Erschienen in Ausgabe: No 88 (06/2013) | Letzte Änderung: 25.05.13 |
von Akira Mizutani
Ein Krieg der Bilder,
wie man ihn aus Zeiten des „Kalten Krieges“ kannte, überflutet täglich
sämtliche Medien, vom Internet bis zum Fernsehen. Die Drohgebärden aus
Nordkorea und die Möglichkeit eines Militärschlages sind brandaktuell. Wie
ernst sehen Sie die Bedrohung von Nordkorea seitens des jungen Diktators Kim,
der ein Mann der Widersprüche ist und sich im globalen Spiel der Macht
inszeniert? Wie schätzen Sie die politische Lage in der Region insgesamt ein?
Die Situation ist sehr ernst, aber Kim Jong-un möchte dieses
Theater inszenieren, damit er innenpolitisch seinen Machterhalt sichern kann.
Für dieses Spektakel ist der Zeitpunkt gerade sehr günstig, da die USA und
Südkorea im April ihre jährlichen militärischen Übungen durchgeführt haben. Kim
und sein Regime beabsichtigen vielleicht, ihren Landsleuten zu vermitteln, dassdie entschlossene Haltung ihres großen
Führers die bösen Amerikaner und Südkoreaner vertrieben hat.
In Tokio wurden im
April Patriot-Raketen stationiert, wie kann sich Japan im Ernstfall schützen?
Natürlich haben wir bereits einige Abfangraketen
aufgestellt. Juristisch haben wir auch zwei
Gesetze, damit wir auf den Ernstfall richtig
reagieren können. Zum einen das Gesetz zur Sicherung der Unversehrtheit
Japans und seiner Bevölkerung im Falle eines bewaffneten Angriffs. Wir haben
auch das Gesetz für sicherheitsgefährdende Umstände in den um Japan liegenden
Gebieten, damit wir die Aktivitäten unserer Verbündeten unterstützen können.
Haben Sie Angst, dass
sich andere Regime wie beispielsweise der Iran mit Präsident Ahmadinedschad
durch die Drohungen von Nordkorea in ihrer Politik bestätigt finden könnten?
Seit langem droht Irans Präsident mit Vergeltung!
Ja und Nein. Auf einer Seite haben wir Bedenken, weil
Nordkorea so unberechenbar ist. Auf der anderen Seite sind uns die Drohgebärden
schon seit vielen Jahren bekannt. Zudem glauben wir, dass Nordkorea mit seinen
Machtgebärden eine gewisse Stärke nach Innen demonstrieren will.
Das Problem vom Iran ist sehr ernst, aber gleichzeitig
möchte ich darauf hinweisen, dass die Bürger in Europa nicht so empfindlich
gegenüber Nordkorea sind wie gegenüber dem Iran. Viele Deutsche wissen
vielleicht nicht, dass mindestens 17 Japaner in den 70er und 80er Jahren vom
nordkoreanischen Geheimdienst aus Japan verschleppt wurden. Die Opferzahl
könnte noch viel höher sein. Zwar hat sich der damalige Diktator Kim Jong Il entschuldigt
und die „Erklärung von Pjongjang zwischen Japan und Nordkorea“ kam zustande.Dieses Dokument bildet die Grundlage der
japanischen-norkoreanischen Beziehungen. Leider kam es danach zu mehreren Atombombentests
und zu Abschüssen von Raketen. Wir waren nicht in der Lage, die Verhandlungen weiterzuführen.
Um diesen Stillstand zu durchbrechen, sollte die internationale Gemeinschaft
mit einer Stimme sprechen.
Sie betonten, daß es
unterschiedliche sicherheitspolitische Voraussetzungen zwischen Europa und
Asien gibt, was haben wir darunter zu verstehen?
Die Struktur der Ost-West-Konfrontation bleibt leider in
Fernost immer noch weiter bestehen. Im deutlichen Gegensatz zu den umfassenden Bündnissystemen
in Europa existieren in Asien verschiedene bilaterale Beziehungen. In Asien
übernehmen die USA die Funktion einer „Radnabe“; bilaterale
Sicherheitsbündnisse zwischen den USA und Japan bzw. Südkorea bilden jeweils
die „Speichen“. Hier gibt es leider Spielräume, in denen sogenannte
„Schurkenstaaten“ ihr Unwesen treiben könnten. In Asien befinden sich übrigens vielfältige
Staatenmit unterschiedlichen Religionen,
gesellschaftlichen Systemen und Entwicklungsniveaus von Demokratie. Japan ist
die älteste Demokratie Asiens und wir versuchen seit vielen Jahren zwischen
diesen Ländern gegenseitiges Vertrauen herzustellen.
Immer wieder kam es
zu Entführungen von japanischen Staatsbürgern durch das nordkoreanische Regime,
was steckte dahinter?
Nordkorea wollte viele seiner Agenten nach Japan
einschleusen, damit sie geheimdienstliche Tätigkeiten beispielsweise auf dem
Gebiet der Hochtechnologie durchführen konnten. Die japanische Sprache zu
beherrschen ist auch ein Ziel. Entscheidend war dabei, dass sich die Nordkoreaner
an die japanischen Gewohnheiten, die sich von denen der Koreaner sehr
unterscheiden, anpassen konnten. Sie brauchten die verschleppten Japaner aus
verschiedenen Schichten und Altersgruppen als „Lehrer“ dafür.
Wie gestalten sich
die Beziehungen zwischen Japan und der Volksrepublik China?
Die Beziehungen sind uns sehr wichtig und wir sind an einer
guten Partnerschaft interessiert. Aberder gewaltsame Aufruhr im Namen des Patriotismus, 2012, den die
kommunistische Regierung unterstützte, ist nicht zu akzeptieren.
Die vielzitierten Streitigkeiten um die Senkaku-Inseln
zwischen Japan und China lassen sich anhand vier Schlüsselbegriffe näher
erläutern. 1. Niemandsland, 2. Ölvorkommen, 3. Verbot des widersprüchlichen
Verhaltens, 4. obligatorische Gerichtsbarkeit.
1. Die Senkaku-Inseln gehören seit 1895 ununterbrochen zum
japanischen Territorium. Zuvor ließ die damalige japanische Regierung 10 Jahre
lang gründlich untersuchen, ob die Inseln einem fremden Staat angehören
könnten. Nachdem es feststand, dass die Inseln „Niemandsland (terra nullius)“
waren, hat das japanische Kabinett beschlossen, die Inseln einzugliedern; ein
völkerrechtlich völlig normales Vorgehen. 2. Die UNO hat 1969 festgestellt, dass
es unter dem Meeresboden um die Inseln Öl gibt. Daraufhin hatten China und
Taiwan für diese Gebiete Hoheitsansprüche angemeldet. Früher gab es keine
Anspruchsmeldung. 3. Beim „Verbot des widersprüchlichen Verhaltens“ geht es
darum, dass man mit seinem Verhalten nicht seinen eigenen früheren Worten oder
Vorgehen widersprechen sollte. Dass China gegen dieses Prinzip verstößt, dafür gibt
es viele Beweise. Es gibt ältere Karten oder Zeitungsartikeln aus China, die
belegen, dass China selbst früher davon ausging, dass die Senkaku-Inseln Teil
von Japan sind. 4. Japan hat die sogenannte „obligatorische Gerichtsbarkeit“
bei Verhandlungen im Internationalen Gerichtshof akzeptiert. D.h., wenn Japan
dort angeklagt wird, wird Japan automatisch in ein Gerichtsverfahren
einwilligen, vorausgesetzt, wenn die Gegenpartei auch die obligatorische
Gerichtsbarkeit akzeptiert. China hat sich aber schon immer solch einer
obligatorischen Gerichtsbarkeit widersetzt. China sollte die Angelegenheit vor
den Internationalen Gerichtshof bringen, statt mit Gewalt seinen Willen
durchzusetzen versuchen, wenn es von seiner Sache so sicher ist.
Vor zwei Jahren
erschütterte eine Erdbebenkatastrophe Ihr Land, der Fall Fukushima hat nicht
nur in der Bundesrepublik für ein Umdenken in Sachen Atompolitik geführt. Wie
gestaltet sich der Wiederaufbau der betroffenen Regionen und auf welche
Energien setzt Japan verstärkt in der Zukunft?
Die Infrastruktur ist bereits zu 90 Prozent wieder
hergestellt, aber erst 30 Prozent der zerstörten Wohnhäuser. Viele Menschen
leben nach wie vor in Übergangsunterkünften. Dem Prozeß des Wiederaufbaus wird
oberste Priorität zugemessen, insgesamt25 Bill. Yen sollen dafür bereitgestellt
werden. Mit den vom Tsunami wegbespülten Städten und Dörfern auf die Anhöhen
auszuweichen und sie dort wieder aufzubauen, sind große Herausforderungen. Wir
beschleunigen aber die Bewältigung dieser Aufgaben und versuchen, ganz neue
Stadtformen, zukunftsorientierte Städte zu gestalten.
Was die Zukunft der Energien betrifft, setzt Japan in der Zukunft
auf einen Energiemix. 1. Sparen, 2. den Effizienzgrad erhöhen und 3. neue
Bezugsquellen zu finden (zum Beispiel: Methan-Hydrat, geothermische- oder Gezeitenengergie).
Im gegenwärtigen Zustand decken die einheimischen Energiequellen nur 4 Prozent
des Energiebedarfs in Japan.Der Betrieb
mit fossilen Brennstoffen kostet viel Geld und der CO2-Ausstoss ist sehr hoch.
Um diese Probleme zu beseitigen, ist es notwendig, die AKWs, unter verschärften
Bedingungen, wieder anzufahren. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien in
Zukunft wollen wir die Abhängigkeit von der Nuklearenergie so weit wie möglich
reduzieren. Laut einer Umfrage wollen ca. 70 Prozent der Japaner entweder aus
der Kernkraft aussteigen oder die Abhängigkeit davon reduzieren. Aber die
Japaner wissen auch, dass der Ausstieg nicht so schnell wie in Deutschland möglich
ist. Wir wollen deshalb gründlich diskutieren und danach über den besten
Energiemix entscheiden.
US-Starinvestor Soros
hatte unlängst Europa vor einer weiteren Finanzkrise gewarnt. Wie Soros betonte
geht die EZB einen Weg, der einst schon Japan zum Verhängnis geworden sei. Nun
erklärt er Japans neue Geldpolitik gegenüber CNBC für „eine Sensation“. Die Bank von Japan hatte Anfang April bekannt gegeben,
Milliarden an frischem Geld in die Ökonomie zu pumpen. Gelddruck um die
Wirtschaft zu stimulieren, ist das das neue Erfolgsrezept?
Japans Regierung setzt diesbezügliche auf eine drei-Pfeiler-Strategie.
Wir setzen 1. auf eine expansive Geldpolitik, 2. auf eine flexible
Finanzpolitik und 3. auf eine investitionsfreundliche Wachstumsstrategie. Das
Ziel liegt darin, die japanische Wirtschaft aus einer lang anhaltenden Phase
der Deflation herauszuholen. Die Zentralbanken von Großbritannien, Amerika und der
EU (EZB) unterstützen unsere Position. Wir alle wissen aber, dass diese
Geldpolitik nicht allein hilft. Der wichtigste Punkt ist Punkt 3, die
Bemühungen um die investitionsfreundliche Wachstumsstrategie. Wir legen hohen
Wert auf z.B. die Deregulierung oder die Förderung der Hochtechnologie. Japan
und Deutschland sind einerseits Konkurrenten, andererseits wird ihre weitere
Zusammenarbeit in diesen Bereichen sicherlich neue Marktnischen oder Geschäftschancen
erschließen.
Japan bewirbt sich
für die Olympischen Spiele 2020, wie ist das Land gerüstet? Was versprechen Sie
sich von dieser Bewerbung?
Die Olympischen Spiele haben 1964 in Tokyo stattgefunden.
Wir garantieren bei der Bewerbung Tokyos für 2020 Sportstätten auf höchstem
qualitativem Niveau mit bestmöglichen Serviceleistungen. Wir wollen die
Weltgemeinschaft zu einer großen Feier einladen, die auch die Jugend der Welt
inspiriert. Wir wollen die olympischen Spiele zur zukunftstorientiertesten Stadt
der Welt holen, wo die Olympiade schon einmal sehr erfolgreich stattfinden
konnte.
Nach dem großen Erdbeben vor 2 Jahren haben wir intensiv erfahren,
was Sport bewirken kann. Auch deshalb ist das Symbol der Olympischen Spiele Tokyo
2020 ein fünffarbiger Blumenkranz, der Samsara symbolisiert, den Kreislauf von
Werden und Vergehen. Mit den Olympischen Spiele wollen wir nämlich einerseits den
„Rückkehr“ nach Tokyo nach 1964, andererseits die „Wiedergeburt“ nach dem
großen Erdbeben vor 2 Jahren symbolisch feiern. Beim Beben hatten wir unsere
Widerstandskraft und Entschlossenheit gezeigt. Im selben Sinne wollen wir ein
Signal des Mutes in die Welt und besonders an die jungen Generationen senden. Damit
zeigen wir gleichzeitig unsere Dankbarkeit für die Unterstützung aus aller
Welt.
Herzlichen Dank für das Gespräch, das Dr. Dr. Stefan Groß und Gerald A. Hochenberger führten. Herzlicher Dank auch an den stellvertretenden Generalkonsul Shinsuke Toda.
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