Erschienen in Ausgabe: No 102 (08/2014) | Letzte Änderung: 06.08.14 |
Seit Jahren warnt der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Ismail Tipi (Offenbach) vor den Gefahren des Salafismus. Im ausführlichen Interview mit Alexander Saller fordert er größere Entschiedenheit und bessere Vernetzung in der Auseinandersetzung damit
Wie wohl kein zweiter
deutscher Politiker widmen Sie sich persönlich der Auseinandersetzung mit dem
Salafismus. Sie beobachten einschlägige Gruppen, versuchen darüber aufzuklären.
Weshalb ist Ihnen das Engagement in diesem Bereich ein so großes Anliegen?
Mir
ist es wichtig, den Salafisten die Stirn zu bieten. Ich möchte demonstrativ
zeigen: Ich bin hier, ich bin mit deinen Aussagen nicht einverstanden. Das muss
ich machen. Nicht als Politiker und Abgeordneter, sondern als Bürger dieses
Landes ist es meine Verantwortung und eine Frage meines Gewissens dagegen
vorzugehen. Ich möchte nicht, dass uns extremistische Hassprediger diktieren,
wie eine Gesellschaft auszusehen hat. Freiheit, Demokratie und der Rechtsstaat
sind hohe Güter, die nicht selbstverständlich sind. Daher müssen wir alles tun,
um unsere Gesellschaft vor radikalen Salafisten zu schützen.
Vor einiger Zeit
warnten Sie vor wachsendem salafistischem Einfluss an hessischen Schulen. Worum
ging es dabei?
Immer häufiger kommt es zu Vorfällen an unseren Schulen.
Salafisten werben vor und auf dem Schulgelände junge Menschen an, verteilen
Korane und belästigen die Schüler. Die Lehrer und das Personal der Schule
verweisen die Aktivisten zwar vom Schulgelände, dennoch muss man diese Gefahr
ernst nehmen. Es kommt in der Folge zu Rekrutierungsversuchen am Rande der
Schulhöfe. Ich nenne das gerne Zaungespräche, denn die Salafisten wissen ganz
genau, was sie gesetzlich dürfen und was nicht. Hat man sie vom Schulhof
vertrieben, fangen sie die Jugendlichen eben auf dem Weg von oder zur Schule ab
und geben sich als eine Art Kumpelmit viel Verständnis für die Probleme des
Einzelnen.
Ist Ihrer Meinung
nach im schulischen Umfeld allgemein eine Tendenz feststellbar, Vorfälle mit
solchem Hintergrund zu verharmlosen?
Das würde ich so nicht sagen. Allerdings ist auffällig, dass
es immer wieder Lehrer gibt, die sehr naiv oder blauäugig an diese Sache
herangehen und es am Liebsten als vernachlässigbare Lappalie abtun. Das ist
meines Erachtens ein großer Fehler, denn so geben wir den Salafisten die
Möglichkeit ungehindert unsere Kinder beeinflussen zu können.
Prediger wie etwa der
bekannte Kölner Konvertit Pierre Vogel scharen viele junge Anhänger um sich,
ihre Propaganda ist weitgehend auf eine jugendliche Zielgruppe zugeschnitten.
Was macht den Salafismus für junge Menschen attraktiv?
Die Salafisten rekrutieren sich fast ausschließlich aus
Jugendlichen. Diese sind am Einfachsten zu manipulieren. Zudem haben Salafisten
ein geschultes Auge für Jugendliche, die unsicher erscheinen oder sich nach
Anerkennung und Zugehörigkeit sehnen. Der Einstieg erfolgt meist über
gemeinsame Erlebnisse, über das Gefühl besonders zu sein und zu einer Art
„Elite“ zu gehören. Besonders Konvertiten möchten beweisen wie überzeugt sie
von der „neuen Lehre“ sind und werden meist besonders radikal. Salafisten wie
Pierre Vogel geben Jugendlichen in einer immer komplizierteren Welt, einfache
Antworten auf alle Fragen. Für Salafisten gibt es nur „Gut und Böse“, „Die und
Wir“, „Ungläubige und Gläubige“, „schwarz und weiß“. Das ist natürlich für
einige Jugendliche sehr verlockend, denn dann muss man nicht viel nachdenken,
sondern hat die Lösung direkt vor sich.
Die 2011 gestartete,
großangelegte „Lies!“ -Koranverteilungskampagne – durchgeführt von Aktivisten
um den salafistischen „Chefideologen“ Ibrahim Abu-Nagie – sorgte bundesweit für
Schlagzeilen. Auch über die Unterstützung der deutschen Salafistenszene für
dschihadistische Gruppen im syrischen Bürgerkrieg wurde medial breit berichte.
Wie steht es heute um die Sensibilität der Öffentlichkeit für die
Herausforderung des salafistischen Islamismus?
Ich bin froh darüber, dass die Öffentlichkeit in Deutschland
inzwischen wesentlich sensibler mit diesem Thema umgeht und auch die Presse
sich des Themas angenommen hat. Es war allerdings ein langer Weg, denn ich
warne ja bereits seit mehreren Jahren vor den Radikalsalafisten und gerade zu
Beginn wurde immer wieder versucht meinen demokratischen Kampf gegen diese
Feinde unseres Rechtsstaats als „rechten Populismus“ abzutun. Das hat sich zum
Glück geändert.
Wie beurteilen Sie
das Problembewusstsein der Politik? Lassen sich hier deutliche Unterschiede
zwischen Bundesländern feststellen?
Insgesamt ist es leider so, dass es die üblichen
Verdächtigen in der Politik gibt, die immer noch dem Wunschtraum des
„Multikulti“ anhängen, obwohl das längst gescheitert ist. Dementsprechend legen
Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen wesentlich weniger wert auf eine harte
Politik gegenüber Salafisten. In den sozialen Medien schreiben sich die
Salafisten inzwischen, dass sie nach NRW ziehen sollen, wenn sie dem
Fahndungsdruck entgehen wollen.
Was müsste sich Ihrer
Meinung nach an der Arbeit von Politik und Behörden ändern? Welche Maßnahmen
sind konkret verlangt?
Es hakt einerseits an der Einsicht mancher
Landesregierungen, sich diesem Problem endlich anzunehmen. Andererseits fehlt
es allgemein an einer funktionierenden Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden
der einzelnen Bundesländer untereinander. Ein wichtiger Schritt war für mich
die Schaffung eines Extremismuszentrums durch die Bundesregierung, das in Köln
entstanden ist. Leider weigerte sich das Land NRW da mitzumachen. Dadurch kann
so ein Zentrum natürlich nur eingeschränkt funktionieren und gibt den
Salafisten neue Schlupflöcher, um einer staatlichen Überwachung zu entkommen.
Wir brauchen ein Einreiseverbot für potenzielle
Terroristen. Zudem muss die Ausbildung in terroristischen Lagern unter Strafe
gestellt werden. Als Letztes fordere ich seit langem, dass wir ernsthaft prüfen
müssen, ob man solchen Leuten – falls sie Deutsche geworden sind – die deutsche
Staatsangehörigkeit wieder entziehen kann.
Jüngst mahnten Sie
eine „viel bessere europäische Zusammenarbeit“ in der Auseinandersetzung mit
dem Salafismus als einem der „wichtigsten Probleme in Europa“ an. Was fordern
Sie?
Hier gilt das Gleiche wie für die Zusammenarbeit zwischen
den Bundesländern. Wir brauchen eine einheitliche Stelle an der alle
Informationen aus den Sicherheitsbehörden der europäischen Länder
zusammenlaufen. Dazu gehören Datenbanken über bekannte Salafisten, ihre
Aufenthaltsorte sowie ihre bisherigen Strafen. Gleichzeitig müssen wir
Europaweit ein Präventionsprogramm auflegen, das vor allem in den Schulen
angewandt wird. Die Schulen sind für mich eine Schlüsselposition, um unsere
Kinder vor dem Einfluss durch Salafisten zu schützen.
Welchen Beitrag kann
die Zivilgesellschaft zur Bekämpfung des Salafismus leisten?
Ich wünsche mir, dass bei jeder Veranstaltung der Salafisten
in Deutschland mindestens die doppelte Menge an Menschen deutlich, aber
friedlich, ihren Unmut gegen diese Extremisten zum Ausdruck bringt. Wir müssen
ihnen die Lust verderben in der deutschen Öffentlichkeit aufzutreten.
Sie verfolgen unter
anderem die vielfältigen Netzaktivitäten deutscher Salafisten, für die der
Umgang mit neuen Medien, den sie versiert beherrschen, eine entscheidende Rolle
spielt. Welcher Mittel bedienen sie sich zur Vernetzung und zur Verbreitung
ihrer Propaganda?
Die Salafisten kommunizieren fast ausschließlich über
soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder auch Youtube. Sie geben sich hier
überaus modern und erreichen damit einen Großteil der Jugendlichen, die sich
ebenfalls über diese Netzwerke austauschen. Das Internet ist das entscheidende
Mittel der Salafisten. Diesen Kampf zu gewinnen ist nahezu unmöglich, aber es
wäre wichtig, wenn wir eine Task-Force
zur unwiderruflichen Löschung salafistischer Internetauftritte (z.Bsp.
DAWA-NEWS) einsetzen würden, die gleichzeitig in den sozialen Netzwerken zur
Verfolgung extremistischer Salafisten eingesetzt werden kann.
Anfang des Jahres
wurde ein bekannter islamistischer Aktivist verurteilt, nachdem er Sie im
Internet verunglimpft und Ihre Privatadresse veröffentlicht hatte. Im
vergangenen Jahr wurde gar zu Ihrer Ermordung aufgerufen. Wie leben Sie damit,
im Fadenkreuz von Fanatikern zu stehen?
Man lernt damit umzugehen. Soweit es möglich ist, versuche
ich meine Familie aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Gleichzeitig bekomme
ich durch unsere Sicherheitsbehörden Schutz. Es gibt Ansprechpartner, an die
ich mich in einem Bedrohungsfall direkt wenden kann. Gut für mich ist es
außerdem, dass ich durch meine politischen Aktivitäten auf diesem Gebiet
inzwischen öffentlich bekannt bin. Mit Drohungen und Anfeindungen habe ich
schon als Journalist leben müssen, damit komme ich inzwischen klar.
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Warszawski 29.07.2014 09:46
Bei den jetzigen Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza mit antisemitischen Untertönen aus dem islamischen Milieu, die eine Gefahr für die Demokratie sind, sind keine Salafisten beteiligt gewesen.