Erschienen in Ausgabe: No 60 (2/2011) | Letzte Änderung: 31.01.13 |
von Rainer Westphal
Milton
Friedman (1912-2006) gilt als einer der bedeutendsten Ökonomen unserer Zeit,
die dem klassischen Kapitalismus das Wort geredet haben. Der Staat hätte nach
seinen Thesen für nichts anderes zu sorgen als den Besitz der Bürger und diese
selbst, durch die Polizei zu schützen und die Landesverteidigung zu sichern.
Vor allem aber dürfe sich der Staat nicht in die Wirtschaft einmischen, und von
der Bevölkerung immer mehr Steuern verlangen. Friedman gilt als einer der Vordenker
der Neoliberalen, welche seine Lehren dankbar übernommen haben, und den Begriff
vom „Nachtwächterstaat“ prägten.
Wie
vor zweihundert Jahren zuvor Adam Smith (1723-1790) gab Friedman vor zu
glauben, dass im System der freien Marktwirtschaft eine harmonisierende Kraft
steckt, die gleichsam, wie von Gott gewollt, automatisch die bestmögliche
Versorgung der Menschen mit Geld und Gütern sichert. Der Staat dürfe
keinesfalls Feuerwehr spielen, und versuchen, die Wirtschaft mit aus seiner
Sicht sinnlosen Konjunktur- und Beschäftigungsprogrammen ankurbeln.
Er
stellte die Behauptung auf, dass der Sozialstaat den Bürgern das Geld aus der
Tasche ziehen würde. Der „Sozialklimbim“ wie Wohnungs-, Heizungs- und/Kindergeld
sollte abgeschafft und statt dessen eine Negativsteuer eingeführt werden, was
bedeuten würde, dass ein Mensch, dessen Einkommen unter einem gewissen Satz
liege, einen Ausgleich vom Finanzamt zu erhalten hätte. Seine Behauptungen
gipfelten in der These, dass der Sozialstaat mit der Zielsetzung einer
Wohlfahrts-Bürokratie und die Armen zu unterstützen lediglich den Bürgern das
Geld aus der Tasche ziehen würde.
Immerhin
erkannte Friedman, dass mit einer Negativsteuer die beschämende Entrechtung der
Arbeitslosen vermieden werden kann. Er gilt deshalb als Vordenker eines bedingungslosen
Grundeinkommens wobei der Staat darauf verzichtet, dass die Betroffenen ständig
bei irgendwelchen Ämtern ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen. Durch ein
bedingungsloses Grundeinkommen kann es abhängig Beschäftigten ermöglicht werden,
ohne Begründung bei einem Arbeitsamt die Berufstätigkeit ganz, oder zeitlich
befristet, aufzugeben.
Folgt
man Friedmans Aussagen und Gedanken, dann kommt man zu dem Schluss, dass es
fast ein Segen ist, wenn eine bestimmte Zahl der Menschen keine Arbeit findet.
Denn die Arbeitslosigkeit drückt auf das Niveau der Löhne, und niedrigere Löhne
bewirken, dass das Sorgenkind Inflation keine monströsen Ausmaße annimmt.
Friedman
gilt als maßgeblicher Schöpfer der modernen Geldtheorie (Monetarismus). Darin
versucht er vor allem, die vielschichtigen Probleme der Geldentwertung zu
lösen. Seine Lehre wurde und wird besonders von rechtsstehenden Politikern in
den USA geschätzt, was auch damit in Zusammenhang gebracht werden kann, daß die
monströsen Kosten des Vietnam-Krieges nicht in Erwähnung gebracht wurden. In
Chile, unter Pinochet, konnte er erstmals seine Thesen umsetzen. Sein größter
und prominentester Verehrer war Ronald Reagan.
In
den 60er Jahren erntete er mit seinen Ideen mehr Spott als Respekt. Sein
Kollege, der Ökonom John Kenneth Galbraith, behauptete einmal, dass er der
Größte sei, dem niemand widersprach. Galbraith maß stattliche 2,04 Meter. Aus
dieser Höhe verkündete er, die Welt solle den langen Männern gehören. Sie sind
besser zu sehen. Aus diesem Grunde ist ihr Benehmen besser, und deshalb kann
man ihnen vertrauen. Dieses drängte den begründeten Verdacht auf, dass diese
Äußerung sich auf Friedman bezog, der lediglich über die Körpergröße von 1,55
Meter verfügte.
Erst
als Anfang der 70er Jahre die Thesen von Keynes aufgrund des verlorenen
Vietnamkrieges in den USA nicht mehr wirkten, begann der Stern des Inflations-Theoretikers
zu strahlen. Er setzte den Ausstieg aus dem Bretton-Woods- Währungssystem
durch, da die Mitgliedsländer u.a. die
Bundesrepublik Deutschland mit Milliarden von US-$ überhäuft wurden, die von den
Zentralbanken zu überhöhten
Wechselkursen angekauft werden mussten. Dieses führte u. a. in der BRD zu einem
Negativzins zwecks Abwehr; d. h., für Geldanlagen von Ausländern in „Euro-DM“
mussten diese einen Strafzins zahlen. Zur damaligen Zeit setzte eine Flucht aus
dem US-$ vorwiegend in die DM ein, was den Geld- und Devisenhandel in der
Bundesrepublik vor gewaltigen Herausforderungen stellte, um den Außenhandel nicht
zum Erliegen kommen zu lassen. Der Außenwert des US-$ verminderte sich wie
erwartet drastisch, was die beabsichtigte Abwertung der gewaltigen Schuldenlast
der USA bewirkte.
Offensichtlich,
aufgrund dieser „großartigen Tat“, begann der Stern von Friedman zu strahlen.
Friedman, auf dessen Krawatte das Konterfei seines Übervaters Adam Smith
leuchtete, verkündete nun: „Der freie Markt hat sich für mich positiv ausge-
wirkt.“ Milt, wie er von seinen Freunden genannt wurde, veröffentlichte nunmehr
regelmäßig Kolumnen, und wer ihn für einen Vortrag engagieren wollte, musste „astronomische“
Honorare hinblättern.
Friedman
wurde 1912 in New York geboren. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus
Österreich. Nach Absolvierung des Gymnasiums studierte er Wirtschaftswissenschaften
und Mathematik. Danach arbeitete er unter anderem im Nationalen Büro für
Wirtschaftsforschung in Washington, und las als Dozent an der New Yorker
Columbia-Universität. 1946 wechselte er an die Universität von Chicago, deren
ökonomische Denkrichtung er bald bestimmte. Diese, ausgerechnet von Chicago
ausgehende „Denke“, lieferte seinen Gegnern damals viel Stoff für ironische Kommentare.
Mit
Rose, seiner Gattin, erzog er seine Kinder „privatkapitalistisch“. Statt eines
Taschengeldes bezogen diese eine Art Gehalt. Aufgrund einer derartigen Erziehung
gebärdete sich sein Sohn noch viel radikaler, und verlangte sogar, Straßen in
Privateigentum zu überführen.
Wie
sehr eine derartige „Denke“ die Europäische Politik derzeit bestimmt, lässt
sich daraus ermessen, dass in Frankreich Autobahnen privatisiert wurden, und
man in der Bundesrepublik den Wahn weiterführte, in dem u. a. sog.
Cross-Border-Leasing-Geschäfte von Kommunen abgeschlossen wurden. Die Konstruktion
lässt sich in etwa so darstellen, dass Krankenhäuser, Schulen, Messehallen,
Straßbahnen etc., also öffentliches Eigentum, verkauft wurde, zumeist für 99
Jahre. Im gleichen Atemzug erfolgt ein Vertrag zur Anmietung zwecks Nutzung mit
festen Leasingraten.
Der
Ausfall von beteiligten Finanzdienstleistern durch die Finanzkrise bringt für
viele Kommunen offensichtlich erhebliche Verluste. Diese sind bisher noch nicht
quantifizierbar, jedoch sollen sich bereits Kommunen an die KFW gewandt haben
zwecks Darstellung von Krediten. Das ganze Ausmaß des Desasters ist noch nicht
zu übersehen.
Obwohl
die rechtliche Bewertung noch strittig ist, kann man wohl davon ausgehen, dass eine
Veräußerung öffentlichen Eigentums eine Veruntreuung gem. § 266 StGB
beinhaltet. Allerdings soll es jedoch Finanzfachleute geben, welche als nicht
ungewöhnlich empfinden, wenn man Scheingeschäfte abschließt, um sich aufgrund
von Lücken in der Steuergesetzgebung der USA zu bereichern.
1976
erhielt Friedman den Nobelpreis. Während der Verleihung kam es vor und im
Stockholmer Konzerthaus zu Tumulten aufgrund der angeblichen Tatsache der engen
Beziehungen Friedmans zum Terror-Regime in Chile.
Wie
kein anderer Ökonom in der damaligen Zeit verstand es Friedman, die Medien für
seine Thesen einzusetzen. Im Jahre 1980 machte er sich zum Helden einer amerikanischen
Fernsehshow, in der er ca. 150 Millionen Zuschauern klar machte, wer Schuld an
ihrem wirtschaftlichen Unglück sei; nämlich der das Geld seiner Bürger
verschleudernde Staat. Bei einer Diskussion um die sog. „Philipskurve“ zeigte Friedman
auf, was geschieht, wenn die Politiker kritiklos ökonomische Erkenntnisse
übernehmen, und danach handeln, was wiederum nicht einer gewissen Ironie zu
seinen eigenen Theorien entbehrt. Laut Philips soll zwischen den Veränderungen
der Löhne eine feste Beziehung zur Inflationsrate bestehen, was Friedman zu
Recht bestritt. Friedman stellte die Behauptung auf, dass es eine natürliche
Arbeitslosigkeit gäbe, welche sich nicht beseitigen ließe. Der Staat sollte
sich lediglich auf die Bekämpfung der Inflation konzentrieren; Störungen in der
Wirtschaft würden laut Friedman erst durch Konjunkturpolitik bewirkt.
Eine
natürliche Arbeitslosigkeit besteht in der Tat dadurch, dass Arbeitnehmer die
Stellung wechseln, und als Übergang Arbeitslosengeld beanspruchen. In Zeiten
der Vollbeschäftigung betrug dieser Bodensatz in der Bundesrepublik ca. 600.000
bis 700.000 Menschen. Diese Zahl lässt sich wohl nicht mit den derzeitigen
Arbeitslosenzahlen vergleichen, und zum Schluss führen, dass vom Staat keine arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen zu ergreifen sind.
Friedmans
Hauptwerk ist das 946 Seiten umfassende Buch „Monetary History of the United
States“, welches er gemeinsam mit der Ökonomin Anna Schwartz schrieb. Sein
populärstes Buch verfasste er mit seiner Frau Rose, und hatte den Titel
„Chancen, die ich meine“. Seine Thesen gelten bis heute als umstritten, da
diese einer strengen wissenschaftlichen Prüfung oftmals nicht standhalten.
Unumstritten ist jedoch, dass diese viele unkonventionelle Ideen und
Vorstellungen enthalten, die durchaus diskussionswürdig sind. Aber wie sagte
Friedman:
„Der Staat dürfe ökonomische Erkenntnisse
niemals kritiklos übernehmen“
Literaturhinweis:
Paul-Heinz Koesters, Ökonomen verändern die Welt, Milton & Rose Friedman,
Chancen, die ich meine, Milton Friedman, Kapitalismus und Freiheit
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