Erschienen in Ausgabe: No 67(9/2011) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
von Lisz Hirn
Lisz Hirn im intimen Dialog mit der
aufstrebenden bildenden Künstlerin Caroline Schell in ihrem aufgelösten Atelier
in Wien. Sie hat bereits erfolgreich zahlreiche Ausstellungen absolviert und
sich als Sandperformerin einen internationalen Namen gemacht. Ein Schicksal wie
van Gogh scheint ihr dank steigender Popularität erspart zu bleiben. Im
September bezieht sie ihr neues Revier in Paris. Schell ist die Nichte des
berühmten Schauspielers, Oscarpreisträgers, Regisseurs und Produzenten Maximilian
Schell.
L.H.: Du bist eine attraktive und junge Frau –
inwiefern beeinflusst deine eigene Attraktivität dein künstlerisches Schaffen?
C.S.: Nein, wenn
ich attraktiv bin, dann hauptsächlich durch die Kunst. Es hat eher damit zu
tun, dass ich Künstlerin bin und Geschmack habe und dadurch aus ganz
„stinknormalen“ Menschen, attraktive Menschen machen kann.
L.H.: Es scheint, dass man der Schönheit nicht
entkommt. Überall wird man mit schönen Bildern überhäuft. Wie steht es um die
Hässlichkeit?
C.S.: Das
Hässliche ist total interessant. Es kommt darauf an, was man darstellen will.
Schönheit und Hässlichkeit sind interessant – einfach ausdrucksvoll. Manche
Menschen und Dinge sind gar nichts – nicht Fisch, nicht Fleisch. Es ist immer
noch besser hässlich zu sein, als gar nichts.
L.H.: Braucht man als Künstler den nötigen Mut,
Hässliches hervorzubringen?
C.S.: Mut? Das
ist eine rein politische Sache. Es geht darum, Leute mit möglichst wenig
zufrieden zu stellen. Man müsse sich keine Mühe mehr geben, die Masse könne
ohnehin nicht mehr beurteilen, ob etwas gut oder schlecht ist. Teilweise haben
die Künstler eine schlechte Ausbildung, also fehlende Grundkenntnisse der
Komposition, der Lehre der Farbe, der Anatomie, der Kunstgeschichte. Oder
fabrizieren eine gewollt schlechte Ausführung aufgrund politischer und wirtschaftlicher
Gründe. Vielleicht wählen auch viele den falschen Beruf.
L.H.: Wieso bist du Künstlerin geworden?
C.S.: Kunst ist
etwas, das ich tun muss. Es ist ein Schicksal und eine Berufung, die man sich
nicht aussucht.
L.H.: Die Sinnlichkeit deiner Figuren springt auf den
Betrachter über. Kräftige Farben, starke Vitalität... Welchen Stellenwert gibst
du Lust und Sexualität in deinen Werken?
C.S.: Wie in
einer Ehe. Jede Sache braucht Opfer. Es braucht Opfer, um ein Kind zu zeugen,
es aufzuziehen... Ich bin mit der Kunst verheiratet. Wenn ich die Kunst nicht
habe, sterbe ich. Es gibt eine eindeutige Priorität. Ich komme viele Plätze
nach der Kunst.
L.H.: Nun steht im Hintergrund der Ehe doch die
Zeugung von Neuem... Würdest du die Geburt eines Kindes als Akt des
Kunstschaffens bezeichnen?
C.S.: Kunst muss
auch mit Liebe gemacht werden. Allerdings vor Lebendigem – da habe ich noch
viel mehr Respekt... Es ist schwer für mich, das zu vergleichen.
L.H.: Kannst du mir einen „idealen“ Arbeitstag in
deinem Leben beschreiben? Du erwachst am Morgen...
C.S.: Früh
aufstehen, Sonne, frühstücken, ins Grüne fahren, Tiere um mich, Musik, so
heißes Wetter wie möglich, nackt – und dann den ganzen Tag arbeiten...
L.H.: Es kommen doch immer wieder Menschen zu dir, die
ein Kunstwerk von sich anfertigen lassen wollen. Was sind das für Menschen, die
sich von dir verewigen lassen?
C.S.: Meistens
sind es Menschen, die mich kennen. Die wollen sich von mir verewigen lassen.
Sie wollen etwas haben, was nicht alle haben.
L.H.: Ist „Kunstschaffen“ ein Kampf gegen die
Vergänglichkeit?
C.S.: Die
Vergänglichkeit meiner Werke stört mich nicht. Allerdings verwende ich keine
Materialien, die vor meinem Ableben zerfallen. Also mache ich keine Kunst mit
Würsten etc.
L.H.: Und deine Sandperformances? Inwiefern sind die
anders? Da geht es doch um permanente Transformation?
C.S.: Bei einer
Performance musst du vor den Leuten fit sein, 100% geben – fünf Minuten lang.
Egal wie es mir geht, ich muss diszipliniert sein.
L.H.: Ohne Disziplin geht es nicht?
C.S.: Mit mir
bin ich strenger als das Militär. Die anderen können machen, was sie wollen,
aber bei mir ist das Erste Disziplin.
L.H.: Wie ist es, sich selbst zu malen? Ist es ein
Prozess der Selbsterkenntnis?
C.S.: Man
entdeckt immer etwas neues an sich. Aber immer sehr am Rande. Die eigenen
Fehler und gute Seiten sind für einen selbst auch viel schwerer zu sehen. Es
ist leichter, etwas neues an anderen zu erkennen. Ein Selbstporträt – das ist
das Schwerste.
L.H.: Ist es an der Kunst, Distanz zur Politik zu
wahren?
C.S.: Mein
nächstes Porträt ist ein Politiker.
L.H.: Auch eine Art, wie sich die Frage selbst
beantworten kann.
C.S.: Zwischen
Politik und Kunst gibt es Grenzen. Allerdings sind die verschwimmend.
L.H.: Grenzen sind für den Menschen unumgänglich. Eine
Grenze ist der Tod. Was soll von dir als Künstlerin bleiben?
C.S.: Meine
gesamte Sammlung.
L.H.: Glaubst du, dass es „weibliche“ Kunst gibt?
C.S.: Ich glaube
ja. Bei vielen Werken merkt man eindeutig, ob es eine Frau geschaffen hat, bei
manchen sehr schwer. Manche Kunstexperten haben das nötige Feingefühl dafür,...
ich nicht immer.
L.H.: Was oder wen möchtest du noch als Kunstwerk
schaffen?
C.S.: Ich habe
jeden Tag Ideen. Ich wähle die besten aus – von denen ich weiß, dass sie noch
keiner umgesetzt hat... und von denen, gibt es wieder neue „beste“...
L.H.: Was versuchst du durch die Kunst sichtbar zu
machen?
C.S. Ich
versuche die Realität, von der ich fasziniert bin und meine Eindrücke, so nahe
wie möglich wiederzugeben.
L.H.: Das gelingt manchmal mehr, manchmal weniger...
man lernt als Künstler ja nie aus.
C.S.: Bildende
Künstler werden oft alt, weil sie zufrieden sind. Ich bin ja noch jung; die
großen Kunstwerke kommen erst noch...
Caroline
Schell wird 1983 in Locarno (Schweiz) geboren.
Schon in den
ersten Lebensjahren zeigt sie viel Interesse an der Kunst, mit dreizehn gewinnt
sie den Malwettbewerb von Brissago und klassifiziert sich auch danach in
anderen Wettbewerben. Von 1998 bis 2002 besucht sie das Kunstgymnasium in
Lugano. Mit fünfzehn porträtiert sie ihren Vater für sein Buch "Wir waren
vier", dann folgt Arbeit bei Prof. Ermés Dondé, für den sie Kopien von
Cézanne, Modigliani, Degas, Van Gogh und Schiele malt. Zu diesem Zeitpunkt
fängt das Interesse für die Bildhauerei an, weil sie das Bedürfnis fühlt ihre
Wesen aus den Bildern zu holen.
Im letzten Jahr,
das sie in der Schweiz verbringt, porträtiert sie die Schriftstellerin Lissy
Klinger Loor, dann fährt sie nach Florenz, wo sie sich in die Kunstakademie
einschreibt. Dort arbeitet sie als Porträtistin und Bodypainterin bei Events
für Firmen wie Moet Chandon, Mercedes, Playboy, Frexenet, Aprilia, Valentino
Rossi, usw.
Schell macht bei
verschiedenen Kollektivausstellungen mit, darunter eine im 2004 im Uffizicenter
von Florenz.
Im Jahre 2005 dekoriert
sie eine Kapelle in Locarno Monti und im Sommer 2006 wird sie ausgesucht um bei
einem Marmor Symposium mit zu machen, wo sie eine Skulptur gestaltet die im
Museo Mediceo von Seravezza (Forte dei Marmi) ausgestellt wird. Ein halbes Jahr
später hat sie ihre erste eigene Ausstellung in der Galleria Colora in Locarno
und eine Kollektive in der Galleria Borgo in Ascona. Danach wird ein Bild
ausgewählt für eine Merryl Lynch Veranstaltung.
Nachdem sie
ihren Abschluss in Malerei und Bildhauerei beendet bleibt sie noch ein halbes
Jahr in Florenz und lässt sich anschließend in Wien nieder. Dort lernt sie die
Künstler Daniel Fuchs und Carlo Wimmer kennen, die ihre Lehrer werden. Im
Sommer 2008 arbeitet sie als Assistentin bei Ernst Fuchs in der Kapelle St. Egid
in Klagenfurt, zusätzlich modelliert sie eine Trophäe für den Autoclub St.
Moritz.
Das Cordial
Hotel Wien stellt im eigenen Carolina Schell-Zimmer permanent Werke der
Künstlerin aus, wie auch die Galleria Borgo in Ascona.
2009 stellt
Schell in der Hofburg und im Parlament in Wien aus.
2010 stellt
Schell in der Schweiz aus und präsentiert Sandmalerei im Zuge ihrer Vernissage
in der Galerie Time in Wien.
2011 führt
Carolina mehrere Sandperformances aus, hat Bodypaintaufträge für die Dinner
Show von der Gruppe Palazzo. Umzug nach Paris.
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