Erschienen in Ausgabe: No 101 (07/2014) | Letzte Änderung: 09.07.14 |
von Nathan Warszawski
„Mit großer Sorge blickt
die Welt auf den Nahen Osten“ spricht der Nachrichtensprecher mit ernster
Stimme. Es folgt ein Berichterstatter vor Ort, die mit konfusen Mutmaßungen die
Zuhörer verwirrt statt sie aufzuklären.
Die Terrorgruppe „Islamischer
Staat im Irak und in der Levante“ ISIL ist besser unter den Namen ISIS „Islamischer Staat im Irak und in Syrien“
bekannt. Es handelt sich um eine muslimisch-sunnitische Befreiungsfront, entsprechend
der christlich-katholischen „Irisch-Republikanischen Armee“ IRA.
Die katholische IRA hat
gegen britische Protestanten gekämpft, die ebenfalls Christen sind. Der
sunnitische ISIS kämpft gegen Schiiten, die weltweit 15% aller Muslime
ausmachen. Im Irak stellen die Schiiten die Mehrheit, in Syrien sind sie eine
Minderheit. Syriens Diktator Assad ist ein Schiit, der seine Familie protegiert
und die sunnitische Mehrheit mehr noch als die Christen benachteiligt. Unter dem
verstorbenen Diktator Saddam hat die Minderheit der Sunniten über die Mehrheit
der Schiiten geherrscht. Nach der US-amerikanischen Invasion unterdrückt die
Mehrheit der Schiiten im demokratischeren Irak nun die Minderheit der Sunniten.
Im Gegensatz zum ISIS ist
es der IRA nie gelungen, Gebiete in Nordirland zu befreien und zu beherrschen.
In der Wahl ihrer Waffen sind weder ISIS, noch die IRA wählerisch. Lediglich von
Kreuzigungen hat IRA Abstand genommen.
In Syrien kämpft die sunnitische Mehrheit gegen den schiitischen
Diktator Assad. ISIS ist zwar auch sunnitisch, bekämpft jedoch auch solche Sunniten,
die ihm gottlos erscheinen. Im Irak kämpft die sunnitische Minderheit gegen die
schiitische Regierung, die die Mehrheit repräsentiert und eher autoritär als
diktatorisch agiert. Auch die Kurden im Irak kämpfen gegen die schiitische Zentralregierung,
jedoch aus nationalen Gründen. Die meisten Kurden sind Sunniten, es gibt jedoch
eine kleine Minderheit von kurdischen Schiiten, Jesiden, Christen und Juden.
Kurden leben hauptsächlich im Irak, in Syrien und in der Türkei, aber auch in
Deutschland, wo sie für Türken gehalten werden, und in Israel. Die Kurden
kämpfen gern untereinander und gemeinsam gegen ISIS.
Nun scheint ISIS im Irak zu erstarken, in Syrien wird er wohl
schwach bleiben.
ISIS terrorisiert Menschen nur dort, wo Sunniten und Schiiten in
einem gemeinsamen Staat leben. Neben dem Irak und Syrien sind es der vom
Bürgerkrieg zerrüttete Libanon, das erdölreiche Bahrein und der
verarmte Jemen. Auch der zu 99% muslimische NATO-Verbündete und EU-Anwärter
Türkei hat eine starke Minderheit von Schiiten und Kurden. Letztere sind
gewöhnlich Sunniten. Eine Ausweitung des ISIS-Herrschaftsgebietes zwischen
Mittelmeer und Persischem Golf wird dem Westen politisch, wirtschaftlich,
strategisch und militärisch äußerst unangenehm sein.
ISIS hat im Irak den Abzug der USA abgewartet. Die korrupte und
unfähige irakische Armee kann dem Ansturm der Gott ergebenen Befreier nichts
entgegensetzen. Die Schiiten unter den Regierungssoldaten flüchten Richtung
Bagdad, die Sunniten desertieren zur ISIS. Bagdad wird ISIS in nächster Zeit
wohl nicht erobern, die militärisch geübten und gut ausgerüsteten Kurden wird
ISIS nicht bezwingen. Das Ziel der ISIS ist die Unterwerfung aller Staaten im
Nahen Osten, in denen Schiiten und Sunniten friedlich zusammenleben sollten, mit
anschließender Vertreibung und Ermordung der Nicht-Sunniten. Während der freiwillige
oder erzwungene Übertritt vom Christentum oder Judentum zum Islam
eine einfache Formalität darstellt, wird der Sunnit, der vor kurzem noch Schiit
gewesen ist, argwöhnisch beäugt, üblicherweise nicht als Sunnit anerkannt.
Woher kommt die Abneigung zwischen Sunniten und Schiiten, die sich
bis zum Hass steigert? Auch hier hilft die Analogie in Nordirland zwischen
Katholiken und Protestanten zum einleitenden Verständnis.
Viele europäische Verbündete der USA, vor allem Journalisten und einfache
Bürger, geben den USA und Bush Junior die Schuld am Erstarken von ISIS, deren
Mitglieder dann als Terroristen und nicht mehr als Befreiungskämpfer gelten.
Wären die USA mit ihren Willigen vor Jahren nicht in den Irak einmarschiert,
hätten sie nicht Saddams Foltergeheimdienst aufgelöst, dann gäbe es heute kein
ISIS und Europa könnte sich in Ruhe und konzentriert der Lösung wichtigerer Problemen,
wie dem Klimawandel und dem Weltfrieden, zuwenden. Wenigstens hat sich
Deutschland damals aus innenpolitischen Gründen geweigert, die USA bei ihrem
Abenteuer zu interstützen.
Die Kritiker haben Recht, denn die menschliche Geschichte ist eine ununterbrochene
Kette von Ereignissen. Der militärische Einmarsch der USA in den Irak bewirkt folgerichtig
die Stärkung der ISIS-Terroristen. Doch genauso bewirkt die bestialische
Unterdrückung und Ermordung oppositioneller irakischer Bevölkerungsteile durch
Saddams Schergen den Einmarsch der USA. Somit trägt der irakische Diktator die
Schuld am Erstarken des ISIS oder diejenigen, die Saddam auf den
Diktatorenthron gehievt haben. Und so weiter und so fort bis zur Entstehung unseres
Planeten Erde.
Die Siege des ISIS entsetzen die Politiker und Bürger der EU und der
USA. Die Siege überraschen, weil sie nicht dem Weltbild und den Vorstellungen
entsprechen, die der Westen dem Nahen Osten zuschreibt. Vor Kurzem wirbelt der
Arabische Frühling frische Luft von Marokko bis zum Iran. Unerwartet kommt die
„Frühlingsrolle“ rückwärts und nun treten wir nicht in den eiskalten Winter ein,
sondern in den glutheißen Sommer. Die Deutschen befürchten, bis zu 100.000
Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen zu müssen. Werden es genauso viele Flüchtlinge
aus dem Irak werden oder die doppelte Zahl?
Bis vor Kurzem sind sich EU und USA einig, dass alle Probleme im
Nahen Osten sich lösen lassen, wenn Israel mit dem Bau von Siedlungen aufhört
und die Sperranlagen zu den Palästinensergebieten abreißt. Es geht jetzt nicht mehr um ein „Groß“-Israel,
eingepfercht zwischen Mittelmeer und dem Fluss Jordan, mit dem breitesten
Durchmesser von 100 km, Wie aus dem Nichts steigt der Islamische Staat im Irak und in der Levante
aus dem Wüstensand und erstreckt sich über mehr als 1.000 km vom Mittelmeer bis
zum Persischen Golf. Europäischen Sehnsüchte sind zerstört. ISIS lässt sich
nicht aus der realen Welt verdrängen.
Die Amerikaner werden
erneut im Irak antreten. Hätten sie doch zu Anfang der Syrienkrise
eingegriffen, bevor die Scharmützel zu einem internen Krieg ausgewachsen sind!
Zu spät. Jetzt muss der Friede zwischen Israel und Palästina warten bis ruhige
Zeiten anbrechen.
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Aristobulus 15.06.2014 23:12
Die Truppen der USA sind 2009 überstürzt aus dem Irak abgezogen, weil von Seiten Obamas und seiner Regierung willfährig an die Sünde wider den Koran geglaubt wird, die da heißt: Besetzung islamischen Bodens sei schlecht und dürfe nicht sein. Sunniten, Schiiten, Salafisten, Wahabiten usf. sind sich nur in einem einig, und zwar, dass jeder umgebracht werden müsse, der islamischen Boden besetzt. Nachdem sie einander umgebracht haben, mit ISIS, mit Al-Kaida, mit iranischen Kommandos usf., werden sie just dieses tun wollen, so, wie sie das immer wollten – oder zuvor oder zeitgleich. Die Israelis können die Situation ausnutzen, die der Artikel beschreibt!, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Um hundert Kilometer breit zu werden. Was auch immer die Israelis tun, ob zurückzuschießen oder ob wieder 1027 Terroristen freizulassen, ist für seine mohammedanischen Nachbarn völlig egal, denn die Juden begehen nun mal fortwährend die koranische Sünde, unabhängig auf Land zu wohnen, über das irgendwann einst wohl ein Muezzin krähte.