Erschienen in Ausgabe: No 87 (05/2013) | Letzte Änderung: 08.05.13 |
von Susanne Weiß
Die homosexuelle Feministin und Philosophin Judith Butler strebt dem
Poststrukturalismus (und auch Konstruktivismus) zu, welcher die Kontingenz des
gesellschaftlichen Zustandekommens hervorhebt und betont, dass Sprache mittels
kontingenter Kategorien die Realität konstruiert und damit das binäre
Geschlechterdenken erst konstituiert. Butler nimmt primär innerhalb ihres Werkes
,,Das Unbehagen der Geschlechter“ (,,gender trouble“ aus dem Jahr 1990) und der
darin zum Vorschein kommenden feministischen Theorie vor allem Bezug auf die
Autoren Althusser, Deriddas und Foucault. Ohne die Diskursproblematik Foucaults
verstanden und durchdrungen zu haben, ist Butlers Vorhaben einer resoluten Dekonstruktion
der Geschlechter kaum möglich. Foucault veranschaulicht – primär innerhalb
seiner Werke ,,Die Ordnung der Dinge“ oder ,,Dispositive der Macht“ – nach
welchen Ordnungsmustern Diskurse bzw. diskursive Strömungen zustande kommen,
welche Strukturen sie aufweisen und anhand welcher Kontroll- und
Verknappungsprozeduren und Machtmechanismen (innerer und äußerer
Diskurskontrolle) sich ihre Aufrechterhaltung, ihre Weitertragung und ihre
Transformation vollziehen (vgl. Ruolff. 2007: 28ff.). Foucault legt die
historischen Apriori und die Episteme (die das Denken, das Sein und das Handeln
der Menschen bestimmte Wissensordnung) jeweiliger Epoche frei und trägt damit –
innerhalb seiner Diskursanalyse – zur Ent- bzw. Aufschlüsselung herrschender
Diskurse bei (vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 283ff.). Wissen kommt nämlich
nicht als rationaler Denkprozess zustande, sondern ist vielmehr als Ergebnis
kontingenter, politisch durchdrungener Machtstrukturen innerhalb diskursiver
Herrschaftsstrukturen zu bezeichnen. Butler bezieht sich innerhalb ihres
Vorhabens der völligen Dekonstruktion der Geschlechter ebenfalls stark auf die
klassischen Feministinnen Luce Irigaray und Simone de Beauvoir, von welcher der
Ausspruch: ,,Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird zu einer gemacht“
stammt (vgl. Butler. 1997: 9ff.). Die Frauen, als geschlechtlich bestimmte
Subjekte, sind nicht als das grundauf benachteiligte Geschlecht zu bezeichnen,
sondern werden erst durch herrschende Macht- und Herrschaftsstrukturen
hervorgebracht bzw. produziert. Damit ist ,,Frau-Sein“ kein von Gott gegebenes
Schicksal, sondern eine gesellschaftlich konstruierte Problematik (vgl. ebd.:
17ff.).
Während
klassische Feministinnen, wie Irigaray oder Beauvoir, für verbesserte Frauenrechte,
eine gesellschaftliche Besserstellung von Frauen im Allgemeinen und die
Einebnung der Zwangsheteronormativität kämpfen – die Geschlechtereinteilung auf
Basis von Zweigeschlechtlichkeit damit jedoch beibehaltend – setzt sich Butler
dagegen für eine komplette Dekonstruierung von Geschlecht ein (vgl. Butler.
1991: 15ff.). Butlers Absicht ist es, auch wenn sie von der Frau als Subjekt,
sprich von, dem Männlichen unterworfenen und unterlegenen, Geschlecht, spricht,
keinesfalls die heute gebräuchlichen und existenten Geschlechterkategorien
,,Mann“ und ,,Frau“ abschaffen. Sie möchte als homosexuelle Feministin
lediglich zu bedenken geben, dass die als natürlich wahrgenommene Geschlechter-Einkategorisierung
und das damit verbundene binäre Denkmuster der geschlechtlichen Gegensätze von
,,weiblich“ und ,,männlich“ auf Kontingenz basieren und nicht als ,,natürlich“
bzw. ,,normal“ wahrgenommen werden können. Die, von den Menschen selbst per
Sprache vorgenommene, Geschlechtergliederung- und trennung basiert auf, von
Macht und Herrschaft durchdrungenen, Diskursen und ist nicht notwendigerweise
derart entstanden, wir diese heute als natürlich aufgefasst wird, sondern hätte
auch völlig anders entstanden sein können. Butler betont, dass der gängige
herrschende Geschlechterdiskurs und die Produktion und Reproduktion der
Geschlechtereinteilung – auf Basis von Zweigeschlechtlichkeit – die
heterosexuelle Matrix aufrechterhält. Hierdurch unterliegen die Geschlechter
nach wie vor der Heteronormativität und das, was nicht in den gängigen
Geschlechterdiskurs passt, fällt als ,,unnatürlich“ heraus bzw. wird
ausgeschlossen. Es existiert somit weder ein natürliches biologisches
Geschlecht ,,sex“, noch ein natürliches gesellschaftliches Geschlecht
,,gender“. Die Geschlechtsidentität folgt nicht automatisch aus der
biologischen Geschlechtlichkeit, sondern basiert vielmehr auf einer
kulturellen, von Diskursen durchdrungenen, Konstruktionsleistung der Menschen
selbst. Nach Butler müssten daher sämtliche weiteren möglichen
Geschlechterkategorien (Homosexualität, Heterosexualität, Transsexualität,
Intersexualität etc.) mitgedacht und in den gängigen Geschlechterdiskurs der
heterosexuellen Matrix integriert werden.
Butler
versucht, genauso wie Giddens und Bourdieu[1], in
Bezug auf das Zustandekommen der Geschlechter-Einkategorisierung die beiden
konträren Positionen des Subjektivismus‘ und des Objektivismus‘ – sprich die Handlungs-
und die Strukturebene – miteinander zu verbinden (vgl. Bohn/Hahn. 2003:
252ff.). Erwähnenswert ist überdies, dass sowohl Butler als auch der Systemtheoretiker
Luhmann sich beide mit dem Thema Kommunikation beschäftigen. Während sich
Butler dafür interessiert, wo die äußere Grenze von Diskursen verläuft und
anhand welcher Machtmechanismen (äußerer und innerer Diskurskontrolle) diese
Grenze gezogen und aufrechterhalten wird, beschäftigt sich Luhmann mit dem
inneren Funktionieren sozialer Systeme (vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007:
173ff.).
Literaturverzeichnis
Bohn, Cornelia/Hahn, Alois. (2003): Pierre
Bourdieu. In: Kaesler, Dirk. (Hg.).
2003: Klassiker der
Soziologie 2. Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu.
München: C.H. Beck Verlag.
Butler, Judith. 7. Auflage. (1997): Körper von Gewicht. Die
diskursiven Grenzen
des Geschlechts. Frankfurt:
Suhrkamp Verlag, S. 9 – 40.
Butler, Judith. (1991): Das Unbehagen der Geschlechter.
Frankfurt am Main: Suhrkamp
Verlag, S. 15 – 62.
Rosa/Strecker/Kottmann. (2007): Soziologische Theorien. 4.4
Individualisierung.
Der Tod des Subjekts – Michel
Foucault. Konstanz: UVK Verlag. S. 275 – 293.
Ruolff, Michael. (2007): Foucault –
Lexikon. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag.
[1]
Anzumerken sei an dieser Stelle, dass Giddens das Verbinden von Subjektivismus
und Objektivismus innerhalb seiner Strukturationstheorie, Bourdieu innerhalb
seines praxeologischen Ansatzes gelingt.
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