Erschienen in Ausgabe: No 102 (08/2014) | Letzte Änderung: 06.08.14 |
von Nathan Warszawski
Sanktionen erreichen nicht ihr
Ziel, insbesondere wenn die Ziele nicht benannt und nicht bekannt sind
Politische Entscheidungen zielen auf eine Richtung. Die Politiker
erhoffen sich durch ihre Entscheidung, etwas bestimmtes zu bewirken. Das, was
sie erreichen wollen, liegt in der Zukunft, die dem Menschen verborgen ist und
erst dann sichtbar wird, wenn der zukünftige Zeitpunkt schon lange abgelaufen
ist.
Ich erinnere an banale Ereignisse. Europäische Regierungen haben mit
Hilfe hoch bezahlter Experten Gesetzte verabschiedet, um ihren CO2-Ausstoß
zu minimieren. Trotz langer Debatten, hohen Mitteleinsatz und viel
Gehirnschmalz hat der CO2-Ausstoß zugenommen. Weit weniger lustige
Ereignisse sind Kriege, in denen der Westen und die Sowjetunion im Irak, in
Libyen und in Afghanistan hereingeschlittert sind. Die Alliierten haben die
Kriege geführt, um sie zu gewinnen, den Ländern Stabilität, Sicherheit und
Wohlstand zu garantieren. Heute wissen wir, dass kein einziges Kriegsziel
erreicht worden ist, die Sowjetunion hat in Afghanistan aufgehört zu existieren.
Statt Al-Qaida droht nun der Islamische Staat, dessen Brutalität in seinen
Anfängen uns in Europa bereits begegnet ist. Die bestialischen Anschläge werden
erst noch kommen!
Es geht nicht darum nachzuweisen, ob die politischen Entscheidungen richtig
oder falsch sind. Immerhin kennt jeder politische Entscheidungen, die sich als
richtig herausgestellt haben. Es geht hier darum aufzuzeigen, dass keine Entscheidung
ihr beabsichtigtes Ergebnis garantieren kann. Erschwerend kommt beim den
Sanktionen Russlands, dass wegen divergenten Meinungen innerhalb der EU und der
USA die Ziele, die erreicht werden sollen, nicht bekannt sind.
Folgende Ziele können vermutet werden, die Sanktionen rechtfertigen:
Russland soll den Krieg in der Ukraine beenden.
Russland soll die besetzte Ostukraine an die Ukraine zurückgeben.
Russland soll weiteren Ansprüchen auf Teile der Ukraine abschwören.
Russland soll die Krim an die Ukraine zurückgeben.
Russland soll sich verpflichten, keine weiteren
Passagierflugzeug-Abschüsse über dem Territorium der Ukraine zu tolerieren.
Zumindest beim vorletzten Punkt „Krim“ herrscht zwischen den
Mitgliedern der EU keine einhellige Meinung. Historisch und bevölkerungsmäßig ist
die Krim ein Teil Russlands. Doch auch die übrige Ukraine mit Ausnahme der an
Polen angrenzenden Gebiete ist Jahrhunderte lang ein integraler Bestandteil
Russlands gewesen. Dem letzten Punkt der Liste hat Putin bereits zugestimmt.
Manche Sanktionen sind von
Anfang an sinnlos
Die Sanktionen haben an Schärfe zugenommen, nachdem das Malaysische
Passagierflugzeug über den umkämpften Osten der Ukraine abgeschossen worden
ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben Separatisten das Flugzeug irrtümlich
vom Himmel geholt, weil sie es für eine Militärmaschine gehalten haben. Als
Konsequenz fliegen keine zivilen Flugzeuge mehr über die Ost-Ukraine. Ein
solches schlimmes Ereignis wird sich somit (hoffentlich) nicht wiederholen.
Wird der Tod der unschuldigen Passagiere durch Sanktionen rückgängig gemacht? Fühlen
sich die Angehörigen der Getöteten besser, wenn Russland mit Sanktionen belegt
wird?
Sanktionen als Rache
Wirtschaftliche Sanktionen sind ein vielschneidiges Schwert. Sie
schaden nicht nur Russland, sondern auch der EU. Die Schäden der EU mögen geringer
ausfallen als die Schäden für Russland. Doch was nützt es uns, den Europäern?
Fühlen wir uns besser, wenn wir die steigenden Energiekosten nicht begleichen
können, nur weil gleichzeitig die Russen frieren?
Als Konsequenz von Sanktionen ist eine wirtschaftliche Rezession in
Deutschland und Europa nicht auszuschließen. Die Politiker, die die Sanktionen beschließen,
werden auf Grund ihres Reichtums davon nicht berührt. Doch gibt es in Europa,
auch in Deutschland, Menschen, die am Rande des Existenzminimums leben. Sie
werden die Rezession schmerzhaft am eigenen Leib spüren. Sie werden die
Bestraften sein!
Die Wirkungslosigkeit von
Sanktionen, die von vornherein bekannt ist
Am Beispiel des Iran kann man die Wirkungslosigkeit von Sanktionen
hautnah miterleben. Trotz wirtschaftlicher Sanktionen ist der Iran keinen Jota
von seinem Ziel abgewichen, eine Atombombe zu bauen, um seine Nachbarn und den
Westen zu bedrohen. Lediglich die Wortwahl hat sich geändert. Die Sanktionen
haben das Iranische Volk verarmt, ohne dass es zum erhofften Aufstand der
Massen gegen das Mullahregime gekommen ist. Ein militärisches Ziel lässt sich
nicht wirtschaftlich erreichen! Wenn der Westen davon ausgeht, dass Iranische
Atomwaffen eine Gefahr für seine Sicherheit ist, muss es militärisch vorgehen,
um Erfolg haben zu können. Eine Garantie fürs Gelingen gibt es nicht. Es ist
jedoch garantiert, dass wirtschaftlicher Druck unwirksam ist. Nicht nur weil viele
europäische und deutsche Firmen die Sanktionen aus Gewinnsucht unterlaufen.
Russland als notwendiger
Partner geht verloren
Gemeinsames wirtschaften bedingt gemeinsame Politik. Es gibt einige
Brennpunkte, die nur mit Hilfe Russlands gelöst werden können. In Syrien und im
Irak geht das Morden weiter, über das derzeit aus Opportunität und Desinteresse
im Westen, wie im Osten, wie in der arabischen Welt geschwiegen wird. Unser
NATO-Verbündeter Türkei unterstützt und bekämpft gleichzeitig die Kurden, indem
er den Islamischen Staat militärisch unterstützt. Ein vom Westen sanktioniertes
Russland wird alles tun, Krisenherde zu erhalten, sogar wenn es sich selber
dadurch schadet. Putin wir es genügen, wenn der Westen ebenfalls geschädigt
wird. Seine strategische Verhaltensweise unterscheidet sich in Nichts von der
der EU und der USA.
Steigende Kriegsgefahr
Wenn der Westen die militärische Lage in der Ukraine zu seinen
Gunsten verändern will, muss es militärisch tätig werden! Das will und kann der
Westen nicht. Wirtschaftlicher Druck ist ein unvollkommener und nicht
ausreichender Ersatz. Sollte der Herrscher Russlands sich an die Wand gedrückt
sehen und keinen Ausweg mehr erkennen, dann könnte er den Krieg in der Ukraine auf
die Baltischen Staaten ausweiten. Teile des Baltikums sind von Russen
besiedelt. Putin rechnet damit, dass keiner seiner Gegner seinen
NATO-Bündnisverpflichtungen nachkommen wird. Sollte Putin sich irren, dann
findet 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges der letzte Weltkrieg statt.
Mit Sanktionen schaden wir
uns politisch und wirtschaftlich, ohne ein einziges Ziel
zu erreichen.
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