Die Produzentin von "Türkisch für Anfänger" und "Fack ju Göhte" - Lena Schömann - im Interview
von Lena Schömann
Frau Schömann, herzlichen Glückwunsch zu „Fack ju
Göhte“!
Danke
Was macht eigentlich eine Produzentin? Was für konkrete
Aufgaben hat man da zu erfüllen?
Als Produzentin hat man den gesamtinhaltlichen Bezug vor
Augen, also die Gesamtverantwortung und muss sich um das gesamte Projekt kümmern.
Dies betrifft die Finanzierung, die
Zusammenstellung des Teams, des Autors und des Regisseurs. Man ist bei der Drehbuchentwicklung
dabei und während der Dreharbeiten. Dabei gilt es, den roten Faden nicht zu
verlieren – insbesondere natürlich im Blick auf das Budget. Bis hin zur letzten Sekunde des Films ist
höchste Aufmerksamkeit geboten. Die Arbeit geht zudem über den Kinostart
hinaus, aktuell zum Beispiel arbeiten wir gemeinsam mit der Highlight an der
DVD zum Film.
In kürzester Zeit sind Sie nach „Türkisch für Anfänger“
für einen zweiten Kinohit maßgeblich mitverantwortlich. Komödien sind derzeit
gefragt. Gibt es ein Erfolgsrezept?
Ich glaube, dass man im Filmgeschäft generell nicht mit
Erfolg rechnen kann oder sich diesen logisch erklären kann. Wenn dem so wäre,
würde man ja tatsächlich nur erfolgreiche Filme produzieren. Wichtig ist, dass
man sich die größte Mühe gibt und die Zuschauer dies auch merken, dann hat man
schon sehr viel erreicht. Erfolg läßt sich aber grundsätzlich nicht planen. Was
mir – bei allen Filmprojekten – aber geholfen hat, ist die Reflexion darüber,
für welche Zielgruppe der Film bestimmt ist, wie man ihn vermarkten kann,
kurzum ein Innehalten zu Beginn.
Wie steht es um den Humor in Deutschland? Haben die
Deutschen einen ausgeprägten Humor?
Ich glaube schon. Wenn man sich beispielsweise die Top 10 der
erfolgreichsten deutschen Kinofilme in den letzten Jahren ansieht, so sind das
immer Komödien gewesen. Die Deutschen sind ein Volk, die meiner Ansicht nach,
gern zum Lachen ins Kino gehen. Dies zeigt sich, dass deutsche Komödien sehr
gefragt sind. Aktuell spiegelt sich dies bei „Vaterfreuden“ von Matthias
Schweighöfer wider.
Finden Sie, daß Humor, oder Komödien, von verschiedenen
Kulturen unterschiedlich aufgenommen werden? Mit anderen Worten, ist Humor
kulturspezifisch?
Ja, auch das glaube ich. Wobei es Ausnahmen gibt, wie zum
Beispiel bei „Ziemlich beste Freunde“; dies war ja nicht nur eine Komödie,
sondern eher eine Dramedy. Aber dieser französische Film hat nicht nur in Deutschland,
sondern weltweit die Kinos gefüllt. Aber der kulturspezifische Hintergrund ist
natürlich ein großes Thema. Eine erfolgreiche deutsche Komödie muss nicht zwangsläufig
auch in Österreich und in der Schweiz funktionieren. Schon hier zeigt sich,
dass der Humor unterschiedlich ist. Glücklicherweise haben wir mit „Fack ju
Göhte“ einen Film, der auch in diesen Ländern gut angenommen wird.
Halten Sie Komödien für ein schwierigeres oder
komplizierteres Genre als das Drama?
Generell gelten Komödien ja immer als das schwierigste Genre
überhaupt. Meiner Überzeugung nach ist der Autor entscheidend. Bora Dagtekin ist
sicherlich der derzeit beste Komödienautor in Deutschland. Er schreibt einfach
wahnsinnig intelligente und pointierte Dialoge, die oft auch laut und politisch
unkorrekt sind. Dann gibt es einige Set-Pieces, die voll mit
Screwball-Elementen und emotionalen Themen gefüllt sind. So gibt es bei „Fack
ju Göhte“ neben lauten Lachern auch dramatische Momente, die die Komödie dann
wiederum warmherzig und charmant machen.
Sie waren bereits als Studentin in der Stoffentwicklung
und als Producerin tätig. Wie hat sich Ihre Zusammenarbeit mit der Rat Pack
Filmproduktion ergeben?
Ich habe meine ersten Schritte in der Stoffentwicklung
zusammen mit Christian Becker gemacht, dem Geschäftsführer der Rat Pack Film. Von
der Pike auf bin ich so in das Filmgeschäft hineingewachsen, zuerst in der
Stoffentwicklungsabteilung.
Dadurch, dass Martin Moszkowicz von der Constantin Film, den
Autor Bora Dagtekin an die Constantin Film gebunden hat und die Rat Pack
Filmproduktion wiederum eine Tochterfirma der Constantin Film ist, hatte sich diese
Konstellation schon für „Türkisch für Anfänger“ und nun mit „Fack ju Göhte“ gut
ergeben.
In wie weit waren Sie an der Stoffentwicklung von „Fack
ju Göhte“ beteiligt? Was hat Sie motiviert?
Wenn Bora und ich einen Film zusammen machen, dann ist das
immer eine sehr enge und intensive Zusammenarbeit. Wir ergänzen uns sehr gut
als Team und arbeiten auch in der Stoffentwicklungsphase schon sehr eng
zusammen. Das finde ich auch sehr wichtig, weil das den Grundstein für das
Projekt legt und weil das Drehbuch immer der wichtigste Part, das wichtigste
Bauelement, für einen Film ist. Bereits während der Entstehungsphase des
Drehbuches hatte ich mich somit schon einbringen können und wir haben die Zeit
sehr intensiv am Drehbuch gearbeitet. Aber Bora ist ganz klar der Autor und witzigerweise
kommen wir beide ausLehrerfamilien.
Hatten Sie als Lehrertochter einen besonderen Blickwinkel
für das Thema?
Ja, klar. Neben dem Komödienaspekt wollten wir ja eine Story
um eine Problemklasse machen. Dabei sollte ein Bezug zu den aktuellen
bildungspolitischen Themen, wie Burn-out bei Lehrern, pädagogische
Überforderung im Lehrerzimmer oder grenzwertiges Verhalten von Jugendlichen,
hergestellt werden. Immer zugespitzt auf tagesaktuelle Brisanzthemen sollte die
Komödie eine zeitgemäße Ebene erhalten. Uns war es dabei wichtig, dass der Beruf
des Lehrers nicht durch den Kakao gezogen wird, sondern dass man neben all dem
Spaß auch spürt, dass Deutschland ein Land der Bildungsoffensive ist und dass
Lehrer auch nicht nur die faulen Säcke sind, wie sie so oft auch betitelt
werden, sondern dass die meisten sehr engagiert sind und sich für ihre Schüler
aufreiben. Ich glaube – all dies hat damit zu tun, diese Sensibilität für das
Thema, dass ich aus einer Lehrerfamilie komme und deswegen das hehre Ziel hatte,
mit „Fack ju Göhte“ einen Film zu schaffen, in dem Lehrer zwar komische
Abenteuer erleben, aber wo auch die Liebe zum Beruf deutlich spürbar ist und wo
man dann augenzwinkernd zeigen kann, womit die Lehrer zu kämpfen haben.
Gibt es eine Komödie, die Sie gesehen haben, die Sie
besonders geprägt oder Ihren Stil beeinflusst hat? Welche und in welcher
Hinsicht?
Ich habe sehr viele Lieblingskomödien, weil ich mir generell
viele Komödien anschaue. Komödien, die mich bei „Fack ju Göhte“ mit beeinflusst
haben, waren „Bridesmaids“ („Brautalarm“) und „Bad Teacher“. An „Bridesmaids“ hat
mich der politisch unkorrekte Humor fasziniert, der mir auch bei „We’re the
Millers“ („Wir sind die Millers“) sehr gut gefallen hat. Generell mag ich die typisch
amerikanischen Komödien, die die Grenzen ein wenig überschreiten.
Waren Sie am Set während der Dreharbeiten von „Fack ju
Göhte“? Wie war das Set-Life?
Ja, ich war jeden Tag am Set. Es war eine sehr anstrengende
Arbeit, denn wir hatten ein großes, motiviertes, fleißiges Team. Aber wir haben
auch wahnsinnig viel gelacht. Auf die neue DVD von „Fack ju Göhte“ werden wir etwa
20-30 Minuten Outtakes mit draufpacken. Nicht nur am Set und bei den
Schauspielern wurde viel gelacht, sondern auch Bora Dagtekin hatte hinter
seiner Videokombo jede Menge Spaß. Das Schönste im Rückblick ist es aber, wenn
man sieht, dass sich die gemeinsame Arbeit gelohnt hat und die Zuschauer
zufrieden sind. Dann kann man gemeinsam
in Erinnerungen schwelgen und über harte oder anstrengende Drehtage zusammen
schmunzeln.
Wie erklären Sie sich den großen Erfolg von „Fack ju
Göhte“?
Meiner Meinung nach ist das nicht erklärbar. Im Nachhinein
ist es aber, so denke ich, eine Mischung aus vielem. Wir waren mit dem
richtigen Thema zur richtigen Zeit am Markt. Die Schulkomödie war stets ein
großes deutsches Komödiengenre, aber in den letzten zehn Jahren hat es keine Schulkomödie
mehr gegeben. Mit „Fack ju Göhte“ ist es uns gelungen, das Genre wieder zum
Leben zu erwecken und in das kommerzielle deutsche Kino hineinzutragen. Ich
glaube, dass eine ganze Teenager Generation auf so einen Schul-Film gewartet
hat. Letztendlich aber muss alles stimmen, es muss ein guter Film sein, und in
unserem Fall hatten wir ein großartiges Drehbuch von Bora Dagtekin, wunderbare
Schauspieler wie Elyas M’Barek und Karoline Herfurth, Katja Riemann und Uschi
Glas, ein sehr fleißiges Team, das mit großer Leidenschaft gearbeitet hat. Wenn
man das Glück hat, dass diese ganzen Faktoren zusammentreffen, kann ein
Erfolgsprodukt entstehen.
Welcher ist Ihr persönlicher Lieblingsmoment in „Fack ju
Göhte“?
Das ist sehr schwierig, weil ich sehr viele Lieblingsmomente
oder Lieblingsszenen habe und derzeit noch gar keinen Abstand zum Film, was
immer so ist, wenn man lange und intensiv an einem Projekt gearbeitet hat.
Später sieht man alles etwas anders. Ich würde mir wünschen, dass ich
irgendwann „Fack ju Göhte“ als ganz „normalen“ Kinofilm anschauen kann und mir
dann – in Distanz – meine objektive Meinung dazu bilden könnte. Im Augenblick
fasziniert mich eine bestimmte Musik in einer bestimmten Szene, weil ich genau
weiß, wie schwierig der Weg dahin war. Oder ich erinnere mich an einen Drehtag
an dem wir eine spezielle Szene gedreht haben und welche Hürden damit verbunden
waren. Schön ist, dass ich immer wieder lachen muss, obwohl ich den Film über 80
Mal gesehen habe. Vielleicht können Sie mich das in drei Jahren noch mal fragen
und dann kann ich die Frage beantworten.
Ist „Fack ju Göhte 2“ in Planung?
Wir arbeiten gerade an einem zweiten Teil. Wir haben noch
kein Drehbuch, sondern beginnen gerade mit der Planung und überlegen uns, wann
es mit dem Dreh losgehen kann.
Herzlichen Dank für das Gespräch, das Sophie Adell und Dr. Dr. Stefan Groß führten.
Das Interview wurde nach der Verleihung des Bayerischen
Filmpreises 2013, 2014 geführt. Herzlichen Dank geht an Frau Marschi
© 2013 Robert Haas
L. Schömann mit Bora Dagtekin:© 2013 Constantin Film/ Christoph Assmann
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