Erschienen in Ausgabe: No 90 (08/2013) | Letzte Änderung: 31.07.13 |
von Wolfgang Ockenfels
Es gibt Konjunkturen für die „ewige Wiederkehr des
Naturrechts“ (Heinrich Rommen). Sie
treten meist zu Zeiten unmenschlicher Zustände und ungerechter Gesetze in
Erscheinung. Erst die negative Erfahrung mit einer „positiven“, d.h. von der
Obrigkeit positivierten Rechtsordnung provoziert die typisch naturrechtliche
Frage: Sind die Gesetze überhaupt gerecht? Als Reaktion auf schlimme
Entwicklungen kann diese gar nicht „theoretische“ Frage gelegentlich zu
Protest- und Widerstandsaktionen, gar Revolutionen führen, an denen sich
vorzugsweise „Wertkonservative“ beteiligen. Jedenfalls in den USA und Frankreich,
wo die bürgerlichen Familien wenigstens noch die Kraft der öffentlichen
Reaktion aufbringen. Etwa in Sachen Abtreibung und Homo-„Ehe“.
Konservative berufen sich gerne auf das Naturrecht, aber
gerade darin unterscheiden sie sich. Die konservative Gemeinsamkeit hört auf,
wenn es bloß um die Bewahrung des geschichtlich Gewordenen, um die Erhaltung
des „von allein“ Gewachsenen, um die Rettung des „Bewährten“ geht. Denn was hat
sich nicht alles geschichtlich verfestigt, was ist nicht alles wie „von selbst“
gekommen, und was soll sich nicht alles „bewährt“ haben? Auf diese Fragen wird
man nur eine zeit- und raumübergreifende Antwort finden auf der Grundlage eines
Wertmaßstabs, der nicht die jeweils aktuelle Modernitätsphrase nachplappert.
Auf die hinterhältige Frage, warum „die“ Kirche eigentlich
„die“ Frauen zweitausend Jahre lang unterdrückt habe, hat ein zynischer
Spaßvogel geantwortet: „Es hat sich bewährt!“ Ein die Frauen nachträglich
schlagendes Argument, das gewiß nicht dem Christentum, sondern der aufgeklärten
Philosophie (etwa Kant oder Schopenhauer) anzulasten ist, die uns auch den
Rassismus beschert hat. Die Herabwürdigung der Frau zum mondänen arbeitslosen
Luxusweibchen ist ein Produkt des modern-bürgerlichen 19. Jahrhunderts. Noch um
die Wende zum 20. Jahrhundert konnte der Neurologe Paul J. Möbius ein
vielbeachtetes wissenschaftliches Werk „Über den physiologischen Schwach sinn
des Weibes“ veröffentlichen. Und Otto Weiningers Buch „Geschlecht und
Charakter“ (1903) hat sogar auf Karl Kraus Eindruck gemacht.
Seitdem ist besondere Vorsicht geboten bei der
„wissenschaftlichen“ Bestimmung dessen, was man als „die Natur des Menschen“
und seiner Gesellschaft ausgibt. Über den hypothetischen Charakter der Natur-,
Sozial- und Geisteswissenschaften hat Karl R. Popper hinreichend aufgeklärt und
davor gewarnt, sie dogmatisch zu verfestigen. Das hält jedoch bis heute
Journalisten, Politiker, Juristen und leider auch Theologen nicht davon ab,
wissenschaftliche Hypothesen (z. B. „der Klimawandel ist reines Menschenwerk “
oder „das Geschlecht des Menschen ist bloß gesellschaftlich konstruiert“) für
bare Münze zu halten und zu hypostasieren, statt sie mit Bedacht zu
interpretieren.
Auf diese leichtfertige Weise hat man im zwanzigsten
Jahrhundert bis heute immer neue „Wahrheiten“ über den Menschen, seine naturale
und soziale Welt eher erfunden als entdeckt. Auch die katholische Sozialethik
ist vor dieser Versuchung, sich möglichst nahe am jeweiligen wissenschaftlichen
Fortschritt anzuschließen und danach ihre Naturrechtslehre anzupassen, nicht
gefeit gewesen.
Davor hat vor allem der große Systematiker des
NaturrechtsArthur F. Utz deutlich
gewarnt, wenngleich er noch 1958 eine von ihm betreute Doktorarbeit durchgehen
ließ, die den seltsamen Titel trug „Das natürliche Entscheidungsrecht des
Mannes in Ehe und Familie“. Wie Utz später aus Erfahrung zugab, hat in seiner
eigenen Familie die Mutter das Sagen gehabt. Geschadet hat es ihm nicht und
bewährt hat es sich auch. Wenigstens bei
ihm. Auch wenn bei der Erziehung der Kinder sehr oft die
Mütter die Hosen anhaben – schon weil sich viele Väter davonschleichen, bleibt
es beim Erziehungsrecht „der Eltern“. Dieses „natürliche“ Recht und sogar die
„zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ ist in Artikel 6 unseres Grundgesetzes
klipp und klar geregelt.
Man wird wohl noch das Grundgesetz zitieren dürfen,ohne als Verfassungsfeind verdächtigt zu
werden. Aber man ist es inzwischen leid, diesen und andere Grundgesetzartikel
ihrem Wortlaut nach zu zitieren und ihren ursprünglichen Wortsinn zu ergründen.
Journalisten, Politiker und Juristen sind nicht mehr daran interessiert. Wenn
sie geltende Rechtsnormen bis zur Unkenntlichkeit reformieren, wollen sie sie
der „Lebenswirklichkeit“ anpassen - statt umgekehrt. Und um Rechtfertigung
gefragt, antworten sie meist mit der hinterhältigen Gegenfrage: Warum
eigentlich nicht? Darauf fällt den meisten Konservativen nicht viel ein.
Für die absehbaren Folgen massenhafter Abtreibung, der
Entwertung der Ehe, der Verstaatlichung familiärer Erziehung werden andere
später eintreten müssen. Was ist jetzt beispielsweise mit staatlich
„gleichgestellten“ Homosexuellen, die einen Kinderwunsch verspüren, obwohl sie
biologisch, d.h. von Natur aus nicht disponiert sind, eigene Kinder auf die
Welt zu bringen? Hier zeigt sich zunächst jene „naturale Unbeliebigkeit“ als
Grenze, die von der allgemeinen praktischen Vernunft zu respektieren ist.
Freilich wird weder durch Glaubensbekundungen noch durch naturwissenschaftliche
Erkenntnisse jene Naturordnung durcheinandergewirbelt, welche das Verhältnis
der Geschlechter und die „Rolle“ von Vater und Mutter normativ reguliert.
Der Naturordnung entsprechend, also gemäß der
Schöpfungsordnung, die einen Schöpfergott voraussetzt, sind es die Frauen, die
ein Gebärmonopol haben: Also ein naturgegebenes Privileg, das Männer nicht
diskriminiert. Aber warum können eigentlich Männer, die biologisch dazu
indisponiert sind, keine eigenen Kinder bekommen? Das ist eine
Gerechtigkeitsfrage, die sich wohl nur schöpfungstheologisch beantworten läßt.
Also von einem Gott her, den man nicht als Gewährsmann für Gender-Ideologie und
Gleichheitswahn in Anspruch nehmen kann, wenn man Seine Zehn Gebote anerkennt.
Das Vierte Gebot lautet: Du sollst Vater und Mutter ehren. Nicht zufällig
interessieren sich Kinder dafür, ihre eigenen Eltern zu kennen, denen sie ihre
Existenz zu verdanken haben.
Quelle: www.die-neue-ordnung.de
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