Erschienen in Ausgabe: No 60 (2/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
Laudatio auf Cees Nooteboom am 12.12.2010
von Norbert Lammert
Sehr geehrte Frau
Ministerpräsidentin,
liebe Frau Lieberknecht,
Herr Vorsitzender, lieber
Hans-Gert Pöttering,
verehrter, lieber Herr
Nooteboom,
meine Damen und Herren!
„Zur selben Zeit, da wir unsere
eigenen Bilder verlieren, weil wir die Geschichten, aus denen sie
hervorgegangen sind, nicht mehr kennen, werden wir durch die Globalisierung mit
dem überschwemmt, was der Kommerz sich für uns ausgedacht hat, und
gleichzeitig, um die Verwirrung komplett zu machen, mit den Bildern und
Symbolen der anderen. Um uns herum werden Moscheen und Hindutempel erbaut, in
den Schaufenstern von Antiquitätengeschäften oder in den Häusern von Freunden
sehen wir Totenschiffe und vielarmige sowie vielköpfige Götter, die in ihrem
Ursprungsland eine ganz andere Bedeutung haben als bei uns. […] Wir haben in
den letzten fünfzig Jahren eine ganze Reihe anderer Welten hinzubekommen,
während wir gleichzeitig im Begriff sind, unsere eigene Welt langsam zu
verlieren. […] Wenn man lange genug auf der Welt ist, um zu wissen, dass man an
einem Punkt in der Zeit angelangt ist, von dem aus man mit klarem Blick auf die
Vergangenheit schauen kann, erkennt man besser, was verschwunden ist und noch
immer verschwindet, als dass man wüsste, was kommen wird. Das ist kein Grund
zum Trauern, aber man sollte sich dessen bewusst sein. Auch dieses Bewusstsein
gehört zur Kultur.“
Diese klugen Sätze von Cees
Nooteboom finden sich in einem Essay, der im Januar 2010 unter dem Titel „Armut
unter einem Baldachin aus Gold“ in der Wochenzeitung Die Zeit erschienen
ist. Für mich persönlich ist es der gescheiteste, leichteste und zugleich
ernsthafteste Beitrag im deutschsprachigen Feuilleton dieses Jahres über – so
die Untertitel „Missverständnisse zwischen den Kulturen“ und „wohin es führt,
wenn wir unsere eigene Kultur nicht mehr verstehen.“
Cees Nooteboom schließt seine
Betrachtungen über Kultur als Abstraktion und Kultur als Geschichte und Folge
von Geschichten von der griechischen Mythologie über lateinische Texte bis zu
christlichen Symbolen mit einem leisen, eindrücklichen Moll-Akkord: „In der
turbulenten Welt, in der ich gelebt habe, mit Krieg, Kaltem Krieg, atomarer
Bedrohung, Entkolonialisierung hat es stets eine Konstante gegeben, das Erbe
meiner Gymnasialjahre, die Geschichten, die mein Leben begleitet haben. Dass
dies für die meisten meiner Zeitgenossen nicht gilt, weiß ich und verstehe ich.
Wenn ich sage, dass ihr Leben durch dieses Erbe bereichert würde, sind es Worte
in den Wind. Aber dann habe ich sie zumindest gesprochen.“
Meine Damen und Herren,
die Laudatio, um die ich
gebeten wurde und die ich gerne übernommen habe, muss bedauerlicherweise
entfallen. Ich habe mir durchaus Mühe gegeben, Material gesammelt und
gesichtet. Mitten in den Vorbereitungen, immer wieder unterbrochen durch
tatsächliche und eingebildete Staatsgeschäfte, fand ich vorgestern ein älteres
Interview mit Cees Nooteboom, in dem er erklärte: Wer seinen Roman Der
Ritter ist gestorben nicht kenne, „weiß eigentlich nicht, was für ein Autor
ich bin.“
Sie vermuten richtig: Ich habe
das Buch nicht gelesen. Die Aussicht, dies nachholen zu können – irgendwann –,
hilft mir hier nicht weiter, Ihnen auch nicht, jedenfalls nicht heute. Ein
unauffälliges Manko für den interessierten Leser, ein schlichtes Desaster für
den Laudator, mit disqualifizierender Wirkung.
Sehr geehrter Herr
Vorsitzender, die übliche, dem Veranstalter und dem Preisträger angemessene
Laudatio findet heute nicht statt. Ich flüchte mich hilfsweise in einige mehr
oder weniger originelle Hinweise zum Autor, seiner Biografie und seinem Werk,
einige persönliche, naturgemäß rein subjektive Leseeindrücke und viele
Originalzitate von Cees Nooteboom. Immer wieder. Gnadenlos. Mit wenigen
erläuternden Unterbrechungen – in der heimlichen Hoffnung, dass unter dem Glanz
dieser Zitate die entscheidende Blöße nicht auffällt und meine gelegentlichen
leichtfertigen Kommentierungen oder Zuordnungen der Texte Ihnen entweder
einleuchten oder umgekehrt durch die Nachsicht entschuldigt werden, dass man
von jemandem, der den ,Gestorbenen Ritter’ nicht kennt, vernünftigerweise auch
keine Aufklärung über den Autor erwarten darf.
Im Kritischen Lexikon zur
fremdsprachigen Gegenwartsliteratur heißt es zur Biografie von Cees
Nooteboom:
„Cees (eigentlich Cornelis
Johannes Jacobus Maria) Nooteboom, geboren am 31.7.1933 in Den Haag. Sein Vater
kam 1940 beim Bombardement auf Den Haag ums Leben, die Familie war evakuiert.
Der Junge besuchte Klosterschulen in Eindhoven und Venray, wurde mehrfach als
,zu kritisch’ fortgeschickt. Seit 1950 arbeitete er in Werbebüros, bei Banken
sowie als Bote. Vom Stiefvater aus dem Haus geprügelt, entdeckte er das Reisen
(Trampen) als seine Lebensform. Mit 20 Jahren schrieb er seinen ersten Roman Das
Paradies ist nebenan, der ihn sofort bekannt machte. […] Sein Engagement
fürs Theater brachte keinen Durchbruch; weitere Stücke blieben unaufgeführt.
Erfolg brachten die Reiseskizzen. […] In den sechziger und siebziger Jahren
schrieb er viele Songtexte, vor allem für Liesbeth List, mit der er damals […]
die Welt durchreiste. […] Durchbruch als Erzähler mit dem Roman Rituale,
nicht zuletzt aufgrund der Verbreitung des Buches in den USA. Nooteboom lebt
(seit 1979 zusammen mit der Fotografin Simone Sassen) abwechselnd in Amsterdam,
Berlin und Menorca. Er ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.“
Cess Nooteboom ist vielfach mit
renommierten Preisen ausgezeichnet. Seine Bücher sind in mehr als 30 Sprachen
übersetzt. Der Suhrkamp Verlag hat anlässlich des 75. Geburtstags des Autors
eine neunbändige Ausgabe seiner Gesammelten Werke vorgelegt. Cees
Nooteboom ist zweifellos ein glänzender Schriftsteller von internationalem
Rang, ein leidenschaftlicher Europäer und ein Humanist im wahren Sinne des
Wortes.
In Deutschland ist Nooteboom
einem breiten Publikum bekannt geworden, vor allem durch die hymnische
Besprechung seines Buches Die folgende Geschichte im Literarischen
Quartett unter der wie immer denkwürdigen Moderation von Marcel
Reich-Ranicki. Hellmuth Karasek hat den Roman Die folgende Geschichte damals
wie folgt vorgestellt; Frau Prof. Lermen hat mir das Protokoll besorgt:
„Also: Das Buch ist eine
Erzählung aus dem Paukermilieu: zwei Lehrer, eine Schülerin und ein
Schulmädchen. Der eine Lehrer mit sportlicher Figur – Turnlehrer – liebt das
Schulmädchen, das die beste Schülerin in der Schule ist. Aus Rache verliebt
sich seine Frau, die eine Biologielehrerin ist, in den Lateinlehrer. Am Schluss
wird der Lateinlehrer niedergeprügelt, und beide Lehrer müssen die Schule
verlassen.“
So könnte man das Buch
erzählen. Darauf Reich-Ranicki: „Mein Lieber, wenn Sie den Hamlet erzählen
würden, würden alle denken, das ist das letzte dumme Zeug.“ Karasek hat dann
auch die Kurve gekriegt und gesagt: „Nein, nein, also so darf man das natürlich
nicht erzählen. Das Buch ist ein Abschied vom Erzählen in der höchsten Form des
Erzählens.“
Das wiederum hat selbst
Reich-Ranicki gefallen, der dann fünf Minuten später noch einmal ausdrücklich
darauf hinweist: Es sei eine Erzählung über die Unmöglichkeit des Erzählens.
Es ist jedenfalls ein
grandioses Buch, vielleicht fast so bedeutend wie Der Ritter ist gestorben.
Meine persönliche Beziehung zu
Cees Nooteboom, meine Bewunderung für seine Bücher beginnt mit dem großen
Spanienbuch Der Umweg nach Santiago. Dieses erste Buch, das ich von ihm
je gelesen habe, vor fast zwanzig Jahren, hat mich begeistert und fasziniert
wie kein anderes Buch über ein Land, seine Geschichte und Kultur davor oder
danach. Auf den Spuren von Don Quichotte zwischen Fantasie und Wirklichkeit –
seitdem liebe ich Spanien noch ein bisschen mehr als andere der zahlreichen
europäischen Länder und ihre eindrucksvollen Kulturgeschichten, und vor allem
weiß ich seit dieser Lektüre, dass es nicht das Sozialprodukt, nicht die
Wachstumsrate und nicht Einkommen und die Vermögen, nicht einmal die
Sozialleistungen und schon gar nicht die Autobahnkilometer sind, die den Rang
eines Volkes im Gedächtnis der Menschheit bestimmen, sondern die kulturellen
Leistungen, die über Jahrhunderte Bestand haben.
Der Umweg nach Santiago ist für mich das anregendste und aufregendste,
schönste Reisebuch, das ich je in den Händen hatte. Bis zum Sommer dieses
Jahres, als ich José Saramagos Portugiesische Reise in einer ähnlichen
Weise verschlungen habe – mit dem Gefühl, der Nobelpreisträger habe es nach der
Lektüre von Nootebooms Spanienbuch in der Absicht geschrieben, sich selbst zu
beweisen, dass er so etwas Ähnliches auch könne, und dem natürlich wieder
völlig unmaßgeblichen persönlichen Eindruck, dass Nootebooms Spanienbuch
jedenfalls um die 150 Seiten besser ist, die Saramagos Buch länger ist.
In seiner Essaysammlung Nootebooms
Hotel gibt es einen interessanten Beitrag unter der Überschrift „Im Auge
des Sturms“, in dem Nooteboom etwas über die Betrachtungsperspektive schreibt,
mit der er an Länder, an Objekte, an Ereignisse herangeht. Dabei zitiert er den
arabischen Philosophen Ibn al-Arabi: „Vielleicht ist es so, dass sich der wahre
Reisende immer im Auge des Sturmes befindet. Der Sturm ist die Welt, das Auge
ist das, womit er die Welt betrachtet. Im Auge ist es still, und wer sich darin
befindet, kann gerade die Dinge unterscheiden, die den Sesshaften entgehen.“
Das setzt allerdings voraus, dass man rechtzeitig da ist, wo es etwas
Bedeutendes zu beobachten gibt. Und diesen ganz außerordentlichen Instinkt, zur
richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein, hat Nooteboom in einer geradezu
atemberaubenden Weise. Er war just dann dort, wo es richtig los ging: 1956 in
Budapest, 1986 in Paris, 1989 in Berlin.
Und dass eben tatsächlich diese
Sicht von außen manches in den Blick bekommt, das die Sesshaften, wie er sie
hier nennt, gar nicht wahrnehmen, schon gar nicht sofort und oft auch nicht,
wenn sie nicht darauf hingewiesen werden. Davon geben alle seine Reisebücher,
aber für uns Deutsche natürlich insbesondere seine Berliner Notizen,
grandiose Zeugnisse ab.
Ich will Ihnen fünf Beispiele
dafür vortragen. 1989 schreibt er: „Politische Science-fiction wäre es gewesen,
wenn man vor einem Jahr [also 1988; NL] mit einem Roman gekommen wäre, in dem
ein CDU-Ministerpräsident der DDR mit einem französischen Namen nach Moskau
fliegt, um sich mit Gorbatschow über die eventuelle NATO-Mitgliedschaft eines
vereinten Deutschland zu unterhalten. Man stelle sich folgendes vor: Der
Honecker von vor einem Jahr, der die Zeitung von heute in der Hand hält, in
einer Kurzschlusshandlung den Fernseher einschaltet und de Maizière auf dem
Moskauer Flughafen die Gangway herunterkommen sieht. Was ist das für eine
Wirklichkeit, die wirklich und absurd zugleich ist?“
Zweitens, liebe Frau
Lieberknecht: Weimar: „Hier war ich im letzten Winter schon einmal. Eigentlich
müßte ich die Stadt mit Goethe identifizieren, aber es wird Braunkohle. Unsinn,
natürlich, denn der eine bleibt und der andere verschwindet wieder, trotzdem,
der Kohlegeruch ist unvergeßlich. Letzten Endes wird es so sein, daß ich an
Goethe denken werde, wenn ich irgendwo Braunkohle rieche.“
Drittes Beispiel: „An dem Tag,
als 1.846 Menschen über Ungarn in die Bundesrepublik flüchteten, waren 28 Fotos
von Erich Honecker in einer Nummer des Neuen Deutschland zu finden.“ Ja,
diese geradezu skurrile Parallelität muss man wahrnehmen und gleichzeitig in
den Blick bekommen. „Mieser können große Träume eigentlich nicht enden. Wer
dabei Schadenfreude empfindet, hat die Dimension des Elends nicht begriffen.
Wer andererseits wieder behauptet, die Verabschiedung dieser Republik sei auch
zu beklagen, muß wohl eine große Geringschätzung für Menschen empfinden. Die
eventuelle Einheit Deutschlands scheint eine Anzahl westdeutscher
Intellektueller viel mehr aufzuregen als die Vorstellung, daß Millionen ihrer
Mitbürger aus einem Zwangssystem befreit sind. Dieses Heraufbeschwören
möglicher Gespenster mutet krankhaft an. Das Verdächtigen der gerade Befreiten,
weil ihnen die kapitalistischen Bananen schmecken und sie auch andere Dinge zu
schätzen wissen, die für uns schon seit Jahrzehnten ganz normal sind.“
Viertes Beispiel: Die schönste
Beschreibung des Dorotheenstädter Friedhofs in Berlin stammt natürlich von Cees
Nooteboom: ein virtuelles Ballett der großen Philosophen und Dichter. Seinen
Eindruck vom Besuch des Friedhofs beschreibt er wie folgt:
„Als ich mich an Hegels Grab
umdrehe und zu Brecht hinüberschaue, sehe ich, daß da jemand steht und
schreibt, mein Spiegelbild. […] Auf einmal habe ich das Gefühl, daß diese ganzen
Worte buchstäblich unter meinen Füßen liegen, eine gigantische,
zusammengeflochtene Konstruktion, Stollengänge voll Lieder und Paragraphen, die
viel zugänglicheren Worte des einen tanzen um das granitene System des anderen,
ein doppeltes Königreich, das unter den Gräbern fortwuchert und in dem Surabaya
Johnny gemeinsam mit dem Weltgeist regiert, Macky Messer in Bill’s Tanzhaus in
Bilbao mit der Phänomenologie in den Armen tanzt, und ein Schiff mit
acht Segeln die Dialektik an eine Küste entführt, wo Soldaten zum letzten Mal
die Wache ablösen, exakt im staatlichen Takt.“
Und schließlich ein fünftes und
letztes Beispiel, das – ohne dass wir das abgesprochen hätten – sehr schön an
das Zitat anschließt, das die Ministerpräsidentin vorhin in ihrem Grußwort vorgetragen
hat: über die Wahrnehmung des Nachbarn mit Blick auf die deutsche Geschichte.
„Ich glaube zwar nicht“,
schreibt Nooteboom in seinen Berliner Notizen, „an den unabwendbaren
Lauf der Geschichte, wohl aber an etwas so Vages wie das spezifische Gewicht
von Ländern und einen gewissen naturgegebenen Lauf der Dinge. Es schien mir
natürlich, daß Deutschland wieder ein Land wurde. Genauso wie es mir auch
natürlich erscheint, daß das viel Mühe kosten würde. Gleichermaßen natürlich
erschien es mir, daß Berlin die Hauptstadt dieses einen Landes werden sollte
und daß dieses vereinte Deutschland, das sich in den vergangenen fünfzig Jahren
zu einer modernen europäischen Demokratie entwickelt hat und sich wie ein
unablässiger Strom von Veröffentlichungen zeigt, durch eine immer intensivere
Erinnerungsarbeit mit seiner unheilvollen Vergangenheit auseinandergesetzt hat,
jetzt seinen Platz unter den anderen Ländern Europas einnehmen sollte.“
Hans van Mierlo, ein
langjähriger Freund Cees Nootebooms, an den wir uns als langjährigen
niederländischen Außenminister erinnern, hat Nooteboom einmal den, „unangefochtenen
Meister im Hervorbringen von Landschaften, Städten, Kathedralen, Klöstern und
bildhaften Kunstwerken“ genannt. Seine Beschreibungen von Farben, Geräuschen,
Gerüchen, Wetterlagen werde durchzogen von dem, was das Wahrgenommene bei ihm
auslöst: „Gefühle von Erstaunen, Bewunderung, Freude, Melancholie, in denen der
Leser seine eigenen Emotionen erkennt und das Gefühl bekommt, dass er etwas
liest, was er schon einmal gesehen, aber vergessen hat.“ Der Mann hat Der
Ritter ist gestorben gelesen und trifft deshalb Intention und Wirkung von
Cees Nooteboom in einer schwer überbietbaren Weise.
Meine Damen und Herren,
unter den Literaturpreisträgern
der Konrad-Adenauer-Stiftung stammt ganz sicher nicht zufällig ein großer Teil
aus Ost- und Ostmitteleuropa oder aus der ehemaligen DDR. Mit Cees Nooteboom
ist nun erstmals ein Autor eines westeuropäischen Nachbarlandes
Literaturpreisträger der Stiftung. Ein Jahr nach Uwe Tellkamp und seiner
Innenansicht auf zwanzig Jahre deutsche Einheit nun die Außenansicht eines
westeuropäischen Nachbarn auf Deutschland. Cees Nootebooms herausragendes
literarisches Werk hat eine auffällige europäische Dimension, die politisch wie
kulturell von großer Bedeutung ist, jenseits von Ideologien und verengenden
Weltanschauungen. Er gehört zu den Intellektuellen unserer Gegenwart, die den
Wert unseres kulturellen Erbes kennen und davon literarisch Zeugnis ablegen.
Cees Nooteboom gilt seit Jahren als Anwärter auf einen international besonders geschätzten
Literaturpreis, der vorgestern wieder vergeben wurde, wesentlich höher dotiert
ist als der Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung, aber auch sehr viel häufiger
vergeben wird. Die Kriterien der Vergabe des Nobelpreises für Literatur sind
auch weit weniger transparent als bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die
literarische Trefferquote der Jury ist auch nachweislich höher und das
wichtigste, einzelne ergänzende Kriterium über die literarische Exzellenz
hinaus ist die Fähigkeit und Bereitschaft, der Freiheit eine Stimme zu geben.
Das hat Cees Nooteboom immer
wieder getan. In seinen Reportagen und Essays, in seinen Erzählungen und
Romanen hat er zur Pflege und Förderung unserer eigenen Kultur aufgefordert „wie
von einer bedeutenden historischen Epoche, die so bald nicht wiederkehrt.“ Das
Paradies ist nebenan wird nicht immer wahrgenommen, nicht immer bewusst.
Genau beobachtend, präzise beschreibend und zugleich völlig unsentimental
berichtet er vom großen europäischen Kulturerbe mit der leisen Melancholie des
Zweifels, er spreche Worte in den Wind – „aber dann habe ich sie zumindest
gesprochen“.
Er hat sie gesprochen, wir
haben sie gehört. Sie klingen nach als eine große, kräftige Stimme im
polyphonen Chor der europäischen Literatur, die sich mit Autoren wie Cees
Nooteboom immer wieder ergänzt, ständig fortschreibt und immer wieder neu
erfindet. Dafür haben Sie unsere Bewunderung, unseren Dank und unseren Respekt
verdient.
Mehr über die Arbeit von Prof. Dr. Lammert, auch und insbesondere über seine literarisch-künstlerischen Interessen, erfahren Sie unter: www.norbert-lammert.de
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