Erschienen in Ausgabe: No 90 (08/2013) | Letzte Änderung: 31.07.13 |
von Susanne Weiß
Vorliegender Text verdeutlicht,
anhand Pierre Bourdieus Ansatz des Verknüpfens von Theorie und Empirie[1], die
Distinktionsmacht des Kunstmuseums[2] – im
Kontext unterschiedlich gebildeter Museumsbesucher. Es wird dargestellt,
mittels welcher Mechanismen symbolischer Gewalt soziale Ungleichheit innerhalb
des Museums zutage treten und von welchen sozialen Voraussetzungen
Kunstwahrnehmung und Kunstkompetenz abhängig sind. Auf welche Weise geben sich
bildungsferne Personen – mit nur einem geringem Maß an kulturellem Kapital[3]
ausgestattet – aufgrund spezifischer habitueller Dispositionen innerhalb des
sozialen Feldes der Kunst – im Genaueren des Kunstmuseums – zwangsläufig als in
der benachteiligten Position zu erkennen?
Triade: Bildung – Erziehung – Sozialisation
Bezüglich der Reproduktion
sozialer Ungleichheit wirkt eine Kombination institutioneller, schulischer und
pädagogischer – innerhalb der Schule wirksam werdender – Steuerung mit
milieuspezifischen Strategien – durch kulturell bedingte Defizite – zusammen.
Aufgrund einer differenten Bildung, Erziehung, Sozialisation, habitueller
Prägung und einem daraus resultierend unterschiedlich erlernten Sprachcode,
entsprechend des eigenen Herkunftsmilieus, entstehen primär innerhalb der
ersten Lebensjahre zwangsläufig soziale Ungleichheiten zwischen Kindern
begünstigter (bildungsnahen) und Kindern benachteiligter (bildungsfernen)
sozialer Milieus (Grundmann. 2011: 64; Geißler. 1994: 95f.) In der Konsequenz
ergeben sich daraus ungleiche Startchancen in Bezug auf den eigenen Bildungs-
und Lebensweg zwischen bildungsnahen und bildungsfernen Kindern und darüber
hinaus unterschiedliche Zugangsberechtigungen zu hohen gesellschaftlichen
Positionen.
Mit Eintritt in die Institution
Schule wird diese bereits entstandene soziale Ungleichheit von Seiten der
Schule, welche als Mittelschichtorganisation und Verfestigungsstätte sozialer
Ungleichheit fungiert, mithilfe von Auslese-, Selektions- und
Abdrängungsmechanismen symbolischer Gewalt in Bildungsungleichheit übersetzt
(Bourdieu. 2004: 47f.). Innerhalb der Institution Schule vollzieht sich auf
diese Weise eine kumulative Verfestigung bereits bestehender sozialer
Disparitäten. ,,Kindern bildungsferner Milieus fehlt eine wichtige
Voraussetzung für die Teilhabe an institutionalisierten, auf spezifische
Abstraktionsfähigkeiten zielenden Bildungslaufbahnen (...) weil in ihrem
Herkunftsmilieu nicht abstraktes Denken und Handeln, sondern – wie Kohn (1995)
belegt – eine praktische Handlungsrationalität vorherrscht und ihre Eltern den
unmittelbaren ,,Nutzen“ abstrakter Bildungsinhalte nicht vermitteln können. So
gesehen verstärkt bzw. produziert die institutionelle Engführung von Bildung
soziale Bildungsungleichheiten, die nicht durch lebensweltliche Erfahrungen und
persönliche Differenzen legitimiert, sondern in erster Linie durch akademische
bürgerliche Bildungsansprüche und -bewertungen hervorgebracht werden. (...)
Damit wird Bildung nicht nur für die einen zum Privileg, sondern zum Fluch für
die Bildungsaufsteiger, die sich bei weniger günstigen Verwertungschancen der
erworbenen Titel von ihren Herkunftsmilieus entfremden und damit den Bezug zu
ihrer Herkunftsfamilie und ihren herkunftsmilieuspezifischen
Handlungsrationalitäten verlieren.“ (Grundmann. 1998. 169f. Hervorheb. i. O.).
Nach Bourdieu ist das Kultivieren eines spezifischen Klassenhabitus’,
Kunstgeschmacks und Kunstcodes nicht bereits ,,mit in die Wiege gelegt“,
sondern maßgeblich von der Bildung, Erziehung und Sozialisation geprägt und
wird innerhalb dieses Verlaufs inkorporiert. Aufgrund des Maßes an
Anregungsgehalt der elterlichen Erziehung und habitueller Weitergabe, im
Wesentlichen inkorporierten kulturellen Kapitals befinden sich bildungsnahe
Personen oberer sozialer Milieus gegenüber bildungsfernen Personen unterer
sozialer Milieus klar im Vorteil.
Die Distinktionsmacht des Kunstmuseums
Aufgrund bereits
aufgeschlüsselten Geflechts zahlreicher Benachteiligungen auf Seiten
bildungsferner Personen kommt es innerhalb des Kunstmuseums zwangsläufig zum
Sichtbarwerden sozialer Ungleichheit und dem Zutage Treten unterschiedlicher
Kunstkompetenzen – dem jeweiligen Herkunftsmilieu, der sozialen Klasse und dem Habitus
entsprechend. Während sich Menschen mit hohem Bildungsniveau innerhalb des
sozialen Feldes des Kunstmuseums akzeptiert und aufgenommen fühlen, sehen sich
bildungsferne MuseumsbesucherInnen als in der defizitären, benachteiligten
Position gefangen[4].
Bourdieu verdeutlicht die Privilegiertheit der ,,oberen Klassen“ äußerst treffend:
,,Den Mitgliedern der Bourgeoisie wird der Kunstgeschmack sozusagen mit in die
Wiege gelegt“ (Schumacher. 2001: 101). ,,Durch permanente, unmerkliche Übung
wird er zur zweiten Natur: Die Gebildeten sind die Eingeborenen der oberen
Bildungssphäre.“ (Bourdieu. 2011: 54). Innerhalb des sozialen Feldes des
Kunstmuseums vollzieht sich dann unter dem Deckmantel subtiler Mechanismen
symbolischer Gewalt, wie der soziale Ungleichheit verschleiernden
,,charismatischen Ideologie“, die Distinktionsmacht besagter Institution. Das
Kunstmuseum scheint mithilfe dieser ,,charismatischen Ideologie“[5],
in Form des Verschleierns sozialer Disparitäten eine zentrale Distinktionsmacht
auf Personen bildungsferner sozialer Milieus auszuüben. Aufgrund ,,charismatischer
Ideologie“ werden Kunstgeschmack und Kunstkompetenz bildungsferner
MuseumsbesucherInnen auf deren natürliche benachteiligte Begabung
zurückgeführt. Dieser legitimatorische Effekt schafft jedoch eine unüberwindbare
Barriere zwischen bildungsnahen und bildungsfernen MuseumsbesuchernInnen. Der
(Kunst)Geschmack wird damit von den ,,herrschenden Klassen“ festgelegt und
hängt entscheidend von der sozialen Herkunft ab. Bildungsferne Personen spüren im
Kontext des Kunstmuseums ihre fehlende Kunstkompetenz und den damit verbundenen
gesellschaftlichen Ausschluss. Bildungsfernen Personen bleibt aufgrund
mangelnder Kunstkompetenz und fehlender, auf Abstraktion zielender,
Kunstwahrnehmung der Zugang zu Kunst weitestgehend verwehrt. Sie sehen sich in
der Misere, von Personen der ,,herrschenden Klassen“ als ungebildete
,,Kunstbanausen“ abgestempelt zu werden.
Bourdieu wendet sich entschieden gegen besagte ideologische Vorstellung,
die Kunstkompetenz und das Erlangen eines spezifischen Kunstcodes seien
angeboren oder würden rein auf individueller Begabung basieren. Kunstkompetenz
und Kunstcode bilden sich ihm zufolge innerhalb des milieuspezifischen
Sozialisationsverlaufs auf dem distinktiven Habitus der bürgerlichen Klasse aus
(Schumacher. 2001: 102f.). Das Kultivieren eines, für die
abstrakte Interpretation und Analyse von Kunst notwendigen, Kunstcodes[6]
und spezifischen Kunstgeschmacks hängt im Allgemeinen – Bourdieu zufolge – wesentlich
von den beiden Faktoren Sozialisation und Bildungsniveau, sprich dem Aspekt kulturellen
Kapitals, ab. So geht der spezifische, innerhalb des Museums zum Ausdruck kommende
Kunstcode ,,auf eine bürgerliche familiäre Sozialisation zurück, die
stillschweigend als soziale und kulturelle Voraussetzung fungiert.
Kunstsachverstand basiert auf einem langsamen vertraut Werden mit der Welt der
Kunst, in welche man mehr oder weniger hineingeboren wird und sich nach und
nach den künstlerischen Code (passiv) als Teil des Habitus aneignet.“
(Bourdieu. 2011: 208).
Ergo ist der Sinn für Kunst kein angeborenes Talent, sondern wird
maßgeblich durch die sozialen Lebensbedingungen geprägt (Schumacher. 2001:
101). Daraus resultierend ist der Zugang zur legitimen Kultur weitgehend
bildungsnahen, aus oberen sozialen Milieus stammenden Menschen, ausgestattet
mit einem hohen Maß an kulturellem Kapital[7],
vorbehalten – Menschen unterer sozialer Milieus befinden sich eindeutig in der
benachteiligten Position. Diese Beeinträchtigungen werden im sozialen Feld der
Kunst – des Kunstmuseums – durch genannte subtile Mechanismen symbolischer
Gewalt wirksam, diese lassen bildungsferne Personen ihre defizitäre Situation
spüren und katapultieren sie damit ins gesellschaftliche Abseits. ,,Geschmack
klassifiziert – nicht zuletzt den, der die Klassifikation vornimmt. Die
sozialen Subjekte, Klassifizierende, die sich durch ihre Klassifizierung selbst
klassifizieren, unterscheiden sich voneinander durch die Unterschiede, die sie
zwischen schön und hässlich, fein und vulgär machen und in denen sich ihre
Position in den objektiven Klassifizierungen ausdrückt oder verrät.“ (Bourdieu.
1987: 25).
Bleibt letztlich festzuhalten,
dass individuelle Entfaltungsmöglichkeiten und Entwicklungspotentiale maßgeblich
von der sozialen Herkunft durchdrungen und geprägt sind. Daraus resultierend haben
das soziale Feld der Kunst – wie auch zahlreiche weitere Sphären des
gesellschaftlichen Lebens – die Möglichkeit ihre distinktive,
ungleichheitsverstärkende Macht auszuüben. Der klassenspezifische Geschmack ist
folglich ein Mittel zur Verschränkung der Distinktion und der Aufrechterhaltung
der Schranken zwischen bildungsnahen und bildungsfernen Menschen.
Literaturverzeichnis:
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[1]
Bourdieus Theorie kann als Analyse der Zusammenhänge zwischen Sozialstruktur
und Kultur charakterisiert werden. Kultur ist für ihn das entscheidende Medium
zur Reproduktion vertikal gegliederter Klassenstrukturen. Die am deutlichsten
in unterschiedlichen Lebensstilen bzw. ,,sozialen Praxen“ zum Ausdruck kommende
Klassenzugehörigkeit und der auf milieuspezifischen Ursachen basierende
Ausschluss von Personen unterer sozialer Milieus wird hier anhand des sozialen
Feldes der Kunst veranschaulicht. Weitere bedeutende soziale Felder sind – laut
Bourdieus Definition – die Politik, die Wissenschaft, die Wirtschaft oder die
Bildung.
[2] Die
distinktive Macht des Museum wird im Allgemeinen in sämtlichen Formen von
Museen wirksam bzw. für bildungsferne Personen spürbar – ob innerhalb eines
naturhistorischen Museums, eines Schifffahrtsmuseums, eines
römisch-germanischen Museums oder eines stadthistorischen Museums, um nur
einige Beispiele des breiten Repertoires an Museen anzuführen. In vorliegendem
Text bezieht sich die distinktive Macht des Museums allerdings explizit auf die
Sphäre des Kunstmuseums, da dort die distinktive, soziale Ungleichheit
verstärkende Macht – aufgrund des innehaben Müssens von, auf kulturellem
Kapital basierender, Kunstkompetenz – besonders stark zu Tage tritt.
[3] An
dieser Stelle möchte ich erwähnt wissen, dass sich Bourdieus Differenzierung
von Kapitalarten auf soziales, ökonomisches, kulturelles und auf symbolisches
Kapital bezieht. Ökonomisches und kulturelles Kapital erachtet Bourdieu als
existenziell – soziales und symbolisches Kapital nehmen eine untergeordnete
Rolle bei ihm ein (vgl. Bourdieu: 1982). In vorliegender Arbeit wird allerdings
als wesentlicher Aspekt sozialer Ungleichheit im Kontext der Distinktionsstätte
des Museums das inkorporierte kulturelle Kapital erachtet und daher
thematisiert. Kulturelles Kapital kann darüber hinaus in einem objektivierten
Zustand oder in einem institutionalisierten Zustand, z.B. in Form von
Bildungstiteln existieren – diese beiden Formen kulturellen Kapitals sind aber
nicht explizit Gegenstand dieser Arbeit. Das inkorporierte kulturelle Kapital
wird akkumuliert durch die Sozialisation intergenerativ weitervererbt und kann
daher als entscheidender Faktor für die Entstehung sozialer Ungleichheit
verstanden werden – auf soziales, ökonomisches und symbolisches Kapital und die
beiden speziellen Arten kulturellen Kapitals (objektiviertes und
institutionalisiertes Kapital), welchen ebenfalls allen eine distinktive Macht
zugeschrieben werden kann, wird in dieser Arbeit nicht im Speziellen
eingegangen.
[4] Diese
Erkenntnisse basieren auf Bourdieus Werk ,,Die Liebe zur Kunst“ aus dem Jahre
1966, in welchem er die Beziehungen zwischen dem Besuch des Museums und
verschiedenen sozialen, ökonomischen und kulturellen Merkmalen der
Besucher/innen empirisch untersucht hat. (vgl. Bourdieu. 2006).
[5] Die
,,charismatische Ideologie“ fasst die Kunstkompetenz und den spezifischen
Kunstcode als Determinanten natürlicher Begabung auf und blendet den
sozialisatorischen Aspekt vollkommen aus. (vgl. Bourdieu. 2011: 51f.).
[6] Der
für die Betrachtung und Interpretation von abstrakter Kunst notwendige
Kunstcode basiert primär auf der Ikonographie – einer deskriptiven
Klassifizierung des Werkes und einer groben ersten Einordnung in dessen
kunsthistorischen Hintergrund. Durch die weiterführende, vertiefende
ikonologische Interpretation eines Werkes, welche interdisziplinär versucht die
Intention des Malers und das Wesen des Kunstwerkes zu ergründen, ermöglicht
dann die vollständige ästhetische Erkenntnis des Kunstwerks. Bourdieu
unterscheidet weiterführend die für die Kunstwahrnehmung benötigten Niveaus des
Phänomensinns, des Bedeutungssinns und des Wesenssinns. Hierzu ist
kunstspezifisches Wissen zur Biographie des Künstlers und dem jeweiligen
Kunstwerk innerhalb der bestimmten historischen Kunstepoche von Nöten, was sich
nur schwer separat aneignen lässt. Vielmehr wird dieser, der Kunst zugewandte
Wissensbestand per Sozialisation und durch die Weitergabe kulturellen Kapitals
klassenspezifisch vermittelt. Aufgrund dieser fehlenden Kenntnisse auf Seiten
bildungsferner Personen fällt ihnen Kunstanschauung zusehends schwerer als
bildungsnahen Personen. Sie fühlen sich im sozialen Feld der Kunst unangenehm
aufgehoben und nehmen innerhalb des Museums – dies bevorzugt als Gruppe
besuchend – Hilfestellungen, wie etwa Museumsführer oder Wegweiser dankend an. (vgl.
Panowsky. 2006: 33f.).
[7] Das
Maß an kulturellem Kapital geht oftmals einher mit dem in ähnlichem Maße
Innehaben sozialen und ökonomischen Kapitals, da Faktoren wie der
Anregungsgehalt der Erziehung, der erlernte Sprachcode etc. nicht strikt von
den sozialen und ökonomischen Voraussetzungen der jeweiligen Herkunftsfamilie
zu trennen sind. Die verschiedenen von Bourdieu genannten Kapitalarten bedingen
sich gegenseitig – so wird eine bildungsferne Person mit nur geringem Maß an
sozialem und ökonomischem Kapital zwangsläufig nicht das einer aus oberen
sozialen Milieus stammenden Person gleichwertige kulturelle Kapital besitzen.
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