Erschienen in Ausgabe: No 99 (05/2014) | Letzte Änderung: 09.05.14 |
von Anna Zanco-Prestel
„Cor reparandum“, ein die
Krankenhausatmosphäre heraufbeschwörendes Bild aus dem Schläuche heraushängen,
„Infarkt“, eine farbenprächtige Komposition, die sich mit Medizin
verwandten Motiven füllt, „Notausgang“, ein grün schimmerndes Schild
neben einem roten Rettungsalarmknopf: so nennen sich einige der Werke, die bis
zum 9. Juni 2014 den Besuchern einer außergewöhnlichen Ausstellung in Altötting
präsentiert werden. Eine thematische Ausstellung, mit der sich die aus mehr als
80 Mitgliedern bestehende, 1892 gegründete Künstlergruppe Münchener
Secession - die erste aller „Secessionen“! - zum vierten Malin der
angesehenen, seit einem Jahr von Ulrike Kirnich geleiteten Stadtgalerie
zur Schau stellt. Ein Flammendes Herz mit einer goldenen Krone von
Arnold Ludwig, das der Ausstellung als Plakatmotiv dient, lässt
unmissverständlich den direkt Bezug zum Ort erkennen, an dem die Ausstellung
stattfindet: In den Nischen der Gnadenkapelle von Altötting – auch „Herz
Bayerns“ genannt – sind nämlich traditionsgemäß die Herzen der bayerischen
Monarchen in entsprechenden Herzurnen aufbewahrt, nicht zuletzt jenes von
Ludwig II., das nicht nur fromme Pilger sondern auch kulturell-historisch
interessierte Touristen in den Wallfahrtort hinein strömen lässt.
Nicht alle Arbeiten erwecken auf Anhieb Assoziationen zur auserkorenen
Thematik, die in einer Vielfalt unterschiedlicher Medien Ausdruck findet. Die
Palette reicht von Hedwig Katzenbergers quadratischem, blutrotem Bild, ein
„Herz von innen“ mit beinah magischer Anziehungskraft, bis hin zu Simon
Dittrichs humorvollen, auf die Altöttinger „Schwarze Marie“ anspielenden
Farbstiftzeichnungen oder zu den beißenden Karikaturen von Michael von Cube. Uhlands
Gedicht Frühlingsglaube „Nun, armes Herz. Sei nicht bange!“ kommentiert
poesievoll ein stilisierter grüner Baum des Malers Helmut Kästl. Vorgeführt
wird zudem auch der herzbewegende 18-minütige Videofilm Eine Bitte hätte ich
noch! von Michael Runschke, der im Hospiz der Barmherzigen Brüder in
München Menschen beim Sterben begleitet hat. Bei einigen Exponaten lässt sich
der Zusammenhang zum vorgegeben Thema erst mühsam deuten oder nur erahnen, wie
im Grunde bei der zeitgenössischen Kunst sonst üblich. So bei der schwebenden
weiß-roten Installation aus Leucht-Sammel-Stäben und feinstem Metallgewebe von
Dorothea Reese-Heim, die die Blicke der Betrachter katalysiert. „Poesie des
Blutkreislaufs“ definiert sie in seiner knappen Ansprache voller Inhalte der
Maler und Bildhauer Alto Hien, der mit dem Präsidenten der Münchener
Secession Thomas Bindl die komplexe Schau meisterlich kuratiert und
gestaltet hat.„Herz“ - formuliert er - sei für Altötting ein schwieriges Thema;
beinah so aussichtslos wie„Eulen nach Athen zu tragen“, denn „es wimmele von
Herzen in Altötting, von heiligen und scheinheiligen Herzen, von frommen und
sündigen, von blutrünstigen und reumütigen...“Ein schwieriges und zugleich
gefährliches Thema speziell für Künstler. Nicht einmal „Picasso, der vor nichts
zurückschrecke, habe es jemals gewagt, ein Herz zu malen“. Das Risiko liege
wohlgemerkt in der Gefahr, ins Banale abzurutschen, was die Ausstellung
keineswegs tut. Das Herz – so Alto Hien
weiter - als „etwas Heiliges“, als universelles „Mythos -in allen Kulturen der
Welt - von den Inkas bis hin zu den Bayern“, ein Thema, das wie kein anderes
„Leben und Lieben, Religion und Aberglauben, modernste Medizin und eine üppig
blühende Phantasie“ in sich vereine. Übertroffen als solches vielleicht nur
noch durch den Tod, wobei „selbst der Tod ein wesentlicher Aspekt des Herzens
sei“. Das Herz als Topos in der Dichtung, in der Musik, in der Literatur und im
Film. Das Herz als „ewiges Rätsel“, nicht entschlüsselbar, mysteriös, ein
„geniales Meisterwerk der Natur“. Herz schließlich als Begleiter auf einer
Reise in die Quintessenz der Dinge, auf dem Weg zum Wahren, denn – wie in der
Geschichte „Der Kleine Prinz“ vom Flieger-Poet Antoine de St. Exupéry zu lesen
- „man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist unsichtbar“.
Ausstellende Künstler:
Ludwig Arnold Carolina Camilla Kreusch
Hermann Bigelmayr
Albert Krottenthaler
Thomas Bindl
Philipp Mager
Michael von Cube
Joseph Michael Neustifter
Ernst Eichinger
Dorothea Reese-Heim
Doris Hadersdorfer
Michael Runschke
Doris Hahlweg
Philipp Steiner
Ilona Herreiner
Gabi Streile
Alto Hien
Jan Thomas
Helmut Kästl
Christian Wichmann
Hedwig Katzenberger
Robert Zahornicky
KingKong Kunstkabinett
Ausstellungsdauer: 4. April . 9. Juni 2014
Stadtgalerie – 84503 Altötting – Papst-Benedikt-Platz 3
Öffnungszeiten: Di-Fr14.00 - 16.00 Uhr
Do 14.00 – 18.00 Uhr
Sa, So, Feiertag: 10.30 – 12.30 u. 14.00 - 16.00 Uhr
Kunstführungen mit Alto Hien:
- Sa 26.04. um 16.00 Uhr
- Do 22.05. Um 18.00 Uhr
- Do 05.06. um 18.00 Uhr
Eintritt inkl. Führung: €4,50
www.altoetting.de .
www.muenchenersecession.de
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