Erschienen in Ausgabe: No 63 (5/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Notker Gloker
Unsere Bundesregierung
verlängerte vor ein paar Monaten die Laufzeiten der Atomkraftwerke gemäß den
Wünschen der AKW-Betreiber. Nach reiflichster und verantwortungsvollster
Überlegung sei das Restrisiko im Promillebereich anzusiedeln, das heißt: unsere
Atommeiler sind sicher.
Nun hat sich fatalerweise ein
Ereignis in die Hirne der Menschen gebrannt, der gewaltige AKW Unfall in Japan
bei einem „sicher“ geglaubten Kernkraftwerk in Fukushima, der plötzlich die
ganze heile Welt der Atomgläubigen in Unruhe stürzte: Auf einmal waren unsere
vordem so sicheren Kernkraftwerke, die auf Herz und Nieren geprüften
Großanlagen doch noch einmal einer tabulosen Inspektion zu unterwerfen. Ja, hat
man das vorher nicht gemacht? Offensichtlich nicht.
Weshalb also ein dreimonatiges
Moratorium? Hat uns vorher die Politik und Atomwirtschaft belogen? Uns
Sicherheit als Beruhigungspille serviert, damit die Atomwirtschaft weiterhin
ihre Milliarden einstreichen kann? Wären die Politiker und AKW-Betreiber ihrer
Sache sicher gewesen, dann hätten sie Japan als bedauerlichen Zwischenfall
abhaken können, der uns nicht tangiert, denn weder Tsunami, noch Erdbeben der
Stärke 9 sind bei uns zu erwarten.
Weshalb also? Haben die
Politiker die Hosen voll, weil jetzt Wahlen anstehen? Weil das tumbe Volk so
sensibel und ängstlich reagiert, dass man die politischen Mehrheiten verliert?
Das dürfte bei unseren Volksvertretern sicher ein ganz besonders
ausschlaggebender Grund sein: Man hängt sein Fähnlein nach dem Wind. Nachher,
nach gewonnener Wahl spielt man das Spiel in der gleich verlogenen Manier
weiter, wie man es begonnen hat.
Glaubt jemand von uns, dem
Wahlvolk, dass die jetzige, unter dem Eindruck von Fukushima entstandene
Sinnesänderung ein echtes Umdenken ist? Genau so wenig wie bei den AKW-Bonzen.
Die Devise wird heißen: business as usual. Wir werden von neuem die Betrogenen
sein und die gefährdenden Aktivitäten werden als „alternativlos“ verkauft. Das
Schreckliche: das Wahlvolk glaubt es in seinem schafsdummen politik- oder
gottergebenen Stumpfsinn. Es ist zum Verzweifeln!
Gehen wir also davon aus:
selbst die Politik und auch die Kernkraftbonzen sind sich ihrer Sache im
Augenblick nicht so ganz sicher über die Sicherheit, weil sie ihrem eigenen
Geschwätz nicht trauen. Und da haben sie recht!
Wer die Fernsehdokumentation
von Phoenix vom Samstag, 19.03.11 um 18 Uhr gesehen hat, der ist von allen
Illusionen bezüglich Reaktorsicherheit und Umgang der Politik und
Kernwirtschaft geheilt. Das Fernsehteam wurde teilweise sehr zuvorkommend in
geradezu dümmlich-stolzer Überzeugung empfangen. Im Brustton der Überzeugung
wurden theoretisch alle Sicherungsmechanismen aufgezählt, die technisch möglich
sind. Wunderbar! Wer bedient diese so grandiosen Sicherungsmechanismen?
Fachleute? Diejenigen, die damals das Werk eingerichtet haben vor 30 oder mehr
Jahren, die also das komplizierte Werk bis ins Detail kennen, sind inzwischen
ausgeschieden! Nachfolger sind oft nicht qualifiziert. Ein beredtes Beispiel:
Bei dem Besuch des Kraftwerks durch ein Fernsehteam leuchtete plötzlich eine
rote Warnlampe auf. Der diensthabende Kraftwerksangestellte war völlig verwirrt
und wusste nicht damit umzugehen. Er zog seinen Vorgesetzten zu Rate, der war
genau so überfordert, es wurden noch zwei Koryphäen hinzugezogen, die genau so
unschlüssig waren. Es wurden also große Leitzordner zu Rate gezogen und Pläne
gewälzt um den Fehler ausfindig zu machen. Glücklicherweise hörte die
Alarmblinke auf. Allgemeine Erleichterung! Der Grund des Alarms wurde
allerdings nicht gefunden! Reaktorsicherheit! Jeder mag sich selber ausmalen,
was bei einem Ernstfall mit solch einem „kompetenten“ Bedienungspersonal
entstehen kann. Denken Sie nicht zu weit, sonst landen wir bei Tschernobyl.
Wie die verantwortlichen
Behörden damit umgehen, das hat die Dokumentation ebenfalls festgehalten. Für
einen Notfall müssen für die Bevölkerung, vor allem für Schul- und
Kindergartenkinder Jodtabletten vorgehalten werden, die im Bedarfsfall sofort
ausgegeben werden müssen. Bei Nachfrage durch das Team war weder in der Schule,
noch im Kindergarten davon irgend etwas bekannt. Man nahm an, dass die
Medikamente (von wo?) schon rechtzeitig geliefert würden! Der Schulrektor sagte
noch, bei einem Reaktorunfall sollten sich alle Schüler auf dem Schulhof
versammeln. (Damit sie alle schön verstrahlt werden.) Ist so viel geballte
Schlamperei menschenmöglich? In unserer verantwortungslosen atomhörigen
Bürokratie schon! Und die Lehrer und Erzieherinnen, denen so viele Kinder in
die Obhut übergeben sind, machen den Mund nicht auf, protestieren nicht, weil
sie nicht nachdenken wollen.
Auf die Frage, wer denn bei
einem Unfall Rettungsmaßnahmen ergreife, wurde vermutet, dass dafür die
freiwillige Feuerwehr zuständig sei. Wahrscheinlich aber werden die
freiwilligen Wehrmänner schnellstens ihre Familie einsammeln und das Weite
suchen.
So viel zu unserer
hochgepriesenen Reaktorsicherheit. Der Dümmste von uns kann sich daraus einen
Reim machen. Die Politiker und die Reaktorbonzen, denen solche Zustände bekannt
sein müssten beten trotz besseren Wissens und nicht vorhandenen Gewissens der
Bevölkerung diese Lügenmärchen vor. Und die Bevölkerung nimmt wegen mangelnden
Wissens gläubig die seligmachenden Lügen auf.
Was sind das für profitgeile
gierige Politiker und Wirtschaftslenker, denen keine Lüge zu banal und keine
Hinterlist zu schäbig ist, nur um ein Maximum an Rendite bei Moneten und
Wählerstimmen rauszuholen.
Wie lange werden wir uns diese
Verdummung noch gefallen lassen?
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