Erschienen in Ausgabe: No 72 (2/2012) | Letzte Änderung: 06.02.13 |
von Guido Horst
Am
28. Oktober dieses Jahres jährt es sich zum siebzehnhundertsten Mal,
dass das Kreuz in die Geschichte Europas eingetreten ist. Es war ein
Heide, der es für sich entdeckte und es an die Schilder seiner Soldaten
anbringen ließ. Es war der spätere Alleinherrscher Konstantin. Seither
ist das Kreuz aus der Geschichte des Abendlandes nicht mehr wegzudenken.
Schließlich hat es den Erdkreis erobert. Wo auch immer Christen
hinkamen, brachten sie das Kreuz als ihr Heilszeichen mit.
Über das
Unheil unter dem Kreuz müssen wir deshalb heute einmal nicht reden. Auch
fremdschämen nützt nichts, wenn viele unserer Kollegen auch in diesem
Jahr wieder an all das Unheilige erinnern, bei dem der Herr vom Kreuz
hilflos zuschauen musste. Das muss sein, es ist auch „politisch
korrekt“, aber natürlich nicht die ganze Wahrheit, wie groß die Schande
auch immer ist. Die ganz große Wahrheit bleibt die, dass an jenem
Holzkreuz in Jerusalem das gewaltigste und erschütterndste Opfer
stattgefunden hat, das man sich überhaupt vorstellen kann. Gott selbst
gab sein Leben hin, um die Herrschaft des Todes zu brechen. Den Heiden
eine Torheit, den Juden ein Ärgernis. Aber für die ganze Menschheit ein
Riesenakt der Befreiung.
Wir dürfen die Einsicht nicht verabschieden,
dass die Geschichte der Menschheit stets auch Heilsgeschichte ist, weil
Gott in diese Welt eingetreten ist und ihren Lauf verändert hat. Das
Kreuz darf nicht auf ein religiöses Symbol verkürzt werden, das für ganz
bestimmte Werte steht, nicht aber für eine Tat, die wie keine andere
die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen offenbart. Genau das aber ist die
Botschaft, die man mit der Säkularisierung und Banalisierung des Kreuzes
unterschlägt. Das Kreuz hingegen ist unsere „spes unica“, unsere
einzige Hoffnung. Es ist wie nichts anderes geeignet, den nach Hoffnung,
Sinn und Angenommen-Sein suchenden Menschen mit Freude zu erfüllen.
Christen dürfen, nein, müssen auf das Kreuz stolz sein. Nicht auf alles,
was im Namen des Kreuzes geschehen ist, aber auf das, was zuerst an ihm
geschah, als der Sohn Gottes am Kreuz seinen Geist aushauchte.
Darum
soll das Jubiläumsjahr des Kreuzes, das – ebenfalls im Oktober – den
Beginn eines „Jahrs des Glaubens“ bringen wird, ein Jahr gläubiger
Zuversicht sein, gerade in einer Zeit, in der man viel über Krisen
spricht. Im Kern hat Jesus Christus am Kreuz diese Krisen alle schon
überwunden. Der Seele und ihrem ewigen Heil können sie seitdem nicht
mehr wirklich gefährlich werden.
Diese Freude, diese Zuversicht und
dieser heilige Optimismus sollten die Grundmelodie sein, wenn sich die
Kirche in Deutschland mit ihrer Zukunft, mit einem „Aufbruch“ in rauere
Zeiten auseinandersetzt. Das ist der Weg, wie das Geheimnis des Kreuzes,
an dem Christus die Sünden der Menschen auf sich genommen hat, wieder
aufleuchten kann.
Papst Benedikt hat das in Freiburg in seiner
Konzerthaus-Ansprache so ausgedrückt: „Wir haben Gott nichts zu geben,
wir haben ihm nur unsere Sünde hinzuhalten. Und er nimmt sie an und
macht sie sich zu eigen, gibt uns dafür sich selbst und seine
Herrlichkeit. Ein wahrhaft ungleicher Tausch, der sich im Leben und
Leiden Christi vollzieht. Er wird Sünder, nimmt die Sünde auf sich, das
Unsrige nimmt er an und gibt uns das Seinige... Die Kirche verdankt sich
ganz diesem ungleichen Tausch. Sie hat nichts aus Eigenem gegenüber
dem, der sie gestiftet hat, so dass sie sagen könnte: Dies haben wir
großartig gemacht! Ihr Sinn besteht darin, Werkzeug der Erlösung zu
sein, sich von Gott her mit seinem Wort durchdringen zu lassen und die
Welt in die Einheit der Liebe mit Gott hineinzutragen.“ Mit dem Kreuz
zeigt die Kirche, dass sie Werkzeug der Erlösung ist. Das ist mehr als
„politisch korrekt“. Das ist ihre und unsere wirklich befreiende
Botschaft.
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