Erschienen in Ausgabe: No 61 (3/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Shanto Trdic
Es
sind meist dieselben Typen, an die man erinnert wird, wenn das Medienkartell,
jeweiligen Anlässen gehorchend, den Geist von Achtundsechzig heraufbeschwört.
Massenkompatibel und mittels wild und wirr aneinander gereihter Bildfolgen,
werden die Protagonisten bemüht und auf diese Weise schnell wieder erledigt.
Natürlich gehört ein Rudi Dutschke immer mit dazu, ständig an erster Stelle,
unausweichlich – unerbittlich. Das geht schon in Ordnung. Ein Heißsporn war er,
einer, den man sich im heutigen akademischen Milieu nicht einmal im Traum mehr
vorstellen könnte. Mit todernster Entschlossenheit und staunenswerter
Zielstrebigkeit, verbissen und verbohrt, ein Asket aus Instinkt, ging Dutschke
auf die Barrikaden und in die vollen; beseelt von dem Gedanken, tatsächlich
etwas bewegen, erreichen – verändern zu können. Sein Engagement entbehrte jeder
Ironie. Er war einer, der die sperrigen Theorien der marxistischen Heilslehre
(nebst zahlloser Ableger) vom gröbsten Staub befreite und in Form griffiger
Parolen förmlich aus sich herauskeuchte; so beschwörend wie herausfordernd, mit
einem an Irrsinn grenzenden Feuereifer, der ihm schließlich zum Verhängnis
wurde. Dutschke vertrat eine schmale, doch einflussreiche Elite, war ein später
Empörer und unruhiger Geist. In seinen flammenden Reden flackerte die Glut.
Jene Phrasen und Phantasmen, die er wie Heilssätze einer empfänglichen Gemeinde
um die trächtigen Ohren schleuderte, schlugen Funken und zündeten, als schössen
zischende Stabraketen gen Himmel - so brannten sie sich tief ins kollektive
studentische Gemüt. Er focht einen aussichtslosen, stets heroisch, ja heldisch
anmutenden Kampf; ein echter Spätling, der noch einmal eine Begeisterung um
jeden Preis erzwang. Dieser ´Hitzkopf´ Dutschke hat die Stichflammen des
Terrorismus ganz sicher mit heraufbeschoren, ist dann aber im Zuge erster
aktionistischer Entgleisungen strikt auf Distanz gegangen. Mit dem anno 68
erfolgten Attentat konnte man den Agitator jäh mundtot machen und darob brauste
der Zeitgeist auch über einen wie ihn hinweg. Im benachbarten Frankreich
erklomm ein pausbackener, sehr viel dümmlicher agitierender Spund schnell einen
ähnlichen, wiewohl um vieles ärmeren Rang: der rote Dany, wie sie den Cohn
Bendit nannten. Mit heiserer Stimme suchte auch der die Massen zu begeistern,
propagierte er die Macht des Volkes, deren Heerscharen in der Seine-Metropole,
sehr im Gegensatz zum spießbürgerlich anmutenden Gros an der Spree, wenigstens
einen Seufzer lang die Reihen schlossen: munter mitmachten. Heute sitzt dieser
eifernde Renegat im Brüsseler Parlament und setzt alles daran, ein strikt
merkantil ausgerichtetes Verfassungswerk gegen den Willen der Allgemeinheit
durchzuwinken. Mit Cohn Bendit fällt die Kurve, flacht die Rhetorik ab. Das
gilt im Grunde für den lausigen Rest jener, die vorgaben, Revolution zu machen
und doch nur dem eigenen Heil, dem beleidigten Ego genügten. Etliche derer, die
so taten, blieben auf der Strecke, andere traten ins zweite oder letzte Glied
und sicherten sich die üblichen Privilegien, um die es von Anfang an
tatsächlich ging. Nur wenige erklommen später den Olymp; jenen Ort, der fette
Tröge bereit hält, aus denen sie sich so schamlos wie selbstverständlich
bedienten. Einige wenige dieser Figuren standen schon damals im grellen
Scheinwerferlicht, doch die meisten fielen in´s blasse Halbdunkel unauffälliger
bürgerlicher Existenz zurück. Die Namen der Protagonisten sind bekannt, zum
Teil hat sich auch noch der eine oder anderer Spruch gehalten.
Man
kann an dieser Stelle grob zwei Typen voneinander abgrenzen, die im Grunde nur
das Podium gemein hatten. Den bierernst brütenden oder brünstig brüllenden
Oberlehrern (siehe oben) standen solche gegenüber, die es vorzüglich
verstanden, ihre Arroganz in seichte Komik zu verpacken. Letztere waren in
ihrer Schwatzfreudigkeit erträglicher, bekömmlicher; erstere redeten sich, mit
starrer, sturer Mine, um Kopf und Kragen. Einer jener ´Spaßguerillas´ hieß
Rainer Langhans, sprachlich wohl der begabteste, mit Worten blendend hantierende
Vertreter seiner Zunft; der eigentliche Popstar der Bewegung. Auch er hat
mittlerweile die Seite gewechselt, fährt wie selbstverständlich mit dem
veröffentlichten Meinungsstrom und driftet nicht selten, das gewohnt
akademischen Wortgeplänkel im sicheren Gepäck, hart an den rechten Rand. Sein
esoterisches, mit soziologischen Allgemeinplätzen ausgarniertes Geseiere über
das Mysterium vom Gröfaz muss man vernommen haben, sonst glaubt man es kaum.
Genosse Mahler ist als Rechtsaußen sehr viel konsequenter (er macht nämlich
keinen Hehl daraus) und schlägt von dort aus eine üble Flanke nach der andern
los; lauter verlässliche Eigentore. Was er uns bisher über Jahwekult, Judenheit
und Hegelschen Volksgeist auseinander gesetzt hat, grenzt an autistische Grenzverirrung,
ein wirres, überspitztes Utopia feiernd. Immerhin: jener scheute den
Seitenwechsel nicht, wo etliche dem selbstverordneten Gutmenschentum in
bewährter Verlogenheit und bequemer Vehemenz huldigen. Aber zurück zu den
ironisch gestimmten Vetretern fortschrittlich gesinnter Gegenkultur. Vergessen
wir da den alten Kunzelmann nicht, einer der Veteranen im Umfeld der legendären
Kommune 1, als eitler Geck schon bei den ersten Happenings mit am Start und der
eigentliche, originäre Brandstifter in Verein: ein Mitläufer und
Meinungsmacher, der vieles anstieß und doch die dünne, rote Linie nie ernstlich
übertrat. Das tat dann ausgerechnet Fritz Teufel, als harmloser Bürgerschreck
im Anarchistengewand zunächst eher aufs Sprücheklopfen und Witzeln abboniert. Ausgerechnet
er wagte den entscheidenden Schritt, trat aus der gängigen, vorderen Reihe in
den toten Winkel, wo jeder Kalauer zu Eis gefriert.
Von
den Medienverwöhnten Paradiesvögeln der Berliner Studentenszene war Teufel der
witzigste, wohl auch begabteste Charakter. Oberflächlich betrachtet mochte man
in ihm lediglich den notorischen Witzbold sehen, ein echtes Fliegengewicht, und
tatsächlich war er den Repräsentanten rheinischer Beschaulichkeit zeitlebens
mehr ein frecher Kerl denn eine ernst zu nehmende Gefahr. Jene, denen sein
Spott galt, haben ihn hauptsächlich als missliebige Schmeißfliege wahr
genommen; ein Beutejäger schien er nicht zu gerade zu sein. Als einer, der
provoziert, Ärger macht und keinem aus dem Weg geht, hat er in den wilden
Jahren ganze Arbeit geleistet, und als Person scheint er mir eine Betrachtung
allemal wert – wer von denen, die damals irgendwie dabei waren und heute noch
fett im Geschäft sind, könnte schon von sich behaupten, wirklich originell
gewesen zu sein?
„Watt
sind wir doch für Kinder jewesen,“ meinte Fritz Teufel einmal in einem über
weite Strecken peinlichen Fernsehgespräch; der Stichwortgeber war ein gewisser
Günther Jauch. Das war irgendwann in den Achtzigern; gleichzeitig meine erste
Begegnung mit ihm. Zu diesem Zeitpunkt hatte der einstige Politclown die
letzten Reste zynischen Gebarens, harscher Resignation und salopper Provokation
abgestreift; wie eine alte, runzlig gewordene Haut. So etwas wie späte Milde
kam schon auf. Der Mann kalauerte noch immer gerne drauflos und ließ seinen
´Gesprächspartner´ wissen, dass er Karel Gott liebe; außerdem war er traurig,
dass man ihm statt Brian Ferry an diesem Abend nur die ollen Steppenwolf
zumutete. Jauch suchte ihn auf ganz bestimmte Äußerungen und Aktionen fest zu
nageln; vergebens. Teufel interessierte das gar nicht mehr. Mit der
Vergangenheit, so schien es, hatte dieser gemütliche Kauz nichts mehr am Hut;
sie war ihm gleichgültig geworden. Lästig schien es, darüber noch Worte zu
vergeuden. Die Sache war gegessen. Immer wieder hakte Jauch nach, doch fand
sein Gegenüber offenbar an unverbindlichen, albernen Kindereien mehr Gefallen
als an der verbalen Vergangenheitsbewältigung, die heute zum gängigen
Pflichtprogramm derer zählt, die unbedingt mitten drin gewesen sein wollen. Diese
Figuren sehen dabei immer ziemlich alt aus. Teufel sah schon in jungen Jahren
älter aus, als er eigentlich war, und auch in dieser Talk Show gewann man den
Eindruck, einem vorzeitig ergrauten Tippelbruder zu lauschen: so ein leicht
seniler, etwas angeschwulter Geschichtenerzähler, der sein philosophisches
Potential genüsslich auf halber Flamme kocht. Aber er wirkte nun auch endlich
befreit, gelöst – geläutert; nach all den Jahren. Hatte man beim jungen Teufel
häufig den Eindruck, hier schleppe sich jemand müde, geschafft und gerädert
durch einen öden, blöden Tag, so war dies nun einer, der es sich entspannt im
breiten Plüschsofa bequem macht um den Tag, den Kaffee – das banale Leben zu
genießen.
Man
kann im Leben des Fritz Teufel grob drei Phasen voneinander abgrenzen.
In
der zweiten Hälfte des Sechzigerjahrzehnts war er auf einmal da und ganz
schnell in aller Munde. Der studentische Protest, hauptsächlich auf die
Zonenstadt beschränkt, mutierte zu einem bundesweit beachteten, von der breiten
Masse heftig abgelehnten Phänomen und Fritz Teufel gehörte zu den
Aktionskünstlern, deren witzige Dadaismen der Protestbewegung erst den
richtigen Schwung verliehen. Etliche Studenten schwadronierten um die Wette,
heillos in abstrusen politischen Theoremen verfangen; jene anderen aber
entdeckten den Humor als Waffe, mit der man scharf schießen darf – bevor der
Schuss endgültig nach hinten los geht. Manches spricht dafür, das Teufel der
eigentliche Kopf, der Motor hinter den diversen Happenings der Kommune 1 war.
Wir wissen, wie es weiterging. Die Etablierten, die Beleidigten und
Entrechteten, die öffentlichen Eliten: sie verstanden den Spaß nicht, witterten
Verrat – man schoss zurück. Bald nahmen Teufel die Gerichtstermine mehr in
Anspruch als das fidele Polit – Tamtam; aber auch diese Bühne wusste er in ein
schmissiges Schmierentheater um zu wandeln. Die komischen Tiraden machten ihn
früh zur Ikone; aber wirklich weiter brachten sie ihn und jene, die der
Gesellschaft umfassende Befreiung verhießen, auch wieder nicht. Der Ton
verschärfte sich bald, der Spaß ging an seine Grenzen. Wie anders? Die
Provokationen und gegenseitigen Beschuldigungen führten zu keiner wirklichen
Auseinandersetzung oder Debatte zwischen den Kontrahenten, den Generationen.
Die staatlichen und rein kriminalpolizeilichen Übergriffe nahmen zu, die ganze
Situation war überreizt, alles schaukelte sich hoch. Jene Spaßstudenten um
Fritz Teufel hatten im Grunde nur in den Jahren 67 und 68 ein gewisses Podium,
das ihnen frühen, unverbindlichen Ruhm verhieß. Dann war der Traum aus, dem
Erwachen folgte ein Höllenkater, dem harmlosen Ulk tödlicher Ernst oder tristes
Einerlei. Die einstigen Straßenschlachten erschienen denen, die dort ihre späte
Jugend austobten, auf einmal wie pubertäre Entgleisungen. Wie sollte es weiter
gehen? Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke war der SDS praktisch am Ende. Die
meisten Studenten blieben zwar kritisch eingestellt, mieden fortan aber die
direkte Konfrontation und zogen sich aufs frühe Altenteil zurück. Sie waren
immer eine Minderheit gewesen, diese politisierenden, Phrasen dreschenden
Weltverbesserer; und diejenigen, die jetzt noch in irgendeiner Weise
entschlossen oder beseelt waren, wurden nur mehr als kleiner, kläglicher Haufen
wahrgenommen. Für Fritz Teufel lief jetzt die zweite Phase an, die ihn zum
Terrorismus, zur Gewalt – in den Untergrund führte. Weder Langhans noch
Kunzelmann mochten ihm dorthin folgen. Vor allem letzterer hatte ausdauernd von
der Macht, die aus Gewehrläufen kommt, philosofaselt; als es zum Schwur kam, machte
ausgerechnet der im Grunde harmlos wirkende Teufel ernst. Wie das? Während
eines konspirativen Treffens – die Kamera lief mit – sah man einen Fritz
Teufel, der mit dem bärtigen Kauz von einst nicht mehr viel gemein hatte. Der
souveräne, trockene Humor war dahin, und Teufel, mit Sonnenbrille, Schießmütze
und glattem Teint eher einem dünnhäutigen Dandy ähnelnd, sprach beinahe
beleidigt von ´Studentendeppen´ und verlangte dringend ´ein neues Verhältnis
zur Gewalt´. Statt feinsinniger Attacken kamen ihm jetzt nur mehr verbitterte,
erboste Parolen über die Lippen; dann verschwand er in der Nacht.
Natürlich
misslang auch dieses Projekt, wiewohl ihm auch hier noch einmal für kurz eine
Aufmerksamkeit zuteil wurde, die in keinem Verhältnis zur beabsichtigten Wirkung
stand. Welche Rolle er bei der Bewegung 2. Juni spielte, werden nur die
Mitglieder der Gruppe selbst gültig zu beantworten wissen; aber ihr Anführer
war er so wenig, wie die Ulrike Meinhof bei der RAF den Ton angab. Deren Texte
trugen aber ihre Handschrift, und es ist bezeichnend, das aus den
Verlautbarungen der Bewegung 2. Juni irgendwann verdächtig Teufelscher Humor
heraus zu hören war. Negerküsse für´s Volk, mit der Knarre im Anschlag
verabreicht – ein Schelm, wer da nicht an den tollen Teufel denkt. So kamen
denn die ulkigen, trockenen Parolen noch einmal zum Zuge. Der Guerillero
landete erneut im Knast, wo er fünf lange Jahre aushielt; am Ende mussten sie
ihn gehen lassen. Er hatte sie (mal wieder) an der Nase herum geführt. Fast
fünfzehn Jahre lang war das sein eigentlicher Job gewesen: anecken,
provozieren, munter räsonieren – ab in den Bau. Erst waren es die heiteren
Entgleisungen, die ihn ins Loch brachten, dann diverse Lunten und Brandsätze.
Und was war am Ende für ihn dabei herausgekommen? Er stand mit leeren Händen
da; eine letzthin gescheiterte, beinahe tragische Existenz.
Endlich
die dritte, abschließende Phase im Leben des Fritz Teufel. Mit Politik und
Protest hatte der Berufsrevoluzzer nun nicht mehr viel am Hut, wiewohl er noch
gelegentlich für die TAZ in die Tasten gehauen hat. Aus gesundheitlichen
Gründen konnte er auch nicht mehr als Fahrradkurier tätig sein. Das war ja
überhaupt die einzige geregelte Tätigkeit gewesen, der er, im bürgerlichen
Sinne, je nachgekommen war. Ironischerweise tauchte er wieder ab; dieses Mal
ins bürgerliche, ins beschauliche Nirvana. Und fand, was alle suchen, denen das
unruhige Herz so ausdauernd zusetzt: ihr stilles, faules Glück. Ich denke, dass
ihm das zu gönnen war.
Was
kann, was darf man schlussendlich über den Menschen Fritz Teufel mutmaßen, der
sich das Narrenkostüm wie eine zweite Haut verpasste und hinter der Maske des
Clowns verschwand?
Er
empfand wohl tiefer als die meisten seiner Mitstreiter die moralische – und
damit, nimmt man es genau: stets vergebliche – Berechtigung seiner in harmlose
Späße verpackte Kritik. Die latent resignative Grundstimmung deutet darauf hin,
dass er schon früh den unüberwindlichen Wust an Widersprüchen vorausgeahnt
hatte, den die festgefahrenen Verhältnisse als stete Erblast hinterließen und
somit jedes ernsthaft emanzipatorische Gegenmodell ad absurdum führen mussten.
Als Reaktion kultivierte er jene kleinlauten, standhaften Possen, die sein
dauerndes Scheitern so trefflich kommentierten. Er kam dabei ohne pathetische Gebärden
aus, seine Stiche und Hiebe waren weniger das Medium der Empörung als die
Symptome einer Ermattung; ein müdes Achselzucken zeitigend, die unvermeidliche
Kapitulation einleitend. Hinter der bröckelnden Fassade verbarg sich ein im
Grunde sensibles, leidendes Gemüt. Der feinsinnige Provokateurbrauchte den harmlosen Ulk, der ihn lange
hinderte, wirklich ernst zu machen; auch halfen ihm die Späße, den inneren Kern
schadlos halten zu können. Selten hat er offen verlauten lassen, was er dachte,
fühlte – fand; war er doch einer, der jeden Faustpfand aufs Geratewohl wieder
verloren, vergeudet – verschwendet hat. Den Ekel konnte man noch am ehesten aus
seinen knappen, knauserigen Gesten herauslesen; mittels Spott und Häme deutete
er die eigene Hilflosigkeit an. Die Witzeleien kamen, im Gegensatz zu den
mitunter großspurigen Entgleisungen etlicher Mitstreiter, meist kleinlaut,
missmutig, gedämpft bis geduckt zum Zuge, ohne eigentlichen Antrieb, als sei es
ihm im Grunde völlig egal, ob man ihn verstand oder nicht. Das Lockere, die
demonstrativ zur Schau gestellte Gleichgültigkeit, immer mit einer Prise
Mutterwitz garniert: diese Attitüde verlieh ihm einen gewissen Adel, der den
andern eher abging. War er auch in den Anfangsjahren immer mittendrin, voll
dabei: es spricht manches dafür, das er im Innern mehr abseits stand, früh den
Glauben verlor, den Aberwitz zahlreicher Projekte erkannte. Und trotzdem weiter
machte, frei nach dem Motto: Ich habe keine Chance, also nutze ich sie. Die
70er Jahre stellten dies letztgültig unter Beweis. Er hatte, glaube ich,
manches begriffen, ohne es doch in Ansätzen akzeptieren zu können. Die Kalauer
waren bei ihm weniger Selbstdarstellung und Narzissmus als vielmehr die
Nutzbarmachung eines Prinzips, mit dem sich das Unabwendbare, das
Unvermeidliche (noch) ertragen ließ – als Blitzableiter für einen brodelnden
Nihilismus, dem der Spaßvogel schließlich erlag, bevor er, Gott sei´s gedankt,
dem Leben doch noch schönere, versöhnliche Seiten abgewinnen konnte. Verbeugen
wir uns also, auch wenn’s komisch wirkt, vor einem Jeck wie ihm. Das hat er
allemal verdient.
(erstmals
als Nachruf erschienen auf di-paderborn.de;
Sommer 2010)
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