Erschienen in Ausgabe: No. 32 (2/2008) | Letzte Änderung: 03.02.09 |
Die Kulturstädte Weimar und Potsdam
von Stefan Groß
Die
Globalisierung von Lebenswelten, der Import exklusiv ausländischer
Denkansätze, dies ist keineswegs, wie man so oft glaubt, und wie
es Peter Sloterdijk widerlegt hat, eine Erfindung postmoderner
Zivilisation. Vom alten Ägypten, über die griechische Polis
hinaus zieht sich der Strang global-aufgeklärten
Denkens, der sich auch und insbesondere immer wieder in der
Gartenkunst niederschlug. Neben den als originär zu
beschreibenden Bildenden Künsten, die im Diskurs der Künste
lange Zeit federführend waren und seit dem Beginn des 19.
Jahrhunderts wieder sind, ist es insbesondere die Gartenkunst,
die sich einem offenen, eben globalen Denkhorizont verdankt. Gärten
bleiben, über den jeweiligen Genius loci hinaus, universale
Inszenierungen, denn hier vereinigen sich nationale sowie
übernationale Denkansätze zu einer Einheit. Sie sind, und
dies gilt insbesondere für das ausgehende 18. Jahrhundert,
Sammelsurien, quasi verspätete mittelalterliche Summen, in denen
sowohl genuin asiatisches als auch englisches oder französisches
Denken in einen einheitlichen Kanon eingebettet wird, in diesem
geradezu kulminiert. Ohne England und Frankreich, ohne die
Chinoserien wäre die deutsche Gartenkunst, insbesondere in
ihrer Ausprägung als englischer Landschaftsgarten unmöglich
gewesen.i
Diese Infiltrierung zeigt sich nicht nur explizit an den nach
französischem Vorbild inszenierten deutschen Barock- oder
Rokokogärten, sondern insbesondere in einer Gartengestaltung,
die sich von der reinen Form, vom französischen Vorbild
verabschiedet,ii
vom mos geometrico distanziert.iii
Im
Zeichen der Aufklärung, im Ozillieren zwischen Machtanspruch
einerseits und rational-geistigem Lumen andererseits, offenbarte sich
eine Wirkungsästhetik, die dem europäischen
Kulturdenken mächtige Impulse erhielt. Die philosophische
Rezeption der Schriften von Shaftesbury und Rousseau,iv
die Grande Tour – sie liefern neue, kritisch-fundierte, ästhetische
Paradigmen und Erlebnishorizonte, denen nicht nur Intellektuelle,
sondern im gleichen Maße auch Gärtner und
Gartentheoretiker folgten. Lenné (1789 – 1866),v
der ab 1816 bei der Gestaltung der Gartenanlagen in Potsdam
federführend beteiligt war, hielt sich ab 1808 für längere
Zeit in Paris und später in Wien auf. Hier studierte er, der
spätere Gartendirektor, nicht nur die Botanik, seine – wie
übrigens für Goethe auch – Lieblingsdisziplin, hier wurde
er mit dem Kulturgut französischer Gartengestaltung, die sich an
Le Nôtre orientierte, vertraut.vi
Auch die geniale Ikone der
Gartenkunst – Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785 –
1871) – unternahm 1826 eine längere Englandreise, besuchte die
Gärten von Chilham/Kent, Blenheim/Oxfordshire, Hampton Court,
deren Gestaltungsprinzipien auf Lancelot Brown (1716 – 1783)
zurückgingen. Über die intensive Rezeption der Gartenkultur
auf der Insel informieren in aller Detailgenauigkeit Pücklers
„Briefe eines Verstorbenen“, insbesondere der 3. Brief vom
Oktober 1826. Kurzum: Die Ästhetisierung, der Anspruch auf eine
originäre Gartengestaltung bezieht sich aus übernationalem
Interesse, aus der Tatsache, globalisierte Denkansätze in den
national-strukturierten Raum zu infiltrieren.
Dem
globalen Denken, der europäischen Kulturinfiltrierung also, dem
steht auch der Weimarer Kulturkreis keineswegs nach, denn der
Musenhof unter Anna Amalia galt als geistiges Musterland, als
Republik freier Geister, war eine aus europäischer Philosophie
und Ästhetik gebildete ideale Welt, die mit Wieland, später
mit Goethe,vii
Schiller und Herder zum geistigen Zentrum Deutschlands wurde.
Die
enge Verquickung zwischen aufgeklärter Monarchie und dem neu
inszenierten sentimentalischen Denken englischer Gestaltungsmaximen,
dies prägte nicht nur den Kulturkreis Potsdam, sondern eben auch
die kleine Residenzstadt an der Ilm samt ihren nach englischem
Vorbild geschaffenen Gartenanlagen. Das Weimar […] eigentlich
ein Park , in dem eine Stadt liegt, dies bekundete schon der
Literat Adolf Stahr (1805 – 1876), als er seine Eindrücke über
Weimar und Jena 1852 in seinem Reisetagebuch veröffentlichte.viii
Aber auch der schon genannte Pückler-Muskau legt in seinen
„Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, verbunden mit der
Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau“ix
beredtes Zeugnis über das Szenario einer Landschaft ab, die dem
Weimarer Gesamtkunstgefüge nicht nachsteht – den Potsdamer
Anlagen. Ambivalent war sein Verhältnis zum Initiator der
Brandenburger Anlagen gewesen, doch mustergültig heißt es
in der „Landschaftsgärtnerei“: „Doch dürften wir
hoffen, dass die königlichen Anlagen unter der Leitung des
hochverdienten Lenné, welche großartig ganz Potsdam mit
einem weiten Parke umschließen sollen, gewiss einst ein solches
Muster aufstellen werden.“x
Die
Aufklärung wurde zum Zauberwort der Gartenästheten, mit
Kant und Moses Mendelsohn im Hintergrund, mit Alexander Pope als
Vorbild – ihre Ideale galt es in ein mustergültiges Konzept
einzubetten, das einen seiner Initialpunkte in den neuen
Garteninszenierungen fand. So sehr die englische Gartenkunst – ihre
Gestaltungen nach den Vorbildern von Chambers und Brown – dabei
dominierte, nicht zu übersehen ist, dass der Wörlitzer Park
das Fundament einer gartengestalterischen Entwicklung war, dass er
zum ästhetischen Leitbild für die deutsche Gartenkunst
wurde. So nimmt es nicht wunder, dass Goethe, der 1775 in die kleine
Residenz an der Ilm kam, wirkmächtige Impulse der sentimentalen
Gartengestaltung von Fürst Franz III. von Anhalt-Dessau
entnahm.xi
Auch für Friedrich Wilhelm II. war Wörlitz Paradigma,
mustergültiges Beispiel einer idealisierten Landschaft, die
nicht nur die Gattung der Landschaftsmalerei überflügelte,
wie der Gartentheoretiker Hirschfeld es einforderte, sondern zum
Topos einer „Welt“ im Garten wurde. Italienische Vorbilder sowie
französische, chinesische und ägyptische Elemente
buchstabierten die Welt im Kleinen nach, der Garten erwies sich als
national-globales Refugium, als Reisegarten, in dem sich
unterschiedliche Epochen samt ihrer Ideengeschichte zu einer Einheit
verbanden.
Nachhaltig
hat sich diese Idealtypik ja auch in den Potsdamer Anlagen, in ihrer
sentimentalischen Prägung im „Neuen Garten“
niedergeschlagen, für deren Gestaltung Friedrich Wilhelm II sich
verantwortlich zeigte. Der Gärtner Eyserbeck d. J. aus Wörlitz
lieferte dazu die wirkmächtigsten Impulse.xii
Wörlitz
bleibt also Vorbild – dies gilt sowohl für Weimar als auch
Potsdam.xiii
In beiden Residenzen entwickelten sich – fast zeitgleich –
autonome Geistesrepubliken, wenngleich der Weimarer
Kulturkreis mit seinen intellektuellen Kapazitäten
sicherlich dominierte. Der Musenhof in Weimar war weit mehr als eine
aufgeklärte Monarchie, die sich um den Sohn von Anna
Amalia, Carl August, gruppierte, er war, auch für die weitere
Entwicklung der Gartenkunst wegweisend.xiv
Es
ist wiederum Goethe, das Genie, das für einen Paradigmenwechsel
innerhalb des ästhetischen Denkens steht.xv
Während Wieland sich allzu gern in die arkadische Landschaft
versetzen ließ, ganz im Stile des Rokoko die elysische
Einsamkeit feiert,xvi
während Schiller – gleichwie Hirschfeld – nach einer genuin
deutschen Gartenkunst sucht, die sich sowohl der französischen
als auch englischen Tradition verpflichtet weiß,xvii
ist es der Weimarer Olympier, der mit dem Vokabular der sentimentalen
Gartenkunst bricht, der sich, er der in Italien zum Klassiker
gewordene Künstler, nunmehr von den wirkungsästhetischen
Regularien sentimentaler Gartenkunst verabschiedet und, ganz im Sinne
Kants, nach allgemeinen Kriterien sucht, die jeder Kunst
voranzustellen seien. Goethe gibt sich nicht oder will sich nicht mit
der Wirkungsästhetik Hirschfelds zufrieden geben, ihn reizt die
Naturwissenschaft, die strenge Systematisierung, wie er sie von Carl
von Linné (1707 – 1778) her kannte. Sein letztes Wort ist
die Gehaltsästhetik, die von ästhetischen Kunstprinzipien
ausgeht, diese als regulative Ordnungs- und Kategorisierungsmuster
bei der Beurteilung jedweder Kunst zugrunde legt. Die
sentimentalische Gartenkunst fällt dabei aus dem Rahmen, so die
Kritik Goethes, den ihr fehle der ideale Gehalt, die fundierende
Idee, sie bleibt also bloße Chimäre, eine Welt des schönen
Scheins, der jede Verbindlichkeit abhanden geht.
Goethe zeigt sich – und dies
bringt ihn in die Nähe von Lenné und Pückler-Muskau
– als kritischer Revisor der englisch-sentimentalen Gartenkunst.
Auf Zierrat, auf überflüssige Allegorien – auf all diese
nichtssagenden Formen und Gestaltungselemente, die nichts zur Natur
der Sache beitragen, sei, dies die fundierte Maxime Goethes, die sich
an die Adresse einer unaufgeklärten sentimentalen
Gartenkunst richtet, zu verzichten. Wie Lancelot Brown bereits für
die englische Insel reklamierte, ist es der Genius des Ortes, der
ausschlaggebend für jede Gestaltung werden soll. Goethes
kritisches Veto, seine Distanzierung von den Gestaltungsmaßnahmen
in Weimar zeigt in aller Deutlichkeit, dass es, wenn es um eine
Nobilitierung der Gartenkunst gehen sollte, um eine
pragmatisch-fundierte Grundierung derselben handeln müsste,
Aspekte der Nützlichkeit sollten Vorrang genießen. Das
sinnentleerte Spiel mit den bloßen Formen wird ihm immer
fremder. Goethe verabschiedet sich also von dieser sentimentalischen
Gartenkunst relativ früh. Zu einer Blüte dieser
stilistischen Überzeichnung der Gartenkunst sollte es erst am
Ende des 18. Jahrhunderts kommen, zu einer Zeit also, wo sich Goethe
bereits intensiv mit den Bildenden Künsten und ihrem
Formvokabular auseinandergesetzt hat, vom elegischen Spiel sich
restlos verabschiedet hatte.
Die Kritik Goethes,
der von ihm geforderte – gleichermaßen mit Rousseau im
Einklang stehende – Imperativ „Zurück zur Natur“ – sie
war es auch, die Gartengestalter wie Lenné und Pückler-Muskau
begeisterten. Beiden war eine allzu fromme und übersteigerte
Gefühlsästhetik, eine melancholische Gefühlsduselei
suspekt, beide waren Verfechter einer nachgoethe’schen Ästhetik,
die es sich zur Vorgabe machte, mit dem Formvokabular der
Gartenkunst sparsamer, eben klassisch umzugehen. Das von Lenné
in Potsdam veranschlagte Gestaltungskonzept verzichtet auf eine
Überstrapazierung im Sinne der allegorischen Methode, wenngleich
ihm die Antike und somit die Arkadien-Thematik immer wieder zur
Inspirationsquelle wurden. Noch rigider agierte Pückler-Muskau
in Muskau, Babelsberg und in Ettersburg bei Weimar. Auch hier
verinnerlichte er die Kritik Goethes an der Überzeichnung, wenn
er in seiner „Landschaftsgärtnerei“ schreibt:
„Daher muss man sich auch mit Tempeln, die im Altertum eine ganz andre, volkstümliche, religiöse Bedeutung hatten, und ebenso mit nichtssagenden Monumenten sehr in acht nehmen, wenn sie nicht, statt einen tief erregenden Eindruck, den des Läppischen hinterlassen sollten. Die abgedroschene, missverstandene Weise, wie man heutzutage die Mythologie auffasst, möchte es geraten machen, diese ganz wegzulassen, und sich ebenfalls in der Regel der Inschriften zu enthalten, die an gewissen Orten gewisse Gefühle zu haben vorschreiben wollen. Wären sie selbst von Göthe, wie in Weimar – auch diese finden ohnfehlbar in seinen Schriften einen bessern Platz.“xviii
Goethe
und seine Kritik am englisch-sentimentalen Garten blieb wegweisend
für die Gartengestaltungen, wie sie sich in der darauffolgenden
Zeit sowohl im „Neuen Garten“, in Schloss Glienicke, auf der
Pfaueninsel, in Babelsberg und in den – unter Aufsicht von
Friedrich Wilhelm IV. – sich an die Barock, beziehungsweise
Rokokoanlage Sanssouci anschließende Anlage Charlottenhof
finden. Anders gesagt: Der kritische Ästhetizismus, der seinen
Ursprung in Weimar hatte, erwies sich als stilbildend. Dies gilt
insbesondere für die Weimarer Anlagen selbst, deren Genese auch
eine ist, die sich von der sentimentalen Idee verabschiedet und
zunehmend den Weg zur klassischen Gartenkunst fortführt.
Mit seiner neuen Vorgehensweise, wie sie Pückler-Muskau in
Ettersburg praktiziert, die ganz im Zeichen seiner kritischen Sicht
auf die sentimentale Gartenkunst steht, zeigt sich, dass es
nicht nur Dichterfürsten und Adlige sind, die für einen
Kulturaustausch zwischen den Residenzen stehen, sondern eben
bedeutsame Gärtner, so auch der in der Pückler-Muskau
nachfolgende Eduard Petzold, der im Tiefurter Park die
frühromanische Anlage des jüngsten Sohns von Anna Amalia,
von Prinz Constantin, in den Jahren 1845 – 1850 erneuerte bzw.
umgestaltete.xix
Neben
dynastischen Beziehungen, Anna Amalia war ja, wie bekannt, die Nichte
Friedrich des Großen,xx
sind es eben nicht weniger wichtige „Gartendilettanten“, die
sich für die damalige Zeit – quasi global denkend – in
andere Kulturkreise integrieren.
Insbesondere
in Glienicke zeigt sich eine eindeutig nachweisbare Parallele, worauf
Klaus-Henning von Krosigk hingewiesen hat, zwischen den Kulturkreisen
Weimar und Potsdam.xxi
Prinz Carl von Preußen, der drittälteste Sohn von
Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, war seit 1827 mit
Marie, Prinzessin von Sachsen-Weimar, verheiratet. Die Enkelin von
Goethes Intimus, Herzog Carl August, wuchs unter der geistigen
Einflussnahme des aufgeklärten Klassikers Goethe auf, der
zugleich als ihr Pate fungierte. Der Einfluss des Weimarer
Kulturkreises zeigt sich, wie Krosigk nahe legt, in der
„herausgehobenen Präsentation der
‚Ildefonso-Gruppe’, Castor und Pollux darstellend. Mit dem
Bronzeabguss, genommen vom Vorbild in Weimar, überraschte Prinz
Carl Marie 1828, indem er sie an zentraler Stelle des Gartenhofes
aufstellen ließ, gleichsam als ewigen Gruß aus dem
elterlichen Weimar. Marie kannte seit frühester Kindheit die
beiden griechischen Jünglinge sowohl aus dem Treppenhaus des
Goetheschen Hauses am Frauenplan, als auch vom Ilm-Park, wo die
später in die Stadt translocierte Gruppe in der Nähe des
Hauses der Frau von Stein stand“.xxii
Die Residenzen von Weimar und
Potsdam erweisen sich als kulturelle Geisteszentren, die sich der
epochalen Ästhetik der Aufklärung verpflichtet fühlten.
Die jeweiligen Kulturkreise sind eindeutiger Beweis für eine
Infiltrierung europäischen Denkens, sind also
Sinnbilder geistesgeschichtlicher Epoché, Zentren, die
zwischen Nationalinteressen einerseits und globaler
Geistesgeschichte andererseits vermitteln. Szenarien dieser
epochemachenden Ästhetik waren – in beiden Fällen – die
Landschaftsgärten, die ja für den intellektuellen
Binnenraum diskursiven Denkens geradezu die Vorlage lieferten, denn
die ungezwungene Atmosphäre des Gartens, die Rückbindung
an die geschichtliche Ära des Goldenen Zeitalters, der
Rekurs auf Griechen und Römer gleichermaßen, er war es,
der der klassischen sowie nachklassischen Epoche zum Wegweiser
elitärer Inspirationen wurde, der zum Sinnbild, ja, zum Entwurf
liberalisierter Denkungsweise führte. Die Gärten von Weimar
und Potsdam stehen also nicht nur ikonographisch, sondern mehr noch
ikonologisch für einen, wie es Adrian von Buttlar für die
englische Gartenkunst reklamierte, „liberalen Weltentwurf“, für
ein rigides Abschiednehmen vom despotischen Denken, das sich in einem
neu gefundenen Naturbild Ausdruck verschaffte. Die Natur, die über
Jahrhunderte hinweg nur zum Spielball rationaler Denkungsweise
wurde, sei es bei Descartes oder Leibniz, verschaffte sich ihren
Freiraum.
Wie Potsdam ist Weimar ein
Bezugsgefüge ästhetischer Landschaftsgestaltung,
eine Parklandschaft in nuce, wie die drei – fast ineinander
übergehenden – Gärten, der Tiefurter Park, der Park
an der Ilm und der Garten Belvedere im Norden es verdeutlichen.
Die Gartenlandschaft ist hier aber mehr als nur ein kompositorisches
Gefüge, sie prägt die urbane Gestaltung – ähnlich
wie in Potsdam mit seinen Schlössern Sanssouci, Charlottenhof,
Neuem Garten, Babelsberg und Glienicke. Die jeweiligen Gärten
erweisen sich als autarke Gebilde einerseits, andererseits sind sie
Bilder einer idealisierten Natur, die die Welt im Kleinen
widerspiegeln. Globales Denken, die arkadischen Vorbilder, die
Kulturräume Italiens und Englands – all dies lässt die
Gärten zu panharmonischen Schöpfungen werden, die –
wie die Potsdamer Anlagen – durch Sichtachsenbeziehungen
miteinander verbunden, gestaltete und nichtdomestizierte
Natur in ein Wechselverhältnis überführen, wobei der
Betrachter nicht weiß, wo die idealisierte Kunstwelt aufhört,
wo sich also umgekehrt die ungestaltete Natur ihre Domänen
zurückerobert. Auch im Park von Tiefurt sind die Raumgrenzen
verschwommen, der Garten, der unter der Hand Knebels zu seinem
sentimentalen Refugium wurde, vermittelt das Gefühl der
Offenheit, des Offenseins, die Sehnsucht und den Traum nach der
großen Natur, deren Existenz Goethe – während seiner
Schweizreise – als erhabene fühlte, die ihm nicht nur seine
Endlichkeit vor Augen stellte, sondern auch seinen Wunsch bestärkte,
endlich Arkadien, das vielgepriesene Italien zu sehen.
Auch dem Rezipienten, der die Gärten
in Weimar und Potsdam besucht, beschleicht heute noch das Gefühl,
in Arkadien anzulangen. Sehnsuchtstopoi bleiben beide Anlagen, denn
sie eröffnen einen Blick in die Welt, die es so zwar nicht mehr
gibt, die aber in ihrer idealisierten Form zum Fundament wird, in dem
sich Glückseligkeit und Glückswürdigkeit vereinen, die
dem Betrachter also jenes geistige Klima vermittelt, in das er sich
gern einbetten möchte.
-
Bauer, Hermann: Idee und Entstehung des Landschaftsgartens in
England, in: Inszenierte Natur. Landschaftskunst im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller, U. Kuder und Th. Zoglauer,
Stuttgart 1997.
-
Bazin, Germain: DuMont’s Geschichte der Gartenkunst, Köln
1990.
-
Buttlar, Adrian von: Der englische Landsitz 1715-1760. Symbol eines
liberalen Weltentwurfs, Mittenwald 1982.
-
Buttlar, Adrian von: Vom Landschaftsgarten zur Gartenlandschaft –
Peter Joseph Lenné und seine Parkschöpfungen in Berlin
und Potsdam, in: Berlin durch die Blume oder Kraut und Rüben.
Gartenkunst in Berlin-Brandenburg, hg. im Auftrag des Senators für
Stadtentwicklung und Umweltschutz von M.-L. Plessen, Berlin 1985.
- Gamper, Michael: „Die Natur ist
republikanisch“. Zu den ästhetischen, anthropologischen und
politischen Konzepten der deutschen Gartenliteratur im 18.
Jahrhundert, Würzburg 1998.
-
Groß, Stefan: Die Stellung der Gartenkunst innerhalb der
Hierarchie der Künste im ästhetischen Werk Friedrich
Schillers, in: Die Gartenkunst, 16. Jahrgang, Heft 1/2004.
-
Groß, Stefan: Wörlitz und die moderne Welt oder von der
Idealisierung der Natur, Aufklärung und Bildungsoptimismus, in:
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-
Groß, Stefan: Johann Wolfgang Goethe und die Gartenkunst. Eine
Gattung verliert an Einfluss – Die Gartenkunst und ihre Kritik, in:
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-
Günter, Harri: „Da ist doch ein ganzes Land voll Gärten,
welches mein System begünstigt […].“, in: Gärten der
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-
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-
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-
Jäger, Jürgen: Goethe-Gärten in Weimar, in: Gärten
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-
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-
Niedermeier, Michael: Das Ende der Idylle. Symbolik, Zeitbezug,
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Berlin, Bern, Frankfurt/Main, New York, Paris, Wien 1992.
- Pückler-Muskau, Hermann, Fürst von:
Andeutungen über Landschaftsgärtnerei,
verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau,
hg. v. G. J. Vaupel, Frankfurt/Main 1988.
-
Rohde, Michael: Von Muskau bis Konstantinopel. Eduard Petzold – ein
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-
Rohde, Michael: Zur
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veränderten Ausführung durch Reinecken, in: Jahrbuch der
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-
Schäfer, Anne: Der Muskauer Park (1815), in: Gärten der
Goethezeit (1993).
Trauzettel,
Ludwig: Das Gartenreich von Wörlitz und Dessau, in: Gärten
der Goethezeit (1993).
Sammelbände:
-
Wielandgut Oßmannstedt, hg. von Klaus Manger und Jan Philipp
Reemtsma, München, Wien 2006.
i
Dazu: Bauer, Hermann: Idee und
Entstehung des Landschaftsgartens in England, in: Inszenierte Natur.
Landschaftskunst im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. B. Baumüller,
U. Kuder und Th. Zoglauer, Stuttgart 1997, S. 18-37.
ii
Günter, Harri: „Da ist doch ein ganzes Land voll Gärten,
welches mein System begünstigt […].“, in: Gärten der
Goethezeit, hg. v. H. Günter, Leipzig 1993, S. 29-31.
iii
Siehe auch: Niedermeier, Michael: Das Ende der Idylle. Symbolik,
Zeitbezug, ‚Gartenrevolution’ in Goethes Roman „Die
Wahlverwandtschaften, Berlin, Bern, Frankfurt/Main, New York, Paris,
Wien 1992.
iv
von Buttlar, Adrian: Der englische Landsitz 1715-1760. Symbol eines
liberalen Weltentwurfs, Mittenwald 1982, S. 129-131.
v
Dazu: von Buttlar, Adrian: Vom Landschaftsgarten zur
Gartenlandschaft – Peter Joseph Lenné und seine
Parkschöpfungen in Berlin und Potsdam, in: Berlin durch die
Blume oder Kraut und Rüben. Gartenkunst in Berlin-Brandenburg,
hg. im Auftrag des Senators für Stadtentwicklung und
Umweltschutz von M.-L. Plessen, Berlin 1985, S. 137-139.
vi
Zu Le Nôtre: Bazin, Germain: DuMont’s Geschichte der
Gartenkunst, Köln 1990, S. 130-132.
viiAuch
Goethe, einer der ersten Verfechter der sentimentalen Gartenkunst,
wird seine frühen Kunstmaximen bald kritisch überdenken,
die Reisen in die Schweiz, wie sein Briefwechsel mit Charlotte von
Stein nahe legt sowie der zweijährige Aufenthalt in Italien
formen das unfiltrierte Genie zum Klassiker, lassen den Stürmer
und Dränger des „Werther“ zu einer gereiften Persönlichkeit
werden, die sich von seinen Jugendspielereien zusehends
verabschiedet.
viii
Huschke, Wolfgang, Vulpius Wolfgang: Park um Weimar, Weimar 1956, S.
9.
ix
Dazu: Schäfer, Anne: Der Muskauer Park (1815), in: Gärten
der Goethezeit (1993), S. 251-253.
x
Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Andeutungen über
Landschaftsgärtnerei, verbunden mit der Beschreibung ihrer
praktischen Anwendung in Muskau, hg. v. G. J. Vaupel, Frankfurt/Main
1988, S. 16.
xi
Trauzettel, Ludwig: Das Gartenreich von Wörlitz und Dessau, in:
Gärten der Goethezeit (1993), S. 45-47.
xii
Günther, Harri: Der Neue Garten, Potsdam (1793), in: Gärten
der Goethezeit (1993), S. 215-217.
xiii
Groß, Stefan: Wörlitz und die moderne Welt oder von der
Idealisierung der Natur, Aufklärung und Bildungsoptimismus, in:
Die Gartenkunst, 17. Jahrgang, Heft 1/2005, S. 146-148.
xiv
Grundlegend dazu: Gamper, Michael: „Die Natur ist republikanisch“.
Zu den ästhetischen, anthropologischen und politischen
Konzepten der deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert, Würzburg
1998.
xv
Groß, Stefan: Johann Wolfgang Goethe und die Gartenkunst. Eine
Gattung verliert an Einfluss – Die Gartenkunst und ihre Kritik,
in: Die Gartenkunst, 17. Jahrgang, Heft 2/2005, S. 311-318.
xvi
Jäger, Jürgen: Goethe-Gärten in Weimar, in: Gärten
der Goethezeit (1993), S. 92f. Vgl. Wielandgut Oßmannstedt,
hg. v. K. Manger und J. P. Reemtsma, München, Wien 2006, S.
109-111.
xvii
Groß, Stefan: Die Stellung der Gartenkunst innerhalb der
Hierarchie der Künste im ästhetischen Werk Friedrich
Schillers, in: Die Gartenkunst, 16. Jahrgang, Heft 1/2004, S. 93-95.
xviii
Pückler-Muskau, Andeutungen über Landschaftsgärtnerei
(1988), S. 42.
xixRohde,
Michael: Von Muskau bis Konstantinopel. Eduard Petzold – ein
europäischer Gartenkünstler, 1815-1891, Dresden 1998. Vgl.
auch: Rohde: Zur
Bedeutung der Planung Carl Eduard Petzolds in Greiz und zur
veränderten Ausführung durch Reinecken, in: Jahrbuch der
Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten 1997/98,
Rudolstadt 1999, S.151-160.
xx
Merseburger, Peter: Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht,
Stuttgart 31999,
S. 47-49.
xxi
von Krosigk, Klaus-Henning: Die Parkanlagen Klein-Glienicke, in:
Gärten der Goethezeit (1993), S. 263-265.
xxii
von Krosigk, Klaus-Henning: Die Parkanlagen Klein-Glienicke, in:
Gärten der Goethezeit (1993), S. 270.
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