Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 28.01.11 |
von Hartwig Mähler
Im
Kunsthaus Apolda Avantgarde ist für den Zeitraum vom 09.01. bis 27.03.2011 die
Ausstellung Helmut Newton mit Werken aus dem Museum der Moderne Salzburg,
Leihgabe der Sammlung MAP, geöffnet. Für das www.kunsthausapolda.de und die
Ausstellung entstand ein Katalog mit 144 Seiten. Der Preis beträgt 20 Euro. Für
Konzeption und Realisierung zeichnen Dr. Andrea Fromm und Thomas Beege,
Hamburg, verantwortlich. Veranstalter sind der Kunstverein Apolda Avantgarde
e.V. und die Kreisstadt Apolda. Vor allem förderte die VR Bank Weimar eG dieses
Projekt.
„Er wurde
zur Ikone, indem er Ikonen schuf“, behauptet Thomas Beege bereits eingangs des
mehrseitigen Flyer, der, ob der ungewöhnlichen Fotos, die Betrachter in ihren
Bann zieht. Die Ausstellung in Apolda zeigt nur einen Teil der wahnsinnig
umfangreichen Arbeit, die Widerspruch hervorrufen und geliebt wird. Karl
Lagerfeld, der bereits in der Glockenstadt seine Visitenkarte im Rahmen eines
Apolda European Design Awards hinterlegte und im Film Helmut Newton: Bilder aus
einem gewagten Leben, D, 1989, neben Catherine Deneuve als Darsteller
mitwirkte, schrieb: „Er hat auf seine Art die erotische Fantasie unserer Zeit
verändert oder auf jeden Fall stark beeinflusst.“
Die Frau
des Jahrzehnts, wenn nicht der Jahrzehnte, wird dominant, nie unterlegen oder
erniedrigt (so Newton) dargestellt. Selbstbewusst, offenherzig, mutig,
herausfordernd, sinnlich, faszinierend und stark kommen sie in den Bildern
Newtons daher – hinterlassen bleibend ihre Spuren.
Was ist
anstößig? Was bedeutet Nacktheit? Was wäre als obszön zu bewerten? Sind diese
Begriffe nicht ein Schutzschild verdeckter Wünsche? Nacktheit in der Sauna oder
am FKK sind nie Schaubude für erwartungsfrohe Verwirrte. Die Herrlichkeit des
schönes männlichen oder weiblichen Körpers gibt wider, was selbst von den
Kirchen gewürdigt und gepreiset wird als Schöpfungsakt. Aber bitte nicht so
direkt! Dabei musste selbst Bonifatius festhalten, wie „Sittenverfall“ in
Teutschland zur Strafe erkorene Sünde bedeute. Schmutziges redet der in die
Schönheit des Körpers, der daran Sünde findet.
„Die
suggerierte Unschuld der makellosen Körper verwirrt, und die Posen der Modelle
strahlen eine nicht minder makellose Reinheit der Selbstbehauptung aus.“ Thomas
Beege.
Newton
fühlte selbst das große Verlangen, war inspiriert von der nackten Schönheit und
soll sich durchgevögelt haben auf dem Weg in die Emigration nach Australien,
wie er 2006 in einem Interview bekannte.
Nun ist
Helmut Newton in Apolda zu erleben. Seine Memoiren sind bei Bertelsmann
erschienen, ein Jahrzehnt nach dem Vorhaben 1990, und weil er drei Lektoren zum
Teufel jagte. Sie zeigten sich wohl unfähig, die Juden zu begreifen und die
Nazis zu durchdenken. Gewiss: Wer dieses Leben in größter Offen- und Nacktheit
lebte, die Schönsten der Schönen vor der Kamera hatte, mit seinen Augen Neues
entdeckte und neue Blickwinkel auf Objekte (auch der Begierde) ermöglicht, muss
zum Widerspruch anregen. Helmut Newton im kleinen Apolda bedeutet den großen
Augenblick, sich mit dem ungewöhnlichen Menschen und dem ungewöhnlichen Leben
zu befassen.
Ursprünglich
führte Newton (* 31. Oktober 1920 in Berlin; † 23. Januar 2004 in Los Angeles;
den NamenHelmut Neustädter. Schlicht
wird ausgesagt: ein australischer Fotograf mit deutsch-jüdischer Herkunft.
Newton
erblickte 1920 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Knopffabrikantenfamilie
in Berlin das Licht der Welt – des Berlins der 1920er Jahre. Dann mit 16 Besuch
des Gymnasiums. Aber Abbrecher, weil da bereits mehr Zeit ins Schwimmen, den
Mädchen und dem Fotografieren gewidmet wurde. 1936 Lehre
zum Fotograf bei der bekannten Berliner Fotografin, der Jüdin Yva (Else Simon).
Ihr drohte 1938 Berufsverbot. Das Atelier wurde geschlossen.
Elsa Simon
zählte später zu den Opfern des Nationalsozialismus. Newton brach die Lehre ab
und verließ kurz nach seinem 18. Geburtstag, am 5. Dezember 1938,
Deutschland in Richtung Singapur. Bei der „The Straits Times“ wurde er nach
kurzer Zeit wegen „Unfähigkeit“ entlassen.
Nach dem
Kriegsende eröffnete Newton in Melbourne ein Fotostudio, wurde australischer
Staatsbürger und heiratete 1948 June Browne (Brunell), mit der er bis zu seinem
Tode lebte.
Newton
avancierte ab den 1970er Jahren als „teuersten Mode-, Werbe-, Portrait- und
Aktfotograf der Welt“. Newton
starb im Alter von 83 Jahren am 24. Januar 2004 in Los Angeles. Entsprechend
seinem Wunsch wurde er in Berlin beigesetzt. Seine Urne erhielt am 2. Juni 2004
in einem
Ehrengrab auf dem III. Städtischen Friedhof in Berlin-Friedenau in der Nähe des
Ehrengrabes von Marlene Dietrich ihren Platz.
Die
Apoldaer Newton-Ausstellung (09.01.-27.03.2011) eröffnet neue
Betrachtungsweisen und lässt die Gäste des Kunsthauses die Werke in ihrer
avantgardistischen Art und Schönheit Anteil nehmen am Leben des Helmut Newton.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.