Erschienen in Ausgabe: No 94 (12/2013) | Letzte Änderung: 10.12.13 |
von Anna Zanco-Prestel
Der Termin stand seit langem fest und niemand hätte sich
vorstellen können, dass die geplante „Restitution“ der 1933 der Freimaurerloge
„Zum aufgehenden Licht an der Isar“ beschlagnahmten Bücher besondere Aktualität
durch den sensationellen Gemälde-Fund in München gewinnen würde, der seit Tagen
die Aufmerksamkeit der Medien katalysiert. Der offizielle Akt fand am 8.11.
2013 vor Vertretern der Münchner Logen und der Presse durch die Person von Dr.
Rolf Griebel, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, im Rahmen deren
Bemühungen, „sich ihrer Verantwortung für ihre Verstrickung in der Zeit des
Nationalsozialismus auch öffentlich zu stellen.“ Die seit 2006 etablierte
Arbeitsgruppe „Restitution von NS-Raubgut“ führte zu ersten Rückgaben bibliophiler
Kostbarkeiten, die sich im Besitz der im KZ ermordeten Gabriele Rosenthal, von
Anna Caspari, der Kunsthändlerfamilie Bernheimer und des 1942 „arisierten“
Verlags Geca Kon in Belgrad sowie aus der Privatbibliothek von Thomas Mann in
der Poschingestraße.
Die Einrichtung neulich einer „Projektstelle für die NS-Raubgutforschung“ wird
von nun an eine inzwischen zehnjährige „systematische Suche nach NS-Raubgut im
eigenen Verantwortungsbereich“ anknüpfen. Besetzt wird sie durch Frau Susanne
Wanninger M.A., deren Doktorarbeit sich mit der Geschichte vom Hause
beschäftigt.
Zurückgegeben wurden insgesamt 121 Bücher und Zeitschriftenbestände überwiegend
freimaurerischen und philosophischen Inhalts von den 186, die die Bayerische
Staatsbibliothek von einem gerichtlich bestellten Liquidator zu einem
„Spottpreis“ von 65 Reichsmark erworben hatte. Wie die meisten Raubgüter wurden
die Bände entwederdirekt von der Gestapo bzw. nach Kriegsende von den
Alliierten übergeben, nachdem sie in speziellen NS- Bibliotheken aufgefunden
wurden. In Empfang wurden sie nun von Alt-Distriktmeister Bayern und Sachsen
sowie stellvertretenden Mitglied des Senats der Vereinigten Großlogen von
Deutschland Klaus Kastin genommen, der in seiner Ansprache verkündete, dass die
Bücher in den Besitz des Freimaurer Museums in Bayreuth übergehen werden. Mit
der Übergabe werde die Geschichte der Münchner Logen „ein Stück transparenter“.
Sämtliche Werke wurden digitalisiert und sind im Bibliothekskatalog OPACplus
zugänglich.Die Restitution der Raubgüter war für Kastin Anlass für einen kurzen
Exkurs in die Freimaurerei als ethischen Bund, deren vielfältige Wurzel und
deren Geschichte im modernen Zeitalter seit Gründung der ersten „Bauhütte“ in
London im Jahre 1717. Er zitierte Lessings Wort „Freimaurerei war immer“ und
strebe seit Menschengedenken nach Frieden, Humanität und Eintracht.Ihr Ziel sei kurz gefasst „to make a good man
man better“. Grundsätze wie Freiheit, Toleranz und Brüderlichkeit, die für ihr
Wesen stets prägend waren, haben häufig gegen die machtpolitischen Interessen
gestoßen, sei es der jeweiligen Herrscher als der Kirche. Die erste Bannbulle
von Papst Clemens XII. von 1738 und der Edikt von Karl Theodor von der Pfalz
und Bayern gegen Illuminaten und Freimaurer von 1785 hätten in Bayern eine
Verbreitung der Freimaurerei erschwert, wie sie in England, Frankreich oder in
den skandinavischen Ländern möglich war. Immerhin – erinnerte Kastin – seien in
München ganze 100 Straßen nach Freimaurern genannt, was den Stellenwert des
Bundes unterstreicht.
Zum Themenkomplex „Freimaurerisches Geheimnis“, das die Mitglieder nichts
anderes als die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über das eigene Brauchtum
auffassen, meinte Kastin, dass ein „Nachholbedarf bei der Kommunikation nach
Außen entstanden sei“ und dass die NS-Zeit vielleicht immer noch im negativen
Sinne „nachwirke“. Ein Versuch an die Öffentlichkeit heranzutreten, um
Vorurteilen und Irrglauben entgegenzuwirken, sei die Freimaurer-Ausstellung vom
Jahre 1990 im Münchner Rathaus mit Rekord verdächtigten 2.000 Besuchern
gewesen. Im kommenden 2014 wird die aus Hamburg kommende Werkschau „Die
Freimaurerei im Spiegel der Karikatur“ im Münchner Künstlerhaus ein weiterer
Schritt in dieser Richtung darstellen. Frei gestattet wurde die Freimaurerei in
Bayern 1850. 1840 war Kaiser Wilhelm I. dem Männerbund beigetreten. Die erste
Münchner Loge war die 1873 gegründete und noch existierende Loge „Zur Kette“.
1933 gehörte sie zu den 10 Logen, die durch die Nazis zur Auflösung gezwungen
wurden.1945 erteilten die Amerikaner 4 Lizenzen zur Gründung von
Freimaurerlogen. Es entstanden bis heute insgesamt 14 Logen, darunter 2
gemischte Logen und eine Frauenloge mit ca. 700 Mitgliedern. Die seit 1902
bestehende Loge „Zum aufgehenden Licht an der Isar“ wurde nicht wieder gegründet,
was die späte Rückgabe nach 80 Jahren ihrer Bücher plausibel machen sollte. Nach
den Worten von Generaldirektor Dr. Griebel soll dies erst ein Anfang weiterer
Restitutionen sein.
Infos über das NS-Raubgut in der
BSB ist zu finden unter dem Link:
http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/ns-raubgut
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