Erschienen in Ausgabe: No 84 (2/2013) | Letzte Änderung: 17.02.14 |
von Max A. Aschenbrenner
Wie gestalten sich die wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland,
insbesondere in der Außenpolitik?
Die Beziehungen zwischen
Norwegen und Deutschland sind insgesamt
betrachtet ausgesprochen gut, schon seit Jahrzehnten stabil, partnerschaftlich
und vertrauensvoll. Das gilt für die
Beziehungen zwischen den Regierungen - von welchen politischen Richtungen sie
auch jeweils gestellt wurden oder werden - genauso wie für die der Menschen in
beiden Ländern zueinander. Das hat sich gerade auch bei dem Terrorangriff in
Oslo und Utøya am 22.07.2011 gezeigt, als die Bevölkerung auch hier in
Deutschland große Solidarität bekundet hatte. Diese gezeigte Anteilnahme an dem
größten Unheil, das Norwegen seit dem zweiten Weltkrieg getroffen hat und wurde
dort sehr dankbar zur Kenntnis genommen.
Die wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen beiden Ländern kann man ebenfalls nur als sehr gut
bezeichnen. Das soll aber nicht ausschließen, dass sich in dem einen oder
anderen Bereich die wirtschaftlichen Beziehungen nicht noch zum beiderseitigen
Nutzen intensivieren ließen.
Norwegen und die Bundesrepublik sind
starke Industrienationen, wo finden hier die stärksten Kooperationen statt und
wo wünschen Sie sich eine noch intensivere Zusammenarbeit?
Norwegen ist ein
Energieland schlechthin. Folglich gibt es gerade hier die engsten
wirtschaftlichen Berührungspunkte. Dabei denkt man natürlich zuerst an die
enormen Gas- und Ölvorkommen auf dem norwegischen Atlantiksockel. Allein mit
seinen Gaslieferungen nach Deutschland ist Norwegen zweitgrößter Exporteur, der
die Bundesrepublik mit einem knappen Drittel des hier verbrauchten Erdgases
versorgt. Bei Exploration und Förderung beteiligen sich auch deutsche Firmen,
wie z. B. Bayerngas, die sogar über eine eigene norwegische Tochterfirma dort
selbst aktiv ist.
Aber auch regenerative
Energien spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. Ein sehr gutes Beispiel ist
das jüngst beschlossene Stromkabel nach Norwegen. Es wird es ermöglichen,
überschüssigen Windstrom aus Deutschland nach Norwegen zu leiten, die Energie
in Pumpkraftwerken zu speichern, um sie nach Bedarf wieder in das deutsche
Stromnetz einzuspeisen. Mit dieser „grünen Batterie“ kann Norwegen einen
wichtigen Beitrag für die Energiewende in Deutschland leisten.
Möglichkeiten für eine
weitere Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ich bei norwegischen
Investitionen in Deutschland und vor allem bei einer Verstärkung der
Kooperation mittelständischer Unternehmen beider Länder.
Gibt es hierfür bereits Ansätze?
Dazu kann ich Ihnen als Beispiel das
skandinavische Wirtschaftsforum, kurz SWIFO, nennen. Es entstand
2010 aus einer Initiative der nordischen Konsulate in Bayern. Bei
Veranstaltungen die allen an wirtschaftlichen Kontakten Interessierten
offenstehen wollen wir Kontakte initiieren, die dann über Ideen zu hoffentlich
erfolgreichen Projekten führen. Die nächste Veranstaltung im März 2013 werden
wir gemeinsam mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium gestalten und uns
dabei mit der sehr nordischen/norwegischen Thematik „Frauen in der Berufswelt
und in Führungspositionen“ beschäftigen. Nähere Informationen finden Sie
übrigens im Internet unter www.swifo.de
Weltweite Rezession und Finanzkrise sind die Schlagworte der Stunde. Wie steht
Norwegen nach der Finanzkrise da? Was halten Sie von der
sogenannten Nordwährung, dem Nord-Euro?
Den „Nord-Euro“ im engeren
Sinn kann es schon begrifflich nicht geben. Norwegen ist nicht einmal
EU-Mitglied und hat seine eigene Währung; wie übrigens seine angrenzenden
skandinavischen EU-Nachbarn Schweden und Dänemark auch. Richtig ist aber, dass
Norwegen genauso wie Deutschland zu den wirtschaftlich starken Ländern im
nördlichen Teil Europas gehört und von daher auch ein eigenes Interesse an der
Stabilität der Wirtschaftund der
europäischen Währung hat.
Jedenfalls bislang ist
Norwegen vergleichsweise gut durch die wirtschaftlichen Turbulenzen der letzten
Jahre gekommen; wegen seiner insgesamt starken Wirtschaft und nicht zuletzt
wegen seiner enormen Öl-und
Gaseinnahmen. Diese fließen übrigens nicht in den Staatshaushalt sondern in den
sog. Ölfond, der inzwischen der weltweit größte Pensionsfond ist.
Richtig ist aber auch,
dass Norwegen ebenso wenig wie irgendein anderes Land als „Insel der Seligen“
auf Dauer von den wirtschaftlichen Krisen anderer Länder unberührt bleiben
kann, insbesondere nicht von Risiken solcher Länder, mit denen enge Handelsbeziehungen
bestehen. Dabei ist entsprechend den Größenverhältnissen für Norwegen Deutschland
als einer bedeutendsten Wirtschafts- und Handelspartner noch wichtiger als
umgekehrt. Um den norwegischen Botschafter in Deutschland, Sven Erik Svedman zu
zitieren: „Wenn es Deutschland gut geht, geht es auch Norwegen gut“. Insoweit
gibt es natürlich zwischen beiden Nationen gleichgerichtete wirtschaftliche und
politische Interessen.
Wie können Norwegen und die Bundesrepublik
gemeinsam die Zukunft Europas und den Euro-Raum gestalten?
Mit dem Willen und der
Bereitschaft, also an den
Herausforderungen der Zukunft konstruktiv und verantwortungsvoll mitzuwirken, mitzugestalten.
Jedes Land ist ja auch, zumindest mittelbar, von den politischen und
wirtschaftlichen Auswirkungen betroffen. Welche Möglichkeiten ein Land jeweils
hat hängt von seiner Größe, seinerund
wirtschaftlichen wie politischen Bedeutung ab. Insoweit sind die Deutschlands
andere als die Norwegens mit seinen nur 5 Millionen Einwohnern; außerdem ist
Norwegen auch nicht selbst Mitglied der EU, sondern mit dieser nur assoziiert.
Gleichwohl versteht sich
Norwegen als ein europäisches Land und wird sich auch künftig seiner
Mitverantwortung stellen. Dabei ist eine gut partnerschaftliche Abstimmung in
europäischen Fragen zwischen den Regierungen Deutschlands und Norwegen eine
gute, bewährte Tradition, an der sich ersichtlich auch nichts ändern wird.
In Norwegen liegt die Zahl
der Arbeitslosen unter 3 %. Für die Bundesrepublik, insbesondere die ostdeutschen
Länder, wäre dies ein Idealzustand. Wie gelingt Ihnen eine fast
Vollbeschäftigung, mit welchen Wirtschaftszweigen?
Das Wirtschaftswachstum Norwegens hat gerade
in den letzten beiden Jahrzehnten in manchen Bereichen zu Arbeitskräftemangel
geführt. Ein hohes Einkommensniveau, soziale Stabilität und Sicherheit und
nicht zuletzt angenehme und familienfreundliche Arbeitsbedingungen machen den
Arbeitsmarkt in Norwegen attraktiv. Das gilt für handwerkliche Tätigkeiten vor
allem am Bau. Man sieht das in Oslo und Umgebung auch außerhalb der Ferienzeit
an vielen Fahrzeugen mit Kennzeichen aus z. B. Polen und Ostdeutschland. Aber
auch Ärzte, Ingenieure und vergleichbare Akademiker sind in nennenswerter Zahl
aus Deutschland und anderen europäischen Ländern nach Norwegen gegangen. Es
scheint sich hier ein Kreis zu schließen: gute Wirtschaftskraft führt zu
attraktiven Arbeitsbedingungen, engagierte Mitarbeiter tragen ihrerseits zu
weiterem Wirtschaftswachstum bei.
Wie werden die Sozialschwachen in Norwegen vom
Staat unterstützt?
Norwegen ist wie die Bundesrepublik auch ein sozialer Rechtsstaat.
Selbstverständlich gibt es auch dort gesetzliche Schutzsysteme für soziale
Risiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter. Nicht minder bedeutsam als die
finanziellen Hilfen des Staates ist daneben aber auch, wie die Gesellschaft mit
denjenigen umgeht, die, aus welchen Gründen auch immer, Hilfe und Unterstützung
brauchen. In Norwegen gibt es eine gewachsene und allgegenwärtige Tradition der
gegenseitigen Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Gleichbehandlung aller.
Dies erleichtert vieles.
Gerne wird in diesem Zusammenhang Ihre Frage noch erweitert, die sich
zunächst nur auf die „sozial Schwachen“ richtete. Eine gesellschaftliche
Herausforderung ist das Verhältnis zwischen Familie und Beruf noch weiter zu
verbessern und insbesondere die Rolle von Frauen zu stärken. Das Beispiel
Norwegens zeigt, dass es gesetzlicher Regelungen bedarf, diese aber durch
Akzeptanz und Unterstützung der Gesellschaft flankiert werden müssen.
Was können die Deutschen von
Norwegen im Hinblick auf die Energiepolitik lernen. Welche Energien werden
vorrangig genutzt?
Für Norwegen sind Öl und Gas
seit den ersten Funden in den frühen 1970iger Jahren die wirtschaftlich
eindeutig bedeutendste Energiequelle. Das wird auch noch einige Jahrzehnte so
bleiben, zumal technische Neuerungen sowohl die Suchergebnisse verbessern als
auch die Möglichkeit anschließender Produktion. Norwegen hat sich dabei durch den
Aufbau einer eigenen Industrie eigenständiges Knowhow erworben, so dass
norwegische Unternehmen inzwischen auch weltweit mit der Exploration und
Förderung fossiler Energien am Markt sind.
Historisch weit zurück reicht
die Nutzung der Wasserkraft, für die sich in Norwegen aufgrund der natürlichen
Bedingungen ganz besonders gute Möglichkeiten bieten. Aus den vorhandenen
Kraftwerken deckt sich der norwegische Eigenbedarf an Strom nahezu vollständig.
In dem schon genannten Projekt der „grünen Batterie“ wird sich die Wasserkraft
auch noch weiter wirtschaftlich auswirken.
Das Land der Fjorde gehört zu
den größten Fischerei-Nationen der Welt, was bedeutet hier ein nachhaltiger
Umgang mit den Naturressourcen?
Die Überfischung der Meere ist ein
weltweites Problem. EU-intern gibt es ständig Auseinandersetzungen über die
Höhe der Fischereiquoten, die allesamt über den Empfehlungen der
Fischereibiologen liegen.
Für Norwegen ist der Fischfang seit je her
der bedeutendste Wirtschaftszweiggewesen, bis er von der Energiewirtschaft
abgelöst wurde. Gleichwohl spielt die Fischerei gerade im Norden des Landes
immer noch eine bedeutende wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle. Umso
stärker achten die Norweger auf die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung und
oft hört man den selbstbewussten Satz „wir verwalten unsere Naturressourcen
selbst“. Dies und die Furcht, norwegische Fischgründe auch für Flotten aus der
EU öffnen zu müssen mag eine nicht zu unterschätzende Rolle dafür gespielt
haben, dass die Norweger zwei Referenden über den EU-Beitritt abgelehnt haben.
Zum nachhaltigen Umgang mit Naturressourcen
gehört im Übrigen auch neben dem Fischfang verstärkt Aquakultur zu betreiben.
Hier hat Norwegen Dienstleistungen erbracht und einen bedeutsamen
Wirtschaftsfaktor geschaffen.
Wie bringt sich Norwegen in
die deutsche Kultur ein, bzw. welche großen kulturellen Projekte sind förderwürdig und worauf setzen
Sie dabei den Schwerpunkt?
Norwegen hat eine ganze Reihe bekannter
Künstler hervorgebracht, bei denen Deutschland in der Ausbildung oder beim späteren
Erfolg eine besondere Rolle spielte. Edvard Munk in Berlin, Edvard Grieg in
Leipzig oder Ipsen, der lange Jahre in München gelebt und gewirkt hat, seien
hier als Beispiel genannt. Wir haben hier in Bayern mit Olaf Gulbransson, dem
genialen Zeichner und Illustrator des Simplicissimus, den einzigen norwegischen
Künstler, dem hierzulande am Tegernsee ein eigenes Museum gewidmet ist.
Insoweit ist dieses auch ein idealer Ort, norwegische Kultur im Allgemeinen und
zeitgenössische Künstler aus Norwegen im Besonderen, auch hier in Deutschland
zu präsentieren.
Einen ganz besonders guten „Klang“ hat
zeitgenössischer, moderner Jazz aus Norwegen, mitNamen wie Petter Molvaer, Jan Garbarekund vielen anderen. In München findet
regelmäßig eine Veranstaltungsreihe „The Norway of Jazz“ im renommierten
Jazzclub Unterfahrt statt. Ich selbst als Anhänger dieser Musik gehe gerne
dorthin und freue mich, wenn auf diesem Weg norwegische Kultur bekannt wird.
Für die bundesdeutschen Touristen ist Norwegen ein beliebtes
Touristenziel. Was interessiert umgekehrt die Norweger/innen an der
Bundesrepublik?
Die
Schönheit und der Reichtum der norwegischen Landschaft bietet Norwegern daheim
beste Gelegenheiten für Sport und „Freiluft-Aktivitäten“ zu Hause, so dass sie
dafür nicht eigens nach Deutschland kommen müssen, alpinen Skisport vielleicht
ausgenommen. Dafür bietet Deutschland eine städtische Kultur, die wiederum die
Norweger besonders schätzen. Hier in München ist natürlich das Oktoberfest der
Besuchermagnet schlechthin, nicht zuletzt auch für Gäste aus dem hohen Norden.
Das Interview führten Dr. Dr. Stefan Groß und Gerald A. Hochenberger.
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