Erschienen in Ausgabe: No 94 (12/2013) | Letzte Änderung: 10.12.13 |
von Nora Knobloch
Wie es um ein Land steht, kann man vielleicht daran
ablesen, wie seine Regierung mit Humor umgeht.
Dr. Bassem Youssef ist Herzchirurg und der
Politsatiriker Ägyptens und gehört nicht zu denjenigen, die sich von der Post-Mursi-Ära
einwickeln lassen. Nach wie vorberichtete er kritisch und humorvoll – soweit
dies noch möglich war - auch über die jetzige Militärherrschaft und versuchte
im komplexen Macht- und Feindbilderwechselspiel seine kritische Stimme zu
wahren und nach wie vor zu äußern. Er war und ist in der Lage, kritisch
gegenüber jeglichen Machthabern zu sein: Mohammad Mursi, Führungsmitglieder der
Muslimbruderschaft, radikale Prediger, der Polizei, dem regimefügig
berichtenden Staatsfernsehen, dem Militär und General Abd al Fattah al Sisi.
Youssefs politische Satire ist die erste ihrer Art im gesamten arabischen Raum
und ihre Wichtigkeit für die ägyptische Jugend ist kaum zu überschätzen:
Erappelliert an die Menschen Ägyptens “keine passiven Rezipienten der Nachrichten
und Medien” mehr zu sein und fordert, die Medien gehörten den Menschen und
nicht der Regierung. Er trug in den letzten Jahren maßgeblich zu dem kritischen
Geist vieler Jugendlicher Ägyptens bei. Seine wöchentlich über die Bildschirme
der Cafes und Treffpunkte flimmernden Show wurde zu einem zentralen
Gesprächsthema; es war eine informierende, kritische und humorvolle
Institution, die in Anbetracht der schwierigen Zeit das Potential einer
heilenden Kraft und Aufklärung hatte.
Youssef ging in eine 4-monatige Sommerpausewegen der
politischen Umbrüche und kehrte Al Sisi kritisierend in die Öffentlichkeit
zurück. Nach nur einer ausgestrahlten Episode seiner Satireshow Al Barnameg am
25. Oktober( übers. das Programm) stellten sich die jetzigen
“Übergangs”-Machthaber ein Armutszeugnis aus: Bassem Youssefs Sendung wurde
vorläufig eingestellt. Dass Bassem Youssefs Stimme nun Opfer einer zensierenden
Regierung wird, ist ein Desaster für Ägypten und seine Zukunft.
Auch in der 13-monatigen Mursi-Ära hatte Youssef Mühe,
sich seine öffentliche Meinungsfreiheit zu bewahren:
Mursi nahm Anfang 2013 ebenfalls einen Anlauf, Youssefs Show zu verbieten,
indem er ihn wegen “Beleidigung des Präsidenten” anklagte. International
amüsierte man sich, Mursi habe nun “sogar Angst vor einem Komiker”. Dies lief
jedoch öffentlich ab und Kameras durften dokumentieren, wie Youssef aus der
Anhörung eine Komödie inszenierte. Daraufhin ruderte Mursi auch in
internationalen Interviews zurück und betonte plötzlich den hohen Stellenwert von
Meinungsfreiheit in Ägypten.
Was jetzt passiert, geschieht hinter verschlossenen Türen
unter Ausschluss der Öffentlichkeit und zweitens auf drastische, gnadenlose und
schamlose Weise.
Die Einstellung Youssefs Show hat die fadenscheinige Begründung: “sexuelle
Doppeldeutigkeiten”. Die Staatsanwaltschaft droht mit Ermittlungen, die
allerdings nicht stattfanden.
"Wir werden
nicht mehr unterdrückt sein, denn nach einem Jahr der freien Meinungsäußerung
in den innovativsten Weisen, können wir allem trotzen: der Knappheit von Gas,
Geld und sogar Essen.” Youssef 2012
Was genau geschah in der letzten Episode Youssefs
Satireshow?
Aus jetziger Sicht sagte Youssef seine eigene Zensur voraus: Es wurde in
einemneusynchronisierten Video Al-Sisi gezeigt, wie er von geplanter
Medienmanipulation spricht. Als der Satiriker anschließend die Meinungsfreiheit
preist, wird von einem Arm, der aus seinem Schreibtisch kommt, sein Manuskript
durch ein anderes ersetzt, anschließend ohrfeigt ihn dieser Arm und fasst ihm
in den Schritt. Die wiederkehrende Macht des Militärs über die Medien machte
sich schon früh bemerkbar: Bereits während des “Militärputsches” wurden
jegliche TV-Inhalte verboten, die die Perspektive der Muslimbrüder,
Mursi-AnhängerundKritiker des “Putsches” hätten transportieren können. Auch kritische
Pressestimmen aus dem Ausland werden abstrusals die Muslimbruderschaft
unterstützend verurteilt.CBC ist ein Privatsender, der damals schon mit dem
Mubarak-Regime verbunden war und nach dem 25.Januar 2011 in Sendung ging – derBesitzer
des Senders Mohamed Al-Aminarbeitete zusammen mit Mansour Amer, einem
Parlamentsmitglied der Partei Honsi Mubaraks, der “national democratic Party”.
Es kam vor, dass uniformierte Moderatoren TV-Ansagen machten.
"Wir können
nicht zulassen, dass uns unsere Stimme wieder genommen wird. Und das ist die
wahre Revolution, denn wir haben endlich unsere Stimme gefunden."
Diese Zensur ist nicht verwunderlichund entspricht
just der Verhaltensweise Al-Sisis, mit der er die Muslimbruderschaft und ihre
Meinungspropaganda offiziell verbieten ließ und sie als kriminell einstufte.
Vielleicht ist das Einstellen Bassem Youssefs Politsatire nur eine Fortsetzung
dieser diktatorischen Einschränkung all jener Stimmen, die die
Militärherrschaft kritisieren. Es liegt nicht fern, anzunehmen, dass die
jetzige Regierung, die eigentlich nur eine “Übergangsregierung” bis zu den
Neuwahlen sein sollte- und ihre Unterstützerschlichtweg diktatorisch mit Zensur
arbeiten. Und das gnadenloser, als Mursi es getan hat.
Ägypten ist mindestens so zerrissen, wie vor dem
“Militärputsch” am 3.Juli diesen Jahres. Nunhat sich das von der jeweiligen
Regierung kreierte “Gut” und “Böse” umgekehrt. Fast wie eine
Erschöpfungserscheinung scheint es, wenn es sich kritische Jugendliche, die
sich unter Mursi nicht von der Medienpropaganda einwickeln ließen und einen
kritischen Geist bewahrten – nun in einer unreflektierten Al-Sisi
unterstützenden Haltung bequem machen.
Es bleibt zu hoffen, dassder Großteil Ägyptens nicht vergisst,wogegen sie am
25. Januar 2011 ursprünglich aufstanden: Gegen eine diktatorische
Militärherrschaft.
"Eine
Revolution ist kein Ereignis, es ist eine Entwicklung. Die Revolution will
Ägypten nicht durch Austausch eines Kopfes des Regimes ändern, sondern von
Grund auf. Es kann uns niemand mehr für dumm verkaufen."
„Ich erinnere mich
noch genau daran, wie ich am 28. Januar 2011 die Demonstranten gesehen habe,
die mit der Polizei aneinander gerieten. Zum ersten Mal in meinem Leben hab ich
gesehen, wie eine riesige Menschenmenge uniformierte und bewaffnete Polizisten
einfach zurückgedrängt hat. Die 18 Tage der Revolution hinterließen jedoch ein
komisches Gefühl bei mir: Ich dachte Ägypten leide an Schizophrenie! Da gab es
die ägyptischen Revolutionäre auf dem Platz… und es gab das Fernsehen. Wenn ich
vom Tahrir Platz nach Hause gegangen bin, dann wollte das Fernsehen erzählen:
Es gibt keine Revolution, das ist alles eine Verschwörung. Dahinter stecken
CIA, Mossad, der Iran, die Hamas und die Hisbollah… und Kermit der Frosch.
Hätten sie den gekannt, auch ihn hätten sie noch schlecht gemacht.“ Bassam
Youssef zu den Beweggründen seiner ersten Satire-Videos
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