Erschienen in Ausgabe: No. 34 (4/2008) | Letzte Änderung: 04.01.09 |
von Stefan Groß
Mit
gleich zwei Neuerscheinungen wartet das Oberhaupt der katholischen
Kirche, Benedikt XVI.,
im Buchherbst 2008 auf. Nach seinem Weltbestseller Jesus
von Nazareth, der
heftig in die Kritik geriet, weil für viele Theologen die
historisch-kritische Bibelauslegung zugunsten einer katholischen
Lehrmeinung geopfert wurde, ist es nun das Thema Patristik, mit dem
sich der Papst erneut,
nun aber in kurzen Katechesen, auseinandersetzt. Die 26 Vordenker des
frühen Christentums,
die von Clemens von Rom bis zu Augustinus reichen, werden in einer
auch dem Laien verständlichen Sprache vorgelegt, haben sie doch
ihren Ursprung in den Mittwochsaudienzen des Pontifex.
Bereits
am 8. November 2007 schrieb Benedikt XVI. in einem Brief an alle
Bischöfe, daß sich die Geistlichen wieder intensiver mit den
frühchristlichen Kirchenvätern befassen sollten. Wie das
Kirchenoberhaupt betonte, müssen die Autoren der frühen
christlichen Kirche wieder zum festen „Bezugspunkt“
für alle Theologen der Weltkirche werden. Die Auseinandersetzung mit
den Kirchenvätern,
so der Papst, bedeutet, „zu den Quellen der christlichen Erfahrung
aufzusteigen, um
deren Frische und Ursprünglichkeit zu kosten“. Mehr noch: Das
„weisheitliche Erbe der heiligen
Väter“ sei zugleich eine wesentliche Bereicherung für die
modernen theologischen Reflexionen,
denn, wie Benedikt XVI. am Beispiel von Johannes Chrysostomus zeigte,
steht sein Leben und Handeln im Zeichen von gegenseitiger
Solidarität, gehen Spiritualität und praktische Charitas hier eine
Synthese ein.
Deutlich
wird auch in der neuesten Publikation zu den Vätern, daß an der
Einheit von Glauben und Wissen nachhaltig festgehalten, der moderne
Wertrelativismus und die Flucht in den religiösen Aberglauben, in
die Ersatzreligionen, auf das Schärfste kritisiert werden. Wie das
Oberhaupt der Katholiken vor der Vollversammlung der Päpstlichen
Akademie der Wissenschaften betonte, steht die Schöpfungslehre nicht
im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus der Forschung. „Die
Feststellung, daß die Schaffung des Kosmos und seine Entwicklungen
letztlich vorausschauende Weisheit des Schöpfers sind, bedeutet
nicht, daß die Schöpfung nur mit dem Anfang
der Geschichte der Welt und des Lebens zu tun hat.“ […]
„Wissenschaftliche Wahrheit ist selbst Teil der göttlichen
Wahrheit und kann so der Philosophie und
Theologie zu einem besseren Verständnis der menschlichen Person und
der göttlichen Offenbarung
über den Menschen helfen“, sagte der Papst.
Daß
Ratzinger als versierter Kenner der frühchristlichen Kirche
auftritt, hat gute Gründe. Schon früh
promovierte er mit einer Arbeit über Volk
und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche
an
der Theologischen Fakultät in München. Bereits 1958 wurde der 31
jährige Theologe Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an
der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising. Die
Bedeutung der Väter für die gegenwärtige Theologie
hob er bereits 1968 in einem Artikel mit gleichnamigem Titel hervor.
Auch
hatte Ratzinger als ehemaliger Kardinal der Glaubenskongregation vor
Jahren einen Vortrag an der Sorbonne in Paris gehalten, wo er
pointiert herausstellte, daß das Christentum sich als
„vernunftgeleitete Aufklärung“ versteht, und das in der antiken
Welt durchaus so verstanden wurde. So war es Justin, wie in der neuen
Publikation über die Kirchenväter hervorgehoben wird, der im
zweiten nachchristlichen Jahrhundert das Christentum als die
Vollendung der Philosophie begriff.
Dennoch:
Der der Kirchengeschichte gegenüber aufgeschlossene Leser vermißt
in der neuen Publikation des deutschen Papstes die kritischen Töne,
eine differenzierte Sicht auf die Väter, die neueste
Forschungsergebnisse einbezieht. Es zeigt sich überdeutlich, daß
Benedikt XVI. die Geschichte der Väter einseitig nachzeichnet, was
ihm als Papst auch zusteht, nur wünschte man sich, bei dem sonst so
versierten Intellektuellen, hier einen überkatholischen Blick, eben
jenen kritischen Diskurs mit anderen Wissenschaftlern.
Diese
Einseitigkeit einer aus einem Blickwinkel heraus gegossenen
Geschichte der Kirchenväter verstärkt sich auch dann,
wenn Ketzer des christlichen Glaubens wie Tertullian und Origenes in
kurzen Katechesen bedacht werden. Anstößige Lehren, wie
beispielsweise die des Origenes
zur
Eschatologie werden einfach übergangen. Statt
dessen wird Origines’ Bibelauslegung und seine Auffassungen vom
Gebet in den Mittelpunkt gerückt.
Katholische
Lehrmeinung einerseits und kritische Wissenschaft andererseits laufen
in dem Väterbuch auseinander. Der Versuch, aus dem Kontext der alten
Kirche heraus, Glaube und Wissenschaft zu synthetisieren, um diese
ideale Synthese der modernen Theologie voranzustellen, überzeugt
nicht, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, daß sich
seine Auseinandersetzung mit den Vätern – gerade in einer für die
Theologie schwierigen Zeit – als gute Einführung in die Thematik
lesen läßt.
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