Erschienen in Ausgabe: No 88 (06/2013) | Letzte Änderung: 25.05.13 |
von Jürgen Liminski
Das
Bild der Journalisten-Zunft heute ist nicht gut. Journalisten rangieren in der
Glaubwürdigkeitsskala ziemlich weit unten. Kein Wunder, es gibt zu viele
Beispiele, in denen etwas behauptet wird und man gleichzeitig das Gegenteil in
einem anderen Medium lesen kann. Hat Schopenhauer also recht, wenn er sagt,
Journalisten seien nur Tagelöhner des Geistes? Oder Nietzsche, der meinte, noch
hundert Jahre Zeitungen und alles stinkt? Oder der Kollege Jean Francois Revel,
ein bekannter französischer Publizist, leider schon verstorben, der in seinem
Buch mit dem Titel: La connaissance inutile (Das unbrauchbare Wissen) im ersten
Satz schreibt: „Die stärkste aller Kräfte, die die Welt regieren, ist die
Lüge.“? Das zielte nicht nur auf die Politik, sondern eben auch auf die Medien.
Und auch wenn mittlerweile statistisch erwiesen ist, daß jeder Mensch, nicht
nur der Journalist, etwa 200mal am Tag lügt - oder etwas sanfter ausgedrückt,
die Unwahrheit sagt, so fühlen wir uns doch alle der Wahrheit verpflichtet,
auch wenn manchen die Pilatus-Frage umtreibt. Sicher, das „guten Morgen“ zum
Nachbarn, der uns gestern abend mit der Lautstärke seines Fernsehens wieder auf
den Wecker ging, das Lächeln zum Chef, der uns nicht befördert hat – es gibt so
viele gute Gründe zum Lügen oder zum Theaterspielen. Ja, Wahrheit und
Objektivität haben es schwer in diesem Leben. Mehr noch: Objektivität im
Journalismus gibt es nicht, dafür aber so etwas wie eine „subjektive
Wahrhaftigkeit“, eine Art Fairneß im Umgang mit der zu veröffentlichenden
Information. Das ist es auch, was d er Vater der deutschen Publizistik, Emil
Dovifat, von den Journalisten und Publizisten verlangte.
Davon
kann allerdings in Deutschland nur wenig die Rede sein, wenn man die Bereiche
Familie und Kirche und ihre Behandlung in den Medien betrachtet.
Einige
Beispiele: Die Ernennung des Regensburger Bischofs Gerhard Müller zum Präfekten
der Glaubenskongregation hat in der Berichterstattung vor allem
öffentlich-rechtlicher Sender gehässige Kommentare ausgelöst, die mit Fairneß
und neutraler Nachrichtengebung nichts zu tun haben. Oder: Monatelang fand man,
selbst in bürgerlichen Redaktionen, auf gut einsehbaren Flächen, Kopien von
Witzen über Priester und Kirche. Zum Beispiel die Kopie eines Achtung-Schildes,
ähnlich einem Wildwechsel. Auf ihm laufen im roten Dreieck zwei Kinder vor
einem Priester davon, der sie zu greifen sucht. Alles natürlich im Schattenriß.
Damit wird suggeriert: Es geht um eine öffentliche Gefahr für Kinder, die
Gefahr lauert an jeder Ecke, sie kommt aus dem Dunkeln. Das Verbrechen einiger
weniger wird auf alle Priester und Geistlichen projiziert. Und nach diesem
Muster agitieren auch etliche Journalisten. Einzelne Fälle werden verallgemeinert,
vor allem im Fernsehen. Wenn diese Art zur Methode wird, dann handelt es sich
um systematische Manipulation. Das war Mißbrauch mit dem Mißbrauch. Die Opfer
wurden erneut instrumentalisiert.
Solche
Stimmungsmache erlebt man auch in angeblich konservativen Zeitungen. Beispiel
Die WELT und ein Film in der ARD über Pius XII.Der Journalist, Alan Posener, ein bekannter Feind des Papstes, um nicht
zu sagen des Papsttums, interviewte dazu Rolf Hochhuth, eigentlich eine gute
Idee. Aber statt Hochhuth mit den neuesten Ergebnissen der historischen
Forschung zu konfrontieren – also mit ein paar Stücken Wahrheit – läßt er die
Hetze im Stück Der Stellvertreter wieder aufleben. Kein Wort davon, daß
britische Forscher von „wenigstens hunderttausend“ Menschen jüdischen Glaubens
sprechen, die durch die Anweisungen des Papstes im von den Nazis besetzten Rom
gerettet wurden. Der jüdische Historiker und Theologe Pinchas Lapide schätzt
die Zahl der Geretteten nach Forschungen in der Hebräischen Universität und Nationalbibliothek
in Yad Vashem, der Memorial-Behörde Israels sowie in den Zionistischen
Zentralarchiven und den Allgemeinen Archiven für Jüdische Geschichte in
Jerusalem auf mindestens 700.000, wahrscheinlich sogar mehr als 800.000 Juden,
die unter dem Pontifikat von Pius XII. dank der katholischen Kirche dem
sicheren Tod entkamen. Der Historiker Sir Martin Gilbert, selbst Jude und einer
der besten Kenner des Holocaust, faßt seine Forschungen über diesen Papst so
zusammen: „Pius XII. hat äußerst verantwortungsbewußt gehandelt und die
richtigen Entscheidungen in einer der schwierigsten Zeiten der Weltgeschichte
gefällt.“ Wer solche Ergebnisse unterschlägt, manipuliert. Wer sie nicht kennt,
hat schlecht recherchiert – auch eine häufige Quelle der Manipulation. In jedem
Fall hat er sich journalistisch disqualifiziert.
Weitere
Beispiele: IG-Metall-Chef Berthold Huber meinte zur Finanzkrise, „wir von der
IG Metall waren bei den ersten, die den Ernst der Lage erkannt haben“.Zu erkennen war er spätestens am 15. September
2008, als die Großbank Lehmann Brothers kollabierte. Vier Wochen später, am 13.
Oktober und nach etlichen Wortmeldungen aus Politik und Wirtschaft gab Huber
dem Spiegel ein Interview, in dem das Magazin den IG-Metallchef vor dem Ernst der
Lage warnte. Dieser aber antwortete: „Ich sehe in unserer Branche derzeit keine
Krise.“ Vielleicht sah er sie und wollte sie nicht einräumen, um die
Tarifverhandlungen nicht zu gefährden.
Oder:
Die neue Rentenlüge. Gewerkschaften und SPD, Linke und Grünen rennen gegen die
Rente mit 67 an. Die Rente sei sicher, sagen sie, die staatliche
Rentenversicherung habe die Krise unbeschadet überstanden, weil sie eben keine
Kapitalstöcke bildet, die in der Finanzkrise plötzlich wegschmelzen könnten.
Lange habe man über die Beiträge diskutiert, aber die Leistungen gekürzt. Weder
in Berichten noch Kommentaren wird vom wirklichen Problem berichtet, nämlich,
daß die Kinder fehlen und damit die künftigen Beitragszahler. Die Schieflage
ist bereits da, die Rentenversicherung wird vor allem dadurch im Lot gehalten,
daß ein Drittel der notwendigen Kapitalleistungen mit Steuergeldern bezahlt
werden, rund 80 Milliarden Euro. Das wird mehr werden, weil ab 2015 langsam und
ab 2020 massiv die Zahl der Rentner steigt und ebenso massiv die Zahl der
Beschäftigten sinkt. Denn in den nächsten Jahren gehen die Babyboomer in Rente
und rücken geburtenschwache Jahrgänge in der Erwerbsbevölkerung nach. Da ist es
fahrlässig, jetzt so zu tun, als sei die Rente sicher. Dasselbe gilt übrigens
für die Pflegeversicherung.
Erstaunlich
ist die Ignoranz von Journalisten bei familien- und gesellschaftspolitischen
Themen. Es gibt weder genügend „gut geführte Krippen“, von denen immer die Rede
ist, noch ist keineswegs bewiesen, ob Kitas und Kindergärten generell besser
sind, – die wenigen vorliegenden Untersuchungen legen eher das Gegenteil nahe.
Die Qualitätsdebatte hat, obwohl sie dringend nötig ist, in Deutschland noch
gar nicht richtig begonnen. Auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Hirn -
und Bindungsforschung scheinen den journalistischen Experten und ihren
politischen Mentoren fremd zu sein, sonst würden sie nicht so oberflächlich
über Integration und soziale Kompetenz reden, die Kleinstkinder angeblich in
Kitas und Kindergärten erführen.
Oder
die mittlerweile ermüdende, wie in Warteschleifen sich ständig wiederholende
Debatte um das Betreuungsgeld. Der für Soziales zuständige EU-Kommissar Laszlo
Andor hat da in ungewohnter Offenheit ein Dogma der EU-Kommission formuliert.
„Es gilt in Europa die klare Politik, die Beteiligung von Frauen am
Arbeitsmarkt zu fördern.“ Deshalb habe er schwere Bedenken gegen das von der
Bundesregierung geplante Betreuungsgeld, es „schwäche den Arbeitsmarkt“. Selten
hat ein Kommissar so deutlich gesagt, was er und seine Kommission denken und
von Familie halten. Für sie hat der Arbeitsmarkt Vorrang vor der Familie, die
Familie ist nur Lieferant für Arbeitskräfte. Vor allem Frauen sollen dem
Arbeitsmarkt zugeführt werden. Diesem Dogma der Kommissare wird alles b lind
untergeordnet. In diesem Sinn greifen die Arbeitsmarktideologen nicht nur das
Betreuungsgeld, sondern auch das Ehegattensplitting an. Deutschland solle
schriftlich erklären, wie sich das Ehegattensplitting auf die Motivation von
Frauen auswirke, dem Arbeitsmarkt zu Diensten zu sein, indem sie eine Stelle
suchten oder nach einer Elternzeit auf einen alten Arbeitsplatz zurückkehrten.
Es versteht sich von selbst, daß diese Elternzeit im Verständnis der Kommissare
so kurz wie möglich sein soll, am besten kehrten die Frauen gleich nach der
Geburt zurück. Vom Kindeswohl ist nicht die Rede und das ist auch logisch.
Kinder sind in diesem Denken nur Hindernis, bestenfalls künftige Arbeitnehmer.
Die Arbeit der Eltern, insbesondere der Mütter, wird als schädlich dargestellt.
In genau diesem Sinn argumentieren auch die Grünen. Ihre familienpolitische
Sprecherin im Bundestag, Katja Dörner, nennt das Betreuungsgeld eine
„integrations- und bildungspolitische Katastrophe“. Mit dieser
„Fernhalteprämie“ werde die „Nicht-Nutzu ng von Kitas“ belohnt und den Kindern
die Angebote frühkindlicher Bildung vorenthalten. Defizite bei der
Sprachentwicklung und beim Sozialverhalten seien die Folge, mutmaßt der grüne
Sach verstand. Ihm und den Arbeitsmarktfetischisten in der EU sei die Lektüre
einer Studie empfohlen, zu finden bei den „Proceedings“ der amerikanischen
Akademie der Wissenschaften. Es handelt sich um die erste Studie, die empirisch
nachweist, daß eine fürsorgliche elterliche Zuwendung, vulgo Mutterliebe, die
Hirnentwicklung und besonders auch den Spracherwerb fördert. Das sei auch
anatomisch feststellbar, sagt eine der Autorinnen der Studie, Joan L. Luby. Der
Hippocampus, eine Hirnregion, die Emotionen und Streß reguliert, wächst um bis
zu zehn Prozent, wenn diese Kinder in den ersten Jahren von der Mutter oder der
ersten Bezugsperson viel Zuwendung erfahren. Das deckt sich zwar mit früheren
Forschungsergebnissen, etwa des britischen Verhaltensforschers Jay Belsky, der
als wichtigstes Element schlicht festhält: Das Kind braucht jemand, der alles
für es tut – „who is crazy for it“. Das ist bei den Müttern meistens der Fall.
Wenn sie da sind. Oder wenn eine and ere Bezugsperson wie Großmutter, Vater,
etc. präsent sind. Wenn der Arbeitsmarkt allerdings Vorrang hat, und das
Kleinkind in einer Krippe aufwächst, dann fehlt diese primäre Zuwendung.
Daß
gegen diesen kleinen geplanten Betrag von 10 0 und später 150 Euro (in
Frankreich beträgt er 550 Euro, in Skandinavien 350 Euro) aus Brüssel und
Berlin solche Salven abgefeuert werden, dürfte die EU-Verdrossenheit bei den
Familien steigern. Bei den meisten Journalisten und Politikern dagegen belebt
es eingefahrene Denkmuster. So klagte das renommierte Handelsblatt, daß das
Betreuungsgeld völlig überflüssig sei, weil es doch das Erziehungsgeld gebe. Nur,
dieses Erziehungsgeld wurde vor vier Jahre abgeschafft, der Kollege hatte das
nicht mitbekommen, vermutlich weil er zu den 70 Prozent Journalisten gehört,
die keine Kinder haben.
Ist
das alles schon Lüge? Oder nur Ignoranz? Nach der klassischen Definition von
Augustinus ist eine Lüge „eine Aussage mit dem Willen, Falsches auszusagen“
(mendacium est enuntiatio cum volu ntate falsu m enuntiandi). Dieser Wille sei
Politik und Medien nicht generell unterstellt. Aber angesichts der
unterschiedlichen Behandlung bestimmter Themen kann schon der Buchtitel „Das
unbrauchbare Wissen“ in den Sinn kommen. Revel dachte auch nicht an die Lüge im
augustinischen Sinn, sondern an die Halb- und Viertelwahrheit, die Verzerrung,
die Beschönigung, die Vorverurteilung. Hier wird an der Wahrheit modelliert und
manipuliert je nach Nutzen und Brauchbarkeit im Sinn eigener vorgefaßter
Meinungen. Das ist Utilitarismus pur. Die vor allem bei den Themenbereichen
Familie und Religion vorherrschende Ignoranz und die krassen Vorurteile haben
auch mit dem diffusen Selbstverständnis des Berufsstand es zu tun. Immer noch
definieren sich politisch zwei Drittel der Journalisten als links von der
Mitte, mehr als ein Drittel greift regelmäßig zur Süddeutschen Zeitung als
Referenzblatt, ein Drittel zum Spiegel. Hinzu kommt die Vermarktung der
Information, sie durchdringt immer häufiger den medialen Produktionsablauf. Die
nervöse Berliner Luft mit ihrer Selbstreferentialität und das rote Licht der
Fernsehkameras haben zudem eine „journalistische Pseudoelite“ hervorgebracht
(Weischenberg), deren vornehmstes Merkmal die Sichtbarkeit im Fernsehen ist.
Die angeblichen, gelegentlich auch tatsächlichen Alphatiere des Medienberufs
setzen in Berlin zusammen mit den Wortführern aus der Politik die Akzente im öffentlichen
Diskurs. Über sie schreibt die bekannte Journalistin Tissy Bruns: „Die
Alpha-Journalisten sind öffentliche Akteure, die keine vierte Gewalt über sich
haben und keiner Wiederwahl ins Auge sehen müssen. Deshalb müssen sie
Gegenstand öffentlicher Kritik werden.“ Wer
kontrolliert die Kontrolleure? Die Frage ist alt und wirft erneut auch die
Frage nach der Objektivität auf. Nach neueren Forschungen
(Weischenberg/Scholl/Malik) zum Selbstverständnis der Journalisten, glauben
viele Medienleute noch an die Objektivität, obwohl die Publizistik seit ihren
Anfängen davon Abstand genommen hat. Es gibt die vielbeschworene Objektivität,
die Wahrheit an sich in den Medien nicht. Der Berliner Professor Emil Dovifat
wurde bereits genannt. Etliche seiner Schüler haben seine Lehre
wissenschaftlich untermauert. Karl Pruys kam zu dem Schluß: „Da die öffentliche
Kommunikation stets von den Gefühlen und Haltungen der Berichtenden abhängt,
ist Objektivität im Bereich der Publizistik ausgeschlossen.“Dovifat selber sprach statt von Wahrheit auch
schon lieber von der „subjektiven Wahrhaftigkeit“ der Journalisten, man könnte
es das Gebot der Fairneß nennen. Der Grund für all diese Einschränkungen ist
einfach. Der Journalist muß notwendigerweise eine Auswahl treffen. Er tut dies
nach bestimmten Regeln – oder auch nicht. Eine der Regeln ist die Frage nach
den fünf „W“ – wer, wo, wann, wie, warum. Spätestens beim Wie und vor allem
beim Warum beginnt meist die Subjektivität, kommen die „Gefühle und Haltungen
der Berichtenden“ zum Tragen, hier entscheidet sich, wie fair der
Medienhandwerker es mit dem Medienkonsumenten meint. Hier, bei der
Subjektivität, fängt der Wille an, mithin die Versuchung zur Manipulation. Und
wenn man es genau nimmt ist hier auch die Quelle des Mythos von der
Objektivität zu suchen, weil es eben viele Journalisten gibt, die an die
Objektivität glauben oder vorgeben, danach zu handeln, ob wohl es nicht möglich
ist.
Etliche
Journalisten und Berufsverbände haben diesen Willen zur Objektivität und
Wahrheit im Sinn d er Selbstkontrolle einem Verhaltenskodex unterordnen wollen.
Michael Abend zum Beispiel schlägt einen „halben Moses“, wie er seine fünf
Gebote und drei Tugenden für den Journalisten nennt, vor. Die fünf Gebote
lauten: 1. Du sollst nicht lügen, 2. Du sollst nichts verschweigen und nichts
aufbauschen, 3. Du sollst nicht langweilen, 4. Du sollst nicht liebedienern und
nicht kuschen und 5. Du sollst Dir´s nicht bequem machen. Diesen fünf Geboten
ordnet er drei Tugenden zu: 1. Treue zur Sache, 2. Treue zum Auftraggeber, 3.
Treue zum Empfänger der Botschaft. Hermann Boventer, Autor des Standardwerks
Ethik des Journalismus, hält diese wegen ihrer Praxisnähe für eine „sehr
brauchbare und zutreffende Journalistenethik“.
Dem
kann man eigentlich zustimmen. Auf jeden Fall ist der halbe Moses brauchbarer
als viele Credos und Codices aus den diversen Journalistenschulen und
Presseräten, die zwar alle richtig, aber in der praktischen Anwendung kaum
überprüfbar sind. Z.B. „The Journalist´s Creed“ der Columbia School of
Journalism, ein Credo, das man in gotischer Fraktur im Fakultätsgebäude
bewundern kann und das übersetzt lautet: „Ich glaube, daß klares Denken und
klares Sprechen, Genauigkeit und Fairneß grundlegend sind für eine guten
Journalismus. Ich glaube, daß ein Journalist nur schreiben soll, was er in
seinem Herzen für wahr hält.“
Auf
solche manchmal doch recht treuherzige Indianerehrenworte oder auch
Glaubensbekenntnisse stößt man häufig in den Fakultäten für Journalismus in
Amerika. Ihre Liebe zur Wahrheit allerdings sollte man nicht geringschätzen.
Sie hat in der Tat viel mit dem Herzen zu tun. Das Problem ist, wie die
Wahrheit, die man im Herzen bewegt, im konkreten Alltag, sprich in den
Redaktionen aussieht, wo der Konkurrenz- und Karrieredruck sicher so groß ist
wie die Liebe zur Wahrheit – und diese dann au ch mal nur zur Hälfte gelten
läßt. Denn was immer zählt, ist zuerst die Quote, die Auflage, das Schlagen der
Konkurrenz, die Formulierung, die eine Gegendarstellung ausschließt. Für
Gesinnungsjournalisten oder Ideologen kommt noch hinzu, was der sowjetische
Journalist Boris Tumanov in der Morgenröte der aufkommenden Glasnost von sich
und seinen Kollegen bekannte: Unsere Propaganda und Agitation war „ein
offizielles Surrogat der Realität. Die Realität selbst aber wurde verdrängt in
die Illegalität des gesellschaftlichen Lebens, in Witze, Klatsch und Gerüchte …
Unter diesen Bedingungen war echtes Wissen einfach nicht notwendig … Unsere
Gesellschaft betrachtete sich nicht im Spiegel, sie sah sich nur auf Plakaten.“
Leben nicht auch wir umgeben von Plakaten, von Slogans und Klischees, die die
Wahrheit verzerren oder manipulieren?
Hinzu
kommt die Themenfülle. An Themen mangelt es – im Gegensatz zu verläßlichen
politischen Informationen – nicht im Berliner Polit-Biotop. Der News-Umsatz
wird immer höher. Es fehlt die Muße, sich auf eine Sache wirklich einzulassen.
Die mediale „Überhitzung“ in Berlin, wo mehr und mehr Journalisten um die
schnelle Schlagzeile konkurrieren, hat dazu
geführt, daß die Darstellung von Politik immer hastiger und flacher wird. Die
meisten Journalisten sind durch das hohe Tempo überfordert. Heute geht es um
die Steuerreform, morgen um Rente, Agrarpolitik, Pflege, Bundespräsidentenwahl,
Bankensteuer, Tarifverhandlungen, Guttenberg-Spiele, das Wulffen, diverse
Neid-Debatten und immer wieder die Euro-Krise. Das ist nur durch eine gewisse
Personalisierung und Trivialisierung interessant zu gestalten. Jedes
Sachproblem wird zum Personalproblem, jede Sachfrage wird zur Machtfrage. Von
der Außenpolitik ganz zu schweigen. Wie oft wurde Assad schon totgesagt – meist
von Kollegen, die noch nie in Syrien oder in der Region waren. Wie oft wird die
Griechenfrage auf ein bestimmtes Verhalten „der Griechen“, wie oft wird Italien
auf Montis Remeduren oder Berlusconis Sprüche reduziert, wie oft wird die
Euro-Debatte hierzulande polemisch und arrogant auf angebliche Vorurteile
einiger weniger Personen minimalisiert. Ein Meister in dieser Kunst ist der
Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, der den
Protestaufruf von immerhin 172 zum Teil sehr namhaften Professoren mit den
Vokabeln „Stammtischniveau“ und „Stimmungsmache“ abkanzelte, ohne selber Fakten
und Argumente in seinen Kurzinterviews zu liefern.
Die
veröffentlichte Meinung neigt immer mehr dazu, die Beziehungswelt des Menschen
in all ihren Aspekten zu vermarkten und die Privatheit o der Intimität ins
grelle Licht des Voyeurismus, der Neugier und der Quotenträchtigkeit zu zerren.
Der Markt aber legt sich nicht fest, er bietet nur an. Die offene Option ist
sein Elixier. Und diese Markt-Haltung ist wie durch Osmose in das mediale
Denken eingedrungen. Dieses Denken verträgt sich nicht mit festen Größen wie
Wahrheit oder gar Natur des Menschen, handelt aber den noch permanent mit ihnen,
weil Information und Wahrheit sich auf eine gemeinsame Größe beziehen: Die
Wirklichkeit. Daß das Denken oft so von anderen Wirklichkeiten und Interessen
beeinflußt ist, daß die Sachverhalte nur noch verzerrt wahrgenommen oder
zumindest verzerrt wiedergegeben werden, wird an einem einfachen Beispiel
deutlich, das sich mit anderen parteipolitischen Vorzeichen immer wiederholt.
Als vor einigen Jahren ein Grundsatzprogramm der CDU vorgestellt wurde, nannten
es die Vertreter der SPD neoliberal, konservativ, rückwärtsgewandt,
enttäuschend. In der CDU hieß es: sozial, modern, zukunftsfest, begeisternd.
Was denn nun? Wie ist es wirklich? Oder ist die Wirklichkeit immer in der
Mitte? Niemand regte sich über die unterschiedlichen Wahrnehmungen auf, man
hatte es so erwartet – der Markt der Meinungen hat schon seine eigenen Gesetze
und Wirklichkeiten.
Muß
man das alles so hinnehmen? Bedeutet Wahrheit nichts mehr? Zu den Gesetzen des
Medienmarktes gehören offenbar wie die andere Seite einer schillernden Medaille
die Lüge, die Manipulation, die Desinformation. Wir werden manipuliert. Das ist
eine Binsenweisheit, die sich zwar im Einzelfall beweisen läßt – tagtäglich
werden Lügen aufgedeckt und neue angeprangert, aber dennoch ist sie
systemimmanent. Die Lüge gehört zu unserem Alltag. Revel erläutert, daß ein Ereignis oder eine
Nachricht nicht mehr nach ihrer Genauigkeit aufgenommen oder geprüft werde,
sondern nach ihrer „Eignung, einem Interpretationssystem, einem
Beziehungsgeflecht oder einer moralischen Haltung zu dienen oder nicht zu
dienen“. Und diese Eign ung mache eine Tatsache eben zu einer „erwünschten oder
unerwünschten“ mithin zu einer brauchbaren oder unbrauchbaren, zu einer
veröffentlichten oder verschwiegenen Information. Die Welt der Medien ist
ideologisiert.
Das
geht auch aus einer Untersuchung der Universität Hamburg hervor. Die
wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät hat 1536 Journalisten, also
eine repräsentative Menge, nach ihrer Parteineigung befragt und das Ergebnis
ist ernüchternd: Grüne 35,5 Prozent, SPD 26,0 – zusammen hat Rotgrün bei
Journalisten also fast eine Zweidrittel-Mehrheit – die Union kommt auf 8,7, die
FDP auf 6,3 - und keiner Partei zugeneigt, also neutral sind 19,6 Prozent der
deutschen Journalisten. Das mag manches erklären. Abstimmungen selbst in
„bürgerlichen“ Redaktionen wie beim Deutschlandfunk ergäben heute eine absolute
Mehrheit für rotgrün. Das sch lägt nicht immer durch, weil in der Spitze die
Kräfteverhältnisse anders sind und viele Kollegen natürlich auf ihre Karriere bedacht
sind. Aber man darf sagen, die Gesamtfärbung in der deutschen Publizistik ist
erkennbar.
Ideologie
bestimmt das Verhalten. Ideologie heißt auch Verzicht auf die Wahrheit. Der
Verzicht auf die Wahrheit ist der Kern der heutigen Krise, schreibt Papst
Benedikt XVI. noch als Kardinal Ratzinger. Er breitete diesen Gedanken aus in
seinem Buch „Wahrheit, Werte, Macht – Prüfsteine der pluralistischen Gesellschaft“.
Nu n ist in der pluralistischen Welt das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein
„schlechthin konstituierendes“ Element des demokratischen Staatsgefüges, wie
das Bundesverfassungsgericht im Januar 1958 schon ausdrücklich festgestellt
hat; beim Recht der Gegendarstellung zum Beispiel spielt es in den meisten
Landespressegesetzen in Deutschland keine Rolle, ob die Gegenaussage wahr ist,
also der Wirklichkeit entspricht oder nicht. Man mag das als ein Stück
Perversion d er Demokratie sehen. Aber in einem Staatsgebilde, wo die
Entscheidungen de facto doch mehr nach dem Prinzip der Mehrheit oder der Quote gefällt
werden, bleibt wenig Raum für das Wahre und Schöne. Der politische Kampf dreht
sich darum, Mehrheiten zu sammeln. Daß dies für die Politik und Gesellschaft
auf Dauer nicht reicht, das ist ein Thema für die Zeit nach der Sintflut.
Gegen
die besserwissende Wahrheitsskepsis d er Ideologen hat der Journalist Rudolf
Walter Leonhardt von der ZEIT ein bemerkenswertes Buch geschrieben,
bemerkenswert schon deshalb, weil Leonhardt dem Journalisten die Option
verweigert, ähnlich wie Pilatus die Wahrheitsfrage offen zu lassen. Der
Journalist stehe alltäglich unter dem Zwang, eine Antwort zu finden auf kleine
Wahrheitsfragen. Beschreibungen von Sachverhalten, die das Urteil „Das ist
wahr“ zulassen, nehme jeder tagtäglich vor. Diese kleinen Wahrheiten ließ en sich
freilich nicht herleiten aus einer großen, alles umfassenden Wahrheit, aber es
bleibe die Gewißheit, daß es am Ende, in der Summe all dieser kleinen möglichen
Wahrheiten, Halbwahrheiten und Unwahrheiten doch ein Stück Wahrheit gebe.
„Vielleicht wird das eine bescheidene, manchem allzu bescheidene Wahrheit sein“
meint Leonhard. Sie sei aber immerhin das „Gegenteil von Täuschung, Irrtum und
Lüge, auch, journalistisch gesehen, von Ignoranz, Fehlinformation und bloßer
Behauptung. Mit ihr läßt sich arbeiten. Mehr: Mit ihr läßt sich leben.“
Auch
in dieser ehrlich bemühten Darstellung journalistischer Praxis und Vorstellung
von Wahrheit wird eines deutlich: Den Journalisten, insbesondere in
Deutschland, fehlt es an Deontologie, an einer Pflichtenlehre in der Ausbildung
zu m Journalisten. Hier, so muß man mit Hermann Boventer zutreffend
konstatieren, treten wir in den Raum des Dilemmas der Journalisten. Sie lernen
nicht, sich moralisch, das heißt an der Wahrheit und der Berufsethik orientiert
zu verhalten. „Ethik steht im Abseits“, schreibt Boventer, „die
Kommunikationswissenschaft befaßt sich nicht mit der gelebten Moralität der
Journalismuspraxis, das widerstrebt dem absolutistischen
Wissenschaftsverständnis. Die Ethik steht im Abseits, dem Publikum gibt man
Steine statt Brot, und gelang weilt wenden sich Journalisten und Publik um von
solch steriler Wissenschaft ab. Verheerender noch ist, daß der Nachwuchs an
Journalisten, der durch die kommunikationswissenschaftlichen Schulen geht, im
ethischen Denken nicht geschult wird. Unter den vielen hundert Diplom-,
Magister- und Promotionsarbeiten, die ein Verzeichnis während der letzten Jahre
am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität München (nicht etwa
Bremen oder Magdeburg, d. V.) ausweist, habe ich vergeblich nach Themen und
Fragestellungen zur journalistischen Ethik gesucht.“
Dieses
Faktum ist gravierend. Kann es eine wichtigere Aufgabe für Journalisten geben,
als Wahrheiten zu vermitteln? Leonhardt hat recht, wenn er glaubt, daß der
Journalist dieser Grundsatzfrage nicht ausweichen darf. Wir brauchen die Wahrheit
zum Leben. Sie hat, ähnlich wie die Freiheit oder die Sprache eine soziale
Dimension, die für sie konstitutiv ist. Der Mensch braucht, erst recht in unserer
Informationsgesellschaft, die Wahrheit, jene „Enthüllung d er Wirklichkeit“ wie
Josef Pieper sie nennt, oder „Übereinstimmung des Denkens mit der Wirklichkeit“,
adaequatio intellectus et rei, wie Thomas von Aquin sie bündig beschreibt, um
sich orientieren und in der Welt zurechtfinden zu können. Ja,selbst Lenin gestand noch indirekt ein, daß
es eine Wahrheit, also eine dem Marxismus-Leninismus fremde Wirklichkeit gibt,
als er seinem Parteifreund Tschitscherin schrieb: „Die Wahrheit zu sagen ist
eine kleinbürgerliche Gewohnheit.“ Diese Gewohnheit ist leider vielen
Kleinbürgern und Journalisten abhanden gekommen. Sie wurde ersetzt durch einen
moralischen Nihilismus gepaart mit einem Utilitarismus, einem reinen
Nützlichkeitsdenken, das sich an den Gesetzen des Wettbewerbs in der
Marktwirtschaft, an Karriere-Gesichtspunkten, an ideologischen Vorgaben und
Vorurteilen orientiert oder schlicht durch Bequemlichkeit und menschliche
Trägheit bestimmen läßt. Wo aber die Wahrheit durch Wort und Wunsch der
Mächtigen gebeugt und verbogen wird, wo Werte durch Politik und Wirtschaft
relativiert und nivelliert werden, da entsteht ein Bewußtsein der Unfehlbarkeit
derjenigen, die in die Mikrofone und Kameras sprechen und ihre Meinung in
Zeitungsspalten kundtun. Dieses Bewußtsein der Unfehlbarkeit, das übrigens den
Kommunisten zu eigen war, weil sie in ihrem Sendungsbewußtsein die Geschichte
für ihre Idee gepachtet glaubten, bild et die Grundlage für eine Art
„moralistischer Selbstermächtigung“, wie Hermann Lübbe es nennt. Wenn man dann
noch die oben genannten Ergebnisse der Universität Hamburg über die
Parteineigung d er deutschen Journalisten berücksichtigt, dann erklären sich
manche Gegebenheiten und Umfragewerte der heutigen deutschen Medien- und
Politiklandschaft.
Das
mag den meisten Skeptikern, Selbstermächtigern so nicht bewußt sein. Ihnen ist
dann aber auch nicht klar, daß mit dem Verzicht auf die beständige und ausdauernde
Suche nach Wahrheiten auch die Freiheit verlorengeht. Ohne wahre Information
gibt es zum Beispiel keine Wahlfreiheit, weil die Wahloptionen nicht offen
liegen. Freiheit ist grundlegend abhängig von der Wahrheit. Die Wahrheit wird
euch frei machen, sagt Paulus. Und lange vorher hat der griechische
Geschichtsschreiber Polybios einmal gesagt, Geschichte ohne Wahrheit ist wie
ein Gesicht ohne Augen. Was heißt das für den Journalismus? Boventer formuliert
zutreffend, ich zitiere: „ein Journalismus, der nicht von einem höheren Prinzip
gehalten wird, produziert ohne Widerstand mit den Mitteln der Technik alle jene
Ergebnisse und Wirkungen, die der jeweilige Machtorganismus ihm abverlangt.
Eine blinde und bloß funktionierende Praxis vernichtet menschliche
Kommunikation. Wer seine Geschäfte maschinenmäßig betreibt, der bekommt ein
Maschinenherz.“ Genau das haben wir erlebt in Deutschland – Stichwort Gleichschaltung
– oder in der Sowjetunion, wir erleben es im China von heute und in geringerem
Maße in Rußland und selbst im Westen. Die Leute mit Maschinenherz, die
Maschinisten der Information und der Bewußtseinsindustrie, wie Enzensberger die
Medienwelt nennt, die Kulturschaffenden hieß es im Osten, sie sind auch heute
tätig und waren es zu allen Zeiten. Es ist nicht nur ein Kampf der Systeme,
sondern des journalistischen, vom Nützlichkeitsdenken geprägten Alltags.
Was
ist gegen diese Maschinisten der Beliebigkeit und der Manipulierer der Wahrheit
zu tun? Der Geheimrat Goethe gab seinem Freund Eckermann schon vor 180 Jahren
diesen Rat: „Und dann, man muß das Wahre immer wiederholen, weil auch der
Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird und zwar nicht von einzelnen,
sondern von der Masse. In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und
Universitäten ist der Irrtum obenauf, und es ist ihm wohl und behaglich im
Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist.“ Noelle-Neumann hat dieses
behagliche Gefühl mit der sozialen Haut und der Isolationsfurcht umschrieben.
Aus dieser Furcht entsteht die Schweigespirale, sie ist die heimliche
Verbündete der Manipulierer. Vor Goethe haben sich auch schon andere
Geistesgrößen Gedanken über das Verhältnis zur Wahrheit gemacht. Schließlich
geht es hier um ein Urgefühl, das mit existentieller Sicherheit und dem
Angenommensein in der Gemeinschaft zu tun hat.Jean Jacques Rousseau kam zu dem Ergebnis: „Der Mensch, das soziale
Wesen, ist immer wie nach außen gewendet: Lebensgefühl gewinnt er im Grunde
erst durch die Wahrnehmung, was andere von ihm denken.“ Das gilt vor allem für
das Binnenklima in Redaktionen. All diese Fragen bleiben. Zwar ist mit dem
Internet ein neuer Faktor ins Spiel gekommen. Die Macht der Journalisten als
Gatekeeper, als Filterer der Information ist leichter kontrollierbar geworden.
Das Internet macht aus jedem einzelnen Menschen seinen eigenen
Programmdirektor. Wer Google eine Frage stellt, erhält in 0,5 Sekunden eine
Antwort in mehreren tausend Treffern. Abgesehen von der fehlenden Lebenszeit,
um all die Treffer auf viele Fragen zu lesen, vertraut der Suchende auf einen
Algorithmus, der die Treffer nach Relevanz ordnet. Relevant ist für Google
allerdings auch, was Werbeeinnahmen verspricht. Ob die Treffer der Wahrheit
entsprechen, ist mit keinem Algorithmus zu erfassen. Die Wahrheit des Internets
liegt in der konkreten Nützlichkeit, den Abfahrtszeiten der Bahn oder dem
Finden einer Firmen-Adresse. Bei differenzierteren, fundierteren Informationen
und Wahrheiten kann man sich auf das Netz allein nicht verlassen. Ziel der
Information und der Wahrheit aber muß bleiben: Selber das Wissen zu benutzen,
um selber zu denken. Man muß die Wahrheit auch wollen, meinte Max Weber mit
Blick auf die Handelnden in Politik und Gesellschaft. Es geht nicht nur um
Fakten, es geht mehr noch um die Zusammenhänge, die Absichten und die
Motivationen. In d er Tat, nur so ist Erkenntnis der Wirklichkeit möglich, eine
Erkenntnis. die frei macht.
Deshalb
ist die Meinungsfreiheit ein wesentliches Gut der Demokratie. Sie muß
persönlich eingehegt werden. Davon hängt auch die Zukunft d es freiheitlichen
Systems ab. Der große Politologe Dietrich Bracher hat in einem Band über
Totalitarismus geschrieben: Demokratie bedeutet Selbstbeschränkung, Ideologie
Selbsterhöhung. Ideologen recherchieren nicht, sie geben vor. Sie glauben an
die Mythen ihres objektiven Vorurteils. Selbstbeschränkung wäre dagegen das
Gebot für die Zunft heute. Aber es ist zu befürchten, d aß n ur wenige
Journalisten das notwendige Verständnis und die Offenheit für dieses Gebot
aufbringen.
Jürgen
Liminski ist Redakteur beim Deutschlandfunk in Köln und Geschäftsführer des
„Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.“.
Quelle:
www.die-neue-ordnung.de
Nr. 2/2013 April, Jahrgang 67, S. 137-146.
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