Erschienen in Ausgabe: No 69 (11/11) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
Jahrgedächtnis für den ehemaligen DBK-Vorsitzenden und Kölner Erzbischof Joseph Höffner
von Constantin Graf von Hoensbroech
24 Jahre nach seinem Tod ist der ehemalige Kölner Erzbischof
Joseph Kardinal Höffner (1906 bis 1987) aktueller denn je. Denn im Zusammenhang
mit der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima sowie der in der Konsequenz
daraus erfolgten Energiewende der deutschen Bundesregierung mit dem Einstieg in
den Ausstieg aus der Kernenergie ist der vormalige Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz (DBK) so häufig zitiert worden, dass die außerordentliche und
nachhaltige Wirkungskraft dieses Sozialwissenschaftlers und herausragenden
Vordenkers der Sozialen Marktwirtschaft wieder einmal überdeutlich wurde. „Es
ist Aufgabe der Fachwissenschaft festzustellen, ob der Bau von Brütern und
Aufbereitungsanlagen, ob der Transport und die Ablagerung des Atommülls nach
dem heutigen Stand der Wissenschaft und Technik auf eine Art und Weise möglich
sind, daß mit Sicherheit Explosionen, Strahlenschäden und sonstige Katastrophen
ausgeschlossen sind“, führte Höffner im Jahr 1980 im Eröffnungsreferat zur
Herbst-Vollversammlung der DBK in Fulda aus. Dass es diese Sicherheit nicht
gibt, konnte Höffner noch zu Lebzeiten im Jahr 1986 am Beispiel der
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erleben. Erneut waren seine viel beachteten
und sehr früh eingebrachten Ausführungen und Bedenken zur Kernenergie, deren
friedliche Nutzung nach seiner Lesart wesentlich zunächst und vor allem die
damit verbundenen ethischen Fragen beantworten müsse, von geradezu brennender
Aktualität. So wie heute. „Gleichwohl wäre der Ausstieg aus der Atomenergie als
Konsequenz aus Fukushima für Höffner nicht akzeptabel gewesen“, betont
Professor Lothar Roos, Vorsitzender der Joseph-Höffner-Gesellschaft. Der Bonner
Theologe und Sozialethiker erinnerte bei der Festveranstaltung der Gesellschaft
in Kooperation mit dem Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln anlässlich
des Jahrgedächtnisses daran, dass sich Höffner stets für den langfristigen
Ausstieg aus der Kernenergie sowie gegen einen Verzicht als deutschem
Alleingang ausgesprochen habe. Höffners ehemaliger Sekretär, der heutige Kölner
Weihbischof Manfred Melzer, ergänzte in diesem Zusammenhang, dass Höffner
„immer Realist genug gewesen ist, um zu sehen, dass es einen Ausstieg nur in
einer Übergangszeit geben kann und nur Sinn macht, wenn die deutschen Nachbarn
mitgehen“. Dass der Ausstieg in diesem Jahr nun so ruckartig und gar nicht
gemäß des Denkens von Höffner eingeleitet worden ist, erklärt sich Melzer nur
damit, dass Tschernobyl – womöglich auch aufgrund des damaligen technischen
Wissensstands - „gar nicht jenen Druck entwickeln konnte wie er von Fukushima
ausgegangen ist“.
Da drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, dass in der immerhin 25 Jahre
währenden Zeitspanne zwischen Tschernobyl und Fukushima laut Höffnerscher
Lesart die „Kernenergie allenfalls als Übergangsenergie“ genutzt worden ist,
ohne dass sich die Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft hinreichend
darüber klar geworden sind, wie lange diese Übergangszeit eigentlich dauern
solle. Ein Eindruck, den der ehemalig Physiker der Universität zu Köln sowie
Projektleiter an der Kernforschungsanlage Jülich, Otto Schult, in seinen als
„Gedanken eines Physikers zu aktuellen Themen“ apostrophiertem Festvortrag
bestätigte. Der 78-Jährige stellte dabei die Energiewende und die damit
verbundenen Auswirkungen in den Mittelpunkt seines Ausführungen zu der Frage
„Wie wollen wir morgen leben?“ Der Wissenschaftler unterstrich, dass es bei
jeder Technik keine hundertprozentige Sicherheit gebe, auch wenn der Mensch
diese gewährleistet sehen möchte. Vielmehr müsse darum gehen, wie ein „Mehr“ an
Sicherheit, ein Höchstmaß zu erreichen sei. Schult illustrierte dies an der
Kernschmelze, die es im Jahr 1979 im Reaktor Harrisburg gegeben hat und die
durch entsprechende Sicherheiten wie etwa der Reaktorhülle beherrschbar
geblieben ist. Nicht zuletzt solche Ereignisse hätten Kardinal Höffner, so der
Physiker, seinerzeit bewegt, die Forschung und Wissenschaft für die Entwicklung
neuer, nachhaltiger und möglichst umweltfreundlicher Energieträger in die
Pflicht zu nehmen und einen Verzicht auf die Kernenergie anzumahnen, „der
global erfolgen muss“. Fast rhetorisch warf Schult da die Frage auf: „Ist die
Energiewende wieder einer der zu vielen deutschen Sonderwege?“
Wirkliche Nachhaltigkeit erfordere nach Meinung von Schult eine rasche Änderung
unserer Lebensweise und einen besonders sparsamen Umgang mit Ressourcen, aber:
„Die jetzige Regierung gibt diese Rahmenbedingungen nicht vor.“ Dabei komme es
eben insbesondere auf die Wende in den Köpfen, mehr noch in den Herzen an, „ein
Weg vom Selbst und ein Hin zum Wir im Sinne von Bescheidenheit, Klugheit,
Maßhalten und Nachhaltigkeit.“
Immer wieder illustrierte Schult seine wissenschaftlichen Ausführungen, etwa
über die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit einzelner fossiler Energieträger, die
noch auszubauenden Energiealternativen Wasser, Wind und Sonne sowie die
deutschen Chancen, sich in globaler Forschung, Wissen und modernster Technologien
für den generationen- und länderübergreifenden Aufbau von Energiesystemen und
Energiespeicherungen zu profilieren, mit einem sehr persönlich und emotional
gehaltenem Bekenntnis zur Christlichen Soziallehre. „Initiative und
Eigenverantwortung, Solidarität, Subsidiarität sowie die Gemeinwohlorientierung
des Individuums mit all seinen Rechten und Pflichten haben sich stets bewährt; die
Goldene Regel, globale Kooperation und faires Teilen sichern allen Menschen
morgen ein gutes Leben.“
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