Erschienen in Ausgabe: No 87 (05/2013) | Letzte Änderung: 02.05.13 |
von Rainer Westphal
In
Zeiten der Arbeitslosigkeit, Abbau sozialer Leistungen sowie eines neoliberalen
Wirtschaftssystems setzen Diskussionen darüber gewisse theoretische Kenntnisse
voraus. Es dürfte nachvollziehbar sein, dass für den interessierten Laien diese
Kenntnisse in verständlicher Form vermittelt werden sollten. Dieses ist umso
wichtiger, da Politiker und selbsternannte Ökonomen mit
pseudowissenschaftlichen Methoden wirtschaftliche und politische Interessen
bedienen.
Um
das Werk von Adam Smith entsprechend würdigen zu können, bedarf es der
Fähigkeit, sich in die Welt, wie diese sich im 18ten Jahrhundert darstellte,
hineinzuversetzen. Der Stand des Wissens und der bestehenden Verhältnisse kann
selbstverständlich nicht mit der heutigen Zeit verglichen werden. Eine Kritik
bedarf der Berücksichtigung dieser Tatsache.
Unbestätigten
Gerüchten zufolge soll Smith im Alter von 4 Jahren von Zigeunern entführt
worden sein. Das Schicksal, als Zigeuner nicht künftig sein Leben fristen zu
müssen, verdankt er dem Einsatz von Familienmitgliedern, welche ihn befreit
haben. Für die Wahrscheinlichkeit, dass dieses den Tatsachen entspricht, gilt
ein Schreiben an seinen Biographen, in dem er seine Befürchtung mitteilte, dass
er wohl ein schlechter Zigeuner geworden wäre.
Adam
Smith gilt als Vater der Nationalökonomie und ging als solcher in die Geschichte
ein. Er war Schotte und Junggeselle, wurde Professor der Moralphilosophie und
schließlich höchster Zollbeamter von Edinburgh, was seinem Charakter als
Schotte wohl entgegen kam. Die Grundlage für seinen Ruhm bildete sein Werk mit
dem Titel: „Wohlstand der Nationen.“
Der
deutsche „Papst“ der Wirtschaftswissenschaftler, Günter Schmölders, erklärte
einmal, dass die Entwicklung der Nationalökonomie in den letzten zweihundert
Jahren primär durch Adam Smith bestimmt wurde. Auch das so genannte sozialistische
Lager erkannte dieses Werk als ein
Denkmal der Menschheitskultur und der Grundlage an, welche sogar die Quelle des
Marxismus sein sollte. Derartiges ist heutzutage als besonders interessant
anzusehen, da die Vorstellungen von Smith als Kapitalismus extremer Prägung vermittelt
werden, ohne eine entsprechende Interpretation zu erfahren.
Ab
dem 16ten Jahrhundert kam der so genannte „Merkantilismus“ (1) auf. Diese These
galt als die Grundlage für die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Der
Merkantilismus bestand mehr oder weniger aus einem Bündel von Verordnungen mit
dem Ziel, die Finanzkraft des Staates zu steigern. Es herrschte beim
Merkantilismus die Vorstellung, dass der Reichtum einer Nation im Besitz von
Edelmetallen liege. Dies sollte dadurch geschehen, die Ausfuhren von Waren zu
forcieren, und deren Einfuhr, außer natürlich von Rohstoffen, zu verhindern. Export bedeutete für die Merkantilisten,
dass Geld in Form von Gold und Silber ins Land floss.
Interessant für selbsternannte
Rechtsintellektuelle dürfte sein, dass ausgerechnet Smith sich als
entschiedener Gegner des Merkantilismus darstellte.
Smith
vertrat die so genannte „Laissez-faire“-Strategie, welche eine freie
Wirtschaft, was dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgen sollte, zum Ziel
hat. Demnach sollten in einem derartigen Wirtschaftssystem Freiheit und
Notwendigkeit zum Zuge kommen. Die Definition von Freiheit beinhaltete das
Fehlen von Behinderungen, um dann diese in Zusammenhang zu Notwendigkeiten
gebracht zu werden. Nach seiner Auffassung erfolgte bei der Entfaltung die
Regulierung der Preise nach ökonomischen Gesetzen. Smith ging davon aus, wie in
dieser Zeit vorherrschende Moral war, dass jeder Mensch ein natürliches Recht
auf Glückseligkeit oder „von Gott gegeben“, besitzt. Das auf den eigenen
Vorteil bedachte Selbstinteresse nur im Ausnahmefall böse, sonst aber moralisch
korrekt sei, da dieses auf eine Verbesserung des Daseins abzielt. Diesem
Gedankengang unterwarf er seine Ökonomie, und pries den Eigennutz als Antrieb
allen wirtschaftlichen Handelns.
Adam
Smith schrieb: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten
wird das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen
Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an Menschen, sondern an ihre
Eigenliebe.“
Smith
war der Meinung, dass derartige egoistische Aktivitäten das wirtschaftliche
Geschehen beschleunigen würde, was zu einer vom Schöpfer gewollten
„natürlichen“ Ordnung führen solle. Eine derartige Marktwirtschaft sollte von
einer derartigen Ordnung, auch als „unsichtbare Hand“ bezeichnet, beherrscht
werden. Smith stellte u. a. die Behauptung auf, dass der Kaufmann mehr oder
weniger gezwungen sei, das anzubieten, was der Kunde wolle, und dieses besser
zu sein hätte, als das, was die Konkurrenz bietet, um nicht bankrott zu gehen.
Versetzt
man sich nun in die Zeit um 1750, so ist festzustellen, dass Britannien in der
damaligen Zeit immer reicher wurde. Nicht zuletzt durch den Handel und der Ausbeutung
seiner Kolonien. Eine Verteilung dieses Reichtums fand bei Großgrundbesitzern,
und somit zumeist beim Adel, sein Ende. Von den damals 7 Millionen Menschen in
Britannien besaßen die meisten nur das, was sie auf dem Leib hatten, sowie Bett
und Tisch. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug unter 40 Jahre. Zumeist
waren bis zu 1,5 Millionen Menschen arbeitslos, und wurden als „nutzlose Arme“
betrachtet. Es würde zu weit führen, die entsetzliche Armut zu schildern,
welche durch das Einsetzen einer technischen Entwicklung in der
Textilmanufaktur (Manchester-Kapitalismus) noch gesteigert wurde.
Für die Begüterten in
Britannien bestand kein Unterschied zwischen den Begriffen Armut und Arbeit.
Man predigte, dass die Löhne nicht niedrig genug wären, und deshalb dem Laster
und Müßiggang Vorschub leisten würde.
Selbstverständlich war Smith klar, dass die Arbeit die Grundlage für den
Wohlstand bedeutet. Von Smith stammt folgender Satz:
„Keine Gesellschaft kann
ungefährdet blühen und glücklich sein, wenn der weitaus größere Teil ihrer
Mitglieder arm und erbärmlich ist.“
Festzustellen
ist jedoch, dass Smith trotz seines Mitgefühls immer der Auffassung war, dass
Armut und Elend nur deshalb existierten, da das System des Kapitalismus sich
noch nicht zur vollen Blüte entfaltet hätte.
Von
1730 bis 1737 besuchte Smith die Burgh School von Kirkcaldy und danach ein
College in Glasgow. Er studierte Latein, Griechisch, Mathematik und Moralphilosophie.
Die Ökonomie war damals noch ein Teil der Moralphilosophie. Es kann davon
ausgegangen werden, dass Smith vom so genannten „Utilitaristen“ beeinflusst
wurde, deren Vordenker Francis Hutchison (1694 – 1747) in Glasgow lehrte. Die
Utilitaristen gingen davon aus, dass alle Menschen zum Glück streben sollten,
was deren bestmöglicher Zustand sei. Dieses Streben sollte Maßstab für
Beurteilung individuellen Handelns sein.
1740
ging Adam Smith nach Oxford, wo von reaktionären Professoren den Stipendiaten
das Lesen moderner Philosophen verboten wurde. Erst zwanzig Jahre später
erwachte Smith aus der Erstarrung, als ihm das „Traktat“ des Königsberger
Denkgenies Emanuel Kants mit dem Titel „Kritik der reinen Vernunft“ in die
Hände fiel. Als Reaktion seiner Erlebnisse in Oxford fiel Smith in seinem Werk
„Wohlstand der Nationen“ über die Hochschulen, und den dort vorherrschenden
Dogmatismus her.
Bei
seinen häufigen Reisen nach Edinburgh lernte Adam Smith David Hume (1711-1776)
(2) kennen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Smith auch vondiesen entscheidend beeinflusst wurde. Hume
war es, der dem vorherrschenden Merkantilismus widersprach, da dieser zu einer
„passiven“ Zahlungsbilanz, und damit zur Verarmung im Lande führe. Geld, so
Hume, wäre lediglich ein technisches Mittel, das den so genannten
beschwerlichen Tauschhandel überflüssig mache. Er bewies, dass eine
Zahlungsbilanzeine Tendenz zum
Ausgleich habe. Laut Hume solle eine sinkende Geldmenge ein Sinken der Preise
nach sich ziehen. Eine zunehmende Geldmenge der Exportländer solle zu
Preissteigerungen führen. Diese Überlegungen entwickelten sich zum Gesetz vom
internationalen Handel.
1759
veröffentlichte Smith seine „Theorie der ethischen Gefühle“ als moralische
Begründung für den Kapitalismus. Seine Vorstellungen gipfelten in nachstehender
Äußerung:
„Wie selbstsüchtig der
Mensch auch immer eingeschätzt werden mag, so liegen doch offensichtlich
bestimmte Grundveranlagungen in seiner Natur, die ihn am Schicksal anderer
Anteil nehmen lassen.“
An
anderer Stelle äußerte er die idealistische Vorstellung:
„Dass wir oft durch Kummer
anderer Kummer empfinden, ist eine zu offensichtliche Tatsache, als dass es
irgendwelcher Beispiele bedürfte, um dieses zu beweisen.“
Aus
den vorgenannten Aussagen von Smith wird ersichtlich, dass die Ökonomie in der
damaligen Zeit keine eigene Wissenschaft darstellte, sondern lediglich als
Ableger der Moralphilosophie angesehen wurde. Offensichtlich glaubte Smith tatsächlich, dass die Fähigkeit zur
Selbstkritik und das Verlangen nach wechselseitiger Sympathie die egoistischen
und narzisstischen Triebe im Zaum halten würde.
Smith
Theorie machte ihn bekannt, und er genoss eine gewisse Verehrung. Bei opulenten
Gastmalen rechneten Prominente sich als
Ehre an, über Themen wie „Ist die
Sklaverei ein Vorteil für die Freien?“ zu referieren. Zur Schar seiner
Bewunderer gehörte auch ein gewisser Charles Townshend, der später als
Schatzkanzler einen Konflikt herbeiführte, der zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
führte. Er erhob, angeblich auf Empfehlung von Smith, eine Teesteuer für die
Kolonien. Die Reaktionen der amerikanischen Siedler waren eindeutig, und wurden
unter dem Synonym „Tea-party“ bekannt. Townshend hatte einen Stiefsohn, und bot
Smith, gegen ein entsprechendes Salär, eine Altersversorgung an, Begleiter
dieses Sohnes zu sein. Smith akzeptierte dieses Angebot, und trat mit
Townshends Sohn als erstes eine Reise nach Frankreich an.
Es
existiert ein lesenswertes Buch mit dem Titel "Adam Smiths Reise nach
Frankreich" (Die Andere Bibliothek 2012), in dem die Erlebnisse
festgehalten wurden. Während dieser Reise erfolgte ein Abstecher nach Genf, wo
Smith mit Voltair zusammentraf. Es wird angenommen, dass er aufgrund dieser
Gespräche seine „Briefe über die Engländer“ verfasste, in denen er das
Bürgertum in England lobte, da dieses bereits dort einen Teil der Macht erobert
habe.
Während
dieser Zeit freundete sich Smith auch mit dem Staatsmann und Ökonom Turgot (1727-1781)
an, der später unter Ludwig XVI versuchte, die zerrütteten Staatsfinanzen zu
sanieren. Turgot gilt u. a. als Begründer der Theorie, dass der Preis einer
Ware nicht von der Arbeit, sondern vom Bedürfnis bestimmt wird.
Als
besonders wertvoll wird für Smith die Bekanntschaft mit dem Physiokraten
Francois Quesnay angesehen. Quesnay, angeregt vom Blutkreislauf bei Menschen,
kam der Arzt auf die Idee, dass die Wirtschaft im „dreiklassigen Volkskörper“
(Landwirte, Grundbesitzer, Händler und Gewerbetreibende) ähnlich funktionieren
würde. Bei aller berechtigter Kritik an derartigen Vorstellungen kann als
Verdienst von Quesnay angesehen werden, dass er die ökonomischen Aktivitäten
eines Volkes in einer „gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise“ zu erfassen
versuchte. Nach Ansicht der Physiokraten war allerdings zur damaligen Zeit die
Agrarwirtschaft die alleinige Quelle des Reichtums.
Auch
in der heutigen Zeit versucht man in der BRD eine „gesamtwirtschaftliche
Betrachtungsweise“ durch einen Sachverständigenrat. Allerdings bezeichnet man
heutzutage derartige Bemühungen, neudeutsch ausgedrückt, als In- und Output-Analyse.
Es war Wassily Leontief, welcher die
Theorie von Quesnay wiederbelebte, und1973
den Nobelpreis für diese Pionierarbeit auf diesem Sektor erhielt.
1766
kehrte Smith nach England zurück. Entgegen der Beschwörungen von David Hume zog
er nach Kirkcaldy zu seiner Mutter, und nicht nach Edinburgh. Während seines
siebenjährigen Aufenthalts schrieb er sein, bereits erwähntes Werk, „Wohlstand
der Nationen“. Dieses Werk trug ihm den Ruf ein, er sei „der Vater der
klassischen Nationalökonomie“.Der
Ökonom Joseph Schumpeter (3) beurteilte das Werk dahingehend, dass es keine
neuen Ideen enthalten würde, sondern lediglich die Zusammenfassung des
damaligen ökonomischen Wissens. Es trifft
demnach nicht zu, dass Adam Smith seiner Zeit vorausgeeilt sei.
Nach
Adam Smith kapitalistischer Denkweise sind die Produktionsfaktoren in Arbeit,
Kapital und Boden gleichrangig einzuteilen, und bilden zusammenden Wert der Ware. Beim Vater der
Nationalökonomie liest sich dieses aber so, als ob die Arbeiter den Wert einer
Ware allein schaffen würden, und ihnen Profit und Bodenrente vom Lohn abgezogen
würde. Smith unterstellt den Kapitalisten, dass diese überhaupt nicht arbeiten
würden. Die Frage, wer die Werte eigentlich produziere, spaltete seit dem die
Menschheit. Linke Ökonomen vereinnahmten Smith für sich, da dieser, laut
Ansicht dieser in die Nähe eines Begriffs gekommen ist, der in Karl Marx Werk
einen hohen Stellenwert hatte: der Ausbeutung des Arbeiters durch den
Kapitalisten. Schumpeter äußerte hierzu,
dass Smith derartiges nur angedeutet habe.
Smith
glaubt u. a., dass die Ware, wenn sie denn einen Markt erreichte, ein neuer
Marktpreis, der natürliche, entstehen würde. Der Schotte war der Meinung, dass
die schwankenden Preise einem natürlichen Preis aufgrund ökonomischer Gesetze,
einer gleich einer „unsichtbaren Hand“ zusteuern würde. Dieses sollte bei einer
freien Marktwirtschaft, ähnlich wie physikalische Gesetze, funktionieren. Er
war der Meinung, dass die Ökonomie dem Rang einer exakten Naturwissenschaft
beizumessen wäre. Er ging davon aus, dass die Produktionsmengen sich
mittelfristig an der Nachfrage orientieren müssten, da das Profitinteresse über
diese Schiene dann befriedigt werden würde. Hieraus leitete er die These ab,
dass der Markt sich selbst reguliere, und lehnte deshalb jegliche Eingriffe des
Staates ab. Nach seiner Ansicht sei der Staat lediglich dafür zuständig, das
Land gegen gewaltsame Übergriffe von außen zu schützen. Darüber hinaus solle
dieser die Gerechtigkeit oder Unterdrückung von Mitbürgern mittels eines
Justizwesens darstellen. Der Staat dürfe nur öffentlich Anstalten betreiben, wenn
diese von Kapitalisten nicht betrieben werden können, da der Gewinn nicht die
Kosten deckt.
1778
wurde Adam Smith oberster Zollbeamter in England, obwohl er theoretisch gegen
die Erhebung von Zöllen war, weil diese den Wettbewerb verhinderten. Als
Zollchef kontrollierte er nicht nur die Einnahmen, sondern war auch
Befehlshaber von Soldaten, welche Schmugglern das Handwerk zu legen hatten.
Diese Aufgabe machte für ihn einen Umzug nach Edinburgh notwendig. Sein Ruhm
wuchs während dieser Zeit, zumal William Pitt der Jüngere, 1783 Premierminister
wurde. Dieser war als ein Verehrer seines Werkes bekannt. Ab 1778 wohnte Smith
allein in seinem Haus. Als er sein Ende kommen sah, verbrannte er alle
Manuskripte, welche aus seiner Sicht nicht zur Veröffentlichung geeignet waren.
1790 verstarb Adam Smith im Alter von 68 Jahren.
Wenn
die Nationalökonomie einen Begründer hat, dann ist es Adam Smith. In diesem
einen, vielleicht sogar einzigen Punkt, sind
sich heutzutage die Ökonomen einig. Keynes
Behauptung, kein wirtschaftswissenschaftliches Konzept sei jemals tot, kann in
diesem Zusammenhang demnach als bewiesen gelten.
Smith`
These vom Nutzen des individuellen Eigeninteresses interpretierte er weiter-
gehend dahingehend, dass aus vielen Einzelinteressen ein funktionierendes
Ganzes entstehen würde, gleichsam einer unsichtbaren Hand. Er erklärte, dass
diese „Hand“ immer noch besser sei, als die räuberische Staatsklaue. Dieses Eigeninteresse wird heutzutage in ökonomischen
Publikationen vornehm als „aufgeklärtes Eigeninteresse“ formuliert.
Des
weiteren beschrieb Smith die Vorteile einer Arbeitsteilung am Modell des Herstellungsprozesses
von Stecknadeln. Er argumentierte, dass es von der Größe des Absatzmarktes
abhängig sei, wie sich eine Arbeitsteilung darstelle. Deshalb lehnte er alle
Handelsbeschränkungen ab, und plädierte für größtmögliche Freiheit im
nationalen und internationalen Güteraustausch. Der Freihandel vergrößere die
Freiheit des Einzelnen bei der Verfolgung des Einzelinteresses und somit,
sozial gesehen, zum günstigsten Ergebnis.
Diejenigen,
welche die Sprache von Smith sprechen, machen den Staat als die Bedrohung der
beschriebenen „Freiheit“ aus, da er Steuern erhebe, Monopole gewähre und Zölle
erhebe. Dass dieses ein Irrglaube ist, wusste Smith nur zu gut. Er hatte
erkannt, dass es die Geschäftsleute selbst sind. Die Beziehungen der Vertreter
einer gleichen Branche beschränken sich im Wesentlichen darauf, Komplotte gegen
die Öffentlichkeit zu schmieden, um Preiserhöhungen durchzusetzen. Außerdem war
Smith ein ausgesprochener Gegner von Aktiengesellschaften. Der Grund dafür wird
von ihm darin gesehen, dass die Direktoren oder Vorstandsmitglieder das Geld
anderer verwalten, und man deshalb nicht mit der gleichen Sorgfalt umgehen würde,
wie in privaten Handelsgesellschaften. Diese Direktoren oder Vorstandsmitglieder
würden sich lediglich für ihre Dividenden interessieren.
Es
dürfte jedoch unverkennbar sein, dass es, keine, wie Smith zu vermitteln versuchte,
ökonomische Zwangsläufigkeiten gibt. Smith` Theorie einer unsichtbaren Hand wird
heute dahingehend ironisch umschrieben, dass wohl eine „göttliche Hand“ für
unangenehme Folgen ökonomischer Fehlhandlungen herhalten muss.
Als
unverständlich mag es heute erscheinen, dass Smith praktisch einen geradezu
egoistischen Ansatz für den Wohlstand der Nationen beanspruchte. Missbräuche
und soziale Verwerfungen, die zu einer derartigen Einstellung führen können,
tat er offensichtlich mit dem moralischen Glauben an das Gute im Menschen ab.
Offen- sichtlich bildete die Grundlage seiner Überlegungen, dass der Wohlstand
sich automatisch auf alle Schichten der Bevölkerung niederschlagen müsse. Die
Möglichkeit einer missbräuchlichen Nutzung wirtschaftlicher Macht hielt er
offensichtlich für zweitrangig, und unterstellte lediglich dem Staat oder der Regierung
eines Landes, gravierende schädliche Eingriffe vorzunehmen, die zu negativen
ökonomischen Auswirkungen führen.
Dieses
Denken mag daraus resultieren, da man um das Jahr 1750 ein anderes Verhältnis
zur Arbeit als solches hatte, was deren Wertschätzung betraf. In diesem
Zusammenhang sei erwähnt, dass Smith ein Gegner des Merkantilismus war, da er
die negativen Folgen aufgrund seiner Erfahrungen klar erkannte. Es sei jedoch
erlaubt, darauf hinzuweisen, dass in dieser Zeit ein blühender Sklavenhandel
existierte, und notwendige schwere körperliche Arbeit diesen, und abhängig
Beschäftigten, überlassen wurde. Man hielt es nicht für nötig oder für
angemessen, derartige Arbeiten entsprechend zu honorieren, um eine Verarmung
oder Verelendung dieser Bevölkerungsschichten zu vermeiden. An eine gerechtere
Umverteilung der Vermögenswerte wurde in keiner Weise gedacht, obwohl Smith den Menschen als solches das Recht des
Strebens nach Glück zubilligte. Des weiteren ist festzustellen, dass im 18ten
Jahrhundert keiner die Konzentration des Kapitals in Konzernen und Aktiengesellschaften
und sonstigen Kapitalgesellschaften voraussehen konnte, welche zu Monopolen und
Oligopolen im erheblichen Umfang führte, und somit eine Selbstregulierung auf
den Märkten zumeist unmöglich macht.Die
Share-Holder-Ideologie führt u. a. dazu, dass der Egoismus der
Kapitalgesellschaften lediglich auf die Schaffung von Dividenden und auf die
Erzielung von Kursgewinnen ausgerichtet ist. Diese Dividenden werden an Kapitalgeber
ausgezahlt. Keineswegs wird beispielsweise ein Konzern mehr produzieren, wenn
dadurch die Preise der Produkte sinken. Viel interessanter erscheint es dann,
über die Senkung der Kosten die Rendite zu erhöhen. Die Liste kapitalistischer
Handlungsweisen, welche die so genannten Märkte unterlaufen, ließe sich
beliebig erweitern.
Als
Vordenker des Neoliberalismus gelten Milton Friedman (4) und Friedrich August
von Hayek, welche die Thesen von Adam Smith wieder aufgriffen, und die„Selbstheilungskräfte“ und die „unsichtbare
Hand“ wieder propagierten. Beide erhielten für ihre theoretischen Arbeiten den
Nobelpreis. Insbesondere Milton Friedman vertrat die These vom so genannten
Nachtwächterstaat, der sich aus dem wirtschaftlichen Geschehen herauszuhalten
habe. Er redete der totalen Privatisierung das Wort, was zu geradezu grotesken
Handlungen führte. Ronald Reagan machte sich die Thesen von Milton Friedman zu Nutze,
um eine radikale Umverteilung von unten nach oben umzusetzen. Als besonders
fanatische Anhänger Adam Smith gilt die „Tea-Party“ in den USA, welche die „unsichtbare
Hand“, und das egoistische Besitzstreben mit religiösen Thesen untermauern.
Die
Neoliberalen behaupten, dass staatliche Mehrausgaben keinen Einfluss auf die
Konjunktur nehmen, dass der Multiplikatoreffekt eine Legende, und der Wohlstand
der Nachkriegszeit allein auf die Liberalisierung der Weltwirtschaft
zurückzuführen sei. Die Neoklassiker schwören jeder aktiven staatlichen
Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik ab, und setzen auf die
Selbstheilungskräfte des Marktes, die – auf lange Sicht – stark genug seien,
eine Volkswirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu rücken.
Es
kann festgestellt werden, dass der Neoliberalismus als gescheitert anzusehen
ist, und die Bewältigung der entstandenen Probleme und Verwerfungen noch einige
Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Es bleibt zu hoffen, dass gewisse Kreise
erkennen, dass die Theorien von Adam Smith aus dem 18ten Jahrhundert stammen. In
einer Zeit, als sich Menschen die Freiheit nahmen, die Freiheit anderer
Menschen nicht nur einzuschränken, sondern zu beseitigen. Auch wäre es
erstrebenswert, dass der Begriff „marktkonforme Demokratie“ aus dem Vokabular
selbsternannter Ökonomen endgültig verschwindet, und eine Missachtung von
Arbeit künftig unterbleibt (5).
(1)http://www.youtube.com/watch?v=8qnVDfGdFs4
(2) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3372/
(3) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3058/
(4) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3021/
(5) http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_3928/
Literaturhinweise:
Paul-Heinz
Koesters: Ökonomen verändern die Welt
Adam Smith: Der
Wohlstand der Nationen
Adam Smith: Theorie
der ethischen Gefühle
John Kenneth
Galbraith: Die Tyrannei der Umstände
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