Park schreibt er: „Die Allegorie ist treffend und deutlich, nur
sollte eben deswegen die Inschrift ganz weggeblieben sein. Denn die
Allegorie, die der Inschrift bedarf, ist selbst dieser Krücke
nicht wert. Und dies urteile ich denn auch über alle die
übrigen Inschriften, die in diesem Labyrinthe hier und da dem
Lebenswanderer zur Warnung und Lehre hingesetzt sind.“
77
Der Gartentheoretiker Rapp war nichtnur ein Kritiker der
allegorischen Methode, sondern er schloß die Verwendung von
allegorischen Mitteln grundsätzlich aus, da er sie nicht als
Bestandteile der Gartenkunst akzeptierte. Vgl. Rapp, G.H.,
Fragmentarische Beiträge zur ästhetischen Ausbildung des
deutschen Gartengeschmacks, 1796, S. 109, 156.
78
Gamper, M., „Die Natur ist republikanisch“, Zu den
ästhetischen, anthropologischen und politischen Konzepten der
deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert, Würzburg 1998,
S. 222.
79
Hirschfeld, C.C.L., Theorie der Gartenkunst, Bd. 1, Leipzig 1779, S.
155.
80
Zu Palladio: Buttlar, v. A., Der Englische Landsitz 1715-1760,
Symbol eines liberalen Weltentwurfs, Mittenwald 1980, S. 25ff. Vgl.
Günther, H., Anglo-Klassizismus, Antikenrezeption, Neugotik in
Wörlitz, in: Weltbild Wörlitz, Entwurf einer
Kulturlandschaft, Katalog der Ausstellung im Frankfurter Deutschen
Architektur-Museum, hg. v. Bechtoldt, F. -A./Weiss, T., Ostfildern
bei Stuttgart 1996, S. 131ff.
81
Dazu: Burkhardt, B., Das Brückenprogramm in Wörlitz,
a.a.O., S. 207ff.
82
Zum Verhältnis beider: Niedermeier, M., Aufklärung im
Gartenreich Dessau-Wörlitz, a.a.O., S. 55.
83
Um den Unterschied zwischen Allegorie und Symbol deutlich zu
markieren, müßte man (das Schema hinzuziehend) diese
unterschiedlichen Bestimmungen strikt definieren, um sie in ihrer
jeweiligen Besonderheit zu akzentuieren. Die von Schelling
unternommene Unterscheidung zwischen diesen Typen wäre in
diesem Zusammenhang hilfreich. Auf diese kann aber im Hinblick auf
das hier zu Verhandelnde nicht eingegangen werden. Eine spezielle
Untersuchung muß sich damit beschäftigen.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.