Erschienen in Ausgabe: No 58 (12/2010) | Letzte Änderung: 24.11.10 |
von Jörg Bernhard Bilke
Dieter Winderlich war begeisterter „Volkspolizist“ der
ersten Stunde und eingefleischter Marxist-Leninist. Beide Überzeugungen
vertritt der ehemalige Generalmajor und, nach Karl Maron und Friedrich Dickel,
letzte Anführer der „Deutschen Volkspolizei“ noch heute. Man kann das nachlesen
in einem Artikel, den er zum 65. Gründungstag der „Volkspolizei“, aus der
später, als sie noch „Kasernierte Volkspolizei“ hieß, die „Deutsche
Grenzpolizei“ als Vorläufer der DDR-Grenztruppen, das „Ministerium für
Staatssicherheit“ und 1956 die „Nationale Volksarmee“ hervorgingen, am 1. Juli
2010 veröffentlicht hat. Dort schwärmte er von der „antifaschistischen Polizei
des Volkes“, in der „junge Arbeiter und Bauern“ gedient hätten. Dass diese
Polizeitruppe von 80 000 Mann auch eine gut ausgerüstete Bürgerkriegsarmee war,
um Aufstände und Unruhen bei wachsender Unzufriedenheit des hinter der Mauer
eingesperrten „Volkes“ niederzukämpfen, schreibt er nicht.
In der Zeitschrift „RotFuchs“, einem neostalinistischen Blättchen, das seit 1999
in Berlin erscheint, hat Dieter Winderlich im Februar dieses Jahres unter dem
Titel „Was geschah in Hoheneck?“ klassenkämpferisch Stellung bezogen gegen die
„Spiegel“-Dokumentation „Eingesperrt, um frei zu sein“, die am 14. November
2009 vom Fernsehsender „Vox“ ausgestrahlt wurde. Diese Dokumentation über
Frauenschicksale im Zuchthaus Hoheneck, das hoch über der Stadt
Stollberg/Erzgebirge liegt und seit 1950 unter Aufsicht der „Volkspolizei“
stand, war ein erschütternder Bericht darüber, wie politische Gefangene von
einer ideologisierten Wachmannschaft behandelt wurden, bis sie schließlich nach
Karl-Marx-Stadt auf den Kaßberg überführt und vom Westen „freigekauft“ wurden.
Darüber gibt es eine ganze Reihe von Büchern wie Ulrich Schachts „Hohenecker
Protokolle“ (1984), die Haftberichte Ellen Thiemanns „Stell dich mit den
Schergen gut“ (1984)und Eva Maria Neumanns „Sie nahmen mir nicht nur die
Freiheit“ (2008) sowie die von Dorothea Ebert mit ihrem Bruder Michael Proksch
verfasste „Geschichte einer Republikflucht“ mit dem Titel „Und plötzlich waren
wir Verbrecher“ (2010).
Dieter Winderlich kennt diese Bücher alle nicht, er will sie offensichtlich
auch nicht kennen, denn die „Volkspolizei“ erscheint dort nicht gerade in einem
günstigen Licht! Ein Buch freilich, so scheint es, hat er gelesen. Es trägt den
Titel „Die bröckelnde Festung“ (2002) und wurde geschrieben von der Erfurter
Autorin Gabriele Stötzer, Jahrgang 1953, die 1988/89 ein Jahr gesessen hat
wegen „Staatsverleumdung“, davon sieben Monate in Hoheneck. Sofort nach der
Haftentlassung 1989 ist sie nach Ostberlin zu Christa Wolf gefahren, wo sie der
ahnungslosen Schriftstellerin ausführlich berichtete über die Zustände in
DDR-Zuchthäusern wie Hoheneck. In ihrer Erzählung „Was bleibt“ (1990) hat
Christa Wolf von dieser unerwarteten Begegnung erzählt.
Dieses Buch gefällt Dieter Winderlich, hier kann er ausführlich Stellen
zitieren über das segensreiche Wirken der „Volkspolizei“ und ihre „humane“
Einstellung zu den Gefangenen: „In den Paketen ließ sie sich Parfüm,
Zahnbürsten, Wimpernspiralen, Deostifte, Lidschatten und Schreibwaren
schicken…Zum Sprecher wechselten Äpfel, Zitronen, Erdbeeren, Kirschen,
Himbeeren über das Jahr hin zu Pampelmusen, Bananen und Apfelsinen“. Es mag
sein, dass es im letzten DDR-Jahr, als der Untergang des Sozialismus absehbar
war, solche Dinge gegeben hat. Schließlich hatten 1983 UNO-Kommissionen einige
DDR-Haftanstalten besichtigt und erhebliche Mängel festgestellt, die dann
beseitigt wurden, weil der SED-Staat nach internationaler Anerkennung lechzte.
Dennoch blieben die Gefangenen für die Wachmannschaft „Staatsfeinde“, denen das
Leben schwer gemacht wurde.
Dieter Winderlich, der im DDR-Innenministerium für die Überwachung des
Strafvollzugs zuständig war, verschweigthärtere Schilderungen des Haftalltags
in diesem Buch, die es selbstverständlich auch gibt. Weil er in einigen
Textpassagen dieses „beeindruckenden Buches“ (Dieter Winderlich) den „humanen
Strafvollzug“ angeblich bestätigt findet, stellt er alles in Abrede, was in der
TV-Dokumentation von 2009 angeführt wird. Dass die Wasserzellen im
Zuchthauskeller von Gabriele Stötzer nicht erwähnt werden, deren Existenz aber
von anderen Gefangenen bestätigt wurde, ist für ihn Beweis genug, dass es sie
nicht gab, jedenfalls nicht in der Funktion, aufsässige Gefangene zu bestrafen.
Er argumentiert so: „…ist ein Nachbau und wurde für Filmaufnahmen über die
Nazizeit geschaffen.“ Den Titel des Films freilich, der angeblich dort gedreht
wurde, nennt er nicht, weil es ihn nicht gibt, abgesehen davon, dass sich eine
solche Wasserzelle im DEFA-Studio in Potsdam-Babelsberg leichter und billiger
hätte nachbauen lassen!
Noch unglaubwürdiger aber wird der “Genosse Generalmajor“, wenn er die
politischen Gefangenen im DDR-Strafvollzug mit zwielichtigen SED-Kriminellen
vergleicht wie Egon Krenz (1937), dem letzten Staatsratsvorsitzenden, und
Klaus-Dieter Baumgarten (1931-2008), dem Anführer der DDR-Grenztruppen. Die
waren wegen Totschlags (leider nicht wegen Mordes!) verhaftet und zu jeweils
sechseinhalb Jahren verurteilt worden und nicht, weil sie einen politischen
Witz („staatsfeindliche Hetze“) erzählt oder hatten „illegal“ ausreisen
(„Republikflucht“) wollen. Sie waren auch nicht, wie Egon Krenz, in einem,
verglichen mit Hoheneck, Hotel mit eingeschränktem Ausgang untergebracht, sie
wurden auch nicht vorzeitig begnadigt und schrieben dann keine weinerlichen
Bücher über das erlittene “Unrecht“ wie Egon Krenz mit seinen
„Gefängnis-Notizen“ (2009)!
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uwes 14.06.2012 21:26
Werter Herr Bilke, Ich glaube, Sie sind ein Lügner oder besser gesagt ein "Anführer" mehrere Lügner. Ein kleiner Räuberhauptmann sozusagen. Wie können Sie es wagen, der Leserschaft vorzugaukeln (zu Gaucken), daß es in der DDR Pampelmusen, Bananen, Apfelsinen und Deostifte gegeben haben soll. Es muß sich doch nun mal langsam bis in die letzte (west)deutsche Provinz rumgesprochen haben, daß der Ge- und Verbrauch derartiger Dinge dazumal bei Höchststrafe verboten war! Und in "DDR-Zuchthäusern" erst recht. Voll Trauer umwölkt sich mein Gemüt, denk ich an diese furchtbare Zeit zurück. Und wie dankbar war ich, als ich nach der Vertreibung aus meinem Land die erste "Westfrucht" in der Hand hielt: Eine grüne Banane. Oder war es eine Gurke? Eine wie Sie?
Simnie 20.01.2011 13:47
Aus dem Artikel sprüht der Haß auf die DDR und er besteht aus Falschaussagen. Beispiel: Gabriele Stötzer war nicht 1988/89 in Haft, sondern 1977/78. Somit sind alle Schlußfolgerungen und Wertungen falsch.