Erschienen in Ausgabe: No 90 (08/2013) | Letzte Änderung: 01.08.13 |
von Susanne Weiß
Für jede Herrschaft, aber auch für die kritische
Auseinandersetzung mit einer solchen, sind Erinnerungen von existentieller
Bedeutung. So versucht der Staat beispielsweise mit Denkmälern, Jahrestagen,
Straßennamen, Schulbüchern, Bildern oder Fernsehsendungen bestimmte Ereignisse
in unserem Gedächtnis zu etablieren, andere wiederrum verschwinden zu lassen.
Der Staat legitimiert seine Herrschaft als notwendiges und objektives Ergebnis
der Geschichte (vgl. Hirsch. 2005). Die kritische Auseinandersetzung mit dem
Begriff des ,,kollektiven Gedächtnisses“ hat dagegen die Aufgabe, die
Ereignisse, die uns die, von Macht durchdrungenen Diskursformationen geprägte,
staatliche Herrschaft vorenthalten oder vergessen lassen will, erinnerbar zu
machen. Vor allem Foucault versucht herrschende Diskursformationen zu
analysieren bzw. Episteme – die das Sein, das Denken und das Handeln der
Menschen prägende Wissensordnung jeweiliger historischer Epoche – aufzuschlüsseln
(vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 282ff.). Die Kontinuität der Herrschaft
tritt demzufolge der Kontinuität der kritischen Betrachtung gegenüber (vgl.
Klee. 2006).
In der westlichen Welt existiert seit den 1980er Jahren ein
regelrechter Gedächtnis-Boom und die Begrifflichkeiten Erinnerung oder kollektives
Gedächtnis sind zu inflationär gebrauchten Ausdrücken, vor allem des
Feuilletons, geworden. Im Zuge des Streitens über das Holocaustdenkmal, die
alliierte Bombardierung Deutschlands, die Geschehnisse des 8. Mai als
Markierung des Endes des Zweiten Weltkrieges oder das Existieren der ehemaligen
DDR – um hier nur kurz auf den geschichtlichen Aspekt des ,,kollektiven
Gedächtnisses“ einzugehen – hat der Zeitzeuge den Historiker langsam aber
sicher aus den öffentlichen Debatten verdrängt (vgl. Geißler. 2011: 14ff.; vgl.
bpb. 2006; vgl. Hirsch. 2005).
Doch wie sich die oftmals un- bzw. fehlinterpretierten
Begriffe ,,kollektives“, ,,kommunikatives“ und ,,kulturelles Gedächtnis“
charakterisieren lassen und wie der Inhalt und die Funktionsweisen des
menschlichen Gedächtnisses funktionieren, hat in den 1920er Jahren federführend
der französische Soziologe und Philosoph Maurice Halbwachs innerhalb seiner
Theorie ,,des kollektiven Gedächtnisses“ versucht zu beschreiben. Denn das
Gedächtnis ist keineswegs mit einer Festplatte gleichzusetzen, die Erinnerungen
wirklichkeitsgetreu abspeichert und per Mausklick problemlos erneut exakt abrufen
kann, wie oft angenommen (vgl. Assmann. 2006: 119f.). Erinnerungen sind – in
unterschiedlichem Ausmaß – vielmehr ein Konglomerat aus Fakten und Fiktionen,
aus ,,Wahrem“ und ,,Gedachtem“. Erinnerungen erscheinen uns als real,
tatsächlich aber stellen sie eine Konstruktion des Geistes dar. Sich Erinnern
ist nicht zu vergleichen mit dem Abspielen eines (Ton-)Bandes oder dem
Anschauen eines Bildes, sondern eher mit dem Erzählen einer, mit subjektiven
Elementen vermischten, Geschichte (vgl. Corballis. 2011: 129f.). ,,Erinnerungen
sind Erlebniskonstruktionen auf Basis dessen, was und wie wir momentan erleben. Sie sind imaginäre
Erweiterungen des Jetzt, diemit
zunehmendem Zeitabstand immer mehr im Nebel verschwimmen“ (Saum-Aldehoff. 2013:
36f. Hervorh. i. O.).
Halbwachs, stark inspiriert von dessen Lehrer Durkheim, stellt
innerhalb seiner zentralen Schrift ,,Das Gedächtnis und seine sozialen
Bedingungen“ (1985) die These auf, dass „das gesellschaftliche Denken
wesentlich ein Gedächtnis ist, und dass dessen ganzer Inhalt nur aus
kollektiven Erinnerungen besteht, dass aber nur diejenigen von ihnen und nur
das an ihnen bleibt, was die Gesellschaft in jeder Epoche mit ihrem
gegenwärtigen Bezugsrahmen rekonstruieren kann“ (Halbwachs. 1985: 360).Besagtes, von Halbwachs verfasstes,
Werk zerfällt in zwei große Teile: Im ersten Teil (Kapitel 1 – 4) wird, ganz im durkheimschen Sinne, dargelegt, dass individuelles
Erinnern von sozialen Bedingungen geprägt wird bzw. abhängt und dass es
regelrecht im kollektiven Bewusstsein aufgeht (vgl. Echterhoff/Saar. 2002:
15f.). ,,Der Vorgang des Erinnerns ist durch soziale, öffentliche bzw.
intersubjektive Bezugsnahmen geprägt; er orientiert sich an diesen Rahmen“
(ebd.: 17). Halbwachs betont hierzu: ,,(…) Dass alle individuellen Erinnerungen
auch kollektiv sind, denn wir tragen stets eine Anzahl unverwechselbarer Personen
mit und in uns“. (…) ,,Das kollektive Gedächtnis ist auf das individuelle
Gedächtnis“ angewiesen, in dem sich das Erleben der Erinnerungen vollzieht.
Individuen sind stets die Träger kollektiver Erinnerungen“. (…) ,,Das
individuelle Gedächtnis liegt dabei im Schnittpunkt verschiedener sozialer
Einflüsse; es ist ein Treffunkt mehrerer sich in uns kreuzender Strömungen
kollektiven Denkens“ (ebd.: 2ff.). Von Epoche zu Epoche wird Vergangenes neu
retuschiert bzw. den aktuellen Denkweisen der Menschen und deren, von der
Gegenwart geprägten, Vorstellungen über Geschichte angepasst (vgl. Halbwachs.
1985: 231). ,,Das Individuum steht nach Halbwachs ohne diese Orientierung einer
innerlich angespülten Fülle aus ununterscheidbaren vergangenen und aktuellen
Zuständen gegenüber, die gleichermaßen das Gegenwartsbewusstsein überfluten“
(Echterhoff/Saar. 2002: 16).Er spricht in diesem Bezug von ,,(…) Rekonstruktionen, die
von der Gegenwart ausgehend in die Vergangenheit zurückgreifen. Für ihn gab es
keine Objektivation von Vergangenheit“ (Assmann. 2002: 9). Halbwachs hat anhand
seines Konzeptes des ,,kollektiven Gedächtnisses“ zeigen können, dass das
individuelle und das kollektive Gedächtnis untrennbar miteinander verzahnt und
aufeinander angewiesen sind. Das individuelle Gedächtnis ist zudem als soziales
Produkt zu bezeichnen, da es sich erst innerhalb gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (cadres sociaux) herausbildet und
weitestgehend von diesen bestimmt bzw. determiniert ist (vgl. Erll. 2005: 15f.;
vgl. Assmann. 2006: 153f.).
Der zweite Teil des Werkes ,,Das Gedächtnis und seine
sozialen Bedingungen“ (Kapitel 5 – 7) behandelt spezifische
Gruppengedächtnisse. Diese sind nicht explizit Gegenstand vorliegenden Textes,
sondern finden hier nur kurz Erwähnung. So besitzen, Halbwachs zufolge, die
verschiedenen Gruppen der Gesellschaft, wie Familien oder
Religionsgemeinschaften, ihr jeweils eigenes spezifisches ,,kollektives
Gedächtnis“. Das einzelne Individuum benötigt diese sozialen Rahmen, um sich
erinnern zu können und verinnerlicht auf diesem Wege den Standpunkt der Gruppe
(vgl. Halbwachs. 1985: 199). ,,Die Gesellschaft als Ganze teilt sich laut
Halbwachs in verschiedene Gruppierungen und Gemeinschaften, die eine Art
flexibler, aber zugleich stabiler Identität ausbilden“. (…) ,,Erinnerungen sind
Vergangenheitsversionen, keine Abbilder. Verschränkt mit dem Rahmen, innerhalb
derer sie ins Gedächtnis gerufen werden, tragen sie die Spuren der Zwecke und
Kontexte ihrer Rekonstruktionen. Damit sind aber die Gedächtnisinhalte nicht
,,gegeben“ und als solche abrufbar, sondern unterliegen den Erfordernissen, die
sich aus einer ,,Passung“ in die gegenwärtigen Rahmen ergeben. Daraus folgt die
Möglichkeit der Täuschung und Verfälschungen, des fausse mèmoire“ (Echterhoff/Saar. 2002: 16ff. Hervorheb. i. O.).,,Das Gedächtnisläßt die Vergangenheit
nicht wiederaufleben, es rekonstruiert sie“ (Halbwachs. 1985: 8). Zerbricht
eine Gruppe, verschwinden die mit ihr verbundenen Erinnerungen vollkommen;
verändern sich die sozialen Rahmenbedingungen, passt sich die Konstruktion den
Erinnerungen an (vgl. Halbwachs. 1985: 350). Folgendes Zitat betont ebenfalls
noch einmal treffend die Verzahnung von individuellem und kollektivem
Erinnerungsbezug: ,,Es genügt in der Tat nicht zu zeigen, dass Individuen immer
gesellschaftliche Bezugsrahmen verwenden, wenn sie sich erinnern. Man müßte
(bzw. muss) sich auf den Standpunkt der Gruppe oder der Gruppen
>>stellen<<. Die beiden Probleme hängen übrigens nicht nur
voneinander ab, sondern sind identisch. Man kann ebenso gut sagen, dass das
Individuum sich erinnert, indem es sich auf den Standpunkt der Gruppe stellt,
und dass das Gedächtnis der Gruppe sich verwirklicht in den individuellen
Gedächtnissen“ (Echterhoff/Saar. 2002: 23. Hervorheb. i. O.).
Für den von Durkheim inspirierten Halbwachs hängt die
Wahrnehmung menschlicher Bedürfnisse entscheidend von der jeweiligen
Klassenlage ab – er spricht von ,,genre de vie“. Dennoch entwickelt er mit
seiner Theorie bezüglich des sozialen Charakters von Erinnerungen keinesfalls
eine marxistische Theorie, die davon ausgeht, Erinnerungen hätten eine Art
Klassencharakter, um die ein klassenspezifischer Kampf geführt wird. Gruppen
erscheinen für ihn vielmehr als in sich geschlossen und Individuen ist es erst
durch die Kommunikation mit der Gruppe möglich, das eigene individuelle
Gedächtnis herzustellen (vgl. Klee). Von existentieller Bedeutung ist darüber
hinaus die Tatsache, dass das ,,kollektive Gedächtnis“ nicht a priori
existiert, sondern ex post, von den Menschen selbst, als soziale Konstruktionsleistung mithilfe von Kommunikation, erst
hergestellt wird.,,Halbwachs
stellte mit aller Entschiedenheit die Soziogenese des individuellen
Gedächtnisses heraus und zeigte, dass das, was wir an Kollektivem in uns
tragen, uns nicht durch biologische Vererbung, sondern durch Kommunikation,
durch soziale und kulturelle Teilhabe zugekommen ist. Halbwachs hat das Thema
des Gedächtnisses um die soziale Dimension erweitert (…)“ (Assmann. 2002: 8).
Die halbwachssche Konzeption des ,,kollektiven
Gedächtnisses“ richtet sich weder alleinig auf individuelles Erinnern, noch
alleinig auf das universale, historische Gedächtnis. Das ,,kollektive
Gedächtnis“ umfasst soziale Gruppen unterschiedlichster Größe, in ihrer
jeweiligen kollektiv miteinander erlebten Zeit, und ist – ganz im durkheimschen
Sinne – etwas nicht direkt Beobachtbares (vgl. Assmann. 2005: 29f.). Das
einzelne Individuum ist, ob es will oder nicht, ein Teil des ,,kollektiven
Gedächtnisses“.
Halbwachs
verdeutlicht, dass das, was der Mensch an Kollektivem in sich trägt, nicht
durch biologische natürliche Ursachen, sondern
vielmehr durch Kommunikation und soziale und kulturelle Teilhabe zustande
kommt. Es ist daher von fundamentaler Bedeutung, Gesellschaft – und damit auch
das ,,kollektive Gedächtnis“ – nicht als a priori bereits existent zu
bezeichnen, sondern beides als eine von den Menschen selbst hergestellte
Konstruktionsleistung, die erst ex postfestgelegt
wird. An dieser Stelle wird zudem die Tatsache, dass Halbwachs‘ bemerkenswerte
Reflexionen über die Beziehungen von Gedächtnis und Gesellschaft als
Inspirationsquelle und Anknüpfungspunkt für die Wissenssoziologie und die
Sozialpsychologie betrachtet werden können, als erwähnenswert erachtet (vgl.
Halbwachs. 1991. VII). Für Halbwachs ist die Tradierung von Erinnerungen
darüber hinaus in kommunikative Kontexte der Weitergabe eingebunden. Durch
diese erfolgt über Erfahrungsverarbeitung und Gedächtnisbildung maßgeblich die
Identitätskonstitution (vgl. ebd.: 18f.; vgl. Dümpelmann. 2002: 185f.). Dieser
anthropologische Aspekt der intergenerativen Produktions- und
Reproduktionsleistung der Gesellschaftsordnung DURCH den Menschen erinnert
deutlich an den sozialkonstruktivistischen Ansatz von Berger und
Luckmann, worauf im Weiteren noch expliziter eingegangen wird. Doch zuvor wird beleuchtet, inwiefern Halbwachs‘ Theorie
des ,,kollektiven Gedächtnisses“ stark von durkheimschen Termini beeinflusst
ist.
Durkheims auf das halbwachssche Konzept
des ,,kollektiven Gedächtnisses“
Für den französischen Soziologen Èmile Durkheim und Lehrer
von Halbwachs ist von besonderem Interesse, durch was die Beziehungen der
Menschen und das soziale Zusammenleben untereinander zusammengehalten wird. Er
fragt danach, wie innerhalb des fortschreitenden Modernisierungs- bzw.
Differenzierungsprozesses der frühen Moderne soziale Ordnung und Integration
zustande kommen und darüber hinaus Solidarität gewährleistet werden kann (vgl.
Kaesler. 2006: 158ff.). Er deckt, als wesentliche Einflussgründe, die
verborgenen Ursachen gesellschaftlicher Phänomene auf (vgl.
Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 67ff.; vgl. Giddens. 1999: 8f.). Durkheim und,
innerhalb des 20. Jhd. daran anschließend, Berger und Luckmann betrachten die Komponenten ,,Raum“ und ,,Zeit“ als
kulturelle Konstruktionen. Diese sind sowohl durch ,,soziale Tatsachen“, sprich
gesellschaftliche Zwänge, Regeln und Normen, alsauchdurch, vondenMenschen alsnatürlich wahrgenommene, Denkkategorien bestimmt, welche einen sozialen
Ursprung[1]
haben.Durkheim charakterisiert die
Gesellschaft: ,,Als eine Realitätsebene sui
generis, die nicht auf anderes reduziert werden kann. (…) Soziales kann nur
aus Sozialem erklärt werden“ (Rosa/Strecker/Kottmann: 2007: 86. Hervorheb. i.
O.).Laut Durkheim sind sämtliche individuellen Handlungen
letztlich auf eine überindividuelle soziale Wirklichkeit zurückzuführen, die er
als sog. ,,kollektives Bewusstsein“ bezeichnet. Dieses Bewusstsein verkörpert,
ihm zufolge, den Handlungsrahmen aller Soziabilität.
,,Soziale Tatsachen“ führen, so Durkheim, quasi ein
Eigenleben und üben einen unausweichlichen gesellschaftlichen Zwang und eine
kollektive Macht auf die Menschen aus. Die beiden, für vorliegenden Text relevanten
und von Durkheim differenzierten, Ebenen ,,sozialer Tatsachen“ sind zum einen die
der Institutionen – der normative Bereich von Regeln wie Recht, Moral oder
kollektiven Vorstellungen – zum anderen die Ebene der kollektiven
Repräsentationen – die symbolische Sphäre, die sich entweder zu
gesellschaftlich tradierten Werten bzw. kulturellem Wissen verfestigt oder als
sog. Zeitgeist weiter fortbesteht.
Berger und
Luckmanns sozialkonstruktivistischer Ansatz
Die beiden Wissenssoziologen Berger und Luckmann konstituieren sowohl die Kontingenz gesellschaftlicher
Ordnung als menschliches Produkt einer subjektiven Wirklichkeit, als auch das
dialektische Moment von Gesellschaft und Mensch. Anthropologisch betrachtet ist
der Mensch darauf angewiesen, sich eine Welt voller Ordnung zu erschaffen (vgl.
Luckmann. 2008: 33ff.). Anhand der Triade ,,Externalisierung – Objektivation –
Internalisierung“ vollzieht sich diese Institutionalisierung, sprich die
Herstellung gesellschaftlicher Ordnung.Den beiden Wissenssoziologen
gelingt es zu veranschaulichen, dass gesellschaftliche Ordnung ein von Menschen
geschaffener selbsthervorbringender Prozess ist, der nicht a priori bereits
existiert, sondern ex post konstruiert wird. Um diese Erkenntnis auf das
Anliegen vorliegenden Textes zu beziehen, bleibt festzuhalten, dass die
Begrifflichkeit des ,,kollektiven Gedächtnisses“ – bestehend aus
,,kommunikativem Gedächtnis“ und ,,kulturellen Gedächtnis“ – menschlichen Konstruktionsleistungen und damit
Verzerrungen, Manipulationen und Verfälschungen unterliegt. Dadurch können
kulturelle Wissensbestände zwangsläufig nicht als rein objektive Wahrheiten
tradiert werden, sondern basieren eben vielmehr auf Kontingenz.
Foucaults
kritische Diskursanalyse
Hinzukommend kann – auf Basis Foucaults Werk ,,Die Ordnung
des Diskurses“ –kritisch die Rolle der, mittels Kontroll- und Machtmechanismen
die Aufrechterhaltung und Weitergabe von Wissen festlegenden, Diskurse
einbezogen und auf die hier interessierende Bedeutung der Tradierung
kulturellen Wissens übertragen worden. Im Zuge der Freilegung der, das
Denken, das Handeln und das Sein der Menschen bestimmenden, Wissensordnung
jeweiliger Epoche gelingt es Foucault in überaus treffender Art und Weise zu
verdeutlichen, wie Episteme die Wissensproduktion stillschweigend prägen und
wie dadurch Wissen generiert wird (vgl. Foucault: 2003). Diese, aus Diskursen
hervorgehende, Macht-Wissens-Komplexe kommen als Ergebnis kontingenter,
politisch durchdrungener Machtformationen innerhalb diskursiver Strukturen
zustande. Sie beeinflussen bzw. manipulieren sowohl die individuellen
Bedürfnisse und Wünsche der Menschen (auf der Mikroebene), als auch das
,,kollektive Gedächtnis“ und das gesellschaftlich tradierte kulturelle Wissen
(auf der Makroebene).
Fazit und kritische Anmerkung:
Der Text erhebt
nicht den Anspruch kulturell tradierte Wissensbestände als, um die Absolutheit
dessen auszudrücken, ,,falsch“ zu bezeichnen. Vielmehr ist es das Anliegen
vorliegenden Textes gewesen, zu verdeutlichen, aufgrund welcher
Einflussfaktoren – individuelle Erinnerungsverzerrungen, auf die Menschen
einwirkende ,,soziale Tatsachen“, die unhinterfragte intergenerative Weitergabe
gesellschaftlich hergestellter Ordnung durch den Menschen selbst und zudem
durch, das kulturelle Wissen und dessen Weitergabe festlegende, diskursive
Strömungen – die Tradierung kulturellen Wissens auf Kontingenz basiert, nicht
notwendigerweise derart entstanden ist, sondern hätte auch völlig andersartig
zustande gekommen sein können.
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[1]
Anzumerken sei an dieser Stelle, dass sich Durkheim mit der Einstellung ,,alles
habe einen sozialen Ursprung“ zwischen die Position des Apriorismus –
Denkkategorien sind dem menschlichen Geiste bereist vor jeglicher Erfahrung
einsichtig – und die Position des Empirismus – Denkkategorien entspringen der
Erfahrung und sind daher erst nach der Erfahrung existent und dem menschlichen
Geiste zugängig – stellt.
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