Erschienen in Ausgabe: No 89 (07/2013) | Letzte Änderung: 20.06.13 |
von Anna Zanco-Prestel
Das 200. Wagner-Jubiläum in diesem Jahr zwingt beinahe dazu,
auch jene Weggefährten des großen sächsischen Komponisten wieder zu entdecken,
die einen wesentlichen Beitrag zur Akzeptanz und Verbreitung seiner
revolutionären Musik und seiner bahnbrechenden Idee des Gesamtkunstwerks
geleistet haben.
Hermann Levi (1839-1900)
Einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird eine der
herausragendsten Persönlichkeiten der deutschen Kulturwelt um die vorausgegangene
Jahrhundertwende: der Komponist und Orchesterdirigent Hermann Levi. Nach
München wurde der als Sohn des Hessischen Landesrabbiners Dr. Benedikt Levi in
Gießen geborene Musiker von König Ludwig II. an das Hof- und Nationaltheater
berufen, wo er unangefochten 24 Jahre als Generalmusikdirektor wirkte.
Dutzfreund vom jungen Johannes Brahms und Clara Schumann förderte Levi
tatkräftig Größen wie Schumann, Tschaikowski, Verdi und Mascagni, nicht zuletzt
Richard Strauß, der sein Nachfolger am Münchner Dirigentenpult wurde. Verknüpft
bleibt sein Name jedoch auf immer und ewig mit jenem Richard Wagners. Es war
König Ludwig II., den Levi als Dirigenten von Wagners „heiligsten“ Oper
„Parsifal“ verpflichtete und dies Wagners gehässigen Antisemitismus zum Trotz
sowie Leviskonsequenter Weigerung, sich zu diesem Zweck taufen zu lassen.
Fasziniert von der Wagnerschen Idee des „Gesamtkunstwerks“ hielt ihm Levi die
Treue und sah über jede Art Demütigung seitens des Autors der Schmähschrift
„Das Judenthum in der Musik“ souverän hinweg. Die Bindung blieb auch über
Wagners Tod hinaus bestehen, als seine Witwe Cosima sich Levi zur Rettung der
„Bayreuther Festspiele“ bediente, die unter seiner Führung zum Brennpunkt der
europäischen Kulturszene avancierten.
Bei seinem 1894 von ihr erzwungenen Rücktritt schrieb Levi verbittert: „Ich bin
Jude...So beurteilt man Alles... von diesem Gefühlspunkte aus und findet
deshalb auch in Allem, was ich thue und sage, etwas Anstößiges oder zum
mindesten Fremdartiges…“.
Levi beschränkte sich allerdings nicht allein dazu, als genialer Kapellmeister,
Musiktalente zu fördern und deren Werke glanzvoll zu interpretieren. Er ist
auch in die Geschichte als Kunstfreund und Sammler eingegangen, der bildende
Künstler wie u.a. Anselm Feuerbach, Arnold Böcklin oder Hans von Marées
unterstützte. In der „Allotria-Gesellschaft“, der er als außerordentliches
Mitglied angehörte, erfreute er sich der Freundschaft von Franz von Lenbach,
der ihn mehrmals portraitierte, von Wilhelm Busch oder Paul Heyse. Verbunden
war er nicht zuletzt mit Adolf von Hildebrandt, der Pläne für die Schlossvilla
auf dem Riedberg in Partenkirchen entwarf, wo der sensible Literat Levi sich in
den letzten zwei Jahren seines Lebens in zurückhaltender Abgeschiedenheit der
Übersetzung von Mozarts Opernlibretti aus Da Pontes Feder sowie der Herausgabe
von Goethes Werken widmete. Von Hildebrandt stammte auch das in der NS-Zeit
verwüstete Mausoleum, von dem nur noch die Grabplatte erhalten ist.
Zum 115.jährigen Jubiläum der Verleihung der Ehrenbürgerschaft von Markt
Partenkirchen am 12. Juli 1998 sollte die 1925 nach ihm benannte Straße wieder
seinen Namen erhalten, leides ist das bis zum heutigen Tage nicht geschehen.
Höhen und Tiefen in Levis Existenz zwischen Emanzipationsdrang und Resignation,
Triumph und Enttäuschung, sollen thematisch in das Filmprojekt „Ein Solitär
namens Hermann Levi“ einfließen, mit dem die Münchner Filmemacherin Angelika
Weber Momente im Leben eines im Zuge der Geschichte verdrängten Protagonisten
deutscher Kultur veranschaulicht, der endlich aus der Versenkung geholt wird.
Eine sich in goldenen Strahlen aufzulösende Polarität von Weiß und Schwarz wird
zum wiederkehrenden Leitmotiv der kunstvollen filmischen Transponierung, die
als Kurzfassung zum ersten Mal im Rahmen einer Ausstellung in der
Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg präsentiert wird.
Alfred Pringsheim (1850-1941)
Vom berühmten Mathematiker, Musiker und Kunstsammler Alfred Pringsheim werden
zum ersten Mal anlässlich des 200. Wagner Geburtstagseinige Transkriptionen im
Rahmen eines Benefizkonzerts im Künstlerhaus präsentiert, die als
Erstaufführungen in neuerer Zeit anzusehen sind. Alfred Pringsheim gilt als
einer der frühesten Kenner und entschiedensten Förderer Richard Wagners und der
Bayreuther Festspiele. Überliefert sind 44 eigene Bearbeitungen von
Wagner-Opern für zwei Klaviere, Klaviertrio und Klavierquintett, die den
höchsten Ansprüchen gerecht werden und einen Vergleich mit den
Wagnerbearbeitungen von Max Reger, Claude Debussy und Paul Dukas nicht
fürchten. Legendär waren die Münchner Wagner-Konzerte an zwei Flügeln im
Musiksaal des Palais Pringsheim an der Arcisstraße 12 um die Jahrhundertwende.
Bei den sehr begehrten Empfängen verkehrte die geistige Elite Münchens von
Franz v. Lenbach, Franz v. Stuck und Fritz August Kaulbach zu Richard Strauß,
Gustav Mahler und Bruno Walter sowie Paul Heyse und Annette Kolb. Die Adresse
ist in die Literatur eingegangen dank der Novelle „Gladius Dei“ von Pringsheims
Schwiegersohn Thomas Mann, der bei einem jener Anlässen seinekünftige Frau
Katja kennenlernte. Nicht allen ist hingegen bekannt, dass Pringsheims
Neo-Renaissance-Villa kurz nach Hitlers Machtergreifung enteignet und
abgerissen wurde, um einem Parteigebäude Platz zu machen, das während der gesamten
Dauer des NS-Regimes als Sitz der NSDAP fungierte. Dort wurde im September 1938
das folgenschwere Münchner Abkommen unterzeichnet. Heute ist das Gebäude Sitz
der Hochschule für Musik und Theater. Der wohlhabende, aus Schlesien stammende
Gelehrte und Mäzen Alfred Pringsheim durfte noch 1939 kurz vor Schließung der
Grenzen mit seiner Frau Hedwig Dohm entkommen. Dies auf Vermittlung von
Winifried Wagner, die sich direkt beim Führer eingeschaltet hatte. Das Ehepaar
ließ sich in Zürich nieder, wo Alfred Pringsheim 1941, Hedwig Dohm ein Jahr
später starben. Die große mathematische Bibliothek wurde an einem Leipziger
Antiquar veräußert, die kostbaren Silber- und Goldschmiedesammlungen wurden
konfisziert, während die berühmte Maiolika-Sammlung in Teilen versteigert und
verstreut wurde. Alfred Pringsheim war wie Hermann Levi ein angesehenes
Mitglied der 1873 im Künstlerhaus von Franz von Lenbach und Lorenz Gedon
gegründeten Allotria-Gesellschaft.
Anlässlich des vom Lions Club München organisiertenKonzerts wird die
Monographie „Alfred Pringsheim, der kritische Wagnerianer“ durch Dr. Dirk
Heißerer, Vorsitzenden des Thomas-Mann-Forum-München vorgestellt.
Freitag, den 10.5.2013, 19:00, Festsaal des Münchner Künstlerhauses
Eintritt: € 30, 00
(Vorb. unterTel. 089/99 73 89-6 und konzerte@bvv-ev.de oder an der Abendkasse).
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.
Warszawski 11.05.2013 10:15
http://numeri249.wordpress.com/2013/05/10/wagnen-antisemitismus/