Erschienen in Ausgabe: No 61 (3/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Michael Lausberg
Der bayrische Adelige Karl-Theodor
zu Guttenberg startete in den letzten Jahren eine steile Karriere in der
bundesdeutschen Politik. Neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter für
die CSU promovierte er an der Universität Bayreuth im Fach Rechtswissenschaften
über das Thema „Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle
Entwicklungsstufen in den USA und der EU“[1]
mit summa cum laude. Am 3. November 2008 wurde er zum Generalsekretär
der CSU ernannt. Als Nachfolger von Michael Glos (CSU) stieg zu Guttenberg am
9. Februar 2009 zum bis dahin jüngsten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik
Deutschland auf. Seit dem 28. Oktober 2009 übernahm zu Guttenberg als
Nachfolger von Franz-Josef Jung (CDU) den Posten des
Bundesverteidigungsministers. Innerhalb kürzester Zeit erlangte er hohe
Sympathiewerte innerhalb der Bevölkerung und galt als möglicher Kanzlerkandidat
nach dem Ende der Ära Merkel.
Kurz nach dem Antritt des Amtes
als Verteidigungsminister bekam sein Ruf erste Risse. Eines seiner ersten
Aufgaben bestand darin, die Ereignisse um den Luftangriff bei Kundus in
Afghanistan vom 3./4.9.2009 aufzuklären, wegen denen sein Vorgänger Jung
zurücktrat. Bei einem von deutschen Soldaten befohlenen Angriff auf zwei
Tanklaster kamen mehr als 140 Menschen, darunter viele afghanische Zivilisten,
ums Leben. Zu Guttenberg wehrte sich wie sein Vorgänger gegen Behauptungen,
dass der Luftangriff unverhältnismäßig war. Er gab zwar im Gegensatz zu Jung
zu, dass afghanische Zivilisten bei dem Luftangriff getötet worden seien, hielt
die Angriffe jedoch für „militärisch angemessen“.[2] Von
dieser Aussage distanzierte er sich wenig später. Die Opposition warf zu
Guttenberg vor, nur schleppend Informationen zu den Tötungen in Kundus
weiterzugeben und forderte sogar seinen Rücktritt. Dies führte dazu, dass er
sich vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss verantworten musste. Zu Guttenberg
entließ daraufhin den Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und
den Staatssekretär Peter Wichert, die aus seiner Sicht die Verantwortung für
die Ereignisse in Kundus und die schleppende Informationspolitik danach trugen.[3]
Die durch diese Vorfälle angekratzte
Glaubwürdigkeit des Verteidigungsministers zu Guttenberg erhielt durch die
„Gorch Fock-Affäre“ einen weiteren Dämpfer. Zu Guttenberg mahnte nach dem
Bekanntwerden der Vorkommnisse auf der „Gorch Fock“ zur Sachlichkeit und einer
minutiösen Aufklärung. Eine Tag später entpuppte sich diese Aussage als hohle
Phrasen: er entließ den Kapitän des Segelschulschiffes, ohne vorher wirklich
für Aufklärung zu sorgen.
Sein Verhalten sowohl bei der Untersuchung der
Tötungen in Kundus und als auch bei der „Gorch Fock-Affäre“ war geprägt von der
Suche nach Bauernopfern, die in der Öffentlichkeit als Schuldige abgestempelt
wurden. Zu Guttenberg war bei der Aufklärung der beiden Affären immer
pedantisch darum bemüht, von seinen eigenen Fehlern abzulenken und sich selbst
und seinen guten Ruf nicht zu beschädigen.
Die neuesten Plagiatsvorwürfe
bezüglich seiner Dissertation sind der vorläufige Höhepunkt des
Glaubwürdigkeitsverlustes des Emporkömmlings zu Guttenberg. Der Bremer
Jura-Professor Andreas Fischer-Lsecano stellte bei einer Überprüfung der
Dissertation zu Guttenbergs fest, dass dieser mehrmals andere Autoren zitierte,
ohne dies zu kennzeichnen.[4] Die
Zahl der gefundenen Passagen reiche laut Fischer-Lescano aus, um von einem
„Plagiat“ zu sprechen.[5] Der
mit Fischer-Lescano zusammenarbeitende Frankfurter Jurist Felix Hanschmann
bemerkte: „Es gibt eine Vielzahl von Fremdautoren, die er nicht kenntlich
gemacht hat, teilweise erstrecken sich die Plagiate über mehr als eine Seite.
Außerdem sind an mehreren Stellen wörtliche Zitate nicht belegt.“[6]
Der Plagiatsvorwurf wird nun von
der Universität Bayreuth durch Diethelm Klippel, dem Ombudsmann für Selbstkontrolle in der Wissenschaft, untersucht. Die
Universität Bayreuth besitzt die rechtliche Möglichkeit, zu Guttenbergs
Doktorprüfung nachträglich für nicht bestanden zu erklären. Die
Universitätsleitung forderte zu Guttenberg auf, binnen 14 Tagen schriftlich zu
den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Zu Guttenberg erklärte, dass er aktiv an
einer Überprüfung durch die Universität Bayreuth mitarbeiten werde. In einer
von ihm verfassten Erklärung hieß es: „Die von mir verfasste Dissertation ist
kein Plagiat. Sie ist vor über etwa sieben Jahren in meiner Berufstätigkeit,
als junger Familienvater in mühevoller Arbeit entstanden und sie enthält
fraglos Fehler. Und über jeden einzelnen dieser Fehler bin ich selbst am
unglücklichsten. Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht.“[7]
Direkt nach dem Bekanntwerden der
Plagiatsvorwürfe gingen bei der Staatsanwaltschaft Bayreuth zwei Strafanzeigen
gegen zu Guttenberg ein. Für die Einleitung seiner Dissertation soll er fast
wortwörtlich einen Text der Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara
Zehnpfennig aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von 1997 verwendet haben,
ohne dies in einer Fußnote kenntlich zu machen.[8]
Zehnpfennig forderte daraufhin, ihm den Doktortitel abzuerkennen. Sein
Doktorvater Prof. Dr. Häberle nahm zu Guttenberg in Schutz: „Die Arbeit ist
kein Plagiat. Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend
kontrolliert. Herr zu Guttenberg war einer meine besten Seminaristen und
Doktoranden.“[9]
Die CDU/CSU sprach von einer Kampagne und nahm zu
Guttenberg in Schutz. Günter Krings (CDU) warf der Opposition im Bundestag eine
„Schmutzkampagne“ vor. „Die maßlos überzogenen Reaktionen der Opposition
zeigen, dass es hier in Wahrheit nur um eine neue Episode aus der Reihe ‚Schlag
den Guttenberg’ geht.“[10]
Die Opposition forderte dagegen eine strenge
Aufarbeitung der Plagiatsvorwürfe und im Falle der Bestätigung einen Rücktritt
vom Amt des Verteidigungsministers. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold
erklärte: „Guttenbergs Glaubwürdigkeit wäre dann völlig zerstört. Und ein
Minister, der seine Glaubwürdigkeit verloren hat, kann nicht mehr wirklich
arbeiten - im Bereich der Bundeswehr, in dem es in hohem Maße auf Vertrauen
ankommt, vielleicht noch schwerer als in anderen Ressorts.“[11] Der
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte: „Wenn ihm der Doktortitel abgenommen
würde, dann müsste er auch dieses Amt verlassen. Mit diesem Makel kann man
nicht mehr Minister sein. Das würde auch für jeden anderen gelten.“[12] Vertreter
der Linkspartei und der Grünen forderten ebenfalls den Rücktritt des
CSU-Politikers, sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten.
Die „Financial Times Deutschland“ kritisierte:
„Wer Texte über mehrere Passagen zitiert, setzt Anführungszeichen. Sonst macht
er sich des Plagiats schuldig. Noch peinlicher wird Guttenbergs Patzer dadurch,
dass er selbst in den bewertenden Teilen der Arbeit, die ganz besonders nach
einer Eigenleistung des Autors verlangen, fremde Einschätzungen übernommen
hat.“[13]
Viele Printmedien sahen einen Glaubwürdigkeitsverlust
zu Guttenbergs, wenn sich der Plagiatsvorwurf bewahrheiten sollte. Das „
Die Bild-Zeitung versuchte dagegen, die
Plagiatsvorwürfe zu verharmlosen und den persönlichen Schaden für zu Guttenberg
zu begrenzen. Der Kolumnist Franz Josef Wagner schien sich sicher, dass es bei
den Vorwürfen gegen zu Guttenberg nur darum ginge, einen „Superstar zu
entzaubern“. Getreu dem Motto „Macht keinen guten Mann kaputt. Scheiß auf den
Doktor“ vermutet Wagner eine politisch motivierte „Jagd auf Guttenberg“.[16]
Bei einer CDU-Veranstaltung im
hessischen Kelkheim verkündete zu Guttenberg, er habe seine Dissertation noch
einmal geprüft und dann festgestellt, dass „ich gravierende Fehler gemacht
habe“. Er wehrte sich gegen den Vorwurf der absichtlichen Täuschung; er habe
„in sieben Jahren den Überblick über die Quellen verloren.“ In einem Brief an
die Universität Bayreuth bat er um die Rücknahme seines Doktortitels.[17] Auch
nach der von zu Guttenberg verkündeten Rückgabe des Doktortitels will die
Universität Bayreuth die Prüfung seiner Dissertation weiter vorantreiben. Der
Universitätspräsident, Rüdiger Bormann, erklärte, dass die Entscheidung über
einen möglichen Entzug des Titels nur bei der Universität liege.
Nach dem Eingeständnis
„gravierender Fehler“ bei der Abfassung der Dissertation und der damit
verbundenen Rückgabe seines akademischen Titels beharrte die Opposition erst
recht auf seinen Rücktritt. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann
bemerkte, Angela Merkel müsse sich jetzt fragen, ob „ein Lügner im Kabinett
bleiben darf“.[18] Gregor Gysi bemerkte:
„Sie werden den Rücktritt erleben, wann auch immer. Davon bin ich überzeugt.
Für die Politik, für die Demokratie wäre es am besten, er zöge schnell die
Schlussfolgerung zurückzutreten oder die Bundeskanzlerin zieht die
Schlussfolgerung, ihn nicht halten zu können.“[19]
Bei seinen Parteifreunden genießt
zu Guttenberg – zumindest in der Öffentlichkeit- noch Rückendeckung. Der
CSU-Vorsitzende Horst Seehofer stellte sich vor zu Guttenberg: „Wenn ich
ausspreche, dass ich zu jemandem stehe, gilt das auch auf Dauer – in welche
Widrigkeiten auch jemand gerät. Diese Sache können nur die Universität und er
beurteilen. Ich kenne seine Doktorarbeit nicht – und ich habe auch keine
Recherchen angestellt, welche Teile wie zustande kamen.“[20] Der
Parlamentsgeschäftsführer der CDU, Peter Altmaier, sagte, man müsse bei zu Guttenberg
zwischen akademischer und politischer Karriere trennen.[21]
Der Vorwurf, dass zu Guttenberg
2004 beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages eine Studie zum Gottesbezug
in der Verfassung der USA in Auftrag gegeben hatte und die ihm vorgelegte Ausarbeitung
in seine Dissertation eingefügt haben soll, bleibt weiter unbeantwortet. Dieses
Phänomen ist allerdings nicht neu. Im Jahre 2010 geriet Kristina Schröder (CDU)
in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass sie sich für ihre Doktorarbeit der
organisatorischen Hilfe der CDU-Zentrale hatte bedienen können. Sie hatte ihre
Arbeit genau wie zu Guttenberg während ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete
geschrieben.
Unbestreitbar ist, dass die
Plagiatsaffäre der Glaubwürdigkeit von zu Guttenberg nachhaltig geschadet hat. Nach
seinem kometenartigen Aufstieg erlebt zu Guttenberg gerade seine größte
persönliche Krise als Politiker und als moralische Integrationsfigur. Ob dies
dazu führt, dass zu Guttenberg selbst von seinem Posten als
Verteidigungsminister zurücktritt oder von Angela Merkel und anderen
CDU/CSU-Granden gedrängt wird, bleibt abzuwarten.
Was noch schlimmer wiegt: die in
Sonntagsreden allseits beklagte Politik- bzw. Parteienverdrossenheit wird
weiter wachsen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten belegen rückläufige
Mitgliederzahlen, der hohe Altersdurchschnitt der Mitglieder, eine Abnahme der
Stammwählerschaft und vor allem geringe Wahlbeteiligungen die Kluft zwischen
Regierenden und Regierten. Große Teile der Bevölkerung haben das Gefühl, dass
das Eigeninteresse der Parteien, die politische Macht und pekuniäre Vorteile
bei der herrschenden Politikerkaste weit verbreitet sind und das Wohlergehen
des Staates und der Wähler als sekundär betrachtet wird. Die Erwartung an
Politiker, dass deren Handlungen sich im Rahmen von gemeinsamen Werten oder
moralischen Vorstellungen bewegen, wurde oft mehr als enttäuscht. Dass dies
eine Gefahr für die Akzeptanz der Demokratie als Staatsform bedeutet, ist
hinlänglich bekannt.
Deshalb hat die Plagiatsaffäre zu
Guttenbergs höhere Dimensionen als den Verbleib im Amt des
Verteidigungsministers und sein persönliches Wohlergehen. Die Gefahr liegt
darin, dass in populistischer Manier die moralische Integrität der gesamten
politischen Klasse in Frage gestellt wird und der Graben zwischen den
„Volksvertretern“ und ihren (potentiellen) Wählern weiter wächst.
Literatur
- Bild vom 17.2.2011
- FAZ vom 9.12.2009
- Financial Times Deutschland vom 17.2.2011
- Fischer-Lescano, A.:
Karl-Theodor Frhr zu Guttenberg, Verfassung und Verfassungsvertrag:
Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU, in: Kritische
Justiz, 44. Jahrgang, Heft 1, 2011, S. 112-119
- Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 17.2.2011
- Heinsberger Nachrichten vom 17.2.1011
- Heinsberger Nachrichten vom 19.2.2011
- Heinsberger Nachrichten vom 23.2.2011
- Süddeutsche Zeitung vom 16. 2.
2011
- Westfalen-Blatt vom 17.2.2011
- Zu Guttenberg, K.T.: Verfassung
und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der
EU, Berlin 2009
-www.welt.de/politik/deutschland/article12572748/Streit-um-Plagiat-geht-ohne-Dr-Guttenberg-weiter.html
-
www.zeit.de/politik/deutschland/2011-02/guttenberg-plagiat
[1] Zu Guttenberg, K.T.: Verfassung und Verfassungsvertrag:
Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU, Berlin 2009
[2] FAZ vom 9.12.2009
[3] www.zeit.de/politik/deutschland/2011-02/guttenberg-plagiat
[4] Fischer-Lescano, A.: Karl-Theodor Frhr zu Guttenberg,
Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den
USA und der EU, in: Kritische Justiz, 44. Jahrgang, Heft 1, 2011, S. 112-119;
Vgl auch dazu Süddeutsche Zeitung vom 16. Februar 2011
[5]
Heinsberger Nachrichten vom 17.2.1011
[6]
Zitiert aus Ebd.
[7] Zitiert aus Heinsberger
Nachrichten vom 19.2.2011
[8]
www.welt.de/politik/deutschland/article12572748/Streit-um-Plagiat-geht-ohne-Dr-Guttenberg-weiter.html
[9] Bild vom 17.2.2011
[10] Zitiert aus Ebd.
[11] Ebd.
[12]
www.zeit.de/politik/deutschland/2011-02/guttenberg-plagiat
[13] Financial Times
Deutschland vom 17.2.2011
[14] Westfalen-Blatt vom
17.2.2011
[15] Hannoversche Allgemeine
Zeitung vom 17.2.2011
[16] Bild vom 17.2.2011
[17] Zitiert aus Heinsberger Nachrichten vom 23.2.2011
[18] Ebd.
[19] Ebd.
[20] Ebd.
[21] Ebd.
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