Erschienen in Ausgabe: No 82 (12/12) | Letzte Änderung: 13.02.13 |
von Anna Zanco-Prestel
Der Justizpalast
im Herzen Münchens war während der NS-Zeit Austragungsort zahlreicher
„Schauprozesse“, u.a. von jenen gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe
„Weiße Rose“, bei dem die Geschwister Hans und Sophie Scholl auf der
Anklagebank saßen.
Daran erinnerte
Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk, die am12. November zusammen mit Dr. h.c.Charlotte Knobloch die Ausstellung
„Der Eichmann-Prozeß in Jerusalem„ eröffnete, die unmittelbar an die
schicksalhaften 12 Jahre deutscher Geschichte anknüpft.Dabei untermauerte sie,wie wichtig es sei, dass sie an einem so
repräsentativen „Ort der Rechtsprechung“ stattfinde.
„Ein
„Meilenstein in der justiziellen Verfolgung und Ahndung von NS-Verbrechen“ habe
der Prozess einen„Einschnitt in der
Nachkriegsgeschichte nicht nur Israels, sondern auch Europas und der USA“
markiert. Zum ersten Mal seien in dessen Verlauf die Opfer zu Worte gekommen,
deren Schilderungen andere Opfer zum Sprechen ermutigt hätten.
Bilder,
Dokumente, Presseberichte begleitet von umfangreichen Texten werden bis zum 6.
Dezember auf Stellwänden rund um die imposante Lichthalle des vor kurzem
prächtig restaurierten neobarocken Baus von Friedrich von Tiersch an der
Prielmayerstraße 7 gezeigt.
Der Prozess –
liest man auf einer der Tafeln – habe den „Diskurs über den Holocaust in
historischer, pädagogischer, juristischer und kultureller Hinsicht eröffnet“.
Gleichzeitig habe er auch „die Ablehnung vieler Israelis und Juden gebrochen,
sich mit dem Holocaust auseinanderzusetzen“. Beigetragen habe er zudem zur
„Änderung der Haltung der jüngeren Generationen in Israel“, die davor den
Holocaust eher als eine „fernliegende, abstrakte Angelegenheit“betrachteten.
Der
Eichmann-Prozess und die folgenden Gerichtsverfahren gegen NS-Täter führten in
den 80er und 90er Jahren zum verstärkten Besuch der ehemaligen Ghettos und
Lager. Eine Konsequenz sei gewiss der „Sturm, der gegen Globke und Adenauer in
Israel tobte auch gegen die Präsenz deutscher Wissenschaftler - als
Nasser-Berater - in den 60er Jahren in Ägypten“.
Herausgestellt
wird in der Schau auch die Rolle der im Gerichtssaal anwesenden
Berichterstatter, unter denen sich namhafte Schriftsteller wie Elie Wiesel,
Primo Levi, Nathan Altermann und Haim Gouri befanden. Die wichtigste
intellektuelle Debatte wurde allerdings von Hanna Arendts Buch „Eichmann in
Jerusalem“ ausgelöst, in dem Eichmann lediglich als „Befehlsempfänger“
charakterisiertund derBegriff „Banalität des Bösen“ geprägt wurde.
Höhepunkt der
Eröffnungsveranstaltung war die Ansprache des israelischen Historikers und
Autors Prof. Dr. Gideon Greif, der seit Jahren mit der Gedenkstätte Yad Vashem
verbunden ist und mit der Führung der politischen Prominenz aus allem Ländern
betraut wird. Im Mittelpunkt seiner einleuchtenden Analyse steht das
psychologische Profil des „Managers“ bzw. „Architekten des Holocaust“, wie
Eichmann von Fall zu Fall bezeichnet wurde. Ausgehend von den
Minderwertigkeitskomplexen, die ihn aufgrund seines vermeintlichen „jüdischen
Aussehens“ plagten, umriss er die Rolle, die dem eifrigen und eifrigsten unter
Hitlers „willigen Vollstreckern“ im Laufe der Zeit zukam und auch diejenige,
die er sich selbst zuschrieb.
Weder eine
„kleine Schraube in der Maschine“ noch ein „Beamter hinter dem Schreibtisch“
sei Eichmann gewesen, sondern ein selbstbewusster Drahtzieher, der die „Folgen
seiner Taten genau kannte“. Sein Entschluss, immer wieder und bis zum Ende
Verbrechen zu begehen – dies Greifs Grundthese – sei vom „unendlichen Hass“
diktiert, von dem er getrieben wurde, und der sich in einer seiner sonst oft
widersprüchlichenAussagen klar
wiederfindet:
„Ich war kein
normaler Befehlsempfänger...Ich wäre ein Trottel gewesen...Ich war ein
Idealist...“.
Veranstalter der
Wanderausstellung sind das Bayerische Staatsministerium für Justiz und
Verbraucherschutz, die Israelitische Kultusgemeinde und die Landeszentrale für
Politische Bildung, die auch für das pädagogische Begleitprogramm sowie für
Führungen für Schüler und Studenten zuständig ist.
Konzept und
Realisierung gehen auf die Erinnerungs- und Forschungsstelle Yad Vashem
Jerusalemzurück, dieeine Reihe weiterer Initiativen für
Deutschland und den deutschsprachigen Raum plant. Zu ihrem 40jährigen Bestehen
im kommenden 2013 will die von Menschen aus der ganzen Welt besuchte
Gedenkstätte dort präsent sein, wo das Unheil begann, um ein Zeichen vor allem
für die Jüngeren zu setzten.
Denn „Vergessen
sei unmöglich. Das könnten nur die Opfer. Versöhnen aber ja!“.
Die aufrüttelnde
Schau gegen das Vergessen wird hoffentlich auch dazu dienen, manche wichtigen,
oft verdrängten Zusammenhänge besser erfassbar zu machen, die zur Entstehung
des Staates Israel im Jahre 1948 geführt haben, dessen Existenzrecht immer noch
in Frage gestellt wird.
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