Erschienen in Ausgabe: No 70 (12/11) | Letzte Änderung: 14.02.13 |
Artet die Entlassung des Architekten für den Neubau der Zentralmoschee in Köln zum Kulturkampf aus?
von Constantin von Hoensbroech und Ulrike von Hoensbroech
„Unüberbrückbare
Differenzen“ bei der Bauausführung, Terminplanung sowie bei den Kosten werden
dem Architekten vorgeworfen, der „in der technischen Abwicklung den eigenen
gestalterischen und qualitativen Anforderungen nicht mehr gerecht“ wird. So
lautet im Kern die Begründung, warum die Türkisch Islamische Union der Anstalt
für Religion (Ditib) als Bauherrin der geplanten Kölner Großmoschee ihrem
Architekten Paul Böhm mit sofortiger Wirkung gekündigt hat. Böhm, der sich in
den teilweise hitzigen Debatten um den Neubau stets weit mehr denn nur als
kompetenter Architekt und Bauleiter für die Moschee positioniert hat, wehrt
sich gegen die Anschuldigungen und kündigte seinerseits. „Es gibt ein massiv
erschüttertes Vertrauensverhältnis“, so der bekannte Baumeister, der in
Branchenkreisen als akribischer und penibler Arbeiter gilt. Böhm, der einer berühmten
Architektenfamilie entstammt, die sich seit drei Generationen vor allem als
Erbauer von Kirchenbauten einen Ruf erworben hat, weist die gegen ihn zwei
Jahre nach der Grundsteinlegung sowie sieben Monate vor der geplanten
Fertigstellung erhobenen Vorwürfe entschieden zurück.
„Da werden
persönliche Strukturen oftmals mit diffusen Vorbehalten wie Überfremdung oder
Islamisierung (...) als Stellvertreter-Ängste für die Ablehnung des Moscheebaus
instrumentalisiert.“ Dies entgegnete Paul Böhm vor genau vier Jahren in einem Magazininterview
auf das Verhalten der Kritiker am Neubau einer Zentralmoschee im Herzen von
Köln. Sollten die Kritiker Recht behalten?
Eine eilends einberufene Pressekonferenz der Ditib brachte
keine Klarheit, im Gegenteil, der Streit eskaliert weiter. Zwar nahm die Bauherrin
erstmals konkret zu ihren Gründen für die Entlassung des Architekten Stellung
und verwies auf angeblich rund 2000 Baumängel, die ein externer Gutachter
identifiziert haben will, unter anderem „erhebliche Farbabweichungen der
Kuppelschalen, falsch montierte Stahlunterkonstruktionen und die Abweichung der
Außenschalen um 23 Zentimeter in der Symmetrie“. Die ursprünglich
veranschlagten Kosten von 17 Millionen Euro für den Gesamtkomplex würden nun
auf 34 Millionen Euro veranschlagt. Die Bauherrin will deshalb beim Baumeister
Schadenersatzansprüche „möglicherweise in Millionenhöhe“ einfordern. Das abschließende
Urteil in der verteilten Presseerklärung, die sich auf ihren über drei Seiten
zeitweise wie eine Anklageschrift liest, lautet: „Als Künstler hat Herr Böhm
brilliert, als Baumeister hat er leider versagt.“
Unterstützt wird er unter anderen vom Bund Deutscher
Architekten (BDA). Die Skepsis am Vorgehen der türkischen Religionsbehörde
nimmt zu. Nicht nur aufgrund der vielfach nur unzureichend, nicht beantworteten
oder gar nicht erst zugelassenen Fragen sowie den teilweise turbulenten Wortgefechten
zwischen Medienvertretern und Ditib-Verantwortlichen bei der sogenannten
Pressekonferenz. Fragen seien ausschließlich zu den angeblich vom Architekten
zu verantwortenden Baumängeln zugelassen, hieß es eingangs. Dass die
Zusammenkunft von der Ditib-Presseverantwortlichen nach rund einer
Dreiviertelstunde abrupt beendet wurde, sorgte für lautstarken Unmut. Zwei Tage
später folgte eine Presseerklärung, in der die Ditib den Verlauf der
Veranstaltung bedauert.
Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU),
der sich stets als großer Befürworter und Freund des Vorhabens gezeigt hat, meinte
nach der Veranstaltung sichtlich betroffen: „So etwas habe ich noch nicht
erlebt.“ Er forderte die Ditib auf, mehr Offenheit zu zeigen und nannte deren
Vorgehen „ungeschickt und unglücklich“. Darüber dürfte auch er selbst höchst
unglücklich sein: Als Stadtoberhaupt hatte er sich vehement für den Moscheebau
eingesetzt und sah sich teilweise sehr persönlichen Anfeindungen aus den
eigenen Reihen ausgesetzt.
Immer deutlicher in der Debatte wird nun auch auf den
Personalwechsel im Ditib-Vorstand und dem eventuell damit verbundenen politischen
und ideologischen Kurswechsel hingewiesen. Das Gebäude sei der neuen Spitze
möglicherweise zu fortschrittlich, so die ehemalige Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete
Lale Akgün. Die Frage, ob die Bauherrin möglicherweise die Absicht verfolgt,
den Böhmschen Entwurf – insbesondere die Betonfassade – zu verändern, blieb bei
der Pressekonferenz trotz mehrfacher Nachfrage unbeantwortet.
Auch Böhm hatte auf die immer schwierigere Zusammenarbeit
mit dem neuen Vorstand verwiesen. Er selbst hatte am Rohbau des rund 35 Meter
hohen Kuppelbaus, der von zwei 55 Meter hohen Minaretten flankiert wird,
lediglich 80 Mängel beanstandet, die bei Bauten dieser Größenordnung normal
seien. Die Fronten scheinen ebenso verhärtet wie der Beton des bereits weit
fortgeschrittenen Baus im Stadtteil Ehrenfeld. Beide Seiten überziehen sich mit
Vorwürfen, es droht ein langfristiger Rechtsstreit. Böhm nennt die ihm
vorgeworfenen Baumängel eine „polemische Aufzählung und in höchstem Maße
rufschädigend“. Dass die Kosten erheblich höher ausfielen, begründet er mit dem
Hinweis auf nachträgliche Änderungen und Sonderwünsche des Auftraggebers
während der Bauphase. Bemerkenswert vor diesem Hintergrund die Einschätzung des
kommunalen Bauaufsichtsamts. Aufgrund der aktuellen Ereignisse seien Informationen
über die angeblichen Mängel erbeten worden, so der zuständige Amtsleiter. Er
verweist aber auch darauf, dass seine Mitarbeiter, die regelmäßig alle sechs bis
acht Wochen die Baustelle besuchen, „keine Probleme über dem normalen Maß“
festgestellt haben.
Ob der Moscheebeirat, der mit namhaften Vertretern des
öffentlichen Lebens besetzt und für Transparenz sowie offene Kommunikation
während der Baurealisierung eingesetzt worden ist, in seiner Sitzung am 10.
November dazu beitragen wird, Einvernehmen herzustellen, erscheint ebenso
unwahrscheinlich wie die geplante Moschee-Fertigstellung im Mai 2012. Viele
Beiratsmitglieder sind nämlich verärgert, weil die Ditib sie nicht über die
Kündigung des Architektenvertrags informiert hatte. Kritiker des Projekts mögen
sich bestätigt sehen, weil allenthalben nun jene Transparenz eingefordert wird,
die sie von Anfang an ohnehin nicht gewährleistet sahen. „Vertrauen gewinnt man
nur durch Transparenz“, so etwa der Kölner CDU-Vorsitzende Jürgen Hollstein,
dessen Stadtratsfraktion im Jahr 2006 zusammen mit SPD, FDP, Linke und Grüne
für die Realisierung des Böhm-Entwurfs gestimmt hatte. Der Ehrenfelder
Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD), ursprünglich eigentlich einer der
großen Befürworter, stellt ernüchtert fest: „Ich war immer ein Freund der
Ditib, aber es kann keine Rede von der immer wieder versprochenen Transparenz
sein.“ Und Christian Schaller, Vorstandschef im Kölner „Haus der Architektur“
und ebenfalls Befürworter des Moscheebaus, bezweifelt inzwischen die Seriosität
des Bauherrn.
Ob Paul Böhm vor diesem Hintergrund noch zu seiner These
steht, die er im eingangs erwähnten Interview im Jahr 2007 zur Kölner
Zentralmoschee getätigt hat? „Die
Moschee steht für Integration, Religionsfreiheit und Toleranz.“
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