Erschienen in Ausgabe: No 97 (03/2014) | Letzte Änderung: 04.03.14 |
von Tine Nehler
Das Museum Brandhorst und die Sammlung Moderne Kunst in der
Pinakothek der Moderne verfügen über einen reichen Bestand an Werken des
Künstlers und Akademieprofessors Günther Förg. Dies ist vor allem den
Bemühungen der Sammlerehepaare Anette und Udo Brandhorst sowie Eleonore und
Michael Stoffel zu verdanken, die Förgs Arbeiten bereits seit den späten
achtziger Jahren sammelten. Eine Auswahl von etwa fünfzig Gemälden, zwölf
Fotografien, vierzig Arbeiten auf Papier und neun Plastiken gibt einen
vorzüglichen Einblick in viele Facetten des Œuvres von Günther Förg, der im
Dezember 2013 im Alter von 61 Jahren verstorben ist.
Die Bezugspunkte im Werk von Günther Förg reichen vom
russischen Konstruktivismus, italienischen Rationalismo bis zum Abstrakten
Expressionismus und Minimalismus. Dabei nimmt Förg gleichsam die Perspektive
einer postmodernen Rückschau ein, der die gesellschaftliche Utopie der
Avantgarde abhanden gekommen ist. Und doch unterzieht Förg deren ästhetische
Entwürfe einer erfrischenden Aktualisierung. In extremer Zuspitzung führt er
gegensätzliche Aspekte der modernen Kunst zusammen: geometrische Strenge trifft
auf expressive Spontaneität, der Reichtum und die Last der Erinnerung auf die
unbekümmerte Leichtigkeit im Hier und Jetzt.
Ganz konkret zeigt sich diese Gegensätzlichkeit in Förgs
Arbeitsweise. Auf der einen Seite unterwirft er den Malprozess einem
kalkulierten System von formalen Variationen. Auf der anderen Seite überlässt
er zentrale Entscheidungsprozesse seiner momentanen Laune. So entstehen die
Bilder stets in einem Zug, ohne Korrekturen und Übermalungen: „Wenn man bei
Malerei lang denken muss, wird es schwierig. Manchmal male ich auch ein Bild
und habe ein Problem damit. Dann tritt man zurück, sieht es an und dann nimmt
man eben eine blaue Farbe und malt blau. Ich überlege mir nicht, ob ich blau
malen muss. Sondern ich greife instinktiv zum Blau. Und das ist die Qualität.
Wenn Du lang überlegst, wird es verkrampft.“(Günther Förg, 1997)
In seiner Malerei beschränkte sich Förg nicht auf Leinwand,
sondern experimentierte auch mit anderen Geweben oder Papieren, mit Blei oder
Holz als Bildträger. Zum Auftrag dienten ihm neben Öl und Acryl auch Gips,
Blattgold oder Kreiden. Dabei reizten ihn nicht nur die verschiedenartigen
visuellen und taktilen Effekte von Pinselführung und Farbauftrag, sondern
insbesondere auch der Widerstand der Materialien, auf deren zufällige
Beschaffenheit er künstlerisch reagieren musste.
Die Ausstellung demonstriert die große mediale Vielfalt von
Förgs Kunst. Zu sehen sind nicht nur einige hervorragende Gemäldeserien aus den
achtziger und neunziger Jahren – etwa der an Cy Twombly erinnernde 7-teilige
Werkzyklus mit weißer Kreide auf schwarzem Grund –, sondern auch Fotografien,
Skulpturen und Zeichnungen.
Der Fotograf Förg ist mit zwei großartigen Serien vertreten. Die fünf Motive
aus der Serie „Gardone“ zeigen sein Interesse, aus der dreidimensionalen
Gestalt eine zweidimensionale geometrische Komposition zu filtern. Diesen
Kunstgriff bricht Förg jedoch selbst wieder auf, indem er seine Fotografien
hinter besonders spiegelndem Glas präsentiert, wodurch Bild und Raum zueinander
und zum Betrachter in Bezug treten. Sehr intensiv ist dieses Erlebnis im Saal
mit der sechsteiligen Serie „Fenster, Villa Malaparte, Capri“. Die verglasten
farbigen Fensteraufnahmen erzeugen ein Spiegelkabinett, das Architektur und
Betrachter immer wieder neu positioniert.
Der Bildhauer Förg wird in neun Masken (1990) greifbar, die
in Bronze ausgeführt rudimentäre Gesichtszüge zeigen. Sie zählen zu den
frühesten Skulpturen Förgs. Vorbereitend dazu entstanden mehrere Serien auf
Papier, von denen zwei in der Ausstellung zu sehen sind.
Die Präsentation im Museum Brandhorst sucht das
Zusammenspiel von Kunst und Architektur aufzugreifen, das für Förgs Kunst eine
zentrale Rolle spielt. Die minimalistische Hängung lässt den Patio im
Untergeschoss als eine Gesamtinstallation erscheinen, wobei die streng
angewandte Symmetrie in den Kabinetten durch Gegenüberstellungen verschiedener
Medien immer wieder durchbrochen wird.
Der Werdegang des 1952 in Füssen geborenen Günther Förg ist
eng mit der Stadt München verbunden. In den siebziger Jahren studierte er bei
Karl Fred Dahmen an der Akademie der Bildenden Künste in München, reagierte in
Werkserien auf Ausstellungen etwa von Cy Twombly im Lenbachhaus oder Blinky
Palermo in der Galerie Heiner Friedrich. Seit seinen ersten Einzelausstellungen
bei Rüdiger Schöttle waren seine Werke regelmäßig in München zu sehen, und als
Professor für Malerei an der Akademie übte er bis zuletzt prägenden Einfluss
aus.
Die Präsentation von Arbeiten Günther Förgs im Museum
Brandhorst wird im Mai begleitet durch mehrere Abendveranstaltungen, in denen
Wissenschaftler und Weggefährten den Künstler und sein Werk würdigen. In
Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste wird am 28.5. eine
Gedenkveranstaltung zu Ehren von Günther Förg stattfinden.
Die Präsentation wurde kuratiert von Nina Schleif und Achim
Hochdörfer.
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